Anatol
- Drama
- Moderne
Worum es geht
Der melancholische Ästhet in der Dauerschleife der Affären
Anatol ist ein Wiener Lebemann an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er jagt flüchtigen Vergnügungen nach und empfindet doch eine existenzielle Langeweile. In all seinem Denken und Handeln geht es ausschließlich um ihn selbst, um seine Stimmungen, seine Empfindungen, seine Wahrnehmungen. Was nach einer unerträglichen Lektüre klingt, wird durch Schnitzlers pointierte Dialoge ein amüsantes Leseerlebnis. Schnitzler zeichnet mit seinem Dramenzyklus ein aufschlussreiches Bild der Wiener Gesellschaft und verknüpft dabei Themen aus Medizin und Psychologie mit gesellschaftlichen Debatten der Zeit. Er karikiert gesellschaftliche Typen und entlarvt die Doppelmoral, die Frauen nicht die gleiche sexuelle Freizügigkeit zugesteht wie Männern. Vor allem aber beschreiben die Anatol-Dramen ein Lebensgefühl der Dekadenz, das typisch für das Wien des Fin de Siècle war. Romantische Liebe und sozialer Realismus waren passé, Introspektion hieß die Devise der Zeit. Wenngleich sich diese dekadente Stimmung überlebt haben mag, so sind Anatols Beziehungsunfähigkeit, seine zwanghafte Selbstbespiegelung und sein angeknackstes Männerbild heute genauso aktuell wir vor 100 Jahren.
Zusammenfassung
Über den Autor
Arthur Schnitzler wird am 15. Mai 1862 als Sohn des jüdischen Klinikdirektors Johann Schnitzler in Wien geboren. Schon früh packen ihn die Leselust und das Interesse an der Schriftstellerei. Obwohl der Vater die literarischen Ambitionen seines Sohnes fördert, studiert Arthur auf dessen Wunsch Medizin in Wien. 1882 folgt ein Jahr beim Militär als Sekundararzt. 1885, mit 23, promoviert er in Medizin. In den folgenden Jahren arbeitet er als Assistenzarzt in verschiedenen Wiener Kliniken. Nach dem Tod des Vaters eröffnet er eine Privatpraxis. 1893 erscheint sein Dramenzyklus Anatol. Eine tiefe Freundschaft mit Hugo von Hofmannsthal beginnt. Schnitzler arbeitet vor allem für die Bühne: Sein Reigen von 1897 erregt einen Skandal wegen des vermeintlich pornografischen Inhalts und bleibt lange verboten. Mit der Novelle Lieutenant Gustl tut sich Schnitzler als Prosaschriftsteller hervor, allerdings kostet ihn die angebliche Verunglimpfung des Militärs seinen Offiziersrang. 1903 heiratet er seine Lebensgefährtin Olga Gussmann, mit der er bereits einen Sohn hat. In den folgenden Jahren kommen mehrere seiner Schauspiele zur Uraufführung, u. a. Der einsame Weg, Der grüne Kakadu und Das weite Land. Immer wieder ecken seine Werke bei der Zensur an: Neben dem Reigen betrifft das vor allem den Einakter Haus Delorne, der 1904 noch am Abend vor der Uraufführung verboten wird, und die Komödie Professor Bernhardi, die 1912 zwar in Berlin, nicht aber in Wien aufgeführt werden darf. Bei Kriegsausbruch 1914 bekennt sich Schnitzler zum Pazifismus: Im Unterschied zu vielen seiner Schriftstellerkollegen bricht er nicht in Kriegseuphorie aus. Nach der Trennung von seiner Frau im Jahr 1921 erzieht Schnitzler seine Kinder allein. 1922 macht er die nähere Bekanntschaft Sigmund Freuds, der in der Psychoanalyse zu ähnlichen Erkenntnissen kommt wie Schnitzler mit den Mitteln der Literatur. 1924 verwendet er die Technik des inneren Monologs in der Novelle Fräulein Else. 1926 erscheint die Traumnovelle. Schnitzler stirbt am 21. Oktober 1931.
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