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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch
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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Petersburg, 1864
Diese Ausgabe: Fischer Tb, 2008 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Psychologischer Roman
  • Realismus

Worum es geht

Depressiver Wutbürger anno 1864

Was macht ein Mensch, den die Aufklärung aus religiösen und traditionellen Zusammenhängen herausgerissen hat und der in der schönen neuen Welt der Technik und Naturwissenschaft keinen Halt findet? Er rebelliert. Gegen die Welt, gegen die Gesellschaft, gegen sich selbst. Was aber tut er, wenn er weiß, dass diese Rebellion nur ein romantischer Reflex, ein halbgares Aufbegehren und sinnlose Gefühlsduselei ist? Er resigniert, verbittert, vereinsamt. Dostojewskis namenloser Antiheld in den Aufzeichnungen aus dem Kellerloch ist ein widersprüchlicher, selbstzerstörerischer, zynischer und fieser Charakter. Er ist reflektiert, sich seiner Situation bewusst, doch ihm fehlt jegliche Orientierung. Und das macht ihn im wahrsten Sinne des Wortes asozial. Die einzigen Konstanten sind sein Leid und sein Hass auf sich selbst und die Welt. Heute würde man einen solchen Menschen je nach Ausprägung entweder manisch-depressiv oder Wutbürger nennen.

Zusammenfassung

Der Rückzug in den Untergrund

Der Erzähler, ein 40-jähriger Mann, hat sich vor ungefähr 20 Jahren in seine ärmliche Behausung in einem Kellergeschoss in St. Petersburg zurückgezogen. Nach einer Erbschaft im letzten Jahr hat er sich auch aus seinem Beruf als Kollegienassessor zurückgezogen und haust seitdem nur noch in seinem „Kellerloch“. Er meidet Kontakte und sieht sich selbst als schlecht, abergläubisch, in sich widersprüchlich und charakterlos – und damit aus seiner Sicht als einen typischen, „bewussten“ Menschen des 19. Jahrhunderts.

Bewusstsein ist für ihn eine Krankheit – unter anderem führt ein gesteigertes Bewusstsein zu Trägheit. Wer unter dieser Krankheit leidet, wird nie ein erfolgreicher „Tatmensch“, sondern ist sich stets seiner eigenen Erniedrigung bewusst. Trotzdem liegt ein Genuss im Bewusstsein der eigenen Erniedrigung. Diesen Genuss zu erklären, ist die Motivation für die Aufzeichnungen des Erzählers.

Der überbewusste Mensch ist kein natürlicher, sondern ein Retortenmensch. Er ist im Vergleich zum „richtigen“ Tatmenschen eine Maus – und hält sich selbst auch dafür. Er findet keinen Halt in den Naturgesetzen...

Über den Autor

Fjodor M. Dostojewski wird am 11. November 1821 als zweites von acht Kindern in einem Moskauer Armenhospital geboren. Nach einer Jugendzeit in ärmlichen Verhältnissen tritt er 1838 gemeinsam mit seinem Bruder in die St. Petersburger Militärakademie ein. Hier zeigt sich bereits sein schriftstellerisches Talent. Nach Abschluss des Studiums wird Dostojewski 1843 im Kriegsministerium angestellt. Dort hält es ihn aber nicht lange: Trotz massiver finanzieller Probleme quittiert er den Dienst bereits ein Jahr später. Sein Ziel: Schriftsteller zu werden. Sein Erstling, der Briefroman Arme Leute (1846), macht ihn schlagartig berühmt. Die intensive Arbeit an weiteren Werken und die Versagensangst führen zu ersten epileptischen Anfällen. 1849 wird er wegen Mitgliedschaft im revolutionären Petraschewski-Kreis, einer Art Geheimbund, zum Tod verurteilt. Buchstäblich in letzter Sekunde, bereits auf dem Richtplatz, wird er jedoch vom Zaren begnadigt und zu vier Jahren Zwangsarbeit sowie vier Jahren Militärdienst verurteilt. Während der Zeit in Sibirien bekehrt er sich zum christlichen Glauben. 1854 lernt er Marja Dimitrijewna kennen, die er 1857 heiratet. Nach Beendigung des Militärdienstes kehrt er 1859 nach Moskau zurück. Die Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, eine Beschreibung seiner Verbannung nach Sibirien, erscheinen 1861 in der von Dostojewski gegründeten Zeitschrift Vremja. Im nächsten Jahr unternimmt er seine erste Europareise und ein Jahr darauf die zweite. Dostojewski ist ein Spieler, der sich wegen seiner Sucht hoch verschuldet. Nach der dritten Europareise erscheint 1866 der Roman Schuld und Sühne in der Zeitschrift Russkij vestnik. Der Roman Der Spieler wird im selben Jahr veröffentlicht. Bis 1871 reist Dostojewski auf der Flucht vor seinen Gläubigern durch Europa und hält sich unter anderem in Florenz auf, wo er seinen Roman Der Idiot verfasst. Die Romane Die Dämonen (1871) und Die Brüder Karamasow (1879) werden große Erfolge. Am 9. Februar 1881 stirbt Dostojewski in St. Petersburg an den Folgen seiner Epilepsie und einem chronischen Lungenleiden.


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