William Faulkner
Als ich im Sterben lag
Rowohlt, 2014
Was ist drin?
Durch Flut und Feuer – wie eine arme Südstaatenfamilie der verstorbenen Mutter das letzte Geleit gibt.
- Stream of Consciousness
- Modernismus
Worum es geht
Eine schrecklich sture Familie
In nur sechs Wochen, und ohne im Nachhinein auch nur ein einziges Wort daran zu verändern, schrieb William Faulkner Als ich im Sterben lag, während seiner Nachtschichten als Aufseher in einem Heizwerk. Die tragikomische Odyssee einer armen Farmerfamilie, die sich aufmacht, den letzten Wunsch der verstorbenen Mutter zu erfüllen, gehört zu den Höhepunkten der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Als einer der ersten Autoren setzte Faulkner konsequent auf die Techniken des inneren Monologs und des Stream of Consciousness, um den Lesern die Welt aus der Perspektive seiner Figuren zu zeigen. Dabei löst sich das feste, objektive Gefüge der Welt zwangsläufig auf. Denn in Faulkners Figurenkosmos sieht und versteht jeder die Welt auf eine ganz eigene Art und Weise. Was die Mitglieder der Bundren-Familie jedoch eint, ist ihre ungeheure Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit: Die verstorbene Mutter soll, ihrem Wunsch gemäß, in ihrer Heimatstadt beerdigt werden. Davon kann die Bundrens nichts abhalten – weder Flut noch Feuer.
Take-aways
- William Faulkners Als ich im Sterben lag gehört zu den bedeutendsten Romanen der amerikanischen Literatur im 20. Jahrhundert.
- Inhalt: Nach dem Tod von Addie Bundren, einer armen Farmersfrau, macht sich deren Familie auf den Weg, um Addies letzten Wunsch zu erfüllen: in ihrer Heimatstadt Jefferson beerdigt zu werden. Die Fahrt dorthin – per Maultiergespann und mit Addies Leiche im Wagen – wird zu einer Odyssee, bei der sich Katastrophe an Katastrophe reiht.
- Als ich im Sterben lag ist einer der kürzesten, aber auch einer der innovativsten Romane Faulkners.
- Faulkner erzählt die Geschichte aus der Perspektive der auftretenden Figuren in 59 Monologen verschiedener Länge.
- Faulkner verleiht jeder Figur in den Monologen einen völlig eigenen Ausdruck, eine eigene Denk- und Erzählweise.
- Eines der Hauptmotive ist das Wesen der heroischen Tat, das Faulkner in all seiner Vielschichtigkeit ausleuchtet.
- Das sture Festhalten der Bundrens an ihrem Ziel sorgt für Komik und erinnert an literarische Typen wie Don Quijote.
- Im Figurengefüge nimmt Darl, dessen Sicht auf die Welt als besonders poetisch und einfühlsam beschrieben wird, eine Schlüsselposition ein.
- Als ich im Sterben lag ist einer der vier Romane, die Faulkner in seiner produktivsten Schaffensphase schrieb und die seinen Weltruhm begründeten.
- Zitat: „Ich hab ihr mein Ehrenwort gegeben, dass ich und die Jungen sie so schnell hinfahren würden, wie die Mulis laufen können, damit sie in Frieden schlafen kann.“
Zusammenfassung
Addie Bundrens letzter Tag
Addie Bundren liegt sterbenskrank im Bett. Ihr Kopf ist durch ein Kissen etwas erhöht, sodass sie durch das Fenster ihren ältesten Sohn Cash dabei beobachten kann, wie er Bretter für ihren Sarg zurechtsägt. Darl, Addies zweitältester Sohn, bewundert die Präzision und den Eifer, die Cash dabei an den Tag legt. An Addies Seite steht Dewey Dell, Addies Tochter, und fächelt ihr Luft zu.
„Ein guter Tischler. Addie Bundren könnte sich keinen besseren wünschen, keinen besseren Sarg für sich.“ (S. 8)
Addies Ehemann Anse sitzt unterdessen auf der Veranda mit Vernon Tull und klemmt sich einen Priem Kautabak hinter die Unterlippe seines zahnlosen Munds. Darl stößt zu den beiden Männern hinzu – und etwas später auch Jewel, Addies drittältester Sohn. Die vier Männer bereden, ob Darl und Jewel eine Fuhre Holz für Vernon ausliefern sollen, wofür Vernon ihnen 3 Dollar anbietet. Anse hat deswegen Bedenken, weil er befürchtet, dass Addie in Abwesenheit ihrer Söhne sterben könnte. Außerdem hat er Addie versprochen, sie nach ihrem Tod sofort nach Jefferson zu bringen, wo Addies Familie herstammt und wo sie begraben werden möchte. Darl versichert seinem Vater, dass sie bis zum Sonnenuntergang des folgenden Tages zurück sind. Schließlich stimmt Anse zu und Darl und Jewel reisen ab.
„Ich hab ihr mein Ehrenwort gegeben, dass ich und die Jungen sie so schnell hinfahren würden, wie die Mulis laufen können, damit sie in Frieden schlafen kann.“ (S. 21)
Am Abend macht sich der Arzt Dr. Peabody, nach dem Anse gerufen hatte, auf den Weg zu den Bundrens. Als er Addie in Augenschein nimmt, erkennt er, dass alle Mühe vergebens wäre – in ihren Augen erlischt gerade das Leben. Anse, Dewey Dell und Vardaman, der jüngste Sohn, stehen um sie herum. Bevor Addie stirbt, richtet sie sich noch einmal auf und ruft mit fester Stimme nach Cash. Durch das Fenster zeigt Cash ihr die Bretter, die er zurechtgesägt hat, und macht vor, wie er sie zusammenfügen wird. Eine Weile sieht Addie ihm zu, dann legt sie sich hin, wendet den Kopf noch einmal zu Vardaman und stirbt. Anse drängt Cash, den Sarg so schnell wie möglich fertig zu bauen, und befiehlt Dewey Dell, das Abendessen zuzubereiten. Dewey Dell verzweifelt an dem Gedanken, dass Peabody ihr helfen könnte, wenn er nur wüsste, in welcher Situation sie sich befände. Sie ist schwanger von Lafe, einem Hilfsarbeiter, und möchte das Kind abtreiben lassen. Es beginnt zu regnen.
„Sie sieht mich an. Ihre Augen wie Lampen, die kurz aufflackern, wenn das Petroleum verbraucht ist.“ (S. 46)
Cash arbeitet trotz Nacht und Regen unermüdlich weiter. Vardaman, der ihn beim Bauen beobachtet, ist von der Vorstellung verstört, dass seine Mutter in dem Sarg eingesperrt werden soll. Kurz vor Sonnenaufgang ist der Sarg fertig. Sie legen Addies Leichnam in den Sarg und nageln ihn zu. Am Morgen finden sie den Sarg voller Bohrlöcher vor – und Vardaman schlafend daneben. Als sie den Deckel des Sargs öffnen, sehen sie, dass der Bohrer an zwei Stellen in Addies Gesicht eingedrungen ist.
Aufbruch nach Jefferson
Am selben Tag findet die Trauerfeier von Addie Bundren statt. Dazu macht sich Tull auf den Weg zum Haus der Bundrens, zusammen mit Quick und Armstid, zwei anderen Farmern aus der Gegend. Unterwegs berichtet Quick, dass der nahegelegene Fluss Hochwasser habe und das Wasser immer noch steige. In dieser Situation die alte Brücke bei Tull zu benutzen, wie Anse es vorhat, um nach Jefferson zu gelangen, hält Armstid für keine gute Idee. Später bei der Trauerfeier stellt sich sogar heraus, dass die alte Brücke vom Hochwasser mitgerissen wurde.
Darl und Jewel, die mit dem Wagen im Unwetter einen Unfall hatten, kehren erst am nächsten Tag zurück. Doch nun können die Bundrens die Reise nach Jefferson endlich antreten. Anse wünscht sich, dass alle gemeinsam in dem Wagen fahren, in dem der Sarg mit der toten Addie liegt und vor den zwei Maultiere gespannt sind. Er meint, Addie hätte es sich so gewünscht. Doch Jewel besteht darauf, auf seinem eigenen Pferd neben den anderen zu reiten. Anse hält das für eine Missachtung der toten Mutter. Als sie Tulls Grundstück passieren, fängt Darl an zu lachen. Genau wegen so eines Verhaltens, glaubt Anse, komme Darl ins Gerede. Cash merkt an, die Leiche werde bald anfangen zu riechen.
„Ich hab ihm gesagt, er soll nicht mit dem Pferd kommen, aus Achtung vor seiner toten Ma, denn wie würde das aussehn, er auf einem verdammten Zirkusgaul, der neben uns hertänzelt, wo sie doch gewollt hat, dass wir alle im Wagen mit ihr fahren, alle, die von ihrem Fleisch und Blut sind.“ (S. 99)
Die Brücke, die sie überqueren wollen, um nach Jefferson gelangen, ist wie die alte Brücke bei Tull durch das Hochwasser zerstört worden. Darüber benachrichtigt sie Samson, ein Farmer, an dessen Hof die Bundrens vorbeifahren. Es ist bald Abend und Samson lädt die Bundrens ein, bei ihm zu übernachten und Abendbrot zu essen. Anse will jedoch nicht von Addies Sarg weichen und auch das Essen lehnt er mit dem Hinweis ab, keine Umstände machen zu wollen. Trotz mehrfacher Versuche von Samson, sie umzustimmen, verbringen die Bundrens die Nacht in Samsons Scheune.
Die Überquerung des Flusses
Ohne sich zu verabschieden, verlassen sie früh am Morgen Samsons Hof und fahren zurück in Richtung Tulls Brücke. Als Tull sie an seinem Grundstück vorbeiziehen sieht, steigt er auf sein Maultier, um ihnen ans Ufer zu folgen. Von der alten Brücke sind nur noch die beiden Pfeiler zu sehen. Der Rest ist abgesunken oder fortgespült.
„Der Kopf des einen Maultiers taucht auf, die Augen weit aufgerissen; es sieht zu uns zurück und stößt einen fast menschlichen Schrei aus. Der Kopf geht wieder unter.“ (S. 141)
Anse entscheidet, dass er, Dewey Dell und Vardaman über die halb zerstörte Brücke vorangehen und Cash, Darl und Jewel mit dem Wagen den Fluss an einer Furt durchqueren sollen. Tull folgt Anse über die Brücke. Vom anderen Flussufer aus hilft Tull den drei Brüdern, eine flache Stelle zu finden, um den Wagen auf die andere Seite zu führen. Der Versuch endet in einem Debakel: Plötzlich schießt ein Baumstamm aus dem Wasser und kracht auf das Gespann. Die Maultiere werden vom Wagen getrennt und ertrinken, und beim Versuch den Wagen und den Sarg aus der Strömung zu retten, bricht Cash sich ein Bein. Jewel gelingt es gerade noch, mithilfe eines Seils Wagen und Sarg an Land zu ziehen. Auch einige von Cashs Werkzeugen, die beim Umkippen des Wagens verloren gingen, kann Jewel bergen. Cash liegt währenddessen bewusstlos am Ufer neben seinem Erbrochenen.
Einige Erinnerungen Addies
Addie erinnert sich, wie sie vor der Ehe als Lehrerin gearbeitet hat. Im Unterricht wartete sie darauf, dass die Kinder sich falsch verhielten, um sie züchtigen zu können. Das Züchtigen der Kinder bereitete ihr Genuss. Dann erinnert sie sich, wie Anse, den sie kaum kannte, lieblos um ihre Hand anhielt. Sie heiratete ihn und begann bald, ihn zu hassen. Innerlich erklärte sie ihn für tot. Als sie Cash bekam, lernte sie, dass Wörter nutzlos sind, weil sie nichts bedeuten.
„Damals lernte ich, dass Wörter keinen Sinn haben, dass Wörter nie passen, einerlei, was sie auszudrücken versuchen.“ (S. 163)
Die Geburt ihrer Kinder empfand sie als Angriff und Verletzung ihres Alleinseins. Sie erinnert sich an eine Affäre mit Whitfield, dem Pfarrer, und an ein heimliches Treffen im Wald, bei dem Jewel gezeugt wurde. Ihr Vater hatte ihr immer gesagt, dass der Sinn des Lebens darin bestehe, sich auf das Totsein vorzubereiten. Irgendwann verstand sie, was er damit meinte. Aus Verpflichtung gegenüber Anse gebar sie Dewey Dell und Vardaman. Danach war sie bereit, zu sterben.
Anse erwirbt ein neues Gespann
Jewel reitet voran, um von Armstid, dessen Farm nicht weit entfernt liegt, Maultiere zu leihen. Cash ist noch immer benommen und muss sich erbrechen. Er wird auf den Sarg gehievt. Als Jewel mit Armstids Maultieren zurückkehrt, fahren die Bundrens zu Armstids Hof, wo sie die Nacht verbringen.
Am nächsten Morgen reitet Anse zu Snopes, einem Farmer, von dem er neue Maultiere kaufen will. Armstid bietet Anse zwar an, dass er selbst ihm doch ein Gespann für die Fahrt leihen könne, doch Anse lehnt ab. Er glaubt, Addie wäre es nicht recht, von geliehenen Maultieren nach Jefferson gezogen zu werden.
„Sie sagten immer noch nichts. Sie sahen ihn nur an, warteten, und er ließ den Blick zu ihren Füßen gleiten und an ihren Beinen rauf, aber nicht höher. Und das Pferd, sagt er.“ (S. 181)
Der Gestank aus dem Sarg ist mittlerweile so bestialisch, dass immer mehr Bussarde davon angelockt werden. Am Nachmittag kehrt Anse zurück und erklärt, ein neues Maultiergespann erworben zu haben. Auf Nachfrage rückt er nach und nach damit heraus, was er dafür eingetauscht hat: einige Geräte seiner Farm; Geld, das Cash gespart hatte, um davon in Jefferson ein Grammofon zu kaufen; Geld, dass Anse selbst gespart hatte, um sich davon in Jefferson ein neues Gebiss zu kaufen – und Jewels Pferd, das der sich mühsam erspart hatte. Auf diese Nachricht hin spuckt Jewel aus, schwingt sich in den Sattel und reitet davon. Es sieht so aus, als käme Anses Deal nicht zustande. Doch am nächsten Morgen erscheint ein Arbeiter von Snopes Farm mit einem Maultiergespann und berichtet, dass Jewels Pferd bei Snope aufgetaucht sei.
Zwischenstopp in Mottson und das Feuer in der Scheune
Von mittlerweile zehn Bussarden verfolgt, setzen die Bundrens ihre Reise mit den neuen Maultieren fort und erreichen bald eine kleine Ortschaft namens Mottson. Dort sucht Dewey Dell heimlich eine Apotheke auf, um sich ein Abtreibungsmittel zu besorgen. Lafe hatte ihr 10 Dollar mitgegeben und behauptet, damit ließe sich ein solches Mittel in der Apotheke erwerben. Trotz ihrer verzweifelten Bitten lehnt der Apotheker es ab, ihr zu helfen. Er meint, sie solle die 10 Dollar benutzen, um Lafe zu heiraten.
„Sie gehen zurück zu Lafe, und sie und er benutzen die zehn Dollar dazu, sich trauen zu lassen.“ (S. 193)
In der Zwischenzeit hat Darl Zement erworben, mit dem sie Cashs Bein fixieren wollen. Cash meint, er könne die Schmerzen noch bis Jefferson aushalten, aber sein Einwand wird übergangen. Nachdem sie den Zement angemischt und über Cashs Bein gegossen haben, sehen sie Jewel herbeikommen. Wortlos steigt er in den Wagen und sie fahren weiter. Die folgende Nacht verbringen sie auf Gillespies Farm. In dieser Nacht versucht Vardaman herauszufinden, wohin die Bussarde, die ihnen am Tag folgen, in der Nacht verschwinden. Dabei beobachtet er zufällig, wie Darl ein Feuer in der Scheune legt, in der Addies Sarg liegt. Vardaman meldet das Dewey Dell. Die sagt ihm, er solle es für sich behalten.
„Und dann wartete ich, und ich sagte: Dewey Dell? und wartete, und dann ging ich, um herauszufinden, wo sie sich in der Nacht aufhalten, und dann sah ich etwas, von dem Dewey Dell sagt, ich darf es niemandem sagen.“ (S. 204 f.)
Jewel eilt in die brennende Scheune und hält am Sarg an, wird aber von Darl aufgefordert, zuerst die Pferde zu retten; ihm folgen Gillespie und dessen Sohn Mack. Nachdem die Pferde und die anderen Tiere gerettet sind, rettet Jewel unter Einsatz seines Lebens auch noch den Sarg. Er erleidet dabei schwere Verbrennungen am Rücken, die Dewey Dell mit Butter und Ruß behandelt. Den Sarg legen sie unter einen Baum. Später entdeckt Vardaman dort Darl, wie er auf dem Sarg liegt und weint. Unterdessen ist Cashs Bein wegen des Zements schwarz angelaufen.
Ankunft in Jefferson
Anse, Jewel und Cash besprechen, was sie tun sollen, denn irgendwie hat Gillespie erfahren, dass es Darl war, der die Scheune in Brand gesteckt hat. Wollen sie einer Klage durch Gillespie entgehen, müssen sie Darl für verrückt erklären und in eine Nervenanstalt einweisen lassen. Jewel plädiert dafür, Darl sofort zu fesseln, bevor er noch mehr Schaden anrichten kann. Cash spricht sich dagegen aus: Wenigstens die Beerdigung der Mutter soll Darl noch erleben dürfen.
„Zum Teufel, willst du warten, bis er auch noch das elende Gespann und den Wagen anzündet?“ (S. 220)
In Jefferson angekommen, bemerkt Anse, dass sie vergessen haben, einen Spaten mitzubringen, um auf dem Friedhof ein Loch für den Sarg auszuheben. Er lehnt Darls Vorschlag ab, einen Spaten zu kaufen. Vor einem Haus, aus dem Musik von einem Grammofon erklingt, hält er an und geht hinein, um einen Spaten zu leihen. Nach einiger Zeit kehrt er mit zwei Schaufeln zurück und sie fahren zum Friedhof.
Gleich nach der Beerdigung tauchen zwei Männer auf, die Darl festnehmen und zur Nervenanstalt bringen sollen. Darl wehrt sich mit aller Gewalt, doch die Männer schaffen es – mithilfe von Anse, Jewel und Dewey Dell – ihn zu überwältigen. Irgendwann hört Darl auf, sich zu wehren, und fängt zu lachen an. Immer weiter lacht er und hört gar nicht mehr auf.
„Er saß auf der Erde, und wir sahen ihn an, und er lachte und lachte. Es war schlimm.“ (S. 226)
Dr. Peabody ist entsetzt über den Zustand von Cashs Bein und die vermeintliche Behandlung mit dem Zement. Er schimpft auf Anses Dummheit und meint, Cash werde sein restliches Leben lang humpeln, wenn er überhaupt wieder werde gehen können.
Noch immer auf der Suche nach einem Abtreibungsmittel sucht Dewey Dell eine weitere Apotheke auf. MacGowan, ein Angestellter der Apotheke, gibt sich ihr gegenüber als Arzt aus. Er drückt ihr ein nach Terpentin riechendes Medikament in die Hand und fordert sie auf, abends wiederzukommen, sodass er die dann noch notwendige Operation durchführen kann. Zum Zweck dieser angeblichen Operation soll Dewey Dell ihm dann in den Keller folgen. Hinterher ist sie sich sicher, dass die Operation nicht gewirkt hat. Sie hält MacGowan für ein Schwein.
„Das sind Cash und Jewel und Dewey Dell und Vardaman, sagt Pa (…) Sagt Hallo zu Mrs. Bundren, sagt er.“ (S. 248)
Am nächsten Morgen bittet Anse die anderen, die Maultiere für die Rückreise schon anzuspannen, während er noch einmal verschwindet. An der verabredeten Ecke sehen sie ihn dann eine Weile später auf sie zukommen. Er trägt stolz ein neues Gebiss und eine Frau läuft hinter ihm. Bei genauerem Hinsehen erkennt Cash, dass die Frau keine Tasche trägt, wie er zuerst dachte, sondern ein kleines Grammofon. Anse stellt seinen Kindern die Frau als Mrs. Bundren vor.
Zum Text
Aufbau und Stil
Als ich im Sterben lag ist einer der kürzesten Romane Faulkners, gleichzeitig aber auch einer der innovativsten und von Kritikern am meisten bewunderten. Die Geschichte wird in 59 Monologen von jeweils unterschiedlicher Länge erzählt – die meisten davon aus der Perspektive von Mitgliedern der Bundren-Familie. In 16 der Monologe geben Außenstehende ihre Perspektive auf die Familie und deren Odyssee wieder. Die Abfolge der Kapitel entspricht dabei nicht immer der Chronologie der Ereignisse. Besonders der einzige Monolog Addie Bundrens sticht aus der Chronologie heraus, da er auf die Flussüberquerung folgt – lange also, nachdem Addie bereits tot im Sarg liegt. Seine stilistische Virtuosität beweist Faulkner, indem er jeder der erzählenden Figuren einen ganz eigenen poetischen Ausdruck, eine einzigartige Stimme verleiht. Dafür verwendet er an vielen Stellen die Technik des Bewusstseinsstroms (auch Stream of Consciousness), womit er dem Leser einen unmittelbaren Zugang zu den innersten Gedanken, Wahrnehmungen und Empfindungen der jeweiligen Figur erlaubt. So sind etwa die von Darl erzählten Kapitel reich an poetischen Bildern, Darl nimmt die Natur, die Farben und das Licht wahr; Vardamans Kapitel hingegen bilden eher eine Folge loser Assoziationen, die den Bewusstseinszustand eines heranwachsenden Kindes darstellen.
Interpretationsansätze
- Eines der Hauptmotive des Werkes ist das Wesen der heroischen Tat, das Faulkner in aller Vielschichtigkeit ausleuchtet. So kann das Unternehmen der Bundrens, den letzten Willen der verstorbenen Mutter gegen alle Widerstände zu erfüllen, als heroisch verstanden werden. Doch Faulkner vermischt Heroisches fortwährend mit Groteskem, indem er es aus verschiedenen Perspektiven zeigt, und macht es somit fragwürdig.
- Die Komik des Werkes verdankt sich großteils der Unbeirrbarkeit der Protagonisten. Mit ihrem sturen Festhalten an einem einmal festgesetzten Ziel erinnern die Bundrens an weitere tragikomische Helden der Weltliteratur wie den Don Quijote von Miguel de Cervantes.
- In Addies Erinnerungen sehen Kritiker das heimliche Zentrum des Werkes. Addies Hass auf Anse, der hier offenbar wird, steht dabei in einem ironischen Verhältnis zu dessen bedingungsloser Bereitschaft, ihren letzten Willen zu erfüllen. In diesem Sinne lässt sich Addies letzter Wille als Rache für ein unglückliches Leben deuten.
- In dem komplexen Figurengefüge des Werkes hat Darl eine Schlüsselposition inne. Er ist die einzige Figur, deren einfühlsame, poetische und detaillierte Berichte von Verständnis gegenüber seiner Familie zeugen. Darls Beobachtungen scheinen darum die wesentlichsten Einsichten über die anderen Figuren zu enthalten. Seine Einweisung in die Irrenanstalt scheint vor diesem Hintergrund auf eine ironische Art und Weise nur folgerichtig – der einzig Sehende wird aus der Gemeinschaft der Verblendeten ausgeschlossen.
Historischer Hintergrund
Die Geburt der Konsumgesellschaft – die USA in den 1920er-Jahren.
Die 1920er-Jahre waren in den USA eine Zeit dramatischer sozialer und politischer Veränderungen. So lebten im Lauf der 1920er zum ersten Mal mehr Amerikaner in Städten als auf dem Land. Frauen erhielten das Wahlrecht, die ersten Radiostationen nahmen ihren Betrieb auf, afroamerikanische Kultur wie Jazz- und Bluesmusik begann das Land zu erobern, und dank rasanter technischer Fortschritte in der Produktion – besonders in den Fabriken Henry Fords – wurden Autos vom Luxusgut zur Massenware.
Zwar fiel die USA wie die meisten Länder der Welt unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 in eine kurze und heftige Wirtschaftskrise, von 1920 bis 1929 jedoch verdoppelte sich der gesellschaftliche Reichtum. Eine neue Mittelschicht, deren Lebensstil auf Konsum ausgerichtet war, bildete sich heraus und leitete den Übergang in die moderne Konsumgesellschaft ein. Gleichzeitig begünstigte der Siegeszug des Kinos die Entstehung der Massenkultur: Millionen von Menschen strömten zusammen, um Filmstars wie Charlie Chaplin zu sehen.
Doch nicht alle profitierten gleichermaßen vom wirtschaftlichen Aufschwung: Farmer, Afroamerikaner und die Arbeiter in den alten Industrien wie dem Bergbau oder den Textilfabriken waren vom neuen Reichtum größtenteils ausgeschlossen. Besonders die Bewohner der agrarisch geprägten Südstaaten litten unter dem enormen Verfall der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Mit der zunehmenden Industrialisierung der amerikanischen Wirtschaft war es schlicht nicht mehr notwendig, dass die Hälfte der Bevölkerung auf Farmen arbeitete. Aber viele Menschen hingen an dieser Lebensweise: wirtschaftlich, finanziell, kulturell und psychologisch.
Entstehung
Als William Faulkner Anfang 1925 für einige Monate nach New Orleans zog, war er 27 Jahre alt und als Dichter noch weitgehend unbekannt. Seine erste Buchveröffentlichung – ein Gedichtband, der im Jahr zuvor erschienen war – hatte weder Kritik noch Publikum überzeugen können. In New Orleans wollte Faulkner nur kurz bleiben, um sich nach Europa einzuschiffen. Europäische Großstädte wie Paris und Berlin galten vielen als Zentren der literarischen Avantgarde – auch Schriftsteller wie Robert Frost, Ernst Hemingway und Ezra Pound hatten dort ihr Glück versucht.
Ganz so schnell ließ sich die Überfahrt nach Europa dann aber nicht organisieren. Dafür hatte Faulkner in New Orleans eine Begegnung, die für seine spätere Literatur wegweisend werden sollte: Er freundete sich mit dem etablierten Schriftsteller Sherwood Anderson an. Der gab Faulkner einen im Rückblick prophetischen Ratschlag: „Du bist ein Junge vom Land. Das Einzige, was du wirklich kennst, ist jenes Fleckchen Erde in Mississippi, von dem du stammst.“ Faulkner schrieb jedoch zunächst noch einen Roman über die Folgen des Ersten Weltkriegs, den er nicht selbst erlebt hatte, und einen weiteren satirischen Roman über Künstler, die er offensichtlich verachtete, bis er Andersons Ratschlag endlich beherzigte: Ende 1927 beendete Faulkner seinen ersten Roman, der im fiktiven Yoknapatawpha County spielte – einer dichterischen Nachbildung des Lafayette County in Mississippi, aus dem Faulkner stammte. Damit begann Faulkners produktivste Schaffensperiode. Innerhalb von nur vier Jahren schrieb er vier Romane, die seinen weltweiten Ruhm begründen sollten und die alle in Yoknapatawpha County spielten.
Im Sommer 1929 heiratete Faulkner Estelle Oldham, seine Jugendliebe, nachdem diese sich von ihrem ersten Mann hatte scheiden lassen. Mit zwei Kindern aus Oldhams erster Ehe zog das frisch getraute Paar im Herbst nach Oxford, Mississippi, wo Faulkners Mutter lebte. Faulkner, dessen Büchern noch kein ökonomischer Erfolg beschieden war, nahm eine Anstellung als Aufseher im Heizwerk der dortigen Universität an. Während seiner Nachtschichten im Heizwerk und innerhalb von nur sechs Wochen verfasste er den Roman Als ich im Sterben lag. Später berichtete er, stets von Mitternacht bis vier Uhr früh geschrieben und im Nachhinein kein Wort verändert zu haben. Über den Roman, den er selbst für ein Meisterwerk hielt, sagte er: „Ich nahm diese Familie und setzte sie den zwei größten Katastrophen aus, die Menschen kennen: der Flut und dem Feuer.“
Wirkungsgeschichte
Als ich im Sterben lag erschien im Oktober 1930. Viele Kritiker waren – wie bereits beim Vorgänger Schall und Wahn – hellauf begeistert. In einer Kritik des Cleveland Plain Dealers hieß es etwa: „Ich weiß nicht viel über diesen Herrn Faulkner. Aber jetzt, da ich sehe, dass Schall und Wahn nicht sein einziges Meisterwerk bleibt, bin ich überzeugt, dass er eines der zwei oder vielleicht drei großen Genies unserer Generation ist.“
Als ich im Sterben lag wird regelmäßig zu den besten Romanen des 20. Jahrhunderts gezählt und gilt als einer der Gründe für die Vergabe des Nobelpreises an Faulkner 1949. Es existieren zahlreiche Adaptionen für Bühne, Radio und Film. So dramatisierte der Regisseur Jean-Louis Barrault den Stoff 1935 fürs Theater und die Choreografin Valerie Bettis entwickelte 1948 eine gefeierte Tanzproduktion basierend auf Faulkners Werk. Der Schauspieler und Regisseur James Franco verfilmte Faulkners Roman 2013 und trat dabei selbst in der Rolle des Darl Bundren auf.
Über den Autor
William Faulkner (ursprünglich: Falkner) stammt aus einer der aristokratisch geprägten Gutsherrenfamilien des amerikanischen Südens. Er wird am 25. September 1897 in New Albany, Mississippi, geboren. Sein Urgroßvater väterlicherseits hat eine gewisse historische Rolle in Mississippi als Konföderierten-Offizier im amerikanischen Bürgerkrieg gespielt sowie als Stadtgründer, Initiator einer Eisenbahnlinie und als Verfasser mehrerer Romane. William Faulkner selbst beendet ein Literaturstudium ohne Abschluss und meldet sich im Ersten Weltkrieg als Pilot bei der kanadischen Luftwaffe, ohne jedoch zum Kriegseinsatz zu kommen. In den 1920er-Jahren arbeitet er in verschiedenen Berufen, schreibt und veröffentlicht erste Arbeiten (Gedichte und einen Kriegsroman). 1929 gelingt ihm der erste Bucherfolg: Sartoris ist ein Familienroman über den alten Süden vor dem Hintergrund der verfallenden Südstaatengesellschaft, behandelt also ein ähnliches Thema wie Schall und Wahn (The Sound and the Fury), das im selben Jahr erscheint. Von 1932 an bis in die 1950er-Jahre arbeitet Faulkner in Hollywood als Drehbuchautor für alle großen Studios; unter anderem stammen die Skripte für zwei berühmte Filme unter der Regie von Howard Hawks aus seiner Feder: Tote schlafen fest (The Big Sleep, 1946) nach Raymond Chandler sowie Haben und Nichthaben (To Have and Have Not, 1944) nach Ernest Hemingway. Faulkner heiratet zweimal, hat mehrere Geliebte und ist beinahe zeitlebens berühmt für seinen übermäßigen Alkoholkonsum. 1949 wird ihm der Literaturnobelpreis verliehen. Faulkner weigert sich zunächst, nach Stockholm zu reisen, aber das amerikanische Außenministerium und seine Familie überreden ihn schließlich mit dem Argument, es wäre eine Schande für Amerika, wenn er es nicht täte. In den 1950er-Jahren arbeitet Faulkner auch als Dozent an Universitäten, vor allem in Charlottesville, Virginia, und wird mit Ehren überhäuft. Zweimal erhält er den Pulitzerpreis (1955 und 1963). 1962 übersteht er noch zwei Reitunfälle, stirbt aber am 6. Juli desselben Jahres an einem Herzschlag.
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