Federico García Lorca
Bernarda Albas Haus
Tragödie von den Frauen in den Dörfern Spaniens
Reclam, 2012
Was ist drin?
Lorcas bedrückendes Drama über Frauen als Komplizinnen ihrer eigenen Unterdrückung.
- Drama
- Moderne
Worum es geht
Unterdrückung und Freiheitsdrang
Die stets um den guten Ruf ihres Hauses besorgte Witwe Bernarda Alba herrscht mit diktatorischer Strenge über das Leben ihrer fünf heiratsfähigen Töchter. Frauen sollen sich erst ihrer Familie und später ihren Ehemännern unterordnen, meint sie. Sexualität betrachtet Bernarda Alba als eine reine Männersache, die Frauen über sich ergehen lassen müssen. Als die jüngste Tochter sich dem Regiment der Mutter widersetzt und eigene Sehnsüchte äußert, bricht das ohnehin labile Familiengefüge auseinander. Federico García Lorca wollte sein Drama über die Frau im ländlichen Spanien als fotografisch genaue Dokumentation verstanden wissen. Ohne Scheu vor Tabus legt er die autoritären, durch die Macht der katholischen Kirche gefestigten, verkrusteten Gesellschafts- und Familienstrukturen seiner Zeit offen. Mit großer Einfühlungskraft zeichnet er das Bild von Frauen, die unter der rigiden Sexualmoral leiden, oftmals aber ihre schärfsten Hüterinnen sind. Ein realistisches, düsteres Stück, das zugleich durch seine große poetische und symbolische Kraft beeindruckt.
Take-aways
- Federico García Lorcas 1936 abgeschlossenes Drama Bernarda Albas Haus ist bis heute das meistgespielte Stück des Autors.
- Inhalt: Die stets um den Ruf der Familie besorgte Witwe Bernarda Alba herrscht mit unerbittlicher Strenge über ihre fünf heiratswilligen Töchter. Die Älteste von ihnen hat einen Bräutigam gefunden, den aber auch zwei jüngere Schwestern lieben. Die Jüngste spannt ihn ihr aus und wird schwanger. Als sie vom angeblichen Tod des Geliebten hört, bringt sie sich um. Die Mutter verbreitet die Behauptung, ihre Tochter sei als Jungfrau gestorben.
- Lorca übt deutliche Kritik am Geschlechterverhältnis im konservativ-katholischen Spanien seiner Zeit.
- Die Frauen in dem Stück unterwerfen sich den Männern freiwillig, sie sind zugleich Opfer und Komplizen ihrer eigenen Unterdrückung.
- Das Stück hat ausschließlich weibliche Figuren. Bei den meisten handelt es sich um starre, unbewegliche Charaktere.
- Die schlichte Handlung, die karge Ausstattung und die volkstümliche Redeweise der Figuren unterstreichen den realistischen Anspruch des Stücks.
- Als Homosexueller hatte der Autor selbst unter der rigiden Sexualmoral im Spanien der 30er-Jahre zu leiden.
- Lorca wurde im spanischen Bürgerkrieg von Faschisten ermordet.
- In Spanien, unter der Franco-Diktatur, wurde Bernarda Albas Haus erst 1950 aufgeführt.
- Zitat: „Als Frau auf die Welt zu kommen, ist die größte Strafe.“
Zusammenfassung
Ein Todesfall und fünf heiratsfähige Töchter
Der zweite Ehemann von Bernarda Alba ist gestorben, und das ganze Dorf hat sich zur Trauerfeier in der Kirche eingefunden. Im Haus des Verstorbenen unterhält sich derweil die lang gediente Magd La Poncia mit einer anderen Magd. Die beiden nutzen die Abwesenheit der Hausherrin, um sich in der Speisekammer einmal richtig satt zu essen. Wenn es nach Bernarda ginge, würden die Bediensteten verhungern, klagt La Poncia. Ihre Herrin gebe sich immer als Ausbund sämtlicher Tugenden und tyrannisiere mit ihren Ansprüchen ihre Mitmenschen. Dabei sei sie eigentlich arm dran mit ihren fünf hässlichen Töchtern, von denen nur die älteste, die noch vom ersten Ehemann stamme, ein wenig Besitz habe. Wie eine Hündin gehorcht die alte Magd seit 30 Jahren den Befehlen ihrer Herrin und spioniert für sie im Dorf herum. Bei allen Nachbarn sind Bernarda und ihre Sippschaft unbeliebt. Aus Hass auf die Alte sind selbst Verwandte des Verstorbenen nicht zur Beerdigung erschienen.
„Die Armen sind wie die Tiere. Sie sind nicht aus dem gleichen Stoff gemacht wie wir.“ (Bernarda, S. 9)
Die Trauergemeinde kommt von der Kirche. Nachdem die Frauen das Haus betreten haben – die Männer sind draußen auf dem Hof geblieben –, erscheinen auch Bernarda und ihre Töchter. Die jüngere Magd, die eben noch auf den verstorbenen Hausherrn schimpfte, der ihr immer nachgestellt hat, bricht nun plötzlich in lautes Klagen aus und wird von Bernarda sogleich zurechtgewiesen. Die Armen sind wie die Tiere, schimpft die Hausherrin, sie denken nur ans Essen. Und dann noch diese Frauen, die sich in der Kirche nach den Männern umdrehten. Die anderen Frauen tuscheln: Bernarda sei doch selbst mannstoll.
„Ich tue, was man mir sagt, wie ein Uhrwerk, aber ich glaube nicht daran.“ (Martirio, S. 17)
Als die Gäste gegangen sind, verordnet Bernarda ihren Töchtern eine achtjährige Trauerzeit, in der sie das Haus nicht verlassen und keinen Besuch empfangen dürfen. Stattdessen sollen sie an ihrer Aussteuer sticken. Magdalena, die zweitälteste Tochter, wehrt sich dagegen: Lieber werde sie „Säcke zur Mühle“ schleppen als sich einsperren lassen. Und heiraten wolle sie ohnehin nicht. Doch Bernarda meint, das sei nun einmal das Los der Frauen, und beschimpft Angustias, mit ihren 39 Jahren die älteste Tochter, sie sei nur darauf aus, sich einen Mann zu angeln. Die alte Magd versucht ihre Herrin zu besänftigen: Ihre Töchter seien eben in dem Alter, in dem sie einen Mann bräuchten. Auf Bernardas Einwand, die Bauerntölpel aus der Umgebung seien allesamt keine standesgemäßen Partien, gibt La Poncia zu bedenken, woanders seien es Bernardas verarmte Töchter, die nicht standesgemäß seien.
Männer wollen nur das eine – Frauen aber auch
Die beiden Töchter Amelia und Martirio, beide in den 20ern, unterhalten sich über die Männer: Die seien alle gleich und steckten immer unter einer Decke. Sie nutzten die Frauen aus und ließen sie dann sitzen. Am besten, man lasse sich gar nicht mit ihnen ein. Gott sei Dank sei sie so schwach und hässlich, erklärt Martirio, da brauche sie die Männer wenigstens nicht zu fürchten. Vor allem aber schütze sie ihre Armut, denn eigentlich seien Männer sowieso nur auf Besitz aus. Da platzt Magdalena mit einer Neuigkeit ins Gespräch: Der hübsche Pepe el Romano, 25 Jahre alt und in der ganzen Gegend der beste Mann, wolle um die Hand der kränklichen, ältlichen Angustias anhalten – jetzt, da sie als Alleinerbin des Verstorbenen eine reiche Frau sei. Er wolle wohl nur ihr Geld, mutmaßt die missgünstige Magdalena. Auch die hinzugetretene Adela, die jüngste der fünf Schwestern, gibt sich überrascht und ist zornig. Sie will sich nicht einsperren lassen, bis sie alt und faltig ist. Sie will ihr schönstes Kleid anziehen und sich nicht mehr nur von den Hühnern bewundern lassen, sondern hinaus auf die Straße gehen.
„Was kümmert es die Männer, ob eine hässlich ist! Die sind doch nur auf Land aus, auf ein paar Ochsen, und auf eine unterwürfige Hündin, die ihnen ihr Essen kocht.“ (Martirio, S. 19)
Bernarda ist empört, als sie sieht, dass Angustias sich pietätlos zeigt und bunt geschminkt herumläuft. Als auch noch ihre 80-jährige Mutter María Josefa mit Schmuck behängt durch das Haus geht und verkündet, sie werde an die Meeresküste ziehen, um dort Hochzeit mit einem schönen Mann zu halten, wird Bernarda richtig wütend: Wenn ihre uralte Mutter auch durchgedreht sei und die Tochter wie eine buntbemalte Modepuppe herumlaufe – sie selbst sei noch Herrin ihrer Sinne und behalte das Kommando im Haus. Zusammen mit den Töchtern und der Magd packt sie ihre verwirrte Mutter und lässt sie einsperren.
Adelas heimliches Begehren
Während sie an ihrer Aussteuer nähen und sticken, unterhalten sich die vier älteren Töchter – Adela hat sich hingelegt – mit La Poncia über Pepe, der letzte Nacht bei Angustias am Fenster gestanden hat. Amelia will gehört haben, wie er um halb zwei ging, La Poncia dagegen hat ihn gegen vier Uhr fortreiten hören. Auf Nachfragen berichtet Angustias, Pepe habe ihr einen Heiratsantrag gemacht, in den sie trotz ihres Widerwillens sofort eingewilligt habe. Nun erinnert sich La Poncia, wie es damals war, als ihr Mann um sie geworben hat. Zwei Wochen nach der Hochzeit, so belehrt sie die Töchter Bernardas, interessiere sich ein Mann mehr fürs Essen als fürs Ehebett – damit müssten sich die Frauen abfinden.
„Vierzehn Tage nach der Hochzeit interessiert sich der Mann mehr für den Tisch als für das Bett, und wenn er vom Tisch aufsteht, geht er in die Kneipe.“ (La Poncia, S. 29)
La Poncia ist es auch, die Adela durchschaut. Die anderen Schwestern rätseln immer noch, warum diese tagsüber so müde ist, doch die alte Magd weiß Bescheid: Das Mädchen will ihrer älteren Schwester den Bräutigam abspenstig machen. Das sagt sie ihr auch direkt, als sie mit ihr allein ist. Sie habe sich aufreizend ans Fenster gestellt, als Pepe vorbeigekommen sei, um mit Angustias zu sprechen. La Poncia rät Adela, sich den Mann aus dem Kopf zu schlagen – oder zumindest geduldig zu sein. Die kränkliche Angustias werde bei der ersten Geburt ohnehin sterben und dann werde Pepe, wie alle Witwer, die jüngste der Schwestern heiraten. Auf Adelas Vorwurf, sie schnüffle ihr hinterher, erwidert La Poncia, sie fürchte eben das Gerede der Leute und wolle in einem anständigen Haus leben. Doch Adela gesteht offen, dass sie Pepe begehrt. Sie will sich nicht mehr unterordnen und ihre sexuellen Wünsche frei ausleben.
Streit um den Bräutigam
La Poncia erzählt von jungen, hübschen Schnittern, die im Dorf eingetroffen seien und sich in den Feldern mit einer Frau verabredet hätten. Das bräuchten die Männer eben, sagt sie. Adela und Amelia klagen, Männern sei alles erlaubt, während die Frauen nichts im Leben hätten. Während Martirio mit Blick auf Adela immer wieder darauf anspielt, Pepe sei in der Nacht länger da gewesen, klagt plötzlich Angustias, ihr Bild von Pepe sei verschwunden. Bevor der Streit unter den Schwestern eskaliert, greift Bernarda ein und lässt die Zimmer ihrer Töchter durchsuchen. Pepes Bild wird gefunden – in Martirios Bett. Dafür muss sie von der Mutter Schläge einstecken. Pepe habe es ohnehin nur auf ihren Besitz abgesehen, lästern die eifersüchtigen Schwestern in Angustias Gegenwart.
„Ich will mich über alle hinwegsetzen, nicht nur eine bloße Magd wie dich, nein, auch über meine Mutter, wenn’s darum geht, das Feuer zu löschen, das mir im Mund und zwischen den Beinen brennt.“ (Adela zu La Poncia, S. 32)
Als Bernarda mit La Poncia allein ist, spricht die alte Magd offen mit ihr: Martirio habe das Bild nicht aus Spaß gestohlen, wie sie behauptet, sondern sie sei in den Bräutigam ihrer Schwester verliebt. Bernarda habe ihren Töchtern keine Freiheit gelassen, aus Standesdünkel habe sie damals den Sohn eines Tagelöhners abgewiesen, der um Martirio warb. Bernarda kontert: Ihre Tochter werde das schon verkraften, und wenn nicht, sei es auch nicht so schlimm. Hauptsache, die Nachbarn merkten von all dem nichts. Immerhin würden sie selbst und ihre Töchter nicht im Bordell landen, wie La Poncias Mutter.
„Als Frau auf die Welt zu kommen, ist die größte Strafe.“ (Amelia, S. 34)
Die Magd lässt trotz dieser Kränkung nicht locker: Bernarda solle lieber Martirio mit Pepe verheiraten, oder besser noch Adela. Ihre Herrin aber verbittet sich jede Einmischung in die Familienangelegenheiten: Glücklicherweise respektierten ihre Töchter die Entscheidungen der Mutter. Worauf La Poncia einwendet, sobald Bernarda ihnen den Rücken zukehre, tanzten ihr die Töchter auf der Nase herum. Bis halb fünf Uhr morgens habe zum Beispiel Angustias sich gestern mit Pepe unterhalten – was von der hinzugekommenen Angustias vehement bestritten wird. Nach eingehender Befragung stellt sich heraus: Es war nicht Angustias, sondern Adela, die bis tief in die Nacht mit Pepe am Fenster stand. Martirio hat gesehen, wie er sie umarmt hat. Adela gesteht, sie habe sich hinreißen lassen, doch Pepe sei es ernst, er wolle sie heiraten. Bernarda kündigt nun ein noch härteres Regiment an. Ihre Töchter sollen ihr fortan gefälligst aufs Wort gehorchen, und La Poncia soll sich künftig nur noch um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Vielleicht, so vermutet sie, seien das alles ja auch nur böswillige Verleumdungen der Leute im Dorf.
„Das Leben fragt nie nach unseren Wünschen.“ (Bernarda, S. 42)
Da betritt die Magd das Zimmer und berichtet, dass sich auf der Straße die Menschen versammeln, die Nachbarn sind vor ihre Haustüren getreten. Obgleich Bernarda ihren Töchtern verbietet, hinauszugehen, bekommen diese mit, was passiert ist: Ein lediges junges Mädchen aus dem Dorf hat ein Kind bekommen, es umgebracht und es unter Steinen vergraben. Die Hunde haben den Leichnam herausgezogen und vor die Tür des Mädchens gelegt. Nun ist ein großer Tumult entstanden: Die Dorfbewohner drohen, das Mädchen zu töten, und schleifen es durch die Straße. Bernarda und Martirio stimmen in das Schlachtgeheul ein: Wer den Anstand verletze, den solle man totschlagen. Adela hingegen ist dafür, das Mädchen laufen zu lassen, und verteidigt sie.
Äußere Ruhe, innerer Aufruhr
Die Hochzeit von Angustias und Pepe steht unmittelbar bevor. Die Aussteuer ist fertig; neue, schöne Möbel sind gekauft. Doch die Schwestern sticheln, noch sei es nicht so weit. Als Magdalena Salz verschüttet, wird das als Zeichen für ein bevorstehendes Unglück gedeutet. Im Stall tobt der brünstige Hengst der Familie. Dass der Verlobungsring, den Pepe seiner Braut geschenkt hat, statt mit Diamanten mit Perlen besetzt ist, wertet die zu Besuch gekommene Nachbarin Prudencia als böses Omen: Perlen, meint sie, bedeuten Tränen. Bernarda drängt Angustias dazu, mit Martirio wegen des versteckten Bildes zu reden, doch die entgegnet, die Schwester könne sie nicht ausstehen. Die Mutter indes gesteht offen ein, dass ihr die Gefühle ihrer Töchter gleichgültig sind. Sie möchte nur, dass die Fassade nach außen hin gewahrt bleibt. Im Hinblick auf Angustias’ Ehe mit Pepe rät Bernarda ihrer Tochter, keine Fragen zu stellen. Als Ehefrau solle man nur sprechen, wenn man angesprochen werde, und den Mann nur ansehen, wenn er einen ansehe, sonst gebe es Ärger. Angustias meint, Pepe erscheine ihr neuerdings verändert, als würde er ihr etwas verheimlichen.
„Eine Tochter, die nicht gehorcht, ist keine Tochter mehr, sondern eine Feindin.“ (Bernarda, S. 46)
Die kühle Nachtluft und der klare Sternenhimmel wecken in Adela den Wunsch, noch länger aufzubleiben, sie muss aber mit den anderen Schwestern schlafen gehen. Für Bernarda ist die Ruhe, die nun einkehrt, der Beweis dafür, dass alles in Ordnung ist. Doch La Poncia warnt, Bernarda solle sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen: Nach außen sei zwar alles ruhig; was in Bernardas Töchtern vorgehe, wisse aber niemand. Später stellt La Poncia im Gespräch mit der jüngeren Magd fest, dass die Herrin die Augen vor dem nahenden Unglück verschließe. Sie selbst habe es auch nicht wahrhaben wollen, doch allmählich befürchte sie Schlimmes. Die Magd pflichtet ihr bei: Bernarda glaube, alles unter Kontrolle zu haben, aber sie ahne nicht, welche Macht ein Mann über einsame Frauen haben könne. Schon im letzten Jahr sei Adela hinter Pepe her gewesen, und sie hätten sich öfter heimlich getroffen. Und auch Martirio würde alles tun, um ihn zu bekommen.
Adelas Selbstmord
Draußen im Hof bellen die Hunde wie verrückt, und auch im Haus kehrt keine Ruhe ein. María Josefa schleicht mit einem Schaf im Arm, dem sie ein Wiegenlied singt, durch das dunkle Haus. Adela geht, als sie sich unbeobachtet fühlt, nur mit Mieder und Unterrock bekleidet, durch das Hoftor hinaus. Martirio, auch sie in Unterwäsche, spioniert der Schwester hinterher und versteckt sich unter einem schwarzen Umhang. Als sie die umherirrende Großmutter anspricht, beklagt diese Martirios Kinderlosigkeit und die Leblosigkeit im Haus. Sie möchte fort von dem Hof, in einem offenen Haus leben, in dem es Kinder gibt und die Männer draußen auf ihren Stühlen sitzen. Pepe, prophezeit sie, werde alle zerstören.
„Mit euern Gefühlen gebe ich mich nicht ab. Aber ich verlange, dass ihr nach außen hin gute Miene macht. Ich dulde keinen Streit in der Familie. Verstanden?“ (Bernarda, S. 49)
Draußen vor dem Hof entdeckt Martirio Adela. Sie fordert die Schwester auf, die Finger von Pepe zu lassen, doch Adela will sich nichts mehr von Martirio sagen lassen. Sie sei die Stärkere, Mutigere, und nun hole sie sich, was ihr zustehe. Pepe liebe sie. Seit sie sich geküsst haben, will Adela nur fort aus dem Haus, ganz gleich, was die Leute aus dem Dorf reden. Und selbst wenn er Angustias heirate, werde er sie, Adela, weiterhin treffen. Martirio gesteht ihre Eifersucht und schwört, sie werde eine Verbindung zwischen Adela und Pepe verhindern. Bernarda Alba kommt hinzu und gebietet den streitenden Töchtern zu schweigen. Doch Adela widersetzt sich und zerbricht den Stock der Mutter: Einzig Pepe, ihr Mann, habe ihr noch zu befehlen. Angustias, die ebenfalls dazukommt, beschimpft Adela, die offensichtlich schwanger ist, als Diebin. Wutentbrannt greift Bernarda zum Gewehr, eilt zum Tor hinaus und schießt auf Pepe, der dort auf Adela gewartet hat. Martirio verkündet wider besseres Wissen, Pepe sei tot. Daraufhin stürzt Adela verzweifelt davon. Wenig später findet man sie erhängt. Bernarda Alba hat auch jetzt nur den Ruf des Hauses im Sinn und verlangt von den anderen, dass sie schweigen: Die Welt soll glauben, ihre jüngste Tochter sei als Jungfrau gestorben.
Zum Text
Aufbau und Stil
Federico García Lorcas Drama Bernarda Albas Haus unterteilt sich in drei Akte, die jeweils zu verschiedenen Tageszeiten stattfinden: der erste Akt um die Mittagszeit, der zweite am Nachmittag und der dritte spätabends. Dazwischen liegen indes mehrere Tage, vielleicht sogar Wochen, was nur indirekt, an der Entwicklung der Beziehung zwischen Angustias und Pepe, deutlich wird. Diese Beziehung – ebenso wie Pepes Liebschaft mit Adela – spielt sich nicht auf der Bühne ab, sondern spiegelt sich lediglich in den kargen, beinahe asketischen Dialogen der Frauen wider. Die Schlichtheit der Handlung und die volkstümliche Sprache ebenso wie die genauen Altersangaben zu den Personen sowie präzise Regieanweisungen zu Gesichtsausdruck und Gestik unterstreichen den realistischen Charakter des Dramas, das sein Autor als „fotografisch genaue Dokumentation“ verstanden wissen wollte. Zugleich finden sich immer wieder lyrische Sequenzen – von den Fürbitten für den Verstorbenen über das unterschwellig erotische Lied der Schnitter bis zu dem Wiegenlied María Josefas im letzten Akt, durch das der Autor eine surreale Atmosphäre erzeugt.
Interpretationsansätze
- Bernardas Albas Haus übt unverhohlen Kritik am Geschlechterverhältnis im konservativ-katholischen Spanien der 1930er-Jahre. Anhand der Figur Bernarda Albas zeigt Lorca deutlich, dass Frauen nicht nur Opfer, sondern auch Komplizinnen ihrer eigenen Unterdrückung sind. Bernarda hat die frauenfeindlichen gesellschaftlichen Normen verinnerlicht und überwacht deren strikte Einhaltung mit aller Macht.
- Die Beziehung zwischen Männern und Frauen ist von Dominanz und Unterwerfung geprägt. Ein einziges Mal wird eine Utopie friedlichen Zusammenlebens der Geschlechter entworfen – ausgerechnet von der verwirrten Großmutter María Josefa, die die unterdrückten Wünsche und Sehnsüchte der Frauen ausspricht.
- Die Hauptfigur Bernarda ist – wie auch die meisten anderen der ausschließlich weiblichen Figuren – ein starrer Charakter ohne Entwicklungspotenzial. Weder der Tod ihres Mannes am Beginn des Stücks noch der Selbstmord ihrer Tochter am Ende bewegen sie zur Umkehr. Bis zuletzt geht es ihr allein um die Aufrechterhaltung des äußeren Anstands.
- Adela ist vordergründig die Repräsentantin von Freiheit und Emanzipation. Tatsächlich will sie sich zwar aus der mütterlichen Herrschaft lösen, ist aber bereit, sich einem neuen Herrn, nämlich Pepe, zu unterwerfen.
- Die Namen vieler Figuren haben Symbolcharakter: Magdalena (Anspielung auf die biblische Figur), Martirio („Martyrium“), Angustias („Ängste“) und María Josefa (eine Mischung aus Maria und Josef) symbolisieren mit ihrem biblischem Bezug das Leiden – eine deutliche Kritik an der katholischen Kirche.
- Als erotische Symbolik kann der immer wieder auftauchende Kontrast zwischen Hitze und Kühle, zwischen Trockenheit und Wasser gedeutet werden. Während die Trockenheit des ganzen Dorfes für die Unterdrückung sexueller Wünsche steht, verkörpert das Wasser erotische Erfüllung.
- Ein wichtiges Leitmotiv des Dramas ist das Schweigen. „Ruhe!“ ist das erste Wort, mit dem Bernarda auftritt, „Schweigen!“ ihr letztes. Sie lässt keine Widerrede zu, und auch die Kommunikation der Töchter untereinander ist gestört. Die Sprache ist kein Mittel der Enthüllung, sondern der Verhüllung wahrer Gefühle.
- Die Tabuisierung sexueller Wünsche sowie der Kontrast zwischen persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Norm verweist auf die persönliche Situation Lorcas, der seine Homosexualität nicht ausleben durfte.
Historischer Hintergrund
Die schwarzen Jahre der Zweiten Spanischen Republik
In den meisten Landesteilen Spaniens, damals eines der rückständigsten Länder Europas, herrschten zu Beginn der 1930er-Jahre noch feudale Verhältnisse. Den rund 50 000 Großgrundbesitzern, die sich mehr als die Hälfte des spanischen Bodens teilten, standen etwa 2 Millionen besitzlose Landarbeiter gegenüber, die insbesondere in südlichen Regionen wie Andalusien und Neukastilien am Existenzminimum dahinvegetierten. Selbst dort, wo es selbstständiges Kleinbauerntum und Subsistenzwirtschaft gab, wie etwa in Galizien, reichte die Ernte oft nicht einmal für die eigene Ernährung. Eine nennenswerte Industrie und damit auch ein städtisches, liberales Bürgertum hatten sich lediglich um Madrid und Barcelona herausgebildet. Die eigentliche Herrschaft lag in den Händen einer Oligarchie aus Großgrundbesitzern, katholischem Klerus und den Spitzen der Armee, die im Lauf der Jahrhunderte durch zahlreiche Privilegien zu einem Staat im Staate geworden war.
Nachdem im April 1931 bei Gemeindewahlen die Republikaner einen Sieg errungen hatten, wurde die Zweite Spanische Republik ausgerufen. Die Mehrheit der Bevölkerung hoffte, durch das Ende der Monarchie und den demokratischen Neubeginn würde Spanien ein moderner und gerechterer Staat werden. Die neue, linksliberale Regierung hatte indes mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen verschärfte sich durch die Weltwirtschaftskrise die ökonomische Situation des Landes. Zum anderen hatte der Wechsel der Staatsform nicht die alten Eliten beseitigt. Gegen die starke Opposition der Großgrundbesitzer, die sich gegen eine Agrarreform wehrten, und der Fabrikunternehmer, die Mindestlöhne und Sozialgesetze ablehnten, ließen sich Reformen nur schwer durchsetzen. Auch der katholische Klerus, der fürchtete, durch die geplante Trennung von Kirche und Staat an gesellschaftlichem Einfluss zu verlieren, kämpfte offen gegen die Republik. Da wichtige Positionen im Staatsapparat und in der Armee immer noch von Gegnern der Republik besetzt wurden, kam es wiederholt zu Putschversuchen, wobei die Täter in der Regel straflos blieben.
Bei den Parlamentswahlen im November 1933, zu denen erstmals Frauen zugelassen waren, die übrigens mehrheitlich konservativ wählten, erlangte ein Bündnis aus rechten Parteien und alten Monarchisten einen knappen Sieg. Die folgenden zwei Jahre, in denen die neue Regierung die zaghaften Reformansätze ihrer Vorgänger zurücknahm und auch den Bildungsetat trotz einer dramatisch niedrigen Alphabetisierungsrate drastisch kürzte, wurden allgemein als „schwarzes Doppeljahr“ („bienio negro“) bezeichnet. Angesichts einer wachsenden Bedrohung durch die Falange, eine faschistische Bewegung, die später im spanischen Bürgerkrieg unter General Francisco Franco kämpfen sollte, schlossen sich Linke, Liberale und Anarchisten zu einer – allerdings in sich gespaltenen – Volksfront zusammen. Nach deren Sieg bei den Wahlen von 1936 eskalierten die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen radikalisierten Linken, Anarchisten und Falangisten. Im Spanischen Bürgerkrieg, der im September desselben Jahres ausbrach und drei Jahre währen sollte, entluden sich die jahrhundertealten politischen, sozialen und kulturellen Spannungen.
Entstehung
In den frühen 30er-Jahren reiste Federico García Lorca mit seiner Theatergruppe „La Barraca“ im Auftrag der neuen republikanischen Regierung durch das Land, um der größtenteils leseunkundigen Provinzbevölkerung Bildung und Kultur zu vermitteln. Mit der Arbeit an Bernarda Albas Haus begann er vermutlich zwischen 1933 und 1934. Zusammen mit den Stücken Yerma und Bluthochzeit, die um die gleiche Zeit entstanden, bildete Bernarda Albas Haus eine für seine Theatergruppe konzipierte Trilogie über Unterdrückung und Zwänge in der bäuerlich-archaischen Lebenswelt Spaniens. Inspiriert wurde Lorca zu Bernarda Albas Haus, das den Untertitel „Tragödie von den Frauen in den Dörfern Spaniens“ trägt, nach eigener Aussage durch eine Nachbarfamilie, die er als Junge in seinem Heimatdorf nahe Granada fasziniert beobachtet hatte. Eine Witwe, so schildert er, habe ihre stets schwarz gekleideten Töchter strengstens bewacht. Lorca stellte das Stück vermutlich im Juni 1936, zwei Monate vor seinem Tod, fertig.
Wirkungsgeschichte
Bernarda Albas Haus wurde 1945 in Buenos Aires uraufgeführt und ist bis heute Lorcas weltweit am häufigsten gespieltes Drama. In der Heimat des Dichters wurde das das Stück unter der Franco-Diktatur erst 1950 in Madrid und nur ein einziges Mal aufgeführt. Trotz positiver Aufnahme sollte es bis 1964 dauern, ehe das Stück in Spanien erneut auf die Bühne kam. Im deutschen Sprachraum dagegen war Bernarda Albas Haus bereits in den späten 40er-und 50er-Jahren häufig im Theater zu sehen. Das Stück wurde 1987 vom spanischen Regisseur Mario Camus verfilmt und 2007 als Oper mit der Musik von Miguel Ortega uraufgeführt. Der deutsche Komponist Aribert Reimann brachte 2000 Bernarda Albas Haus als Oper auf die Bühne.
Über den Autor
Federico García Lorca wird am 5. Juni 1898 als erstes von fünf Kindern eines wohlhabenden Gutsbesitzers und einer Lehrerin in Fuente Vaqueros, einem südspanischen Dorf nahe Granada, geboren. Als er elf Jahre alt ist, zieht seine Familie nach Granada um, wo Lorca das Gymnasium besucht. Ab 1914 studiert er an der Universität Granada, ab 1919 in Madrid Literaturwissenschaft, Philosophie und Rechtswissenschaft. Hier freundet er sich mit dem Maler Salvador Dalí und dem Regisseur Luis Buñuel an. Sein frühes Theaterstück Mariana Pineda (1927) ist ein Erfolg, und der Gedichtband Primer romancero gitano (1928) macht Lorca schlagartig berühmt. Seine unerfüllte Zuneigung zu dem Bildhauer Emilio Aladren stürzt ihn in eine schwere persönliche Krise. 1929 geht der Dichter, der auch als begabter Musiker gilt und mit dem Komponisten Manuel de Falla befreundet ist, für ein Jahr nach New York. Nach seiner Rückkehr gründet er in Madrid das studentische Wandertheater „La Barraca“, mit dem er durch das ganze Land reist, um die ländliche Bevölkerung mit der spanischen Kultur und den Klassikern vertraut zu machen. Im Vorfeld der Parlamentswahlen von 1936 unterstützt Lorca öffentlich die Volksfront aus linken und liberalen politischen Kräften. Daneben arbeitet er an drei Theaterstücken, darunter Bluthochzeit (Bodas de sangre, 1933) und Yerma (1934), die beim Publikum großen Anklang finden. Im Sommer 1936 eskalieren die politischen Spannungen, und der als Homosexueller und Linker angefeindete Autor zieht sich aus der Hauptstadt nach Granada zurück. Als die Stadt wenig später nach einem Militärputsch von den faschistischen Falangisten eingenommen wird, flüchtet Lorca in das Haus eines Freundes, dessen Familie der Falange angehört. Hier wiegt er sich in Sicherheit, doch ein Abgeordneter der rechtsstehenden Katholikenpartei CEDA verrät ihn. Zusammen mit anderen Verhafteten wird er am 19. August 1936 in der Schlucht von Víznar von Faschisten erschossen. Wo genau die Überreste des Dichters verscharrt wurden, ist bis heute nicht geklärt.
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