Giordano Bruno
Austreibung des triumphierenden Tieres
Meiner, 2009
Was ist drin?
Eine locker-leichte Satire auf die griechischen Götter, die eine ernste Frage stellt: Was ist der Sinn der Religion?
- Philosophie
- Renaissance
Worum es geht
Die Reform des Himmels
Giordano Bruno lässt die Götter selbst zu Wort kommen: Jupiter hat beschlossen, dass er und seine Kollegen sich bessern müssen. Ihre innere Reinigung soll auch äußerlich sichtbar sein: Die Sternbilder, die von den lasterhaften Taten der Götter berichten, sollen neue Namen erhalten und fortan mit Tugenden in Verbindung gebracht werden. Der als Dialog gestaltete Bericht über dieses Götterkonzil widersetzt sich einer eindeutigen Interpretation – er lässt sich als Satire über die Widersprüchlichkeiten der Religion, als ethisches Grundlagenwerk, als Leitfaden für die Politik oder als sarkastische Abrechnung mit den Missständen der Zeit lesen. Die einzelnen Bilder, die der Text hervorruft, lassen sich mit Tarotkarten vergleichen, deren Aussage sich je nachdem, wie sie kombiniert werden, verändert. Giordano Bruno, einer der umstrittensten Denker des christlichen Abendlandes, unterhält den Leser mit viel Humor und einem sicheren Blick für die menschlichen Schwächen, sodass sich sein Werk bis heute als lohnende und amüsante Lektüre erweist.
Take-aways
- Giordano Brunos Dialog Austreibung des triumphierenden Tieres erlangte hauptsächlich aufgrund seiner religionskritischen Aussagen Berühmtheit.
- Inhalt: Sofia, die Weisheit, berichtet vom Konzil der Götter. Jupiter hat dieses einberufen, weil er glaubt, die Götter müssten sich von ihren Lastern befreien. Als äußeres Zeichen der Umkehr sollen die Sternbilder, die von ihren Missetaten erzählen, umbenannt und fortan den Tugenden zugeordnet werden.
- Indem das Werk Tugenden und Laster in eine systematische Ordnung bringt, ist es eine Art Grundlage für eine zukünftige Ethik.
- Brunos Religionskritik wendet sich vor allem gegen die Zersplitterung der Kirche und gegen bestimmte Lehren der damals neuen protestantischen Glaubensgemeinschaften.
- Die bewusste Mehrdeutigkeit des Textes sollte den Autor vor Verfolgung schützen.
- Dieses Ziel erreichte Bruno allerdings nicht: Wegen seiner Kritik am Christentum und seiner pantheistischen Lehren wurde er als Ketzer verbrannt.
- Die Vielschichtigkeit seiner Texte führte dazu, dass Bruno von zahlreichen philosophischen Strömungen als Vordenker vereinnahmt wurde.
- Wegen seiner religionskritischen Äußerungen wird er oft mit Spinoza verglichen.
- Bruno gilt als einer jener Denker, deren Philosophie die Schwelle zur Neuzeit markiert.
- Zitat: „Jetzt schreitet man zur Austreibung des triumphierenden Tieres, d. h. der überhandnehmenden Laster, die den göttlichen Teil in den Schmutz zu treten pflegen; man reinigt den Geist von Irrtümern und beginnt, sich mit Tugenden zu schmücken (…)“
Zusammenfassung
Vorwort
In einfacher und klarer Sprache sollen hier die Dinge beim Namen genannt und damit das pervertierte Wissen der Heuchler und Pedanten sowie ihr blinder Eifer entlarvt werden. Dabei steht zu erwarten, dass dieses Anliegen missverstanden und der Autor verleumdet wird.
Alles in der Welt befindet sich in einem ständigen Wandel – auch die Götter. Fabeln verändern sich genauso wie Körper und Dinge, die in ihre Atome zerlegt und neu geordnet werden. Der stetige Neuanfang alles Seins spricht für die Idee der Wiedergeburt: Was man in diesem Leben getan hat, entscheidet darüber, in welchem Körper man wiedergeboren wird. Diese Art höherer Gerechtigkeit kann jeder Mensch zu seinen Gunsten beeinflussen, indem er Besserung und Bekehrung sucht. Die Menschen – und ebenso die Götter – haben Laster und Makel. In jedem Einzelnen steckt ein ganzes Universum, über das die Vernunft gebietet. In einem inneren Rat kann man beschließen, das „triumphierende Tier“, die Laster und Irrtümer, auszutreiben und fortan zum Guten zu streben.
Jupiters Entschluss
Sofia, die Weisheit, erzählt Saulino von Jupiter: Der Gott ist älter und klüger geworden; statt von Lüsternheit wird er nun von Vergeistigung geprägt. Bei einer Feier zum Gedenken des Sieges über die Giganten teilt er den anderen Göttern in einer Rede seinen Entschluss mit, ein Konzil abzuhalten. Denn er zweifelt daran, dass es an diesem Tag überhaupt einen Grund zum Feiern gibt: Die Götter haben die Giganten zwar besiegt und den Himmel gewonnen, aber den Respekt der Menschen haben sie verloren. Die Sternbilder erzählen von den Lastern und Fehltritten der Götter, auf die sie anscheinend auch noch stolz sind. Warum sonst hätten sie ihnen sonst einen erhabenen Platz am Himmel zugewiesen? Für Jupiter steht fest: Eine Umkehr ist notwendig, um die Verehrung der Menschen zurückzugewinnen. Die Götter müssen ihre Eitelkeit und Selbstliebe ablegen. Parallel zu dieser inneren Neuordnung müssen auch die äußeren Zeichen der Götter, die Sterne, neu benannt werden. Die Götter sollen drei Tage Zeit haben, sich Gedanken zur Neubesiedlung des Himmels zu machen, und dann wieder zusammenkommen.
Neubesetzung des nördlichen Himmels
Am vierten Tag treffen sich die Götter erneut. Jupiter bestimmt, dass der Festtag zwar erhalten bleiben soll, fortan sollen die Götter aber nicht mehr den Sieg über die Giganten, sondern den über sich selbst feiern. Die Neuordnung des Himmels beginnt im nördlichen Teil: An den erhabenen Platz der Bärin und damit an den prominentesten Punkt soll die Wahrheit treten. Auch der Drache wird seines Platzes verwiesen, dort soll fortan die Klugheit wohnen. Daneben tritt die Weisheit, und an ihrer Seite findet das Gesetz seinen Platz. Der Ort, den bisher die Nördliche Krone besetzte, soll offen bleiben und einem zukünftigen Helden gewidmet werden, dem es gelingt, Europa zu befreien. Momus, der Gott der Kritik, wünscht sich, dass dieser Held vor allem die Pedanten und religiösen Eiferer bekämpft, die auf Kosten anderer leben, den Menschen, angeblich im Auftrag der Götter, sinnlose Vorschriften machen und Andersgläubige verfolgen. Jupiters unehelicher Sohn Herkules, der auch ein Sternbild ist, wird als Statthalter seines Vaters auf die Erde geschickt, um dort das Unrecht zu bekämpfen.
Sofia und Merkur
Saulino verabschiedet sich. Sofia hat den Gott Merkur um ein Treffen gebeten. Er kommt zu spät, weil er Seelen in die Hölle bringen musste. Außerdem hat er zahlreiche Aufträge zu erledigen, da Jupiter angeordnet hat, die göttliche Vorsehung wieder ernster zu nehmen. Merkur erklärt Sofia, dass Jupiter nicht die einzelnen Begebenheiten, sondern das Vergangene, die Gegenwart und die Zukunft zugleich bestimme: Jupiter sei die universale Wirkursache, die alles durchdringe; für den menschlichen Geist sei er nicht begreifbar. Sofia möchte sich mit der Klage an Jupiter wenden, dass der Weisheit von den Menschen Unrecht getan wird. Nachdem sie von seinem neuem Arbeitseifer und seiner Veränderung gehört hat, ist sie zuversichtlich, dass man sie anhören wird. Merkur bittet sie, ihre Klage schriftlich einzureichen, damit diese vom Senat geprüft werden kann. Die beiden wollen sich in einigen Tagen erneut treffen.
Wahrheit, Klugheit, Weisheit und Gesetz
Saulino kehrt zurück und bittet Sofia, ihm mehr vom Konzil der Götter zu erzählen. Sofia erläutert ihm zunächst die bisherigen Entscheidungen: Die Wahrheit ist allen anderen Tugenden übergeordnet, weil alles, was ist, auch wahr ist, während das Falsche nicht existiert. Im Menschen wirkt die Wahrheit in Form der Klugheit. Sie gemahnt ihn zur Vorsicht und lässt ihn seine Vernunft nutzen. Deswegen hat sie einen erhabenen Platz erhalten. Auch die Weisheit gehört zur Wahrheit und ist ein hohes Gut, allerdings nur, wenn sie um ihrer selbst willen gesucht wird, und nicht, um Geld und Ehrungen dafür zu erhalten. Die absolute Wahrheit kann von keinem Menschen je erkannt werden – man kann sich ihr nur über die Weisheit und über Gleichnisse annähern. Das Gesetz wiederum ist eine Tochter der Weisheit: Beide haben Aufgaben im Bereich der jeweils anderen. Das Gesetz muss sich den Gegebenheiten verschiedener Völker und Zeiten anpassen, weil seine Hauptaufgabe darin besteht, das Zusammenleben der Menschen zu regeln und Unterdrückung oder Tyrannei zu verhindern. Es ist besonders darauf zu achten, dass nie etwas Ungerechtes oder Unmögliches zum Gesetz gemacht wird.
„Hier spricht Giordano Klartext in Volkes Sprache, benennt freiheraus und gibt den Dingen ihren eigenen Namen, so wie ihnen die Natur ihr eigenes Dasein gibt; er nennt nicht schändlich, was die Natur würdig macht, er bedeckt nicht, was sie offen zeigt (...)“ (Vorwort, S. 9)
Jupiter hat angeordnet, dass fortan Glaubens- und Meinungsfreiheit herrschen soll. Die einzige Voraussetzung, die eine Religion erfüllen muss, besteht darin, dass sie das friedliche Zusammenleben der Menschen nicht gefährden darf und dass die Gläubigen ihren Respekt vor dem Staat behalten. Die Liebe zu den Göttern soll den Menschen dabei helfen, das Laster zu überwinden. Dementsprechend fühlen sich die Götter durch jene Vergehen am meisten beleidigt, die sich gegen den Staat oder gegen andere Menschen richten. Für sie zählen allein die äußeren Wirkungen der Religion – deswegen ist etwa ein Bruch des Zölibats weniger schwerwiegend als üble Nachrede. Belohnt werden sollen Menschen, die ihren Geist vervollkommnen und etwas für die Gemeinschaft tun, die barmherzig und gerecht gegenüber anderen sind. Heuchlerische Pedanten haben dagegen keine Belohnung zu erwarten.
Reichtum, Armut und Fortuna
Beim Konzil der Götter soll nun entschieden werden, wer den frei gewordenen Platz von Herkules bekommen darf. Der Reichtum meldet sich zu Wort und erklärt, dass ihm der Platz gebühre, weil die anderen Tugenden nur um seinetwillen angestrebt würden. Momus widerspricht: Genauso oft würden Wahrheit und Gesetz missachtet, um Reichtum zu erlangen. Jupiter pflichtet Momus bei: Er wolle nur gute Götter an seinem Himmel, der Reichtum aber sei in der Regel indifferent und manchmal sogar schlecht. Deshalb solle er Zuflucht in den Wohnungen der anderen Götter suchen. Daraufhin bewirbt sich die Armut um den Platz, doch er wird auch ihr verwehrt, stattdessen soll sie wie der Reichtum umherwandern und überall dorthin gehen, wo der Reichtum fortgegangen ist.
„Jetzt schreitet man zur Austreibung des triumphierenden Tieres, d. h. der überhandnehmenden Laster, die den göttlichen Teil in den Schmutz zu treten pflegen; man reinigt den Geist von Irrtümern und beginnt, sich mit Tugenden zu schmücken (...)“ (Vorwort, S. 27)
Fortuna tritt vor und erklärt, dass sie einen Anspruch auf den Platz habe: Die Menschen beteten sie an und selbst die Götter fürchteten sich vor ihr. Schon Epikur habe erkannt, dass sie die höchste Göttin sei, und nach allgemeiner Meinung stehe sie aufgrund ihrer Blindheit sogar über der Vernunft. Gerade diese Blindheit mache sie auch zur gerechtesten aller Göttinnen: Bei der Verteilung ihrer Gaben nehme sie keine Rücksicht auf Ansehen oder Position, sondern gebe und nehme, ohne hinzusehen. Jupiter erlaubt ihr, am Himmel zu bleiben, doch soll sie keinen festen Platz bekommen, sondern frei herumziehen und unablässig für Veränderung sorgen. Er ordnet an, dass die Stärke den Platz von Herkules erhalten und Wahrheit, Gesetz und Urteil unterstützen soll.
„Aus welchem Grund bekommt der Skorpion die Belohnung von einundzwanzig Sternen (...)? Zum Lohn für Mord, angestiftet von der Nichtsnutzigkeit und dem Neid Dianas, die ihm auftrug, den Orion, den mit ihr rivalisierenden Jäger, zu töten.“ (Jupiter, S. 93)
Darüber hinaus legt er fest, dass das Sternbild der Leier seinen Platz an Mnemosyne und ihre neun Töchter, die Musen, abtreten soll. Die Töchter Arithmetik, Geometrie, Musik, Logik, Poesie, Astrologie, Physik, Metaphysik und Ethik erhalten ein zusätzliches Geschenk: Jede bekommt eine Salbe, mit der sie den menschlichen Geist reinigen kann. Die Ethik bekommt den Auftrag, weise Religionen zu stiften und gute Gesetze zu machen.
Arbeit und Müßiggang
Perseus wird vom Himmel fortgeschickt, um zusammen mit Herkules auf der Erde die Ungeheuer – vor allem die gewalttätigen, falschen Religionen Europas – zu bekämpfen. Seinen Platz dürfen Sorgfalt und Arbeit gemeinsam einnehmen.
„Bekehren wir uns zur Gerechtigkeit, denn da wir uns von ihr entfernten, sind wir uns selbst so ferne, dass wir keine Götter mehr, nicht mehr wir selber sind.“ (Jupiter, S. 97)
Saulino verabschiedet sich von Sofia. Kurz danach trifft Merkur ein. Er hat jedoch nicht viel Zeit, weil er sich um einen Brand kümmern muss, den die Habgier auf der Erde gelegt hat. Unter dem Vorwand, die Religion schützen zu wollen, hat sie dafür gesorgt, dass das Volk in Raserei verfällt. Merkur berichtet, dass er Jupiter über Sofias Anliegen unterrichtet hat, allerdings wird es bis zu einer Entscheidung noch einige Tage dauern. Er macht sich auf den Weg, um zwischen den Streitmächten Verwirrung zu stiften und auf diese Weise einen Krieg zu verhindern.
„Über allen Dingen, o Saulino, steht die Wahrheit; denn sie ist die Einheit, die allem übergeordnet ist, und die Güte, die alle Dinge überragt: Denn eines ist das Seiende, das Gute und das Wahre; dasselbe ist das Wahre, das Seiende und das Gute.“ (Sofia, S. 147)
Nachdem die Arbeit ihren neuen Platz eingenommen hat, meldet sich der Müßiggang und erklärt, dass er besser sei als die Arbeit. Diese habe sich schuldig gemacht, als sie das Goldene Zeitalter, in dem alle Menschen tugendhaft waren, mit ihrer Geschäftigkeit beendet und Unterdrückung, Tücke, Gewalt und Enteignung in die Welt gebracht habe. Jupiter teilt diese Meinung nicht: Er erklärt, dass die Götter den Menschen Macht über die Welt und ihren Verstand gegeben haben, damit sie diese Gaben nutzen und sich über die Tiere erheben. Das Goldene Zeitalter sei kein Ideal: Dass die Menschen damals keine Laster hatten, lag nicht an ihren eigenen Entscheidungen, sondern allein an den äußeren Umständen. Solche Art von Tugendhaftigkeit verdient kein Lob. Daher ordnet Jupiter an, dass der Müßiggang bei der Arbeit wohnen soll. Damit sorge er dafür, dass sie mit Bedacht ausgeführt werde, und mache umso mehr Freude, da er auf die Arbeit folge.
Neubesetzung des Wendekreises
Nachdem die Neuordnung des nördlichen Teils sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat, drängen die Götter darauf, die verbleibenden Sternbilder schneller abzuhandeln. Im Bereich des Wendekreises haben bisher die Tierkreiszeichen gethront; nun bekommen Tugenden wie Menschlichkeit, Pflicht, Großherzigkeit, Hoffnung, Toleranz, Freundschaft, Enthaltsamkeit und Bestrebung einen Platz am Himmel. Einen Sonderfall bildet der Steinbock: Ihm wird vorgeworfen, er habe dafür gesorgt, dass manche Völker wie etwa die Ägypter die Götter als Tiere dargestellt haben. Jupiter meint, dass das kein Vergehen sei: Alles sei vom göttlichen Sein durchdrungen und deshalb könne man die Götter auch in den kleinen Dingen finden.
„Daher ist es unwürdig, dumm, profan und gotteslästerlich anzunehmen, die Götter suchten die Verehrung, die Furcht, die Liebe, den Kult und den Respekt des Menschen wegen eines anderen guten Zwecks und Nutzens außer dem für die Menschen selbst (...)“ (Sofia, S. 163)
Saulino machen Sofias Ausführungen stutzig: Wie kann es sein, dass die Ägypter dem Jupiter opferten, obwohl dieser göttliche Name erst viel später bei den Griechen aufkam? Sofia erklärt ihm, dass sie in ihrem Bericht nur der Einfachheit halber den Namen „Jupiter“ verwendet hat: Die Götter trugen über verschiedene Zeiten hinweg unterschiedliche Namen, blieben jedoch immer dieselben. Denn sie alle gehen auf eine erste, absolute Quelle zurück, ein erstes formales Prinzip, das von den Menschen nicht erkannt werden kann und mit ihnen nichts zu tun hat. Zwischen diesem Absoluten und den Menschen dienen die Götter als Vermittler: Sie können angerufen, dargestellt und verehrt werden. Der Steinbock soll seinen Platz behalten dürfen und als Sinnbild für die Freiheit des Geistes stehen.
Neubesetzung des südlichen Himmels
Auch der südliche Bereich des Himmels wird neu besetzt: Hier erhalten Seelenruhe, Fleiß, Sorge um den Staat und Geselligkeit ihren Platz. Orion soll aufgrund seiner Täuschungen und Lügen seines Platzes verwiesen und auf die Erde geschickt werden. Die Schlange dagegen darf am Himmel bleiben: Sie hat verhindert, dass Prometheus den Menschen die Gabe der Unsterblichkeit bringen konnte. Ihr ist es also zu verdanken, dass sich die Menschen überhaupt noch für die Götter interessieren, denn von ihnen erhoffen sie sich das Geschenk des ewigen Lebens. Auch der Zentaur Chiron bleibt: Jupiter widerruft alles, was er jemals gegen ihn gesagt hat, und gibt zu, dass er immer gerecht gewesen sei. Er soll belohnt werden, indem er am Altar über den Glauben, die Frömmigkeit und die Religion wacht. Da er Mensch und Tier zugleich ist, dient er sowohl als Opfer wie auch als Opfernder. Zuletzt wird über den Südlichen Fisch bestimmt: Nachdem die Götter so lange so schwierige Entscheidungen treffen mussten, soll der Fisch zubereitet werden, um sie alle zu sättigen.
Zum Text
Aufbau und Stil
Austreibung des triumphierenden Tieres ist in drei Dialoge gegliedert, die wiederum in jeweils drei Abschnitte unterteilt sind. In den Bericht Sofias über das Konzil der Götter sind kurze Gespräche zwischen Sofia und Saulino sowie zwischen Sofia und Merkur eingeschoben. Brunos Sprache ist äußerst vielseitig; er nutzt unterschiedliche Stilformen, die jeweils dem Inhalt angemessen sind: Sie reichen von zotigen Bemerkungen über brillant formulierte, sarkastische Sticheleien bis zu Zitaten in der Gelehrtensprache Latein und italienischen Gedichten. Brunos Sprache ist insgesamt eher poetisch als wissenschaftlich, was das Werk zu einer amüsanten und flüssigen Lektüre macht. Der Text entspricht in der Form einem so genannten lukianischen Dialog, einem Gespräch auf mittlerer bis niedriger Stilhöhe, das bewusst auf Mehrdeutigkeiten und unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten setzt. Damit wollte sich der Autor offenbar davor schützen, dass die Aussagen der dargestellten Figuren mit seinen eigenen Ansichten gleichgesetzt werden.
Interpretationsansätze
- Die Austreibung kann als eine Art Grundlagenstudie für eine zukünftige Ethik verstanden werden: Der Text legt mithilfe von Allegorien fest, welche Tugenden in welchen Zusammenhängen erstrebenwert sind und welche Laster ihnen gegenüberstehen.
- Einzelne Begriffe, mit denen sich die Ethik beschäftigt, werden in den Sternbildern bildlich dargestellt, sogleich interpretiert und vorläufig bewertet. Dieses Vorgehen entspricht der Mnemotechnik, der Kunst, das Gedächtnis durch Hilfsmittel zu unterstützen. Bruno interessierte sich zeitlebens für diese Methode und brachte sie für sein eigenes Lernen zur Perfektion.
- Die Figur des Saulino, der sich von Sofia die göttlichen Verhältnisse erklären lässt, ist als Alter Ego des Dichters zu verstehen. Dafür spricht u. a., dass Brunos Mutter den Familiennamen Savolino trug.
- Ein zentrales Thema des Textes ist die Religionskritik: Bruno stellt eine Art Regelwerk auf, nach dem sich jede gute Religion zu richten hat, und führt aus, warum das Christentum im Allgemeinen und der Protestantismus im Besonderen diesen Anforderungen nicht genügt.
- Seinen Ruf als Ketzer hat Bruno hauptsächlich seinen Angriffen auf den Papst zu verdanken: Die Figur des Orion, der widersprüchliche Lehren verbreitet und sich selbst als Gott stilisiert, ist als Papstkarikatur zu verstehen.
- Daneben verurteilte die katholische Kirche Brunos pantheistische Weltsicht: Bruno verstand Gott nicht als übergeordnete Gestalt, sondern postulierte, dass alle Dinge der Welt vom göttlichen Sein durchdrungen seien, dass Gott sich also auch in den kleinsten Dingen finden lasse.
- Generell kämpfte Bruno gegen den Wahrheitsanspruch der Religionen: Jede Religion biete den Gläubigen eine Fabel, eine Sammlung von Metaphern, die Moden unterworfen sei und nur schattenhafte Abbilder der absoluten, nicht erkennbaren Wahrheit vermittle.
- Wegen seiner Betonung der praktischen Tugenden und aufgrund der zahlreichen politischen Bezüge (vor allem auf den von Bruno geschätzten französischen König Heinrich III.) lässt sich der Text auch als Fürstenspiegel, also als belehrende Schrift für einen Herrscher interpretieren.
Historischer Hintergrund
Das Zeitalter der Reformation
Das 16. Jahrhundert markiert eine Zeitenwende im christlichen Abendland: Nachdem Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen an die Kirchentür von Wittenberg genagelt und damit der katholischen Kirche den Kampf angesagt hatte, folgte ein Jahrhundert religiös motivierter Auseinandersetzungen in ganz Europa. Neben den Glaubenskriegen zwischen Katholiken und Protestanten kam es auch zwischen den zahlreichen Splittergruppen im protestantischen Lager immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die wichtigsten Konkurrenten Luthers waren Johannes Calvin und Ulrich Zwingli. Viele katholische Herrscher bekämpften die neuen Glaubensgemeinschaften mit unnachgiebiger Härte. Unter Heinrich II. begann die Verfolgung der Hugenotten in Frankreich, von seinem Sohn Franz II. wurde sie fortgesetzt. In der so genannten Bartholomäusnacht, die im Jahr 1572 rund 10 000 Opfer forderte, fand sie ihren Höhepunkt. Auch unter Franz’ Nachfolger Heinrich III. kam es weiterhin zu Religionskriegen. Zwar machte Heinrich den Hugenotten Zugeständnisse, er nahm sie aber auf Druck katholischer Kräfte im Land wieder zurück.
Die katholische Kirche reagierte auf die Reformation mit dem Konzil von Trient (1545–1563), in dem sie einige Forderungen der Protestanten, etwa die Einschränkung des Ablasshandels, umsetzte und ein neues Glaubensbekenntnis formulierte. Der Versuch, einen Weg zurück zu einer einheitlichen Kirche zu finden, scheiterte jedoch.
Entstehung
Giordano Bruno war ein vielseitig interessierter Leser, der die Schriften der Antike, aber auch die seiner Zeitgenossen intensiv studierte. Großen Einfluss übten u. a. die Werke von Platon, Thomas von Aquin und Nikolaus von Kues auf ihn aus, wobei Bruno deren Ideen zu einem ganz eigenen philosophischen System verband. Was Bruno an seiner Zeit besonders ärgerte, waren die religiös motivierten Auseinandersetzungen und Streitigkeiten, die er in der Austreibung scharf kritisiert. Bruno unternahm den Versuch, die Ansichten aller Gläubigen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, und betonte, dass es in Wahrheit nur auf die Wirkungen der Religion und nicht auf kleinliche Details ankomme. Eine ähnliche Auffassung von der Aufgabe der Religion findet sich bei Thomas Morus. Mit dessen Werk Utopia beschäftigte sich Bruno vermutlich während seines Aufenthalts in England von 1583 bis 1585. In dieser Zeit verfasste er auch die Austreibung.
In seinem erläuternden Vorwort, einem Brief an den Dichter Philip Sidney, stellt Bruno klar, dass er keine positive Reaktion auf sein Werk erwarte, weil die Welt von den ihm so verhassten Heuchlern und Pedanten regiert werde. Über sich selbst (in der dritten Person) sagt er: „Weil dieser als Bürger und Gefolgsmann der Welt, als Sohn des Vaters Sonne und der Mutter Erde die Welt allzu sehr liebt, werden wir sehen, wie er gehasst, verleumdet, verfolgt und aus der Welt verstoßen werden muss.“
Wirkungsgeschichte
Giordano Brunos Leben, sein Werk und vor allem sein Tod ließen ihn zu einer der interessantesten Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts werden. Er wurde bis heute in zahlreichen Romanen, Filmen und Erzählungen (z. B. in Bertolt Brechts Der Mantel des Ketzers) dargestellt. In der Philosophie wurden seine Schriften mehrmals wiederentdeckt und Bruno wurde für eine beinahe unüberschaubare Menge unterschiedlicher Positionen als Vordenker in Anspruch genommen – nicht verwunderlich, wenn man die thematische Vielfalt seiner Werke und seinen ganz eigenen, mitunter mehrdeutigen Stil berücksichtigt. Vor allem seine religionskritischen Ausführungen (die ihn letztlich auf den Scheiterhaufen brachten) wurden über die Jahrhunderte von antiklerikalen Strömungen nutzbar gemacht. Oft wies man auf die Parallelen zwischen Brunos Ausführungen und denen von Baruch de Spinoza hin, dessen pantheistische Weltsicht Bruno teilte, wenn er auch seinen materialistischen Thesen widersprochen hätte. Aufgrund seines Pantheismus waren Brunos Werke bis ins Jahr 1966 auf dem Index der verbotenen Schriften der katholischen Kirche (in diesem Jahr wurde der Index selbst abgeschafft).
Bruno nahm mit seiner Philosophie zahlreiche Themen vorweg, die z. T. erst viel später wieder diskutiert wurden. Seine These etwa, dass der Mensch den Kult und die Religion brauche, weil die Verehrung der Götter ein grundlegendes Bedürfnis sei, findet sich bei Immanuel Kant und anderen Aufklärern wieder. Im deutschen Idealismus setzte sich Friedrich Wilhelm Schelling mit Bruno auseinander und veröffentlichte 1802 sein Werk Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Im 20. Jahrhundert begann man, Bruno als Wegbereiter einer neuen Philosophie am Übergang zwischen Scholastik und Renaissance zu sehen. Dem Philosophen Hans Blumenberg zufolge markiert Brunos Lehre gar den Punkt, an dem die Neuzeit begann.
Über den Autor
Giordano Bruno wird 1548 in Nola bei Neapel geboren. Seine außerordentliche Begabung wird rasch erkannt. Bereits 1562 beginnt er an der Universität von Neapel sein Studium der humanistischen Wissenschaften, drei Jahre später tritt er den Dominikanern bei, 1572 wird er zum Priester geweiht. Schon kurz nach seinem Eintritt in den Orden zeigt sich Brunos unbequemer Charakter. Er wendet sich gegen den Marienkult und die Anbetung von Heiligenbildern und gerät damit in Konflikt mit den Ordensvorstehern. Kurz nachdem er das Studium der Theologie abgeschlossen hat, wird er 1576, wegen seiner Zweifel am Dogma der Trinität, der Häresie verdächtigt. Bruno flieht aus Neapel in die Schweiz, weiter nach Frankreich, England und Deutschland. Aufgrund der Ablehnung, auf die seine Haltung und seine Schriften stoßen, schafft er es nicht, sich an einem Ort dauerhaft niederzulassen. In Frankfurt am Main lernt er den venezianischen Patrizier Giovanni Mocenigo kennen, der ihn nach Venedig einlädt, um sich von ihm in der Gedächtnis- und Erfindungskunst unterrichten zu lassen, der aber wohl insgeheim hofft, Einblicke in die Geheimnisse der Magie zu bekommen. Von Mocenigo wird Bruno schließlich an die Inquisition verraten. Er wird 1592 in Venedig wegen Sektierertum verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Nachdem der Prozess, der gegen ihn angestrengt wird, anfänglich noch günstig zu verlaufen scheint, wird er im Februar 1593 in das Gefängnis des Heiligen Offiziums nach Rom überstellt. Nach jahrelangen Untersuchungen und zahlreichen Verhören, in denen er es immer wieder ablehnt, seine Lehren zu widerrufen, wird Bruno zum Tod verurteilt und am 17. Februar 1600 auf dem römischen Campo de’ Fiori auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 400 Jahre später erklärt der päpstliche Kulturrat die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht.
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