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Baumeister Solness

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Baumeister Solness

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Düsteres Künstlerdrama um einen skrupellosen Bauunternehmer.


Literatur­klassiker

  • Künstlerdrama
  • Moderne

Worum es geht

Hochmut kommt vor dem Fall

Ibsens gekonnt konstruiertes Drama Baumeister Solness liefert das böse Porträt eines alternden Bauunternehmers, der sich in einer Art Teufelspakt gefangen sieht. Halvard Solness ist der erfolgreichste Bauunternehmer der Stadt. Als das Elternhaus seiner Frau abbrennt, bietet ihm das eine einträgliche Gelegenheit. Was seiner Karriere Aufwind gibt, bedeutet jedoch für seine Frau den emotionalen Ruin. Dann taucht auch noch eine Frau aus seiner Vergangenheit auf. Hilde, an der er sich vergangen hat, als sie ein junges Mädchen war, nachdem er ihr übermütig ein Königreich versprochen hatte, kommt nun, um dieses einzufordern. Sie stürzt Solness in ein Wechselbad der Gefühle. Seinen Schmerz und seine Schuldgefühle sieht er als Preis für seinen beruflichen Erfolg. Doch von der Romanze mit Hilde beflügelt, packt ihn abermals der Hochmut. Er besteigt zum Richtfest sein neuestes Bauwerk – und stürzt in den Tod. Das stark autobiografische Werk überzeugt durch realitätsnahe Sprache und greifbare Thematik. Die geschilderten Konflikte sind so universell, dass das Stück bis heute nichts an Aktualität verloren hat.

Take-aways

  • Baumeister Solness, eines der letzten Werke Henrik Ibsens, ist ein Stück mit starken autobiografischen Bezügen.
  • Inhalt: Bauunternehmer Solness ist erfolgreich, aber er fürchtet sich vor dem Nachwuchs in seiner Branche. Als eine Frau, an der er sich einst vergangen hat, auftaucht und ihn zur Einlösung eines Versprechens drängt, wallt Übermut in ihm auf. Beim Richtfest seines neuen Hauses wagt er den Aufstieg zur Turmspitze und stürzt zu Tode.
  • Das Stück ist eine Art Retrospektive eines alternden Künstlers auf sein Leben.
  • Es folgt dem dramatischen Schema des Aristoteles, insofern die drei Einheiten des Ortes, der Zeit und der Handlung gewahrt sind.
  • Durch seine einfache Sprache und bürgerliche Thematik ist das Stück auch für die breite Masse zugänglich.
  • Die erste Übersetzung ins Deutsche nahm Ibsens Sohn Sigurd vor.
  • Die Erstausgabe von 1892 umfasste stattliche 10 000 Exemplare. Um den Verkauf zu fördern, betrieb Ibsen im Vorfeld einige Geheimniskrämerei um den Inhalt des Werkes.
  • Wie die meisten von Ibsens Dramen hat auch Baumeister Solness einen engen Bezug zu aktuellen, politischen und sozialen Themen in Norwegen.
  • Die Uraufführung des Stücks fand 1893 an zwei Orten gleichzeitig statt – in Trondheim und in Berlin.
  • Zitat: „Luftschlösser – in denen kann man sich so gut verstecken. Und sie sind einfach zu bauen – (…) – besonders für Baumeister, deren Gewissen nicht ganz schwindelfrei ist.“

Zusammenfassung

Gefürchteter Arbeitgeber, begehrter Liebhaber

Im Arbeitszimmer des erfolgreichen Baumeisters Halvard Solness arbeiten Knut Brovik, einst Architekt, jetzt Solness’ Assistent, sein Sohn Ragnar Brovik, ein technischer Zeichner, und Knuts Nichte sowie Ragnars Verlobte Kaja Fosli, die bei Solness für die Buchhaltung zuständig ist, still nebeneinander her. Knut bricht schließlich das Schweigen. Es geht ihm sehr schlecht und er ist erpicht darauf, mit Solness ein Gespräch unter vier Augen zu führen. Dieser betritt bald darauf das Büro und flirtet erst einmal mit Kaja, die zwar nervös, aber doch willig auf seine Avancen eingeht, wobei sie darauf achtet, dass die beiden anderen Männer nichts davon mitbekommen.

„Ach, Sie wissen doch, dass ich jetzt nur noch einen Einzigen gern habe. Und sonst niemanden auf der ganzen Welt! Ich werde nie wieder jemand anderes gernhaben können!“ (Kaja zu Solness, S. 16)

Solness bespricht mit den Broviks einen aktuellen Auftrag. Er möchte sich Zeit lassen, da er noch unsicher ist, wie die Pläne aussehen sollen. Doch Ragnar betont, wie wichtig den Kunden ein schneller Fortschritt ist. Solness ist darüber verärgert und will den Auftrag ablehnen, was Knut als willkommenen Anlass nutzt, sein Anliegen vorzubringen. Einst hat Solness unter Brovik gearbeitet, bevor er diesen und andere in ihrem Fachgebiet überholte, worauf sich das Machtverhältnis zwischen ihnen umkehrte. Jetzt eröffnet Knut seinem Chef, wie schlecht es um ihn steht. Seine größte Sorge ist es, zu sterben, ohne ein von seinem Sohn gebautes Haus zu sehen. Deshalb bittet er Solness, besagten Auftrag an Ragnar abzugeben, um zu sehen, wie der sich schlägt – zumal die Auftraggeber bereits Interesse an Ragnars Plänen angemeldet haben und Solness um einen Rücktritt vom Vertrag bitten wollten. Das macht Solness nur noch wütender und er redet sich in Rage. Niemals will er freiwillig den Weg für einen Jüngeren freimachen.

„Mich an etwas zu erinnern – etwas, das ich erlebt, aber offenbar wieder vergessen habe. Aber nie habe ich wirklich sagen können, was es genau war.“ (Solness, S. 47)

Knut ist verzweifelt und fühlt sich schlecht, weshalb Ragnar ihn nach Hause bringen will. Die Männer gehen, doch Solness bittet Kaja, noch zu bleiben. Das Mädchen gesteht ihm, dass sie Ragnar eigentlich nicht heiraten, sondern lieber bei Solness bleiben will. Für sie gebe es eben nur den einen Mann, den sie liebt – und das solle sich auch nie mehr ändern.

Ehe mit Schwierigkeiten

Aline Solness, die kränkliche Frau des Baumeisters, betritt schwarz gekleidet das Büro. Mit einem kritischen Blick auf Kaja teilt sie ihrem Mann mit, Doktor Herdal sei da, ein Freund der Familie. Solness schickt sie schon einmal vor, um noch seine Unterredung mit Kaja zu beenden. Diese schlägt vor, dass sie sich von Ragnar trennt, sollte dieser sich selbstständig machen und von Solness weggehen wollen. Doch genau das will Solness nicht. Er möchte Ragnar unbedingt behalten und befiehlt Kaja, das für ihn einzufädeln. Kaja befürchtet nun, dass sich Solness nur um sie bemüht, weil er Ragnar halten will; doch der Baumeister behauptet, es gehe ihm nur um sie. Er lässt sich Ragnars Zeichnungen bringen und schickt Kaja fort.

„Halvard, du kannst noch so viel für mich hier auf Erden bauen, für mich wirst du trotz allem nie wieder ein richtiges Zuhause errichten können.“ (Aline, S. 53)

Aline kehrt mit Doktor Herdal zurück. Dieser und Solness beginnen eine Unterhaltung. Aline geht hinaus. Herdal äußert seine Sorge um Alines seelisches Wohlbefinden. Er fürchtet, dass diese unter Solness’ Affäre mit Kaja leidet. Solness streitet ein Verhältnis vehement ab, indem er behauptet, Gefühle bestünden nur auf Kajas Seite – sie bebe regelrecht, wenn er nur in ihre Nähe komme. Er erklärt aber auch, dass er sie nicht ersetzen könne, weil er um Ragnar fürchte – selbst wenn Kajas Entlassung Alines Zustand verbessern würde. Diese – so glaubt er – hält ihn sowieso für verrückt. Sie hat den Brand ihres Elternhauses vor 13 Jahren nie verwunden, während dieser für Solness den Beginn seines steilen Aufstiegs bedeutete. Doch nun sieht er seinen Erfolg in Gefahr und befürchtet, dass die Jugend ihn stürzen wird.

Solness’ Vergangenheit holt ihn ein

Da betritt die junge Hilde Wangel das Zimmer. Herdal erkennt sie von einem seiner Sommerausflüge wieder. Hilde erzählt, sie habe Aline einst in einem Sanatorium kennengelernt und diese habe ihr angeboten, sie könne sie jederzeit besuchen. Das möchte sie heute tun und bittet um ein Lager für die Nacht. Herdal verabschiedet sich, um einen Krankenbesuch zu machen, und lässt Hilde und Solness allein zurück. Hilde fragt ihn, ob er sie nicht wiedererkennt, was der Baumeister verneint. Also hilft sie ihm auf die Sprünge.

„O wie schrecklich! Nicht ein Sonnenstrahl! Nicht einmal ein Lichtstreif, der in unser Zuhause fällt!“ (Solness, S. 54)

Vor zehn Jahren hat Solness in Hildes Heimatort Lysanger einen Kirchturm gebaut. Als dieser fertig war, feierte das Dorf ein Fest und Solness kletterte ganz nach oben auf den Turm, um dort nach altem Brauch einen Kranz zu befestigen. Hilde sah ihn und war vor Bewunderung seines Mutes und seiner Geschicklichkeit hin und weg. Nach dem Festessen lud Hildes Vater den Baumeister zu sich nach Hause ein. Dort fand Solness Hilde allein im Wohnzimmer vor und sagte ihr, dass sie einmal seine Prinzessin werden solle. Er wolle sie dann entführen und ihr ein Königreich kaufen. Daraufhin umschlang er sie gewaltsam und küsste sie.

„Da haben wir es, Hilde! Auch in Ihnen wohnt ein Troll, genau wie in mir. Denn in jedem Menschen ist ein Troll, wissen Sie – und der ruft die äußeren Mächte an. Und dann muss man sich fügen – ob man nun will oder nicht.“ (Solness, S. 77)

Solness streitet zunächst alles ab. Erst nach einer Weile gibt er zögerlich nach und räumt ein, dass es wohl so gewesen sein könne. Hilde ist jedenfalls hier, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Sie hat die ganzen Jahre auf ihn gewartet. Solness dämmert es langsam: Die Geschichte mit Hilde hat ihn die ganze Zeit unbewusst gequält, er konnte sich nur nie richtig an sie erinnern. Hilde wird vom Ehepaar Solness in einem der drei voll eingerichteten, aber unbewohnten Kinderzimmer untergebracht.

Unterdrückter Kummer

Am nächsten Morgen entschuldigt Kaja ihren Onkel, der zu krank zum Arbeiten ist. Aline befürchtet gar, dass er im Sterben liegt. Sie unterhält sich mit Solness über den bevorstehenden Umzug in ihr neues Haus, das er gerade baut. Er erhofft sich ein besseres Leben für sie beide, doch Aline winkt ab. Sie beklagt sich, dass sie mit ihrem Mann nie über ihren Kummer sprechen könne und nie Gelegenheit gehabt habe, sich selbst zu verzeihen. Solness will nicht, dass sie so spricht und beklagt sich seinerseits über Schuldgefühle, die er ihr gegenüber hegt, die er sich aber selbst nicht erklären kann. Das Gespräch wird von Hilde unterbrochen. Aline nimmt das zum Anlass, aufzubrechen und in die Stadt zu gehen. Sie will ein paar Dinge für Hilde besorgen.

Teuer bezahltes, berufliches Glück

Solness und Hilde bleiben allein zurück. Er öffnet sich ihr jetzt und erzählt ihr die ganze Geschichte über den Brand: Er und Aline waren frisch verheiratet und hatten zwei kleine Jungen – Zwillinge. Eines Nachts fing das Haus, in dem Aline aufgewachsen war, Feuer und brannte ab. Alle konnten aus den Flammen gerettet werden, doch Aline wurde vor lauter Kummer krank. Das Fieber ging in ihre Muttermilch und somit auf die beiden Jungen über, die sie unbedingt weiter selbst stillen wollte. Die Kleinen überlebten die Krankheit nicht. Solness’ Karriere aber ging jetzt richtig los: Durch den Brand wurde ein großes Stück Land frei, dass er in kleinere Parzellen aufteilte, um Wohnhäuser darauf zu bauen und diese dann zu verkaufen. „Architekt“ durfte er sich nicht nennen, weil ihm die formelle Ausbildung fehlte, aber mit seinem Erfahrungswissen war er dennoch erfolgreich. Solness meint, seinen beruflichen Erfolg durch Verzicht auf privates Glück erkauft zu haben. Er ist überzeugt, man könne im Leben entweder nur das eine oder nur das andere haben. Durch den Verlust seiner Kinder rückte er von Gott ab und wollte von da an keine Kirchen mehr bauen.

Solness entlässt Ragnar und Kaja

Ragnar kommt und bittet Solness, etwas Nettes unter eine seiner Zeichnungen zu schreiben, bevor sein Vater stirbt. Solness lehnt ab und bittet Ragnar, bei ihm zu bleiben. Er werde es gut haben, könne Kaja heiraten und ein glückliches Leben führen – er müsse aber den Wunsch aufgeben, selbst Baumeister zu werden. Daraufhin geht Ragnar wieder weg. Hilde tadelt Solness für sein Verhalten gegenüber Ragnar. Solness lenkt ab, indem er über seine Befürchtung spricht, er selbst sei für den Brand verantwortlich gewesen. Er glaubt nämlich, die Fähigkeit zu haben, „Helfer und dienstbare Geister“ zu rufen. Er habe sich gewünscht, das Haus solle abbrennen, und prompt sei es passiert.

„Lassen wir das, Fräulein Wangel – reden wir nicht mehr über die beiden kleinen Jungen. Freuen wir uns lieber für sie. Denn die beiden, die haben es gut – haben es jetzt richtig gut.“ (Aline, S. 92)

Hilde fordert nun auch, dass Solness etwas Aufmunterndes auf die Zeichnungen schreibt, um Knut Brovik seinen Seelenfrieden zu geben. Solness weigert sich. Für Knut würde er es wohl tun, kann sich aber nicht überwinden, aus Angst vor Ragnar. Er befürchtet, dass dieser beruflich hochkommen und ihn zerstören könnte, so wie Solness damals Knut zerstört hat. Schließlich überredet Hilde ihn doch. Sie schicken Kaja mit den Zeichnungen zu den Broviks. Kaja will wissen, ob Ragnar noch kommen und sich bedanken darf, aber Solness lehnt ab. Stattdessen entlässt er Ragnar und Kaja. Ragnar soll von nun an selbst bauen und Kaja soll mit ihm gehen. Nachdem sie weg ist, weist Solness Aline an, mit Hochdruck den Umzug vorzubereiten; noch heute Abend soll der Kranz auf die Turmspitze hochgezogen werden. Hilde freut sich schon, Solness wieder „hoch oben“ zu sehen, wohingegen Aline genau das verhindern will, da sie glaubt, ihr Gatte leide unter unüberwindlicher Höhenangst. Doch Hilde stachelt Solness an, sich ihrer Bewunderung würdig zu erweisen. Als Aline weg ist, schlägt Solness Hilde vor, sie solle mit in das neue Haus einziehen, in ein Zimmer unter dem Dach – wie eine Prinzessin.

Große und kleine Verluste

Am Abend treffen sich Aline und Hilde auf der Terrasse und unterhalten sich. Aline offenbart Hilde, dass der Tod ihrer beiden Kinder gar nicht das Schlimmste für sie gewesen sei. Sie ist überzeugt, dass die Jungen es jetzt besser haben, und sieht ihren Tod als gerechte Strafe für ihre eigene Schwäche an. Doch der Verlust des Elternhauses, das voller Erinnerungen war, plagt sie noch immer. Am ärgsten bedrückt sie der Verlust ihrer Puppen, mit denen sie sogar noch als erwachsene, verheiratete Frau spielte. In diesem Moment kommt Doktor Herdal dazu. Aline hat ihn eingeladen, um mit ihm über Solness zu sprechen. Die beiden gehen hinein.

Wechselbad der Gefühle

Wenig später erscheint Solness auf der Terrasse. Hilde gibt sich distanziert, da sie sich jetzt Aline nahe fühlt und ihr nichts wegnehmen will. Trotzdem beharrt sie weiter auf dem Königreich, das Solness ihr versprochen hat. Sie fordert Solness auf, ihr ein Schloss zu bauen. Allmählich nähern sich die beiden wieder an und reden über ein gemeinsames „Luftschloss“, für das sich Solness „feste Grundmauern“ wünscht. Dann erscheint Ragnar. Solness will von ihm wissen, ob Knut sich über seine Worte gefreut habe. Ragnar berichtet, dass es schon zu spät war, als Kaja mit den Zeichnungen eintraf: Knut hatte einen Schlaganfall erlitten und war nicht mehr ansprechbar. Solness weist Ragnar an, zu seinem Vater zurückzugehen, doch der weigert sich und bleibt. Er will beim Richtfest dabei sein und sehen, wie Solness daran scheitert, den Kranz selbst aufzuhängen. Er gibt ihm die Schuld für Knuts Versagen und für seine eigene Erfolglosigkeit. Währenddessen zeigt sich Aline äußerst besorgt um ihren Mann. Sie fleht Hilde an, sie möge Solness davon abhalten, auf das Gerüst zu steigen und den Kranz selbst zu hissen. Inzwischen sind Gäste gekommen. Aline hält es für ihre Pflicht, sich um sie zu kümmern, und geht hinein. Hilde soll derweil auf der Terrasse auf Solness warten und ihn festhalten.

Der Fall

Solness kehrt zurück und erzählt Hilde von seiner Vermutung, dass Gott mit den Kirchen nicht zufrieden gewesen sei, die er ihm einst gebaut habe. Daher habe Gott Alines Elternhaus abbrennen lassen, um Solness Aufwind als Baumeister zu geben, damit er ihm noch viel erhabenere Kirchen bauen könne. Doch Solness entschied sich für den Bau von Wohnhäusern und fürchtet nun Gottes Vergeltung – daher die Höhenangst. Hilde überredet ihn, sich der Angst zu stellen, und fordert ihn auf, um ihretwillen noch einmal hoch hinaufzusteigen und den Kranz zu hissen. Durch ihre Bewunderung für ihn beflügelt, gesteht Solness ihr nun seine Liebe. Er will mutig „das Unmögliche“ für sie tun, will dort oben Gott anrufen und sich von seiner Schuld freimachen. Fortan will er nur noch „Luftschlösser“ für sich und Hilde bauen.

„Luftschlösser – in denen kann man sich so gut verstecken. Und sie sind einfach zu bauen – (…) – besonders für Baumeister, deren Gewissen nicht ganz schwindelfrei ist.“ (Hilde, S. 101)

Auf der Straße versammeln sich Menschen. Unter ihnen ist Ragnar, der gespannt das Geschehen verfolgt. Aline meint, sie sähe den Polier die Leiter hinaufsteigen, doch plötzlich wird sie zugleich mit den Umstehenden gewahr, dass es tatsächlich Solness persönlich ist. Sie fürchtet sich schrecklich und kann nicht hinsehen, wohingegen Hilde jubelt und sich freut. Solness hängt den Kranz auf und winkt mit seinem Hut. Hilde und ein paar andere Damen winken mit Tüchern zurück, auf der Straße wird gejubelt. Dann verstummen alle vor Entsetzen, denn Baumeister Solness stürzt ab. Aline wird ohnmächtig. Solness ist tot.

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Aufbau und Stil

Baumeister Solness folgt dem dramatischen Schema des Aristoteles, das heißt, die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung wird eingehalten: Das Drama spielt ausschließlich bei Solness zu Hause, die Handlung verläuft chronologisch, innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden, und es gibt nur einen einzigen Erzählstrang. Allerdings flicht Ibsen zahlreiche Rückblicke in die Vergangenheit ein, Enthüllungen früherer Geschehnisse, die auf die Handlung einwirken und erklären, warum alles ist, wie es ist. Damit ist Baumeister Solness, wie andere Stücke Ibsens auch, ein sogenanntes analytisches Drama. Die drei Akte sind nicht formell in Szenen aufgeteilt, besitzen aber durch den Personalwechsel informelle dramaturgische Unterteilungen, was die Lesbarkeit des Stücks vereinfacht. Die wenigen Charaktere sind höchst authentisch gestaltet, was auch an der schlichten, natürlichen Sprache der Dialoge liegt sowie an der überaus konkreten, bürgerlichen Grundsituation. Indem Ibsen viele Dinge nicht beim Namen nennt, gibt er dem Leser Spielraum für Interpretation. So kann man etwa Solness’ Beziehung zu Hilde – die er vor zehn Jahren „in beide Arme nahm“ und „immer und immer wieder“ küsste – verschiedenartig auslegen: Entweder man sieht hier eine glühende Verehrerin eines älteren, charismatischen Mannes oder aber eine neurotische Frau, die an einer Art Stockholm-Syndrom leidet und ihrem Vergewaltiger nachstellt.

Interpretationsansätze

  • Das Motiv des Turmbaus kann als Sinnbild menschlicher Hybris gelesen werden, mit Bezug auf die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel. Solness’ besondere und widersprüchliche Beziehung zu Türmen spiegelt sein Zerrissensein zwischen beruflichem Hochmut und persönlicher Glücklosigkeit.
  • Der Akt der Turmbesteigung kann psychologisch als Auseinandersetzung des Menschen mit seinen Grenzen ausgelegt werden. Solness, dessen Alterskrise und Versagensängste sich in seiner Höhenangst widerspiegeln, versucht durch das Besteigen seiner eigenen Bauwerke sein naives Selbstbild als potenter, maskuliner Macher zu erhalten.
  • Im alternden Solness, dem Schöpfer in der Sinn- und Schaffenskrise, spiegelt sich Ibsens eigene Situation: 1892 befand sich der Dramatiker in den letzten Zügen seines schriftstellerischen Schaffens. Auch für die Figur der Hilde gab es ein reales Vorbild: 1889 hatte Ibsen in Gossensass in Tirol die damals 18-jährige Emilie Bardach kennengelernt, die den wesentlich älteren, berühmten Schriftsteller glühend verehrte. Ibsen ließ sich geschmeichelt auf ihre Avancen ein.
  • Solness’ verzweifelte Auseinandersetzung mit seinem Glauben und mit Gott sprechen dafür, dass das Motiv des Bauens als religiöse Metapher gelesen werden kann. Naheliegend ist etwa ein Bezug zu König David, der Gott einen Tempel bauen wollte, von diesem aber zurückgewiesen wurde.
  • Auch lässt sich ein Bezug zu Kierkegaards Schrift Taten der Liebe feststellen, wo ein „Turm mit Grundfesten“ einem „Luftschloss“ entgegengesetzt wird. Ibsen allerdings geht über diesen Gegensatz hinaus: Sein Solness will das Unmögliche wahrmachen und ein Luftschloss mit Grundfesten erbauen.

Historischer Hintergrund

Norwegens politische und kulturelle Emanzipation

Ende des 19. Jahrhunderts befand sich Norwegen auf dem Weg in die Unabhängigkeit und zu einer eigenen Identität. Seit der Kalmarer Union von 1397 war das Land mehr oder weniger eine Provinz der dänischen Krone gewesen. Durch den Kieler Vertrag 1814 fiel Norwegen dann an Schweden. Noch im selben Jahr erklärte es seine Unabhängigkeit und gab sich eine Verfassung. Die Unabhängigkeit hatte zwar nicht lange Bestand, doch die Verfassung wurde vom schwedischen Kronprinzen Karl XIV. genehmigt. Allerdings musste Norwegen in eine Personalunion mit Schweden eintreten, die bis zur Unabhängigkeit 1905 hielt. Die fortschreitende Industrialisierung, die Urbanisierung der Ballungsgebiete und der aufstrebende Handel infolge der Union brachten nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung, sondern auch den Wunsch des Bürgertums nach Emanzipation und sozialer Gerechtigkeit. In dieser Zeit bekam die nationalromantische Bewegung Aufwind, die bereits unter dänischer Herrschaft Selbstständigkeit gefordert hatte.

Als Instrument ihrer Emanzipation sahen viele Norweger die eigene Sprache. In den späten 1840er-Jahren veröffentlichte der Sprachforscher Ivar Aasen ein Wörterbuch und eine Grammatik für eine neue norwegische Schriftsprache, damals Landsmål, heute Nynorsk genannt, die auf den verschiedenen Dialekten der norwegischen Bevölkerung basierte. Bis heute sind Nynorsk und Bokmål – die andere der beiden offiziellen Standardvarianten des Norwegischen, die auf dem Dänischen basiert – gleichberechtigte Schriftsprachen in Norwegen, jedoch mit ungleicher Beliebtheit: etwa 85 Prozent der Bevölkerung bevorzugen Bokmål.

1884 wurde der Parlamentarismus in Norwegen eingeführt, der die Exekutive – in diesem Fall das Königshaus – in Abhängigkeit vom Storting, der Nationalversammlung, stellte. Somit wurde die politische Eigenständigkeit des Monarchen aufgehoben und er war gezwungen, den Ministerpräsidenten mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen. Die Nationalbewegung ging weiter Hand in Hand mit einer kulturellen Blüte, repräsentiert etwa durch den Maler Edvard Munch, den Komponisten Edvard Grieg und Schriftsteller wie Bjørnstjerne Bjørnson und Henrik Ibsen, die sich kritisch mit sozialen und politischen Themen auseinandersetzten, und so aktiv zur gesellschaftlichen Debatte beitrugen.

Entstehung

Aufgrund von Henrik Ibsens persönlicher Verschlossenheit und seiner Geheimniskrämerei um sein Schaffen gibt es kaum Informationen zur Entstehung von Baumeister Solness. Weder aus seinen Briefen noch aus seinen Notizen und Entwürfen lässt sich viel entnehmen. Jedoch veröffentlichte er 1899 in seinen Gesammelten Werken ein Gedicht, das vom 16. März 1892 datiert und das als „erste Vorarbeit zu Baumeister Solness“ gekennzeichnet ist. In diesem Gedicht, das zwar keine Namen nennt, in dem jedoch die Figurenkonstellation des Stücks deutlich zu erkennen ist, steht die Auswirkung des Brandes auf die Beziehung zwischen Solness und seiner Frau Aline im Mittelpunkt, während sich das fertige Stück eher auf den Brand als Ausgangspunkt für Solness’ Erfolg konzentriert.

Baumeister Solness war das viertletzte Stück, das Ibsen schrieb, der jetzt im Herbst seiner schriftstellerischen Karriere angelangt war. Halvard Solness’ rückblickende Betrachtungen auf sein Leben sind durchaus auch autobiografisch zu betrachten. Ibsen selbst hat von Baumeister Solness behauptet, es sei dasjenige Stück, „in das er am meisten von sich selbst gelegt“ habe. Auch die Vorliebe für jüngere Damen teilte der Autor wohl mit seinem Protagonisten Halvard Solness.

Wirkungsgeschichte

Wie viele von Ibsens Stücken zuvor war auch Baumeister Solness von der Leserschaft und dem Theaterpublikum bei seinem Erscheinen schon sehnlichst erwartet worden. Doch wie immer gab Ibsen bis zum Erscheinen des Buches keine Informationen über den Inhalt des Stückes heraus. Damit wollte er das Interesse schüren, um dem Absatz der enormen Startauflage von 10 000 Exemplaren auf die Sprünge zu helfen. Innerhalb kürzester Zeit wurde das Buch ins Deutsche, Englische und Französische übersetzt. In Deutschland erschien 1893 die Übersetzung durch Ibsens Sohn Sigurd Ibsen, der in Deutschland studiert hatte. Baumeister Solness war Ibsens erstes Stück nach seiner Rückkehr aus dem selbst gewählten Exil in Deutschland, Italien und Österreich, was das öffentliche Interesse nur noch weiter steigerte. Die erste Aufführung des Baumeister Solness erfolgte im Dezember 1892 aus rechtlichen Gründen als Lesung – in norwegischer Sprache – im Haymarket Theatre in London. Damit sicherte sich Ibsen seine Rechte an dem Stück in Großbritannien. Die eigentliche Uraufführung fand im Januar 1893 zugleich in Trondheim und in Berlin statt.

Über den Autor

Henrik Ibsen wird am 20. März 1828 als ältestes von fünf Geschwistern im norwegischen Skien geboren. Sein Vater ist ein erfolgreicher, aber auch risikofreudiger Geschäftsmann: 1835 geht er in Konkurs, die Familie muss den Ort verlassen. 1844 beginnt der Sohn eine Lehre als Apothekergehilfe in der Küstenstadt Grimstad. Er schreibt Gedichte sowie das Theaterstück Catilina und bereitet sich im Selbststudium auf das Abitur vor, um Medizin studieren zu können. 1850 zieht Ibsen in die Hauptstadt Kristiania (heute Oslo), kommt in Kontakt mit der revolutionären Arbeiterbewegung und schreibt Satiren. Catilina wird gedruckt, 1852 wird Ibsen Hausautor und Regisseur des Norwegischen Theaters in Bergen. 1856 spielt man dort sein nationalromantisches Stück Das Fest auf Solhaug (Gildet paa Solhoug). Ein Jahr später wechselt Ibsen zum Norwegischen Theater nach Kristiania. 1858 heiratet er Suzannah Thoresen, im folgenden Jahr wird Sohn Sigurd geboren. Ibsen engagiert sich für die norwegische Sprache und Kultur, hat aber wenig Erfolg; das Theater macht Bankrott und er gerät in Geldnöte. Ibsen wendet sich von der Nationalromantik ab, sucht sein Glück im Ausland und zieht mit der Familie 1864 nach Rom. Das Drama Peer Gynt von 1867 ist eine kritische Auseinandersetzung mit nationalromantischen Ideen und wird 1876 mit Edvard Griegs Musik am Kristiania-Theater uraufgeführt. 1868 zieht Ibsen mit seiner Familie nach Dresden. 1874 besucht er für einige Wochen sein Heimatland Norwegen und wird dort enthusiastisch begrüßt. Die Familie zieht nach München, dann wieder nach Rom. 1879 vollendet er das Schauspiel Nora oder Ein Puppenheim (Et Dukkehjem), das als Kampfschrift der Frauenemanzipation gelesen wird; zwei Jahre später folgt Gespenster (Gengangere), das wegen seiner provokanten Themen zunächst in Europa nicht aufgeführt wird. 1891 kehrt Ibsen nach Norwegen zurück. Er stirbt am 23. Mai 1906 nach einer Reihe von Schlaganfällen in Kristiania und erhält ein Staatsbegräbnis.

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