Bartleby, der Schreiber
Eine Geschichte aus der Wall Street
- Kurzprosa
- American Renaissance
Worum es geht
Die Macht des sanften Widerstands
Als ein New Yorker Notar einen blassen jungen Mann namens Bartleby in seinem Wall-Street-Büro einstellt, ahnt er nichts Böses. Doch schon bald verweigert der geheimnisvolle Schreiber das Korrigieren seiner Abschriften, später auch das Kopieren selbst und schließlich sogar das Verlassen seines Arbeitsplatzes. „I would prefer not to“ („Ich möchte lieber nicht“), entgegnet er auf alle Aufforderungen seines Vorgesetzten. Dieser wird von der kompromisslosen Verweigerung zunehmend in seinen Grundfesten erschüttert. Wie ein ansteckendes Virus breitet sich der sanfte Widerstand in der Kanzlei aus und bedroht deren Ansehen. Der Notar muss handeln ... Die suggestive Beschreibung des Irrationalen und Absurden, das in die vernünftig geordnete Arbeits- und Geschäftswelt einbricht, macht Melvilles kurze Erzählung zu einer der faszinierendsten der Weltliteratur. Seinen widerspenstigen Antihelden, der sich zuerst noch für die Arbeit abmüht und zuletzt einen einsamen Tod stirbt, kann man sich ebenso gut in einem heutigen Bürokomplex vorstellen wie in einer New Yorker Kanzlei des 19. Jahrhunderts.
Zusammenfassung
Über den Autor
Herman Melville wird am 1. August 1819 als drittes von acht Kindern einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie in New York geboren. Nach dem Konkurs des elterlichen Importunternehmens und dem frühen Tod des Vaters zieht die Mutter mit den Kindern nach Albany. 1935 verlässt Melville vorzeitig die Schule und nimmt verschiedene Jobs an, u. a. als Lehrer, Bankangestellter und Kabinensteward auf einem Postschiff. Anfang 1941 fährt er auf dem Walfangschiff „Acushnet“ in die Südsee, verlässt es jedoch nach 18 Monaten wegen der unzumutbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord wieder. Auf den Marquesas-Inseln lebt er zusammen mit einem Freund eine Zeit lang als Gefangener unter Polynesiern. Nach seiner missglückten Flucht landet er auf Tahiti im Gefängnis, aus dem er abermals flieht. Zurück in der Heimat beginnt er, seine Erlebnisse in der Südsee literarisch zu verarbeiten. Sein erster Roman Typee (1846) wird mit einer Mischung aus Enthusiasmus und Abscheu aufgenommen, die nachfolgenden Werke stoßen nur noch auf laue Kritik. 1847 heiratet Melville, dem später immer wieder homosexuelle Neigungen nachgesagt werden, Elizabeth Shaw und lässt sich als Schriftsteller in New York nieder. Auch die Romane Moby Dick (1851) und Pierre (1853) erzielen nicht den erhofften Erfolg. Enttäuscht zieht sich Melville in den folgenden Jahren immer mehr zurück. Eine längere Europatour 1856 zeugt von dem Versuch, seinen Gemütszustand zu verbessern. Um finanzielle Sicherheit zu erlangen, bewirbt sich der Vater von vier Kindern 1861 um einen Regierungsposten und bei der Armee – vergeblich. Schließlich erhält er 1866 einen Job als Zollinspektor im New Yorker Hafen, den er fast 20 Jahre ausübt. Der tragische Tod seiner beiden Söhne – der ältere erschießt sich 1867 in seinem Zimmer – stürzt ihn in eine tiefe Krise. Wenige Monate nach Vollendung seines späten Meisterwerks Billy Budd, das erst 1924 veröffentlicht wird, stirbt Melville am 18. September 1891. Sein Tod ist der New York Times lediglich eine Kurzmeldung wert.
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