Anton Reiser
Ein psychologischer Roman in vier Teilen
- Entwicklungsroman
- Empfindsamkeit
Worum es geht
Flucht in die Traumwelt der Bücher
Anton Reiser gilt als erster psychologischer Roman deutscher Sprache und ist zugleich eine maskierte Autobiografie seines Verfassers. Rund 100 Jahre vor Sigmund Freud gab Karl Philipp Moritz eine psychologische Zeitschrift heraus und fertigte Fallstudien dafür an, woraus dieser Roman hervorging. Akribisch forscht Moritz nach den Triebfedern, die seinen Helden – oder besser: Antihelden – Anton Reiser zu einem melancholischen Träumer werden lassen. Er macht gleich mehrere Ursachen ausfindig, darunter den Religionsfanatismus des Elternhauses und die bittere Armut und Unterdrückung, die Antons Künstlernatur immer wieder an den Rand der Selbstaufgabe treiben. Moritz warnt aber auch vor dem schlechten Einfluss, den die Literatur auf einen jungen Menschen haben kann, und relativiert damit unterschwellig das Bildungsideal seiner Zeit. Anton Reiser flüchtet sich aus der tristen Wirklichkeit in die Welt der Romane und des Theaters. Immer wenn er ansatzweise auf die Beine kommt, zieht ihm diese Leidenschaft wieder den Boden unter den Füßen weg. Sein Vorhaben, Schauspieler zu werden, misslingt ihm genauso wie alles andere. Der Roman ist ein Exempel des Scheiterns – und zieht den Leser doch auf eine Weise in seinen Bann, wie es nur ganz große Literatur vermag.
Zusammenfassung
Über den Autor
Karl Philipp Moritz wird am 15. September 1756 in Hameln geboren. Sein Vater, ein Militärmusiker, gehört der Sekte der Quietisten an und terrorisiert seine Familie, insbesondere den kleinen Karl Philipp, mit seiner religiösen Hysterie. Freundliche Worte oder Ermunterungen bekommt der Junge nicht zu hören. Seine Gedanken sind auf Flucht gerichtet, doch letztlich ist es nur eine Flucht in die Traumwelt der Bücher. Moritz entwickelt sich zur Leseratte und frönt seinem Hobby, wann immer es ihm möglich ist. Mit zwölf Jahren nimmt der Vater ihn von der Schule und steckt ihn bei einem ebenfalls quietistischen Hutmacher in Braunschweig in die Lehre. Moritz leidet unter dessen Erniedrigungen so, dass er einen Selbstmordversuch unternimmt. Der Vater wähnt Moritz bereits im „Tempel Satans“ und holt ihn nach Hannover. Auf Fürsprache des Pfarrers darf Moritz das Gymnasium besuchen, leidet aber unter seiner Armut. Wieder bietet ihm die Literatur eine Fluchtmöglichkeit. 1776 reist er heimlich aus Hannover fort, um Schauspieler zu werden, er wird jedoch abgewiesen. Moritz studiert ein Semester Theologie in Erfurt und beginnt ein Jahr später in einem Waisenhaus in Potsdam als Lehrer zu wirken. Hier gerät er erneut an den Rand des Selbstmords, weil er die Zustände im Waisenhaus nicht ertragen kann. An einem Gymnasium in Berlin ergeht es ihm besser: Moritz bringt es bis zum Konrektor, gibt eine Zeitschrift heraus und tritt mit anderen Veröffentlichungen hervor. In den folgenden Jahren unternimmt er eine Reise nach England und eine durch Deutschland. 1786 reist er nach Italien, wo er nach eigenem Bekunden die schönste Zeit seines Lebens verbringt. Dort trifft er auch Goethe, der ihn wie einen jüngeren Bruder aufnimmt und mit dem ihn fortan eine tiefe Freundschaft verbindet. Moritz blüht auf, gewinnt Selbstbewusstsein und macht sich mit seinen ästhetischen Schriften einen Namen. 1789 wird er Professor der Theorie der schönen Künste in Berlin. Wilhelm von Humboldt und Ludwig Tieck zählen zu seinen Schülern. Er ehelicht die 15-jährige Tochter eines Buchhändlers, trennt sich von ihr und heiratet sie erneut. Kurz darauf, am 26. Juni 1793, stirbt Moritz an Tuberkulose.
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