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Anabasis

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Anabasis

De Gruyter,

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10 Take-aways
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Was ist drin?

Was für den Lateinschüler De bello gallico, ist für den Griechischschüler die Anabasis.


Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Griechische Antike

Worum es geht

Ein Militärbericht wird zur literarischen Stilikone

Der Bericht über einen griechischen Heeresverband, der sich während anderthalb Jahren auf einem Rückzugsmarsch von Persien in die Heimat befindet, galt schon in der Antike als literarisches Meisterwerk. Vor allem hinsichtlich des Stils und des Aufbaus ist die Anabasis des Atheners Xenophon bis heute ein Muster für klassisches Griechisch und für ein anschauliches Geschichtsbuch. Überall, wo das große Heer mit seinem riesigen Tross durchzieht, fürchten die Bewohner, von den Griechen bekriegt zu werden. Kein Problem ist so dringend und so allgegenwärtig wie die Versorgung mit Nahrung. Proviant wird meistens geraubt und nicht gekauft. Hauptsächlich deswegen kommt es während des ganzen Rückzugs immer wieder zu Gefechten. Die vorliegende Übersetzung aus dem Jahr 1954 liest sich zwar recht flüssig, irritiert aber bisweilen mit ahistorischen Ausdrücken wie „Biwak“, „Frühstück“ oder dem „richtigen Gleis“. Am farbigen Bild des antiken Alltags, das Xenophon dem Leser vermittelt, ändert dies freilich nichts.

Take-aways

  • Die Anabasis ist Xenophons Bericht über einen Feldzug und den Rückmarsch eines griechischen Söldnerheers in Persien.
  • Inhalt: Unter einem Vorwand wirbt der persische Königssohn Kyros 10 000 griechische Söldner an, um seinen Bruder Artaxerxes vom Thron zu stoßen. Doch Kyros fällt in der entscheidenden Schlacht; die wichtigsten Feldherren werden ermordet. Mitten im Feindesland wählen die griechischen Soldaten den mitreisenden Zivilisten Xenophon zum Anführer eines anderthalbjährigen gefährlichen und strapaziösen Rückmarschs.
  • Die Anabasis entstand erst 30 Jahre nach den erzählten Ereignissen.
  • Der Bericht könnte als Rechtfertigung Xenophons gesehen werden, da am Ende des Zuges noch Soldzahlungen ausstehend waren.
  • Xenophons Werk ist schnörkellos und nüchtern, aber abwechslungsreich und mit Einfühlungsvermögen geschrieben.
  • Die Erzähltechnik, Abläufe zu raffen und gleichzeitig charakteristischen Szenen Raum zu geben, wurde für historische Sachbücher vorbildlich.
  • Das Buch enthält zahlreiche Informationen über seine Epoche und galt schon in der Antike als Wissensschatz.
  • Xenophon schildert Menschen anhand von Worten und Taten, nicht durch Motive und Emotionen; er psychologisiert nicht.
  • Diskussionskultur ist ein wichtiger Teil der militärischen Führung – über das Vorgehen des Heeres wird ganz demokratisch abgestimmt.
  • Zitat: „Und bald schon hören sie, wie die Soldaten ‚Das Meer! Das Meer!‘ rufen und wie das Wort von Mann zu Mann weitergegeben wird.“

Zusammenfassung

Der Tod des Perserkönigs

Als der persische Großkönig Dareios im Sterben liegt, wünscht er seine beiden Söhne noch einmal zu sehen. Der jüngere Kyros eilt von Sardes aus in Begleitung seines vermeintlichen Freundes Tissaphernes herbei. Sardes liegt unweit der griechisch-ionischen Städte Ephesos und Milet, in der Nähe der Ägäis. Kyros amtiert in Sardes als persischer Satrap, als Statthalter. Vor Kyros’ Ernennung war der persische General Tissaphernes hier Satrap. Nach Dareios’ Tod tritt der ältere Sohn Artaxerxes die Thronfolge an. Tissaphernes behauptet gegenüber Artaxerxes, sein Bruder trachte ihm nach dem Leben. Kyros wird gefangen genommen. Nur den Bitten seiner Mutter bei Artaxerxes verdankt er Leben und Freiheit. So kehrt er schließlich auf seinen Posten in Sardes zurück.

Kyros sammelt heimlich Truppen

Dank seiner gewinnenden Persönlichkeit unterhält Kyros gute Beziehungen zu den griechischen Städten an der Ägäisküste und ebenso zu Griechen in Thessalien, Böotien und auf dem Peloponnes. Es gelingt ihm, durch seine Kontakte zu einflussreichen Heerführern unauffällig Söldnertruppen anzuwerben. Diese bleiben vorläufig an ihren Standorten und halten sich bereit.

„Nachdem Dareios gestorben war und Artaxerxes die Herrschaft angetreten hatte, verleumdete Tissaphernes den Kyros bei seinem Bruder: Er trachte ihm nach dem Leben.“ (S. 7)

Unter dem Vorwand, das Bergvolk der Pisider aus seiner Satrapie vertreiben zu wollen, ruft Kyros seine griechischen Verbündeten herbei. Zu deren wichtigsten Anführern zählen der aus Sparta verbannte Klearchos und der Böote Proxenos. Dieser hat seinen Freund Xenophon eingeladen, an dem Feldzug teilzunehmen. Xenophon ist Zivilist, kein Militär. Eine Musterung am Fluss Mäander ergibt, dass 11 000 Schwerbewaffnete und 2000 Leichtbewaffnete zur Verfügung stehen. Dazu kommt der Tross mit Schild- und Waffenträgern, Versorgung und nicht zuletzt Dirnen – ein sehr großes Heer. Als Tissaphernes vom Umfang von Kyros’ Streitmacht erfährt, erkennt er, dass sie viel zu groß ist, um lediglich die Pisider zu bekriegen. Er zieht die richtigen Schlüsse und reitet zu Artaxerxes. Dieser rüstet gegen seinen Bruder.

Kyros macht sich auf den Weg//

//In vielen Tagesmärschen zieht Kyros’ Heer durch die Landschaften und Städte Kleinasiens. Bei der Stadt Kaystrupedion trifft Kyros auf die kilikische Königin Epyaxa, die ihm entgegengereist ist. Er gewinnt ihre Gunst und sie leiht ihm so viel Geld, dass er den seit Monaten ausstehenden Sold bezahlen kann. Unterwegs werden zudem Götterfeste gefeiert sowie Wettspiele und Paraden veranstaltet.

„Sie hatten schon Verdacht, es gehe gegen den Großkönig, sagten aber, sie seien nicht dazu angeworben.“ (über die Soldaten, S. 23)

Beim Einmarsch ins fruchtbare und reiche Kilikien verständigt sich Kyros diplomatisch mit dem Kilikerkönig, dem Gatten Epyaxas, der ihm ebenfalls viel Geld gibt. Den Soldaten kommt nun erstmals der Verdacht, der Zug könnte in Wirklichkeit gegen den persischen Großkönig gerichtet sein. Der Spartaner Klearchos äußert diese Vermutung in langen Ansprachen. Kyros erklärt nun, er wolle gegen einen Rivalen, den Satrapen von Phönizien, vorgehen, der zwölf Tagesmärsche entfernt am Euphrat stehe. Er verspricht eine Solderhöhung, und Klearchos’ Männer erklären sich bereit, ihm zu folgen. An der kilikischen Küste stoßen per Schiff weitere Truppen aus Sparta zu Kyros, darunter ein Verband unter der Führung von Cheirisophos.

Der Weg nach Mesopotamien

Das Heer verlässt die Küste und zieht durch die immer trockeneren Gebiete Phöniziens und Syriens zum Euphrat. Unterwegs können sich die Soldaten nur von Jagdbeute wie Gazellen und Wildeseln ernähren. Man sichtet auch Strauße, kann sie aber nicht fangen. Viele Lasttiere verenden, weil sie kein Gras mehr finden. Am Euphrat angekommen, enthüllt Kyros den Feldherren endlich, dass der Feldzug doch gegen Artaxerxes gerichtet ist. Die Soldaten überzeugt er später in einer Ansprache von seinem Vorhaben: Er stellt ihnen Ruhm und Reichtum in Aussicht, wenn sie den Perserthron für ihn erobern, und schmeichelt ihnen, indem er sie die tüchtigsten Kämpfer nennt. Dabei verhehlt er ihnen nicht die gewaltige Übermacht der Perser. Der Euphrat wird überschritten und Kyros’ Griechen ziehen weit nach Mesopotamien hinauf, Richtung Babylon.

Die Schlacht von Kunaxa

Bei dem Ort Kunaxa stellt sich Artaxerxes dem Heer mit einer riesigen Streitmacht in den Weg. Durch Xenophon lässt Kyros den Soldaten mitteilen, die aus den Eingeweiden der Opfertiere herausgelesenen Vorzeichen seien günstig. In der Schlacht behalten die Griechen an den Flanken die Oberhand. Doch im Zentrum fällt Kyros im Kampf gegen Artaxerxes – mitsamt seiner Leibgarde. Artaxerxes lässt ihm den Kopf und die rechte Hand abschlagen und plündert das Lager der Griechen, während diese noch auf dem Schlachtfeld die Perser verfolgen. Als die Griechen am Abend in ihr Zeltlager zurückkommen, sind ihre 400 Lastkarren mitsamt den Vorräten weg. Von Kyros’ Tod erfahren sie erst am nächsten Morgen. Mit ihm starb derjenige von Dareios’ Söhnen, der eigentlich besser zum Herrschen geeignet war.

Verhandlungen mit den Persern

Die Griechen können nicht in dem wüstenartigen Kunaxa bleiben, da ihnen die Vorräte ausgegangen sind. Bei der Erörterung des weiteren Vorgehens tut sich Klearchos hervor. Dank seiner klugen Argumente wird er wie von selbst zum neuen Oberbefehlshaber. Das griechische Heer weigert sich, sich durch Ablieferung der Waffen dem Großkönig zu unterwerfen. Nach längeren Debatten entscheiden die Griechen, für den Rückzug eine andere Route zu wählen. Der Wüstenweg scheidet mangels Verpflegungsmöglichkeiten aus. In Verhandlungen mit Tissaphernes, dem einstigen Rivalen von Kyros, setzt Klearchos einen friedlichen Abzug Richtung Norden durch. Das Heer zieht zunächst durch fruchtbare, bewässerte Gegenden am Tigris. Zwar werden die Griechen von persischen Truppen unter Tissaphernes mit gewissem Abstand verfolgt und beobachtet, aber immer wieder verständigen sich Klearchos und Tissaphernes in direkten Gesprächen. Eines Tages lädt Tissaphernes Klearchos mitsamt den wichtigsten griechischen Heerführern ins persische Lager ein. Mit dabei ist auch Xenophons Freund Proxenos. Bei diesem Besuch werden alle griechischen Generäle umgebracht. Das griechische Heer ist im eigentlichen Wortsinn enthauptet worden.

Xenophons Traum

Nun befindet sich das griechische Heer in einer ausweglosen Lage. In der Nacht träumt Xenophon von einem Blitz, der in sein Vaterhaus einschlägt, worauf dieses niederbrennt. Er hält es für ein Zeichen von Zeus, für eine Warnung vor großer Gefahr, falls man sich nicht wappnet. Am folgenden Tag berichtet er Proxenos’ Soldaten davon. Er warnt sie, nicht untätig dazuliegen, sondern Vorkehrungen gegen einen persischen Angriff zu treffen. Um sie zu motivieren, weist er auf den Verrat und die Eidbrüchigkeit der Perser hin. Im Unterschied zu ihnen hätten die Griechen die beschworenen Verträge eingehalten; sie befänden sich also im Einklang mit den Göttern und der göttlichen Ordnung. Man könne darauf vertrauen, dass die Götter ihnen die Gunst nicht entziehen würden.

„Ihr Griechen, nicht aus Mangel an Einheimischen habe ich euch als Bundesgenossen mitgeführt, sondern in der Überzeugung, dass ihr tüchtiger und einer großen Zahl von Barbaren überlegen seid (...)“ (Kyros, S. 51 f.)

Daraufhin fordern die Offiziere Xenophon auf, ihr Anführer zu werden. Wachen werden aufgestellt. Der gemeinsame Schwur, zusammenzuhalten, bekräftigt nach einer weiteren bewegenden und motivierenden Ansprache Xenophons die neue Ordnung. Neben Xenophon wird auch der Spartaner und Feldherr Cheirisophos, der Xenophons Vorschläge unterstützt, zum Anführer gewählt. Die beiden schlagen vor, sich von allem überflüssigen Ballast zu befreien. Gepäck, Zelte und Wagen werden verbrannt.

Abmarsch ins Gebirge

Bedrängt von Einheiten des persischen Reiterheers marschieren die Zehntausend nun Richtung Norden ins Hügelland. Immer wieder kommt es zu Gefechten. Im bergigen Gelände werden die Kämpfe für die Griechen schwierig, treten sie doch gewöhnlich in großer Schlachtformation auf. Manchmal müssen strategisch wichtige Gipfel und Hügel schnell vor dem Feind gesichert werden; es gilt, Flüsse, Schluchten und enge Pässe zu durchqueren. Im Gebirge treffen die Griechen auf fremde, feindselige Völker wie die Karduchen. Da die Griechen nicht ortskundig sind, fällt es ihnen nicht leicht, zuverlässige Führer zu gewinnen. Nach sieben Tagen erreichen sie armenisches Gebiet. Als sie von hinten von den Karduchen und von vorn von den Armeniern bedrängt werden, entdecken sie gerade noch rechtzeitig eine rettende Furt durch einen Fluss. Schließlich macht den Griechen starker Schneefall zu schaffen. Ihre Ausrüstung ist dafür äußerst ungeeignet – sie tragen nicht einmal Hosen. Etliche erfrieren.

Meer in Sicht

Nur ganz selten ermöglichen vorab geführte Verhandlungen, dass das Heer friedlich durchmarschieren kann, dass ein Markt für die Verproviantierung eröffnet wird oder dass man sich bei einer Rast gut verpflegt. Das Heer durchquert die Gebiete der Taochen, der Chalyber und der Skythenen. Die Taochen haben sich in festen Plätzen verschanzt, von denen sie Steine und Felsbrocken hinunterwerfen. Zunächst werden etliche Männer verletzt, doch dann rät Xenophon, mit kleinen Gruppen so lange Scheinangriffe auszuführen, bis die Taochen ihren Vorrat an Steinen aufgebraucht hätten. Von der Stadt Gymnias aus erhalten die Griechen einen Führer, der sie über den Berg Theches führt. Von dort aus können sie endlich das Meer sehen. Um das Ufer zu erreichen, müssen sie noch das Land der Makronen durchqueren. Diese helfen den Griechen beim Weitermarsch, nicht jedoch die benachbarten Kolcher. Schließlich erreichen sie bei der griechischen Kolonialstadt Trapezunt das Schwarze Meer. Hier bleiben sie 30 Tage und veranstalten ein Opferfest mit sportlichen Wettkämpfen.

Die letzten Etappen

Die große Mehrheit der Griechen hat keine Lust mehr, zu Fuß weiterzugehen. Lieber wollen sie per Schiff nach Byzanz segeln. Es lassen sich aber nicht genügend Schiffe auftreiben. Schnell ist die Umgebung von Trapezunt für die Verpflegung ausgeplündert. Die etwas weiter entfernt lebenden Drilen ziehen sich mitsamt ihren Vorräten in sichere Stellungen in den Bergen zurück und hinterlassen den Griechen nur verbrannte Erde. Diese entschließen sich nun doch zum Weitermarsch zu Lande. Für die Zeit nach dem Abschluss des Zuges werden Vereinbarungen für Geldverteilungen, fromme Stiftungen und Weiheopfer getroffen.

„So starb Kyros, unter den Persern, die nach dem älteren Kyros gelebt haben, am ehesten zur Königswürde und zur Herrschaft bestimmt, wie von allen bezeugt wird, die Kyros genauer kennengelernt zu haben glauben.“ (S. 67)

In Sinope, einer griechischen Kolonie, wird erneut der Seeweg in Erwägung gezogen. Die Sinoper verlangen für die Bereitstellung von Schiffen aber eine Aufteilung des Heeres, was die Griechen ablehnen. Die freundlich gesinnten Paphlagonier erfreuen die Griechen bei einem längeren Aufenthalt mit erstaunlichen Waffentänzen. In Harmene weigert sich Xenophon erstmals, einem Mehrheitsbeschluss Folge zu leisten, und gibt den Oberbefehl an Cheirisophos ab. Doch nachdem dieser, schon nahe der Heimat, an Fieber erkrankt und stirbt, wird Xenophon erneut Anführer – diesmal alleiniger. Nicht nur wegen der Verpflegung, sondern auch um sich Beute und Geld für die bevorstehende Heimkehr zu verschaffen, ziehen die Griechen plündernd durch Bithynien. Dabei kommen sie wieder in Konflikt mit den Persern, denn das Gebiet ist eine persische Satrapie.

Im Dienst von Seuthes

Weil der persische Satrap um den Frieden in seiner Provinz fürchtet, veranlasst er, dass die Griechen auf die andere Seite des Hellesponts nach Byzanz übergesetzt werden. Mit der Aussicht auf üppigen Sold lassen sich die Soldaten dazu bewegen. In Byzanz sind sie allerdings nicht willkommen – das Soldversprechen war eine Finte. Das Heer beginnt bereits, sich aufzulösen. Xenophon gelingt es aber, den Soldaten einen neuen Auftrag im Dienst des Thrakerkönigs Seuthes zu verschaffen, der aus seinem Reich vertrieben wurde. Seuthes möchte sein Reich mithilfe der griechischen Söldner zurückerobern, was in einem Winterfeldzug auch gelingt. Ein griechischer Höfling des Königs unterschlägt aber den Sold sowie den Erlös aus der Beute und verleumdet zudem Xenophon. Nur mit Mühe kann dieser sich vor dem Heer rechtfertigen.

„So also wurden die Feldherren gefangen gesetzt, und nachdem sie zum Großkönig gebracht worden waren, endeten sie durch Enthauptung.“ (S. 127)

Nach zwei Monaten erreicht ein neues Angebot das Heer: Die Griechen sollen für den spartanischen Feldherrn Thibron in Kleinasien gegen die dortigen persischen Satrapen Pharnabazos und Tissaphernes, den Verräter von Kunaxa, ins Feld ziehen. Xenophon setzt mit dem Heer nach Kleinasien über und führt es nach Lydien. Dort wird es von Thibron übernommen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Anabasis – zu Deutsch etwa „Hinaufmarsch“ – ist keine schematische, rein chronologische Wiedergabe der Ereignisse. Vielmehr mischt Xenophon geschickt Angaben über die Marschverhältnisse mit Schilderungen von Verpflegungssorgen, Kämpfen mit feindlichen Volksstämmen, diplomatischen Verhandlungen und Opfergaben. Zudem fügt er kleinere Nebenereignisse und wörtliche Wiedergaben von Ansprachen ein. Dieser beständige, geschickte Themenwechsel innerhalb einer großen Gesamterzählung ist bis heute eine bewährte Technik des historischen Sachbuchs, ebenso die Methode, Abläufe zu raffen und gleichzeitig charakteristischen Szenen Raum zu geben. Obwohl von Anfang an dabei, tritt Xenophon als Figur erst nach der Schlacht von Kunaxa und damit im dritten von sieben Büchern auf. Bis dahin ist der Stil distanziert wie bei einer nüchternen Reportage; erst danach erhält das Geschehen eine emotionale Prägung und wird nachvollziehbarer. Xenophon spricht von sich selbst in der dritten Person, wie später auch Caesar. Vor allem in der römischen Kaiserzeit galt die Anabasis als geradezu unübertroffenes Vorbild für den klassisch-griechischen literarischen Stil, den sogenannten Attizismus.

Interpretationsansätze

  • Der Hauptgrund für die Niederschrift der Anabasis könnte in Xenophons Bedürfnis nach Erklärung und Rechtfertigung angesichts ausstehender Soldzahlungen am Ende des Zuges liegen. Dieses Thema beherrscht das gesamte letzte Buch.
  • Der junge Perserprinz Kyros wird ausgiebig und mit sehr viel Wohlwollen als geradezu idealer Herrscher porträtiert. Diese uneingeschränkt positive Sichtweise wirkt aus der Feder eines Griechen überraschend, zumal ansonsten Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den Persern spürbar sind.
  • Der Bericht ist historisch relevant und enthält eine Fülle präziser Informationen. Zur Schilderung der Kriegführung kommen detaillierte ethnische Informationen über die zahllosen kleinen Völker bzw. Volksstämme im Kleinasien der Antike. Ferner erfährt der Leser viel Interessantes über Natur und Landschaft.
  • Diskussionskultur und Meinungsaustausch werden als wichtiger Teil der militärischen Führung geschildert. Über das Vorgehen des Heeres wird ganz demokratisch abgestimmt. Xenophon überzeugt meist durch seine vernünftigen Argumente und seinen Appell an die Bedürfnisse der Truppe.
  • Xenophon bietet, wie die gesamte Literatur vor etwa 1750, keine Psychologisierung der Figuren; der Leser erfährt auch kaum etwas über ihr Aussehen. Die ausführliche Charakterisierung des Kyros steht diesem Befund nicht entgegen: Hier handelt es sich um eine Eloge, einen Lobpreis mit den Elementen einer Vita.
  • Die Erzählung macht die Bedeutung von Tieropfern und der damit verbundenen Vorzeichenschau deutlich. Keine wichtige Handlung findet ohne Opferriten statt. Sind die Zeichen ungünstig, wird nicht marschiert und schon gar nicht gekämpft. Ein Orakelspruch und Träume bestimmen Xenophons Handlungen entscheidend. Darin, wie auch in der unbedingten Einhaltung von Eiden, manifestiert sich für die Menschen der Einklang mit den Göttern. Wer Eide bricht, muss todsicher mit göttlicher Strafe rechnen.

Historischer Hintergrund

Das Perserreich der Achämeniden

Das persische Großreich der Achämeniden-Dynastie war das erste persische Reich überhaupt, und es war das Gebiet, das Alexander der Große ein bis zwei Generationen nach Xenophon eroberte. Die Dynastie stammte aus der Persis, dem Hochland oberhalb des heutigen Persischen Golfs. Dort lag auch die bekannteste Residenz, Persepolis. Der entscheidende Schritt zur Großmacht gelang dem fünften Achämeniden-König Kambyses mit einer Norderweiterung. Er konnte die bis dahin bestehende Vorherrschaft der Meder abschütteln. Sein Sohn Kyros II. vereinte dann das an Mesopotamien angrenzende Mederreich mit der Persis. 542/541 v. Chr. eroberte er das kleinasiatische Reich des Königs Krösus, der für seinen Reichtum bekannt war.

Damit standen die Perser an der Küste der Ägäis, in unmittelbarer Nachbarschaft blühender ionischer Städte wie Milet und Ephesus. Jetzt wandte sich Kyros gegen das vor Kurzem noch machtvolle, inzwischen aber durch Hofintrigen wehrlose neubabylonische Reich der Chaldäer. In dessen Hauptstadt Babylon befanden sich seit etwa 585 v. Chr. die Juden in Gefangenschaft. Gemäß dem Bericht der Bibel verkündete nun das berühmte Zeichen an der Wand, das Menetekel, das baldige Ende der Chaldäer: In der Tat marschierten Kyros und seine Perser 539 praktisch kampflos in Babylon ein. Der in Sachen Religion sehr tolerante Kyros erlaubte den Juden sogleich die Rückkehr nach Jerusalem; die meisten von ihnen entschieden sich jedoch zu bleiben.

Weil der aufstrebende Stadtstaat Athen auf der anderen Seite der Ägäis die ionischen Städte um 500 bei einem Aufstand gegen die Perser unterstützt hatte, kam es unter dem Kyros-Nachfolger Dareios I. zu einem Angriff gegen die Athener, die für ein persisches Expeditionsheer 490 v. Chr. bei Marathon schmählich endete. Dareios’ Sohn Xerxes wollte diese Scharte zehn Jahre später mit einer bedeutend größeren Streitmacht auswetzen. Doch die persische Flotte ging in Salamis unter. In der Folge unternahmen die Perser keine weiteren militärischen Aktionen mehr im Westen. Aber sie mischten sich als Großmacht in die innergriechischen Rivalitäten ein. Im Peloponnesischen Krieg unterstützten sie Sparta gegen Athen. 404 errangen die Spartaner die Vorherrschaft. Dabei blieb es einige Jahrzehnte, bis 338 der makedonische König Philipp II. Hegemon in Griechenland wurde. Als dessen Sohn Alexander kurz darauf das Perserreich eroberte, endete auch die Achämeniden-Dynastie.

Entstehung

Der lange Marsch der Zehntausend durch Kleinasien und Mesopotamien, an dem Xenophon selbst teilgenommen hat, lässt sich ziemlich genau datieren: Der Aufbruch in Sardes war im März 401 v. Chr. Die Schlacht bei Kunaxa fand ein halbes Jahr später, im September, statt. Der Rückmarsch durchs armenische Hochland und entlang der Schwarzmeerküste dauerte bis zum März 399.

Bald nach seiner Rückkehr nach Griechenland begleitete Xenophon in ähnlicher Weise den spartanischen König Agesilaos auf einem Feldzug. Seinen Dienst zunächst im Gefolge des Perserprinzen Kyros (genannt Kyros der Jüngere) und dann des Königs von Sparta sah man in seiner athenischen Heimat nicht gern. Xenophon verbrachte daher den Rest seines Lebens im spartanischen Exil. Auf einem Landgut in der Nähe von Olympia schrieb er viele seiner Werke, darunter um 370 die Anabasis. Sie entstand also etwa 30 Jahre nach den Ereignissen, wohl auf der Basis von eigenen Aufzeichnungen und Augenzeugenberichten. Xenophon publizierte das Werk zunächst unter dem Pseudonym Themistogenes.

Wirkungsgeschichte

Alexander der Große benutzte Xenophons Angaben als Wegbeschreibung auf seinem eigenen Zug durch Kleinasien nach Mesopotamien gegen die Perser. Er folgte im Wesentlichen Kyros’ Route. Die Anabasis war außerdem das direkte Vorbild für die Anabásis Aléxandrou, die Beschreibung des Alexanderzugs des antiken Autors Arrian aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. Die Anabasis wurde schon in antiker Zeit als bedeutende historische Quelle genutzt.

Die berühmteste Stelle des ganzen Werks ist der Moment, in dem die Soldaten endlich das Schwarze Meer erblicken. Ihr begeisterter Ausruf „Thalatta!, Thalatta!“ („Das Meer! Das Meer!“) wird in etlichen Werken der modernen Literatur zitiert: in Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde, in James Joyce’ Ulysses, sogar in der modernen Unterhaltungsliteratur, vor allem des angelsächsischen Sprachraums. Auch T. E. Lawrence’ Die sieben Säulen der Weisheit über den arabischen Aufstand gegen die Osmanen während des Ersten Weltkriegs soll von der Anabasis beeinflusst sein. Bis heute wird die Anabasis von Schülern des Altgriechischen als Standardwerk gelesen – so wie De bello gallico von Lateinschülern.

Über den Autor

Xenophon kommt um 430 v. Chr. zur Welt. Er stammt aus einer wohlhabenden attischen Familie. Als junger Mann gehört er zum Schülerumkreis von Sokrates, dem Begründer der abendländischen Philosophie. Dieser Einfluss prägt ihn offenbar zutiefst: Später wird Xenophon Dialogschriften verfassen, in denen Sokrates die Hauptfigur ist. Mit etwa 30 Jahren schließt er sich dem Kriegszug des Kyros an, des jüngeren Sohnes des kurz zuvor verstorbenen Perserkönigs. Nach Kyros’ Tod in der Schlacht von Kunaxa wird Xenophon gemeinsam mit einem anderen Griechen zum Anführer des gewaltigen griechischen Heeres gewählt. Der Bericht des Rückzugs, die Anabasis, verfasst um 370, wird Xenophons bekanntestes literarisches Werk. Ab 396 begleitet er noch zwei weitere Heereszüge, diesmal im Gefolge des Königs von Sparta. Daraufhin wird er aus Athen verbannt. Auch darüber berichtet Xenophon in einem Buch, der Hellenika, einer Geschichte Griechenlands, in der er versucht, das Geschichtswerk von Thukydides direkt fortzuschreiben. Die Spartaner stellen ihm ein Landgut in dem Ort Skillous in der Nähe von Olympia zur Verfügung. Dorthin zieht sich Xenophon mit seiner Familie zurück. Auf diesem Gut, das er bewirtschaftet, entstehen etliche seiner 15 überlieferten Werke. Dazu gehören etwa Symposion, ein sokratischer Dialog, Über die Reitkunst, das als Grundlage der Wissenschaft vom Pferd gesehen wird, Oikonomikos, in dem er die landwirtschaftliche Führung eines Gutes thematisiert, und die Kyrupädie, in der er anhand des Perserkönigs Kyros II. das Idealbild eines Herrschers entwirft. 371 übersiedelt die Familie nach Korinth. Im Jahr 366 wird Xenophons athenisches Verbannungsurteil aufgehoben. Der Überlieferung nach stirbt Xenophon um 355 v. Chr. in Korinth.

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