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Anton Reiser
Buch

Anton Reiser

Ein psychologischer Roman in vier Teilen

Berlin, 1785–1790
Diese Ausgabe: Artemis & Winkler, 2006 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Empfindsamkeit

Worum es geht

Flucht in die Traumwelt der Bücher

Anton Reiser gilt als erster psychologischer Roman deutscher Sprache und ist zugleich eine maskierte Autobiografie seines Verfassers. Rund 100 Jahre vor Sigmund Freud gab Karl Philipp Moritz eine psychologische Zeitschrift heraus und fertigte Fallstudien dafür an, woraus dieser Roman hervorging. Akribisch forscht Moritz nach den Triebfedern, die seinen Helden – oder besser: Antihelden – Anton Reiser zu einem melancholischen Träumer werden lassen. Er macht gleich mehrere Ursachen ausfindig, darunter den Religionsfanatismus des Elternhauses und die bittere Armut und Unterdrückung, die Antons Künstlernatur immer wieder an den Rand der Selbstaufgabe treiben. Moritz warnt aber auch vor dem schlechten Einfluss, den die Literatur auf einen jungen Menschen haben kann, und relativiert damit unterschwellig das Bildungsideal seiner Zeit. Anton Reiser flüchtet sich aus der tristen Wirklichkeit in die Welt der Romane und des Theaters. Immer wenn er ansatzweise auf die Beine kommt, zieht ihm diese Leidenschaft wieder den Boden unter den Füßen weg. Sein Vorhaben, Schauspieler zu werden, misslingt ihm genauso wie alles andere. Der Roman ist ein Exempel des Scheiterns – und zieht den Leser doch auf eine Weise in seinen Bann, wie es nur ganz große Literatur vermag.

Zusammenfassung

Einsame Kindheit mit Büchern

Anton Reiser wird in ein Elternhaus hineingeboren, in dem sich Vater und Mutter hassen. Während der Vater ein Anhänger des Quietismus ist, steht die Mutter treu zur Bibel und verachtet die Ansichten ihres Gatten. Anton fühlt sich zwischen den beiden hin- und hergerissen. Als sein Bruder zur Welt kommt, vernachlässigen die Eltern Anton komplett. Das einzig Gute, was der Vater ihm tut, ist, ihm zwei Bücher zu kaufen und ihn in die Grundkenntnisse des Lesens einzuweihen. Anton, der so gut wie keinen Kontakt zu gleichaltrigen Kindern hat, flüchtet sich in eine eigene Welt; er liest Tag für Tag. Über die Literatur macht er sich sein eigenes Bild von der Welt.

Ein Schreibmeister, der Anton unterrichtet, ermuntert ihn, eigene Schriften zu verfassen. Mit zwölf Jahren darf er, seinem Wunsch entsprechend, eine Lateinschule besuchen. Er genießt die Unterrichtsstunden: Hier bekommt er Anerkennung und Beachtung, anders als in seinem ungeliebten Elternhaus. Doch die glücklichen Zeiten währen nicht lange. Anton muss die Lateinschule verlassen und verliert auch seinen ...

Über den Autor

Karl Philipp Moritz wird am 15. September 1756 in Hameln geboren. Sein Vater, ein Militärmusiker, gehört der Sekte der Quietisten an und terrorisiert seine Familie, insbesondere den kleinen Karl Philipp, mit seiner religiösen Hysterie. Freundliche Worte oder Ermunterungen bekommt der Junge nicht zu hören. Seine Gedanken sind auf Flucht gerichtet, doch letztlich ist es nur eine Flucht in die Traumwelt der Bücher. Moritz entwickelt sich zur Leseratte und frönt seinem Hobby, wann immer es ihm möglich ist. Mit zwölf Jahren nimmt der Vater ihn von der Schule und steckt ihn bei einem ebenfalls quietistischen Hutmacher in Braunschweig in die Lehre. Moritz leidet unter dessen Erniedrigungen so, dass er einen Selbstmordversuch unternimmt. Der Vater wähnt Moritz bereits im „Tempel Satans“ und holt ihn nach Hannover. Auf Fürsprache des Pfarrers darf Moritz das Gymnasium besuchen, leidet aber unter seiner Armut. Wieder bietet ihm die Literatur eine Fluchtmöglichkeit. 1776 reist er heimlich aus Hannover fort, um Schauspieler zu werden, er wird jedoch abgewiesen. Moritz studiert ein Semester Theologie in Erfurt und beginnt ein Jahr später in einem Waisenhaus in Potsdam als Lehrer zu wirken. Hier gerät er erneut an den Rand des Selbstmords, weil er die Zustände im Waisenhaus nicht ertragen kann. An einem Gymnasium in Berlin ergeht es ihm besser: Moritz bringt es bis zum Konrektor, gibt eine Zeitschrift heraus und tritt mit anderen Veröffentlichungen hervor. In den folgenden Jahren unternimmt er eine Reise nach England und eine durch Deutschland. 1786 reist er nach Italien, wo er nach eigenem Bekunden die schönste Zeit seines Lebens verbringt. Dort trifft er auch Goethe, der ihn wie einen jüngeren Bruder aufnimmt und mit dem ihn fortan eine tiefe Freundschaft verbindet. Moritz blüht auf, gewinnt Selbstbewusstsein und macht sich mit seinen ästhetischen Schriften einen Namen. 1789 wird er Professor der Theorie der schönen Künste in Berlin. Wilhelm von Humboldt und Ludwig Tieck zählen zu seinen Schülern. Er ehelicht die 15-jährige Tochter eines Buchhändlers, trennt sich von ihr und heiratet sie erneut. Kurz darauf, am 26. Juni 1793, stirbt Moritz an Tuberkulose.


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