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Worum es geht
Sklaverei in der Komfortzone
Man stelle sich eine Gesellschaft vor, die unter einer Glaskuppel lebt. Ihre Mitglieder arbeiten, schlafen, lieben und konsumieren in dieser künstlichen Welt. Natürlich läuft das Leben nicht immer friedlich ab: Es gibt schon mal Streit mit dem Nachbarn, dem Chef oder den Politikern. Aber dann greifen bewährte Mechanismen der Deeskalation und Konfliktlösung. Niemand käme auch nur im Traum darauf, einen Blick auf die andere Seite der Glaskuppel zu riskieren oder gar sie zu zertrümmern. Warum auch: Es geht allen doch ganz ausgezeichnet, selbst der Ärmste ist noch zufrieden. So ist das Leben in der Komfortzone. Das ist keine Science-Fiction à la Brave New World oder Matrix, sondern eine Gesellschaftsbeschreibung aus der Sicht von Herbert Marcuse. Seine Zeit: die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Marcuse zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die von den Annehmlichkeiten eines Systems – egal ob kapitalistisch oder sozialistisch – eingelullt wird und sich das gern gefallen lässt. Medien, Politik und Wirtschaft ziehen an einem Strang, um das Individuum zufriedenzustellen und zu unterdrücken. Die Konsumwelt aus Luxus, Medien und Waren ist getarnte Sklaverei. Eine beunruhigende Bestandsaufnahme des modernen Kapitalismus. Lediglich der manchmal recht unzugängliche Stil schützt den Leser davor, dass ihm angst und bange wird.
Zusammenfassung
Über den Autor
Herbert Marcuse wird am 19. Juli 1898 in Berlin geboren. Mitten im Ersten Weltkrieg macht er sein Abitur und wird danach sofort zum Militärdienst eingezogen. Wegen eines Augenleidens muss er jedoch nicht an die Front. Ein Jahr vor Kriegsende wird er Mitglied der SPD, 1918 wählt man ihn in den Berlin-Reinickendorfer Soldatenrat, nach dem Vorbild der russischen Räte (Sowjets). Nach der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs 1919 tritt er aus der SPD aus. In Berlin und Freiburg studiert er Germanistik, Philosophie und Nationalökonomie. Er promoviert 1922 in Freiburg. Nach einer Zeit als Buchhändler in Berlin wird er 1929 Assistent von Martin Heidegger in Freiburg, von dem er sich aber wegen dessen Engagement für die Nationalsozialisten abwendet. 1933 wechselt er zum Frankfurter Institut für Sozialforschung. Da er jüdischer Abstammung ist, emigriert er noch im selben Jahr zunächst in die Schweiz, dann in die USA, wo er 1940 eingebürgert wird. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitet er für das „US Office of Strategic Services“, einen Vorläufer der CIA, und wertet Berichte über Deutschland aus. 1952 beginnt er politische Theorie in Columbia und Harvard zu lehren. Von 1954–1965 lehrt er an der Brandeis-Universität in Waltham, Massachusetts, und schließlich, bereits im Rentenalter, in San Diego an der Universität von Kalifornien. Marcuse widmet sich in seinen Veröffentlichungen insbesondere der Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Dabei verbindet er die Theorien von Karl Marx und Sigmund Freud, u. a. in Eros and Civilization (Triebstruktur und Gesellschaft, 1955) und in One-Dimensional Man (Der eindimensionale Mensch, 1964). Marcuses Arbeit findet ihren Widerhall in den Studentenprotesten, die er aktiv unterstützt. In den 60er und 70er Jahren hält er zahlreiche Vorträge vor Publikum in ganz Europa. Am 29. Juli 1979 stirbt er während eines Besuchs in Starnberg. Seine Asche wird erst 2004 auf den Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin überführt.
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In "Das Unbehagen in der Kultur" schreibt Freud über die "Menschheitsneurose" und sieht "Religion" als Hauptursache; während meine eigenen Erkenntnisse dahin gehen, daß die sogenannten "Religionen" - ebenso wie nichtreligiöse metaphysische Konzepte (Wissenschaft, Kommunismus) - sich erst entwickeln konnten längere Zeit nach Ausbruch der Kollektiven Neurose (vor ca. 15.000 oder auch 75.000 Jahren). Zahlreiche Anhänger konnten auch nur gefunden werden unter den vielen neurotisch entfremdeten Menschen.