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Billard um halb zehn
Buch

Billard um halb zehn

Köln, 1959
Diese Ausgabe: KiWi, 2007 Mehr

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Literarisch ambitionierte Vergangenheitsbewältigung

Billard um halb zehn ist die mehrere Generationen überspannende Geschichte einer großbürgerlichen kölnischen Familie: vom Beginn des 20. Jahrhunderts über Nazizeit und Zweiten Weltkrieg bis in die Nachkriegszeit. Geboten wird ein Spiegel dieser Epoche – allerdings ein zersplitterter Spiegel, denn Bölls Erzählweise ist alles andere als kontinuierlich. Darin zeigt sich der Einfluss des Amerikaners William Faulkner, des Pioniers der literarischen Moderne. Die Figuren sind teils Nazis, teils Mitläufer und Karrieristen und teils Nazigegner. Das Werk ist stark symbolisch aufgeladen, fast überfrachtet; entsprechend schwierig ist die Lektüre. Dem Leser begegnen zudem für Böll typische Subthemen wie Gesellschafts- und Politikkritik, hier vor allem im Hinblick auf die restaurativen Tendenzen der Adenauer-Zeit. Wie viele andere Werke der 50er-Jahre ist das Buch der sogenannten Trümmerliteratur zuzurechnen; es gilt als Klassiker dieses Genres.

Take-aways

  • Billard um halb zehn ist der literarisch ehrgeizigste Versuch Heinrich Bölls, den Umgang der Deutschen mit der Nazivergangenheit darzustellen.
  • Inhalt: Eine Abtei wird vom Vater, einem Architekten, gebaut, vom Sohn im Krieg gesprengt und unter Beteiligung des Enkels wiederaufgebaut. Die Mitglieder der Familie Fähmel und die Menschen in ihrem Umfeld stellen sich auf ganz unterschiedliche Weise zum Nationalsozialismus. Kurz vor dem Richtfest für die wiedererrichtete Abtei ist dies die zentrale Frage ihrer Existenz.
  • Die Rahmenhandlung vollzieht sich an einem einzigen Tag im Jahr 1958. Rückblenden reichen teilweise Jahrzehnte zurück.

Über den Autor

Heinrich Böll wird am 21. Dezember 1917 in Köln geboren, wo er erst die katholische Volksschule und anschließend das staatliche Gymnasium besucht. Er beginnt eine Ausbildung zum Buchhändler, wird dann jedoch für ein Jahr zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Kurz nach Aufnahme eines Studiums der Germanistik und der klassischen Philologie wird er 1939 in die Wehrmacht einberufen. Im Krieg wird er mehrfach verwundet. Ab 1944 manipuliert Böll seine Krankheits- und Urlaubsscheine, um nicht mehr an die Front zu müssen. 1945 gerät er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung nimmt er die literarische Arbeit wieder auf und kann 1947 eine erste Erzählung im Rheinischen Merkur veröffentlichen. Buchpublikationen und Rundfunksendungen folgen. In vielen Texten setzt sich Böll mit der NS-Vergangenheit und den gesellschaftlichen Verhältnissen im Deutschland der Nachkriegszeit auseinander. 1951 erhält er den Literaturpreis der Gruppe 47. Bölls kritische Haltung gegenüber der katholischen Kirche in Deutschland schlägt sich in seinem Roman Ansichten eines Clowns nieder, der 1963 erscheint. Ab 1964 hält Böll Vorlesungen an der Goethe-Universität Frankfurt, 1971 wird er zum Vorsitzenden des P.E.N.-Clubs, der internationalen Schriftstellervereinigung, gewählt. 1972, nachdem im Spiegel sein Artikel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? publiziert wurde, in dem er sich für einen fairen Prozess für Ulrike Meinhof einsetzte, wird Böll als RAF-freundlicher „Ziehvater des Terrorismus“ öffentlich verunglimpft. Im gleichen Jahr erhält er den Literaturnobelpreis. 1974 erscheint sein Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum, eines seiner bekanntesten Werke. 1976 tritt er aus der katholischen Kirche aus. In den folgenden Jahren engagiert er sich in der Friedensbewegung. Heinrich Böll stirbt am 16. Juli 1985 in seinem Haus in Langenbroich. An seiner Beerdigung nehmen viele Prominente teil, unter anderem der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.


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