Guy de Maupassant
Bel-Ami
Manesse, 2002
Was ist drin?
Bel-Ami ist einer der skrupellosesten Verführer und Emporkömmlinge der Weltliteratur.
- Gesellschaftsroman
- Realismus
Worum es geht
Ein unbegabter Journalist schläft sich nach oben
Bei der Lektüre von Guy de Maupassants Bel-Ami kann man einfach nicht anders als hoffen, dass der Held irgendwann an seinem maßlosen Ehrgeiz scheitert, dass er sich in seinen eigenen Intrigen verheddert und dass seine ganze verlogene Existenz in sich zusammenfällt wie das sprichwörtliche Kartenhaus. Doch gerade das passiert nicht – und es gehört zu den Qualitäten des Werks, dass es diese Erwartung unterläuft. Obwohl Bel-Ami ein durchaus sozialkritischer Roman ist, ganz der realistischen Erzählweise des ausgehenden 19. Jahrhunderts verpflichtet, steigt sein Held, der mittelmäßige Journalist Georges Duroy, immer in höhere Kreise auf, je mehr Frauen er erobert und für seine Zwecke einspannt. Liebe und Ehrlichkeit gibt es in dieser dekadenten Pariser Gesellschaft nicht, dafür jede Menge Heuchelei und Lügen. Die gelassene Ironie, mit der Maupassant dieses Sittengemälde zeichnet, macht den Roman auch mehr als ein Jahrhundert nach seinem Erscheinen zu einem Werk, dem man nicht widerstehen kann – selbst wenn es nervt.
Take-aways
- Die Titelfigur von Bel-Ami ist einer der skrupellosesten und zugleich faszinierendsten Emporkömmlinge der Weltliteratur.
- Inhalt: Der mittelmäßig begabte Journalist Georges Duroy bezaubert die Damen der Pariser Gesellschaft mit seinem Charme und seinem attraktiven Äußeren. Zahlreiche Geliebte und zwei Ehefrauen ermöglichen es ihm, Reichtum und Ansehen zu erlangen. Sein intrigenreicher Aufstieg in die höchsten sozialen und politischen Sphären ist unaufhaltsam.
- Der Roman besticht durch seinen geradlinigen, dialogreichen Stil und durch seine raffinierte Ironie.
- Gefühlsäußerungen erscheinen in Bel-Ami lediglich als Mittel zum Zweck, und wenn sie einmal nicht geheuchelt sind, führen sie geradewegs in den Wahnsinn oder in die Verzweiflung.
- Das Werk wurde von Publikum und Kritik mit Begeisterung aufgenommen, nicht zuletzt wegen seiner freizügigen erotischen Darstellungen.
- Die Figur des Georges Duroy als skrupelloser Frauenverführer hat zahlreiche Schriftsteller und Regisseure des 20. Jahrhunderts inspiriert.
- Guy de Maupassant entstammte einer nordfranzösischen Adelsfamilie und führte in Paris phasenweise ein Leben, das dem seines Helden Duroy glich.
- Ein Freund und Förderer Maupassants war der große französische Autor Gustave Flaubert, der zu den wichtigsten weltliterarischen Vertretern des Realismus zählt.
- Maupassants Gesamtwerk, als dessen gelungenster Teil heute die Novellen gelten, entstand in lediglich zehn Jahren, nämlich zwischen 1880 und 1890.
- Zitat: „Vor allem beunruhigte ihn seine bescheidene gesellschaftliche Stellung, und er sah nicht, auf welchem Weg er die Höhen erklimmen konnte, wo man Wertschätzung und Geld findet.“
Zusammenfassung
Eine Begegnung mit Folgen
An einem Sommerabend streift der ehemalige Unteroffizier Georges Duroy durch Paris. Er ist jung und gut aussehend, doch er besitzt kaum noch Geld, um sich etwas zu Essen zu kaufen, geschweige denn um mit einer der verführerischen Prostituierten mitzugehen, die ihn an den Straßenecken ansprechen. Plötzlich erkennt er in der Menge einen Mann, der gemeinsam mit ihm im sechsten Husarenregiment Dienst geleistet hat. Er heißt Forestier, ist verheiratet und arbeitet in einer leitenden Position bei der Tageszeitung Vie Française.
„Er liebte jedoch die Quartiere, wo es von Straßenmädchen wimmelte, ihre Bälle, ihre Kaffeehäuser, ihre Straßen; er liebte es, sie zu streifen, mit ihnen zu plaudern, sie vertraulich anzusprechen, ihr heftiges Parfum einzuatmen, sich ihnen nah zu fühlen. Es waren immerhin Frauen, Geschöpfe der Liebe.“ (über Duroy, S. 9)
Der Journalist erzählt Duroy von seinem Lungenleiden, das immer schlimmer werde. Duroy seinerseits erwähnt, dass er am Hungertuch nage und einfach keine Stelle finde. Nach einem heftigen Hustenanfall fordert ihn Forestier auf, in die Redaktion mitzukommen, wo der Journalist auf einige seiner berühmten Kollegen trifft. Danach gehen die beiden in ein Café. Ob er es nicht mit dem Journalismus versuchen wolle, schlägt Forestier plötzlich vor, worauf Duroy unsicher antwortet, er habe ja noch nie in seinem Leben etwas geschrieben. Dennoch lädt Forestier ihn für den folgenden Tag zu sich nach Hause ein, zu einem Essen mit dem Chefredakteur und anderen Journalisten. Als er erfährt, dass Duroy nicht einmal einen Frack besitzt, gibt er ihm Geld, damit er sich passende Kleider kaufen kann. Als Nächstes lädt er ihn in das Kabarett Folies-Bergères ein, wo sich viele Prostituierte unter die Besucher mischen. Nachdem der schwer atmende Forestier nach Hause gegangen ist, lässt sich Duroy mit einer von ihnen auf ein Abenteuer ein.
Gehversuche im Journalismus
Anderntags ist Duroy äußerst beeindruckt von den eleganten, weltläufigen Gästen, die sich bei Forestier zum Essen einfinden. Vor allem die Frau seines Freundes, Madeleine, stürzt ihn mit ihrer koketten Freundlichkeit in größte Verwirrung. Duroy verpflichtet sich, einen Artikel über die französische Kolonie Algerien zu schreiben, wo er Militärdienst geleistet hat. Als er allerdings am nächsten Morgen vor einem leeren Blatt Papier sitzt, fällt ihm nicht das Geringste ein. Er beschließt, sich von Forestier helfen zu lassen, doch der hat keine Zeit und verweist ihn an seine Frau. Madeleine ist beglückt, den unbedarften Anfänger unterstützen zu dürfen. Sie lässt ihn ein paar Minuten von seinen Erlebnissen in Algerien erzählen und diktiert ihm dann einen Artikel, den er mit seinem eigenen Namen unterzeichnet. Als er ihn Monsieur Walter, dem Direktor der Vie Française abgibt, wird er sogleich eingestellt.
„Vor allem beunruhigte ihn seine bescheidene gesellschaftliche Stellung, und er sah nicht, auf welchem Weg er die Höhen erklimmen konnte, wo man Wertschätzung und Geld findet.“ (über Duroy, S. 81)
Später bittet man ihn, einen Reporter namens Saint-Potin zu einem Interview mit einem chinesischen General und einem indischen Würdenträger zu begleiten. Die beiden Journalisten gehen aber stattdessen etwas trinken. Der Reporter gibt zu, dass er das Gespräch frei erfinden werde, denn er wisse ohnehin, was diese Chinesen und Inder jeweils sagen würden. Duroy geht nach Hause, um einen zweiten Artikel über Algerien zu schreiben. Abermals bringt er nichts zustande. Anderntags geht er in der Hoffnung zu Forestier, erneut Hilfe zu erhalten, doch dieser lässt ihn seine Macht spüren und kanzelt ihn rüde ab. Den Text, den Duroy schließlich zusammenschustert, gibt Forestier ihm zum Überarbeiten zurück.
Endlich eine Geliebte
Nach zwei Monaten deutet nichts darauf hin, dass Duroy gesellschaftlich aufsteigen könnte, aber immerhin finden ihn die Damen sehr anziehend. Endlich gelingt es ihm, eine von ihnen zu verführen: Clotilde de Marelle, die mit einem hohen, aber zumeist abwesenden Eisenbahnbeamten verheiratet ist und eine reizende kleine Tochter namens Laurine hat. Diese ist genauso in Duroy vernarrt wie ihre Mutter und gibt ihm den Spitznamen, unter dem er in der Pariser Gesellschaft bekannt wird: Bel-Ami. Um ihn ungestört treffen zu können, mietet Clotilde sogar eine kleine Wohnung, was Duroy zunächst in erhebliche Sorgen stürzt: Wie soll er die Miete dafür bezahlen? Doch seine Geliebte beruhigt ihn mit den Worten, dass sie die Kosten übernehme. Sie wolle sich diese kleine Verrücktheit leisten.
Neue Eroberungen
Eines Abends führt Duroy seine Geliebte ins Folies-Bergères aus, wo er sich allerdings in einen heftigen Streit mit einer Prostituierten verwickeln lässt, deren Dienste er bei seinem letzten Besuch in Anspruch genommen hat. Clotilde ist derart entrüstet über das offensichtlich liederliche Leben ihres Angebeteten, dass sie nichts mehr von ihm wissen will. Duroys finanzielle Situation ist derweil noch immer so prekär, dass er Forestier um Geld bitten muss. Dieser ist von seiner fortschreitenden Lungenkrankheit gezeichnet. Seine Laune ist miserabel und er sagt zu Duroy: „Himmel, du bist noch dümmer, als ich je geglaubt hätte.“ Beleidigt will Duroy ihn zunächst ohrfeigen, doch dann entschließt er sich, ihm lieber Hörner aufzusetzen. Sogleich eilt er zu Madame Forestier. Diese weist sein amouröses Ansinnen zurück, um ihm stattdessen ihre Freundschaft anzubieten. Zugleich fordert sie ihn auf, doch besser Madame Walter, die Frau des Chefredakteurs, zu erobern. Duroy macht sich ans Werk, indem er die tiefgläubige Frau sowie deren Freundinnen während eines Abendessens mit Komplimenten und Geschichten aus dem Algerienkrieg bezirzt.
„Er wusste übrigens aus Erfahrung, dass alle von ihm seltsam angezogen und schnell begeistert waren, die Damen der Gesellschaft wie die der Halbwelt, und er litt wie ein gefesseltes Pferd, dass er nicht jene Personen kennen lernte, von denen seine Zukunft abhängen mochte.“ (über Duroy, S. 82)
Später macht er sich gemeinsam mit dem greisen Poeten Norbert de Varenne auf den Heimweg. Varenne spricht von der Angst zu sterben, vom Gedanken an den Tod, der ihn keine Sekunde mehr loslasse und alles um ihn herum vergifte. Die einzige Möglichkeit, der Einsamkeit halbwegs zu entkommen, bestehe für einen Mann darin, aus Liebe zu heiraten und Kinder zu zeugen. Einen Moment lang ist Duroy erschüttert, doch dann geht eine Frau an ihm vorbei, deren Parfum ihn daran erinnert, dass er anderntags mit Clotilde verabredet ist. Sie hat nach dem Skandal im Folies-Bergères seinem Werben wieder nachgegeben.
Der Schreiberling in Todesangst
Bei der Vie Française schreibt Duroy keine Reportagen mehr, denn dazu fehlt ihm das Talent. Stattdessen kümmert er sich nun um die hauptstädtischen Klatsch- und Tratschgeschichten, um Gerüchte und Skandale. In der Folge kommt es zu einem heftigen Streit mit dem Journalisten einer Konkurrenzzeitung, der zunächst publizistisch ausgetragen wird. Die beiden geraten aber derart aneinander und beleidigen sich in ihren jeweiligen Blättern so tief, dass sie sich schließlich zu einem Duell mit Pistolen verabreden. Während der Vorbereitungen wird Duroy von der Todesangst überwältigt; in der Nacht vor dem Duell kann er keine Sekunde schlafen. Doch einmal mehr hat er Glück: Nach dem Schusswechsel ist er genauso unverletzt wie sein Gegner. Gegenüber seinen Sekundanten spielt er nun den Helden, indem er behauptet, er hätte nicht die geringste Furcht verspürt. In einem Kärtchen bewundert die Geliebte Clotilde seine Tapferkeit und fordert ihn auf, sie sofort zu treffen. Sein Ansehen wächst gewaltig – auch innerhalb der Zeitungsredaktion.
„Endlich hatte er eine Frau erobert, eine verheiratete Frau, eine Frau aus der Gesellschaft, der großen Pariser Gesellschaft. Wie leicht und unverhofft war es gelungen!“ (über Duroy, S. 96)
Indessen geht es Duroys einstigem Förderer Forestier immer schlechter. Eines Abends erhält Bel-Ami einen Bittbrief von Madeleine Forestier: Das Ehepaar sei wegen des besseren Klimas zu einer Kur in die südfranzösische Stadt Cannes gereist, doch nun liege ihr Gatte im Sterben. Duroy solle bitte sofort kommen, denn sie halte es nicht aus, dem schrecklichen Todeskampf allein zuzusehen. Duroy macht sich sogleich auf den Weg. Das Ehepaar hat eine Villa in einem Pinienwald gemietet. Beim ersten Zusammentreffen sagt der Todkranke sarkastisch, es freue ihn, dass jemand gekommen sei, um ihn beim Sterben zu sehen. Forestier bedrängt die anderen unentwegt mit seinem Leid. Auch Duroy wird beim Anblick des keuchenden, sich schüttelnden Kranken plötzlich von unbezwingbarer Furcht überwältigt. Am liebsten würde er wieder abreisen. Doch er wartet, bis Forestier tatsächlich gestorben ist, um darauf seiner Witwe, die das ganze Vermögen erbt, einen Heiratsantrag zu machen. Madeleine Forestier bleibt einen Moment lang stumm, doch dann gibt sie dem jungen Journalisten zu verstehen, dass sie durchaus bereit ist, den Vorschlag in Erwägung zu ziehen. Zwei Tage später reist Duroy nach Paris zurück. Seine neuste Eroberung will später nachkommen.
Aus Duroy wird du Roy
Bevor die Witwe Forestier ihrem Verehrer das Jawort gibt, sorgt sie dafür, dass er in den höchsten Kreisen der Gesellschaft eine bessere Figur macht: Sie ändert seinen Namen in Georges du Roy de Cantel, womit sie ihn vor ihren Bekannten zum Adligen macht. Als Clotilde erfährt, dass ihr Geliebter heiraten wird, verlässt sie ihn zum zweiten Mal, doch schon während der Trauungszeremonie gibt sie ihm mit einem warmen Händedruck zu verstehen, dass sie bereit ist, die Liebesaffäre wieder aufzunehmen. Zuerst aber besucht das neuvermählte Paar Duroys Eltern, die auf dem Land als Bauern arbeiten. Madeleine fühlt sich von deren Rohheit derart abgestoßen, dass sie schon am folgenden Tag wieder abreisen will.
„Sehen Sie, es kommt ein Tag, und für viele kommt er früh, wo das Lachen ein Ende nimmt, wie man sagt, weil man hinter allem, was man anschaut, den Tod sieht.“ (de Varenne zu Duroy, S. 150)
Wieder in Paris hilft sie ihrem Gatten, eine Zeitungskampagne gegen das gesamte Kabinett zu lancieren. Dank ihrer hervorragenden Kontakte ist Madeleine stets bestens über alle Machenschaften informiert. Ihre Hilfe ermöglicht es Duroy, von einem obskuren Schreiber lokaler Klatschgeschichten zu einer der einflussreichsten Stimmen der Vie Française zu werden. Als es nach seinen Angriffen zu einer Neubesetzung wichtiger Kabinettsposten kommt, wandelt sich die Zeitung über Nacht zur bedingungslosen Verteidigerin der Regierung. Duroy wird derweil von einer geradezu irrationalen Eifersucht auf den verstorbenen Forestier gepeinigt. Als Madeleine indirekt gesteht, dass sie diesen betrogen habe, spricht Duroy nur noch von „diesem Hahnrei Forestier“ – allerdings versucht er damit lediglich die Angst zu unterdrücken, dass es ihm einmal ebenso ergehen könnte. Auf der Redaktion machen sich seine Kollegen einen Spaß daraus, ihn Forestier zu nennen – so lange, bis er ihnen mit Ohrfeigen droht.
Neue Beute
Um seine Stellung weiter zu verbessern, beschließt Duroy, jetzt endlich auch die Gattin des Chefredakteurs zu erobern. Obwohl es sich bei Madame Walter um eine erzkonservative Dame mittleren Alters handelt, gelingt ihm dieses Unterfangen. Nach einiger Zeit wird ihm die obsessive Verehrung seiner Geliebten allerdings lästig, ihre ständigen Briefchen mit der Bitte um ein sofortiges Zusammentreffen lassen ihn zunehmend kalt. Dass Madame Walter ihm durch eine Insiderinformation hilft, an der Börse viel Geld zu verdienen, hält Bel-Ami nicht davon ab, sie zu verstoßen. Dies stürzt die Unglückliche in einen religiösen Wahn, in dem sie Duroy als Wiedergeburt Christi anzuhimmeln beginnt. Doch der derart Umschwärmte, der nebenbei seine Beziehung zu Clotilde de Marelle wieder einmal aufnimmt, will seinen Aufstieg mithilfe einer neuen, besonders skrupellosen Eroberung vollenden. Als Beute sucht er sich ausgerechnet Suzanne aus, die junge Tochter des Ehepaars Walter. Der Chefredakteur ist nämlich durch obskure Spekulationen auf Ländereien in den nordafrikanischen Kolonien zu einem der reichsten Männer von Paris geworden.
„Die beiden Bauersleute schauten Madeleine an. Sie betrachteten sie, wie man ein Wunderwesen betrachtet, mit unruhiger Angst, in die sich beim Vater etwas wie zufriedene Billigung und bei der Mutter eifersüchtige Feindseligkeit mischten.“ (S. 235)
Bevor Bel-Ami seinen Plan verwirklichen kann, muss er allerdings einen Grund finden, sich von seiner Gattin scheiden zu lassen und dabei als unschuldig dazustehen. Die Tatsache, dass Madeleine mit dem Außenminister Laroche-Mathieu eine Affäre hat, kommt ihm wie gerufen. Er schleicht den beiden in ihr Liebesnest nach und lässt die Tür in Begleitung eines Polizeibeamten aufbrechen. Das Paar liegt nackt im Bett, in flagranti ertappt. Der Kommissar droht, den Mann verhaften zu lassen, doch dieser antwortet schreiend, er genieße als Außenminister Immunität. Drei Monate später sind Bel-Ami und Madeleine geschieden.
Ein Mann mit Potenzial
Als Suzanne ihren Eltern von der Liebe zwischen ihr und Duroy erzählt, treibt sie Madame Walter beinahe in den Wahnsinn. Was die entrüstete Mutter natürlich nicht zeigen kann, ist ihre lodernde Eifersucht. Auch Suzannes Vater ist gegen die Verbindung. Doch Bel-Ami überzeugt das an die romantische Liebe glaubende Mädchen, gemeinsam mit ihm zu fliehen. Damit stellt er dessen Eltern vor vollendete Tatsachen: Um die Familienehre zu retten, bleibt den Walters gar nichts anderes übrig, als in eine Heirat einzuwilligen. Der Vater ist nun sogar überzeugt, dass jemand, der seine Interessen so rücksichtslos durchzusetzen vermag wie Duroy, in die höchsten gesellschaftlichen Sphären aufsteigen wird. Während der Trauung denkt Bel-Ami an nichts anderes als an Clotilde.
Zum Text
Aufbau und Stil
Bel-Ami trägt die typischen Züge des literarischen Realismus: genaue Schilderungen des gesellschaftlichen und historischen Ambiente, psychologisch klar umrissene Figuren, ein einfacher, gradliniger und unprätentiöser Stil, der auf romantisierende oder surreale Effekte verzichtet. Die Ereignisse des Romans werden in chronologischer Reihenfolge erzählt, abgesehen von einigen wenigen erklärenden Rückblenden. Die einzelnen Figuren bestechen durch ihre Anschaulichkeit, stehen aber gleichzeitig für die soziale Klasse, der sie entstammen. Die schnelle, leichtfüßige Erzählweise erinnert an den Rhythmus der Großstadt, in der die Geschichte spielt. Häufig setzt Maupassant die direkte Rede ein, seine Dialoge haben nicht zuletzt den Zweck, die Figuren auf prägnante Weise zu charakterisieren und das Lebensgefühl der Pariser Mittel- und Oberschicht wiederzugeben. Im Unterschied zu anderen großen Werken des literarischen Realismus ist Bel-Ami beißend ironisch, ja sarkastisch. Einige Figuren haben etwas nahezu Karikaturhaftes. Allerdings versteht es Maupassant meisterhaft, das Gleichgewicht zwischen ernsthafter Sozialkritik und befreiender Komik zu wahren.
Interpretationsansätze
- George Duroy alias Bel-Ami repräsentiert den Typus des skrupellosen Aufsteigers, der seinen finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg über alles stellt. Obwohl seine intellektuellen Qualitäten höchstens durchschnittlich sind, gelingt es ihm dank seines Äußeren, seines Charmes und seiner schamlosen Verlogenheit, reihenweise Männer von sich zu beeindrucken und Frauen in amouröse Abenteuer zu verwickeln.
- Maupassants entlarvt eine Gesellschaft, in der Gefühlsäußerungen nur Mittel zum Zweck sind, um einem hemmungslosen Materialismus zu huldigen. Männer und Frauen stehen dabei moralisch auf derselben Stufe, sie wechseln sich als Opfer und Täter ab, je nachdem, wer gerade mehr Glück hat oder wer sich zu noch skrupelloseren Aktionen hinreißen lässt. Wenn es im Roman einmal ein aufrichtiges, ernsthaftes Gefühl gibt, dann schlägt dieses nach kurzer Zeit in quälenden Wahn um. So verliebt sich Madame Walter unsterblich in Duroy, und obwohl er sie genauso unbekümmert verlässt wie alle anderen, hält sie ihn für die Reinkarnation von Jesus.
- Die Verlogenheit der Presse steht derjenigen der Politik und der Finanzwelt in nichts nach. Die Zeitungen haben in Bel-Ami keinerlei aufklärerische Funktion, sondern werden von den politischen Akteuren systematisch missbraucht, damit diese sich persönlich profilieren, Gerüchte verbreiten und politische Intrigen spinnen können.
- Der ironische Pessimismus des Werks wird damit untermauert, dass George Duroy nicht scheitert, sondern durch die erzwungene Heirat mit der Tochter seines Chefs am Ende erst recht triumphiert. Zwar durchlebt er einige Momente der Todesangst und des Selbstzweifels, doch diese vermögen nichts an seinem skrupellosen Charakter zu ändern. Seine Rücksichtslosigkeit erlaubt es ihm, sich der amoralischen Gesellschaft perfekt anzupassen und immer höher zu steigen.
Historischer Hintergrund
Zwischen Zweitem Kaiserreich und Dritter Republik
Das Zweite Kaiserreich (1852–1870), auf Französisch Second Empire, war eine Zeit der wirtschaftlichen Dynamik und des politischen Autoritarismus. 1848 war Charles-Louis Bonaparte, der Neffe von Napoleon Bonaparte, in demokratischen Wahlen zum französischen Präsidenten gewählt worden. Da ihm die Verfassung eine erneute Kandidatur untersagte, unternahm er 1851 einen Staatsstreich und ließ sich am 2. Dezember 1852 als Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen, genau so, wie es 48 Jahre zuvor sein berühmter Onkel getan hatte. Die Verfassung, die in Kraft gesetzt wurde, bedeutete faktisch eine Diktatur.
Vor allem im ländlichen, katholischen Frankreich hatte Charles-Louis Bonaparte großen Rückhalt. Seine Regierungszeit war geprägt von der energisch vorangetriebenen Industrialisierung, dem Aufschwung des Finanzwesens und dem Ausbau des Schienensystems. Außenpolitisch ließ sich Napoleon III. auf mehrere Kriege und Abenteuer ein. Zu nennen sind etwa der Krimkrieg (1853–1856) oder die Intervention in Mexiko (1862–1867), die für Frankreich in einem schmählichen Desaster endete. Der verlorene Krieg gegen Deutschland (1870/71) setzte dem Zweiten Kaiserreich schließlich ein Ende.
Es folgte die Dritte Republik (1871–1940), während der Frankreich die internationale Isolation drohte, da das Land eine der wenigen Demokratien auf dem europäischen Kontinent war. Innenpolitisch focht der Staat einen heftigen Kampf gegen die rückwärtsgewandte katholische Kirche aus, was sich in jenem deutlichen Laizismus niederschlagen sollte, der das Land noch heute prägt. Die Dritte Republik endete mit der Invasion durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Entstehung
Bel-Ami, erschienen 1885, ist der zweite von Maupassants insgesamt sieben Romanen. Beeinflusst war das Werk vom sozialkritischen Realismus, wie ihn die großen französischen Erzähler Gustave Flaubert und Émile Zola pflegten. Außerdem hat Honoré de Balzac mit Eugène de Rastignac in Vater Goriot eine Figur geschaffen, die mit Georges Duroy vergleichbar ist. Allerdings hebt sich Bel-Ami durch Ironie, Sarkasmus und radikalen Pessimismus von der naturalistischen Literatur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab. So ist, vor allem im Unterschied zu den großen Erzählzyklen Zolas, keine Figur auszumachen, die für soziale Gerechtigkeit eintritt oder für ein zukunftsweisendes Klassenbewusstsein steht. Vielmehr sind in Bel-Ami alle nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert.
Die Hauptfigur trägt zumindest teilweise autobiografische Züge, bewegte sich Maupassant doch in denselben Zirkeln. Er arbeitete häufig für Zeitungen und Zeitschriften und war vor allem ein genauso unermüdlicher Schürzenjäger wie sein Held. Das literarische Credo, auf dem der Roman aufbaut, formulierte Guy de Maupassant mit folgenden Worten: „Ein Romancier sollte sich keiner Erfahrung verweigern, er sollte gemeinsam mit den Jägern ein Jäger sein, mit den Seeleuten ein Seemann, er sollte mit den Bauern zum Bauer werden und mit den Bürgern zum Bürger.“
Wirkungsgeschichte
Bel-Ami war schon beim zeitgenössischen Publikum ein großer Erfolg, wobei das Werk vor allem als freizügiger erotischer Roman sowie als Sittengemälde der Presse- und Finanzwelt verstanden wurde. Zu seinen Bewunderern gehörten so bedeutende Autoren wie Iwan Turgenjew, Leo Tolstoi oder Henry James. Die Figur des skrupellosen Karrieristen, der seine amourösen Abenteuer geschickt nutzt, um die berufliche Karriereleiter emporzusteigen, taucht in der Literatur und dem Kino des 20. Jahrhunderts immer wieder auf. Innerhalb der deutschen Literatur zeigten sich insbesondere die Mitglieder der Familie Mann beeindruckt. So tragen etwa die Titelfigur in Thomas Manns Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull oder der Schauspieler Hendrik Höfgen in Klaus Manns Roman Mephisto deutliche Züge des Verführers aus Maupassants Werk.
Ein noch klareres Zeichen für die Popularität des Romans ist die große Anzahl von Verfilmungen, sowohl fürs Kino wie auch fürs Fernsehen. Bereits im Jahr 1919 versuchte der italienische Regisseur Augusto Genina zum ersten Mal, die Eroberungskünste des zwielichtigen Journalisten auf die Leinwand zu bringen. Es folgten weitere Verfilmungen, vor allem fürs Fernsehen. Insgesamt bewertet die heutige Kritik Maupassants Novellen allerdings höher als seine Romane.
Über den Autor
Guy de Maupassant wird am 5. August 1850 als Abkömmling einer lothringischen Adelsfamilie auf Schloss Miromesnil in der Normandie geboren. Mit 19 Jahren geht er nach Paris, wo er ein Jurastudium aufnimmt; allerdings muss er es unterbrechen, als er für den Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) eingezogen wird. Bevor er sich 1880 der Schriftstellerei zuwendet, arbeitet Maupassant im Marine- und später im Kulturministerium. Sein gesamtes literarisches Werk, neben einigen Romanen hauptsächlich Novellen, entsteht zwischen 1880 und 1890, wobei Maupassant anfangs von Gustave Flaubert gefördert wird. Dieser ist ein Freund der Familie, er lädt seinen jungen Bewunderer öfters zum Mittagessen ein und macht ihn mit Autoren wie Iwan Turgenjew, Edmond de Goncourt und Henry James bekannt. Maupassant ist ein unersättlicher Frauenheld, der die Frauen jedoch ebenso verachtet wie die Ehe und das bürgerliche Leben. Er rühmt sich, nie verliebt gewesen zu sein; von seinen drei illegitimen Kindern erkennt er keines an. Seine Körperkraft ist beeindruckend; er schafft es, an einem Tag mehr als 90 Kilometer auf der Seine zu rudern. Allerdings leidet Maupassant auch an vielen Krankheiten, u. a. an Syphilis, mit der er sich vermutlich während eines seiner zahlreichen Besuche bei Prostituierten angesteckt hat. Immer wieder wird er von tiefer Melancholie und Todesangst überwältigt. Auf ausgedehnten Reisen versucht er, seiner Niedergeschlagenheit zu entkommen. Er besitzt eine eigene Jacht, die er „Bel Ami“ tauft – nach dem Helden seines erfolgreichen Romans. Während seiner letzten Lebensjahre zieht er sich immer mehr zurück. Seine körperliche und geistige Kraft schwindet. Schließlich versucht er sich zu erschießen, muss jedoch feststellen, dass sein Hausdiener die Pistole mit Platzpatronen geladen hat. Darauf zertrümmert er ein Fenster, um sich mit einer Glasscherbe die Kehle durchzuschneiden, doch auch das misslingt ihm. Er wird in ein Pariser Spital gebracht, wo er mehr als ein Jahr in geistiger Umnachtung lebt und am 6. Juli 1893 stirbt.
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