Françoise Sagan
Bonjour tristesse
Ullstein, 2017
Was ist drin?
Eines der spektakulärsten literarischen Debüts des 20. Jahrhunderts.
- Roman
- Nachkriegszeit
Worum es geht
Als Bonjour tristesse 1954 erschien, löste das Buch einen Skandal aus. Die Geschichte der 17-jährigen Cécile, die aus Langeweile und Angst vor bürgerlicher Normalität die potenzielle Ehefrau ihres Vaters in den Selbstmord treibt, ist eine geradezu klassische Tragödie – in einem neuen, modernen Tonfall erzählt. Nicht nur die für jene Zeit recht freizügige Darstellung von Erotik, auch der illusionslose Blick, den die jugendliche Ich-Erzählerin auf die Liebe und die Erwachsenenwelt wirft, schockierte die Leser. Das Buch wurde weltweit zum Millionenbestseller und seine Autorin über Nacht berühmt. Mit ihrem betont antibürgerlichen und existenzialistisch gefärbten Debütroman traf Sagan das Lebensgefühl ihrer Generation, die der großen Absurdität des Daseins mit lässiger Melancholie, ausschweifender Genusssucht oder mit Weltekel begegnete. Man sollte sich durch den leichten, unterhaltsamen Stil des Romans nicht täuschen lassen: Unter der glatten Oberfläche geht es um die zeitlose Frage nach dem richtigen Handeln und Leben.
Take-aways
- Françoise Sagans Roman Bonjour tristesse war eines der spektakulärsten literarischen Debüts des 20. Jahrhunderts.
- Inhalt: Die 17-jährige Cécile verbringt mit ihrem Vater und seiner Geliebten die Ferien an der Côte dʼAzur. Als die strenge Anne auftaucht und den notorischen Lebemann zum Heiraten bekehrt, sieht Cécile ihr freies, unbeschwertes Leben bedroht. Sie spinnt eine böse Intrige, um Anne loszuwerden, und treibt sie schließlich in den Tod.
- Sagan wurde von französischen Existenzphilosophen wie Albert Camus und Jean-Paul Sartre beeinflusst.
- Der Roman gibt sich betont antiintellektuell und antiliterarisch.
- Seine freizügige Darstellung von Sexualität löste in den 50er-Jahren einen Skandal aus.
- Sagan verbindet einen leichten, unterhaltsamen Ton mit tiefsinnigen Reflexionen.
- Das Buch, um dessen Entstehung sich zahlreiche Legenden bildeten, machte die 18-jährige Autorin über Nacht berühmt.
- Nicht nur in Frankreich, auch in Amerika wurde es zum Bestseller.
- Bonjour tristesse wurde 1958 von Otto Preminger mit Jean Seberg in der Hauptrolle verfilmt.
- Zitat: „Dann steigt etwas in mir auf, das ich bei geschlossenen Augen mit seinem Namen begrüße: Willkommen Trauer.“
Zusammenfassung
Sonne, Meer und Luxusleben
Die 17-jährige Cécile verbringt mit ihrem Vater Raymond und dessen Geliebter Elsa die Sommerferien in einer weißen Villa am Mittelmeer. Schon als kleines Kind hat sie ihre Mutter verloren, und seit sie vor zwei Jahren aus dem Mädchenpensionat gekommen ist, lebt sie ein unbeschwertes Luxusleben bei ihrem Vater in Paris. Sie liebt es, in schnellen Autos zu fahren, Kleider, Schallplatten und Bücher zu kaufen und ins Kino zu gehen. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass ihr Vater alle paar Monate eine neue Freundin hat. Mit seinen 40 Jahren wirkt der charmante Werbefachmann jung und attraktiv und die Frauen fliegen auf ihn. Von Treue und Verpflichtung hält er nicht viel. Liebe ist für ihn ein vorübergehendes Gefühl – eine Auffassung, die seine Tochter schon früh von ihm übernommen hat.
„Ich zögere, diesem unbekannten Gefühl, dessen Wehmut und Süße mich bedrücken, einen Namen zu geben, den schönen und ernsten Namen Trauer.“ (S. 11)
Cécile genießt Sonne, Sand und Meer, ohne sich darum zu scheren, dass sie beim Examen durchgefallen ist. Sie lässt sich von dem acht Jahre älteren Jurastudenten Cyril, der mit seiner Mutter in der benachbarten Villa wohnt, das Segeln beibringen. Alles sieht nach einem entspannten Urlaub aus, da kündigt Raymond einen neuen Gast an: Anne, eine alte Freundin von Céciles Mutter. Früher hat Cécile leidenschaftlich für die ebenso schöne und elegante wie unnahbare Modedesignerin geschwärmt. Nun aber ist sie beunruhigt: Warum hat ihr Vater sie eingeladen? Und wie soll diese intelligente und anspruchsvolle Frau von Anfang 40 mit der eher einfach gestrickten, viel jüngeren Elsa zurechtkommen?
Das Ende der Freiheit
Cyril entschuldigt sich bei Cécile dafür, dass er sie tags zuvor am Strand geküsst hat. Er möchte nicht, dass sie ihn für einen Frauenhelden hält, so wie ihr Vater einer ist. Als sie sich wieder küssen, spürt Cécile einen Augenblick lang so etwas wie Liebe. Später kommt der Vater mit den beiden Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, an den Strand: Anne ist gepflegt, vornehm und zurückhaltend, Elsa sonnenverbrannt und geschwätzig. Zu Céciles Überraschung läuft es zwischen Anne und Elsa ganz gut. Anne verkneift sich jeden bissigen Kommentar zu Elsas Geschwätz. Raymond behandelt Anne wie eine gute Freundin der Familie, doch seine begehrlichen Blicke sprechen eine andere Sprache. Als Cécile einmal einen zweideutigen Scherz macht, weist Anne sie zurecht: Liebe sei nicht nur Begehren, sondern Sehnsucht und Zärtlichkeit.
„Mir ist klar, dass ich das Wichtigste vergesse, dass ich gezwungen bin, es zu vergessen: die Gegenwart des Meeres, seinen unablässigen Rhythmus, die Sonne.“ (S. 27)
Nach einem Besuch bei Cyrils Mutter, einer älteren Dame, die stolz auf ihr gutbürgerliches, erfolgreiches Leben zurückblickt, macht Cécile ihrem Ärger Luft: Wie könne man nur stolz darauf sein, seine Aufgabe als Gattin und Mutter erfüllt zu haben? Cyrils Mutter habe nur getan, was sich gehörte. Mutiger wäre es gewesen, die Erwartungen der anderen zu enttäuschen und Ehebruch zu begehen! Anne findet Céciles Ansichten zwar modern, aber wertlos. Ein paar Tage später fahren Cécile und ihr Vater mit Anne und Elsa ins Casino nach Cannes. Cécile unterhält sich in der Bar glänzend mit einem betrunkenen Südamerikaner, als plötzlich Elsa auftaucht und klagt, Raymond und Anne seien verschwunden. Cécile ahnt Böses – und tatsächlich findet sie die beiden im Auto in ein vertrautes Gespräch verwickelt. Sie schimpft mit dem Vater: Was soll sie Elsa jetzt sagen? Dass sie sich später wieder melden soll, weil Raymond gerade eine andere hat? Dafür kassiert Cécile eine Ohrfeige von Anne.
„Die Freude am Vergnügen und am Glück stellt die einzige schlüssige Seite meines Charakters dar.“ (S. 28)
Am nächsten Morgen – die enttäuschte Elsa ist gar nicht mehr nach Hause gekommen – verkündet Anne beim Frühstück, sie und Raymond wollten heiraten. Cécile kann es nicht fassen: Ein so überzeugter Ehegegner wie ihr Vater soll nach nur einer Nacht bekehrt worden sein? Sie fürchtet um das freie, unabhängige Leben, das sie bislang geführt haben – zugleich aber ist sie froh, dass sich jemand wie Anne um sie kümmern und ihr den richtigen Weg weisen wird. Freudig planen sie ihre gemeinsame Zukunft. Später zweifelt Cécile allerdings daran, dass ihr Vater daran geglaubt hat, jemals ein geregeltes, bürgerliches Leben – für sie beide etwas Grundfremdes – führen zu können.
Die Verlockung der Normalität
Zu dritt verbringen sie eine herrliche Woche, gehen zusammen essen und wirken dabei wie eine normale Familie. Erstmals erkennt Cécile in Anne, die sonst vor allem durch Intelligenz und Selbstbewusstsein hervortrat, ein sinnliches weibliches Wesen. Sie selbst küsst manchmal noch Cyril, aber seine übergroße Liebe zu ihr verhindert, dass sie sich ihm hingeben kann. Als Anne sie eines Tages beim Küssen erwischt, verbietet sie Cécile den Umgang mit Cyril. Céciles Beteuerung, sie würden sich nur küssen und davon werde man nicht schwanger, ignoriert Anne. Sie sei zu jung, um ihr Leben zu verpfuschen und solle lieber für die Nachprüfung lernen.
„Im Übrigen gab ich gern zu, dass ich einen Monat später durchaus anders darüber denken mochte, dass meine Überzeugungen nicht von Dauer waren. Wie hätte ich je ein großer Geist sein können?“ (S. 45)
Der Vater, dem Anne von dem Vorfall erzählt, stimmt ihr um des lieben Friedens willen halbherzig zu. Cécile ist am Boden zerstört, als sie erkennt, dass ihr beider glückliches, unbekümmertes Leben vorbei ist und Anne sie sanft und allmählich zu anständigen, wohlerzogenen Wesen ummodeln wird. Gerade weil sie, Cécile, so leicht formbar ist, braucht sie die Freiheit, leben zu können, wie sie will, und denken zu können, was sie denkt. Schon bald aber, fürchtet sie, wird sie der Verlockung eines regelmäßigen und von Anne für sie gestalteten Lebens erliegen. Schon jetzt verspürt Cécile Schuld und Gewissensbisse – Gefühle, die ihr bislang fremd waren. Wenn das fröhliche, unbeschwerte Leben mit ihrem Vater nicht bald ein Ende haben soll, bleibt nur eins: Anne muss verschwinden.
Céciles Plan
Cécile gerät in einen Zwiespalt: Ist ihre Abneigung gegen Anne berechtigt, oder ist sie einfach nur ein egoistisches kleines Mädchen, das falschen Unabhängigkeitsträumen nachhängt und eifersüchtig ist, weil der Vater nicht mehr ihr allein gehört? Cécile beobachtet Anne genau und kommt zu dem Schluss, dass sie berechnend, herrisch und kalt ist und ihnen am Ende alle Lebendigkeit und Wärme nehmen wird. Schon ist Cécile abgemagert, was der Vater auf das Lernen für das Examen zurückführt, doch Anne weiß, dass Cécile gar nicht lernt. Sie scheint Céciles Abneigung zu spüren, und das Schlimmste ist: Es scheint ihr gleichgültig zu sein.
„Die Freiheit des Denkens, auch mal das Falsche zu denken oder weniger zu denken, die Freiheit, selbst sein Leben zu wählen, mich selbst zu wählen. Ich kann nicht sagen, ,ich selbst zu sein‘, da ich nichts anderes war als ein modellierbarer Teig, aber doch die Freiheit, sich einer Backform zu verweigern.“ (S. 76)
Da taucht eines Tages Elsa wieder auf – leicht gebräunt, strahlend jung –, um ihre Koffer abzuholen. Als sie hört, dass Raymond heiraten will, ist sie fassungslos. Cécile redet ihr ein, Raymond habe immer nur sie, Elsa, geliebt, und bittet sie, ihr dabei zu helfen, Raymond aus Annes Fängen zu befreien. Elsa ist gleich mit von der Partie. Cécile ist stolz auf ihren psychologischen Scharfsinn und ihre manipulativen Fähigkeiten: Sie hat genau Elsas Schwachpunkt getroffen: ihre verletzte Eitelkeit. Mit einer Mischung aus Selbstekel und Genugtuung schmiedet sie einen Plan: Elsa soll bei Cyril einziehen und so tun, als sei sie mit ihm zusammen. So schön und strahlend wie Elsa jetzt aussieht, wird ihr Verhältnis mit einem Jüngeren den Vater in seiner Eitelkeit kränken – und schon wird er Anne betrügen und zu seinem alten, leichtlebigen Dasein zurückfinden.
„Zum ersten Mal in meinem Leben schien sich dieses ,Ich‘ zu teilen, und die Entdeckung einer solchen Dualität verwunderte mich außerordentlich.“ (S. 73)
Als Cécile am nächsten Morgen Cyril wiedertrifft, macht dieser ihr einen Heiratsantrag. Cécile freut sich, ihn zu sehen, und liebt ihn auch, aber heiraten will sie niemanden. Nachdem sie Elsa und Cyril in ihren Plan eingeweiht hat, ist Cyril zunächst skeptisch. Er hat etwas gegen Intrigen, aber Cécile redet ihm ein, Anne werde niemals eine Heirat zwischen ihnen beiden erlauben, und schließlich willigt er ein, in der Hoffnung, Anne so loszuwerden. Seine Küsse überzeugen Cécile davon, dass sie mehr Begabung zum Küssen in der Sonne als zum Lernen hat, und die letzten Skrupel fallen von ihr ab. Dennoch wird Cécile von Zweifeln und Schuldgefühlen geplagt. Wäre es nicht besser, das Examen zu machen und Cyril in zwei Jahren, wenn er sein Studium beendet hat, mit Annes Einverständnis zu heiraten und ein gutbürgerliches Leben zu führen?
„Ich begriff, dass ich begabter dafür war, einen Jungen in der Sonne zu küssen, als ein Diplom abzulegen.“ (S. 94)
Nach und nach wird Cécile klar, dass Anne sie aus Verantwortungsgefühl und nicht aus Unduldsamkeit gegenüber ihren Schwächen erziehen will. Gerade das aber macht Anne so gefährlich: Sie wird nicht aufgeben, ehe sie Cécile zu einem anständigen Wesen abgerichtet hat. Und so gibt Cécile, die sich selbst als Regisseurin der Intrige begreift, den Startschuss zu der Komödie. Als Cyril und Elsa erstmals vor aller Augen am Strand vorbeisegeln, wendet Anne sich Cécile zu, tröstet sie und entschuldigt sich für ihre Unnachgiebigkeit. Zum ersten Mal fühlt sich Cécile von Anne als eigenständiger Mensch behandelt. Am liebsten würde sie die Posse beenden, doch dafür ist es zu spät.
Liebe und Intrige
Auf Schritt und Tritt begegnen ihnen nun Cyril und Elsa, doch auf den Vater scheint das keinen Eindruck zu machen. Ebenso wie Anne sorgt er sich vielmehr um Céciles Zustand, die die Rolle der enttäuschten Geliebten spielt und so tut, als finde sie beim Lernen Trost. Doch als Anne sie eines Tages dabei erwischt, wie sie Yogaübungen macht, statt zu lernen, bricht ein heftiger Streit aus. Wütend läuft Cécile zu Cyrils Villa und hinein in sein Zimmer, wo sie ihn schlafend vorfindet. Cyril gerät durch ihren unangekündigten Besuch etwas aus der Fassung, packt und umarmt sie – und schließlich schlafen sie miteinander. Für Cécile ist es das erste Mal. Als sie danach nebeneinanderliegen, empfindet Cécile tiefe Liebe für ihn, ein Gefühl, das ihr bislang fremd war.
„In manchen Augenblicken wäre es mir lieber gewesen, ich hätte es bewusst getan, voller Hass und Gewalt. Damit ich mich wenigstens selbst anklagen könnte, mich und nicht die Trägheit, die Sonne und Cyrils Küsse.“ (S. 107)
Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Anne sperrt diese Cécile in ihr Zimmer ein. Zunächst ist Cécile wütend, aber dann beschließt sie mit nüchternem Verstand und kühler Grausamkeit, dass all dies ein Ende haben muss. Als ihr Vater sie schließlich befreit, täuscht sie Einsicht vor und bittet um Geduld: In wenigen Monaten werde sie gewiss Annes Lebensanschauungen übernommen haben und vernünftig geworden sein. Dem Vater ist bei dem Gedanken, dass das lockere Leben mit seiner Tochter ein Ende haben wird, sichtbar unwohl.
„Ich weiß nicht, ob es Liebe war, was ich in diesem Augenblick empfand – ich bin immer wankelmütig gewesen, und ich lege keinen Wert darauf, anders von mir zu denken, als ich bin –, aber in diesem Augenblick liebte ich ihn mehr als mich selbst, ich hätte mein Leben für ihn gegeben.“ (S. 105)
Heimlich trifft sich Cécile mit Cyril. Die Liebe und ihr körperliches Vergnügen haben sie freundlicher, ruhiger und offener gemacht. Zugleich ist sie erschrocken darüber, welche Macht sie über ihren Vater besitzt. Nachdem die beiden auf einem Spaziergang Elsa und Cyril scheinbar schlafend im Wald vorgefunden haben, gelingt es ihr, durch gezielte Bemerkungen zur Schönheit und Jugend des Paares die Eifersucht und den Eroberungswillen ihres Vaters anzustacheln. Gegenüber Anne, die er liebt und bewundert, benimmt sich der Vater zärtlicher denn je, doch zugleich scheint er vom Gedanken an Elsa besessen, in der er ein Symbol seiner Jugend sieht. Dabei ist er kein egoistischer und schlechter Mensch, meint Cécile, sondern nur unbeständig und leichtsinnig. Sie selbst ist für ihn das Allerwichtigste, so wie auch sie ihn mehr als alle Menschen auf der Welt liebt. Sie gehören eben beide dem „Stamm der Nomaden“ oder auch dem der „Genussmenschen“ an, die kein geregeltes Leben ertragen.
Komm, Traurigkeit
Bei einem Treffen mit seinem alten Freund Charles Webb in Cannes offenbart Raymond diesem, er werde Anne heiraten. Charles, der früher auch eine Zeit lang mit Elsa zusammen war, ist sichtlich überrascht, und seine Frau Madame Webb hat nur ironische Kommentare übrig. In dieser Situation hält Cécile zu Anne, die ihr auf einmal wieder viel lieber ist als solche verbitterten und gehässigen Frauen wie Madame Webb und die ihr überhaupt schöner, intelligenter und würdevoller erscheint als alle um sie herum. Aber gerade Annes Würde und Selbstachtung machen das Zusammensein mit ihr so schwer. Es wäre für Cécile leicht, alles so einzufädeln, dass ihr Vater seiner Begierde nachgeben und mit Elsa schlafen könnte, ohne dass Anne es merkt. Das würde ihm als Beweis seiner Jugendlichkeit genügen, und er würde sich danach leichten Herzens für ein Leben mit Anne entscheiden. Doch Cécile will, dass sich das Begehren ihres Vaters immer weiter steigert, bis es unerträglich wird und er einen Fehler begeht.
„Die Liebe ließ mich mit offenen Augen leben, im angenehmen, ruhigen Schein des Mondes.“ (S. 117)
Eines Tages verabredet sich Raymond tatsächlich heimlich mit Elsa. Anne erwischt die beiden und reist sofort ab. Als Cécile den verletzten Ausdruck in Annes Gesicht sieht, begreift sie, dass sie durch ihre Intrige einen lebendigen, empfindsamen Menschen zerstört hat, nicht bloß ein abstraktes Wesen. Sie bereut, was sie getan hat, und will, dass Anne zurückkehrt. Auch Raymond ist reumütig, zusammen schreiben sie ihr einen Brief. Doch da klingelt das Telefon: Anne ist auf der Fahrt nach Paris bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Für Cécile steht fest, dass es Selbstmord war. Sie will nun alles hinter sich lassen: die Ferien, die Villa und auch Cyril, den sie nie geliebt hat. Schon kurz darauf hat sie mit Raymond in ihr altes glückliches Leben zurückgefunden. Nur gelegentlich erinnert sie sich morgens im Bett an jenen Sommer mit Anne und spürt dann ein Gefühl der Traurigkeit.
„Dann steigt etwas in mir auf, das ich bei geschlossenen Augen mit seinem Namen begrüße: Willkommen Trauer.“ (S. 156)
Zum Text
Aufbau und Stil
In Bonjour tristesse – der Titel ist einem Gedicht von Paul Éluard aus dem Jahr 1932 entlehnt – berichtet eine Ich-Erzählerin rückblickend von einem 14-tägigen Sommeraufenthalt an der Côte dʼAzur. Der Roman, der in zwei Teile mit insgesamt zwölf etwa gleich langen Kapiteln unterteilt ist, folgt strikt der Chronologie der Ereignisse. Im Vergleich zu anderen Werken dieser Zeit ist das Buch in eher konventionellem Stil verfasst. Mit dem im Frankreich der 1950er-Jahren entstandenen Nouveau Roman, der traditionelle Erzählformen überwinden wollte, konnte Sagan nach eigener Aussage nicht viel anfangen. Ihre Sätze sind einfach gebaut, die Dialoge knapp gehalten und pointiert, auf weitschweifige Landschaftsbeschreibungen verzichtet sie. Die Kunst von Bonjour tristesse besteht gerade in der Mischung aus leichter, unterhaltsamer Sprache und tiefsinnigen philosophischen Reflexionen, die immer nur angedeutet werden, sodass man sie bei oberflächlicher Lektüre leicht überliest. Der Tonfall des Romans, der für die damalige Zeit recht freizügige erotische Passagen enthält, ist sinnlich und präzise, unschuldig und zynisch zugleich.
Interpretationsansätze
- Das Neue und eigentlich Skandalöse von Bonjour tristesse liegt nicht in der damals schockierenden, heute aber harmlos wirkenden Darstellung von Sexualität, sondern in dem illusionslosen Gestus, mit dem die junge Cécile über die Liebe, die Welt der Erwachsenen und über sich selbst spricht.
- Der Roman steht deutlich unter dem Einfluss von Jean-Paul Sartres Existenzphilosophie. Gleich auf der ersten Seite spielt die Ich-Erzählerin auf einen oft zitierten Satz aus Sartres Drama Geschlossene Gesellschaft an („Die Hölle, das sind die anderen“), wenn sie schreibt: „Die ‚anderen‘ waren mein Vater und Elsa, seine Geliebte.“ Auch in der Passage, in der sie auf der Freiheit besteht, zu entscheiden, wie sie selbst sein will, klingt Sartres Konzept vom Menschen als einem Wesen an, das sich selbst entwirft.
- Die Atmosphäre in Bonjour tristesse erinnert an Albert Camus’ Roman Der Fremde, allein schon wegen der Sonne, der Hitze und dem Meer. Wie Camus’ Held fühlt sich auch Sagans Protagonistin einsam und fremd; wie er ist sie leidenschaftslos und eher gleichgültig, wenn auch keineswegs gefühllos. Nicht Hass und starke Gefühle treiben sie nach eigener Aussage zur Intrige an, sondern Langweile, Neugier und eine gewisse Freude am Bösen.
- Immer wieder erwähnt Cécile Philosophen, mit denen sie sich beschäftigt: Pascal, Kant und vor allem Henri Bergson – neben Dilthey der bedeutendste Vertreter der Lebensphilosophie. Diese gab unmittelbarem, intuitivem Wissen den Vorzug vor rationalem, vermitteltem Wissen und legte besonderen Nachdruck auf das Werden, auf die permanente schöpferische Entwicklung des Lebens.
- Mit ihrer Ich-Erzählerin Cécile, die von sich selbst sagt, sie hätte abgesehen von schulischer Pflichtlektüre nie etwas gelesen, und die Büchern schnelle Autos und Kinofilme vorzieht, nimmt Sagan eine betont antiintellektuelle Haltung ein. Indem sie oberflächliche Ästhetik und Konsum preist und in einem Buch paradoxerweise das Nichtlesen propagiert, betont sie den exklusiven Charakter ihres Romans: Mit traditioneller Literatur hat dieser nichts zu tun.
Historischer Hintergrund
Jazz und Existenzialismus im Paris der 1950er-Jahre
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bildete sich in Frankreich die sogenannte Vierte Republik. Trotz der militärischen Konflikte im Rahmen der Dekolonialisierung – Indochina- und Algerienkrieg, beide 1954 – begann damit eine Phase der Stabilität und des Wirtschaftswachstums. Nach den Entbehrungen des Krieges herrschte allgemeines Verlangen nach Luxus und Glamour. Schon bald stieg Paris zur Welthauptstadt der Mode auf, aber auch des Kinos, des Theaters und der Philosophie. In den verrauchten Kneipen, Bars und Cafés des Künstler- und Literatenviertels Saint-Germain-des-Prés pflegte man einen hemmungslos hedonistischen Lebensstil, tanzte zu wilder Jazzmusik und diskutierte nächtelang über die Philosophie des Existenzialismus.
Zu den wichtigsten geistigen Wegbereitern der Existenzphilosophie zählt der dänische Philosoph Sören Kierkegaard. Mit seinem Buch Entweder – Oder von 1843, in dem er den christlichen Glauben als Mittel beschrieb, die Verzweiflung über die Absurdität und Zufälligkeit unseres Daseins zu überwinden, wurde er schlagartig berühmt. Indem man anerkennt, dass Gott den Menschen geschaffen hat, erübrigt sich laut Kierkegaard die Frage nach dem Sinn des Lebens: Gott hat es eben so gewollt. Für den französischen Existenzialisten und überzeugten Atheisten Albert Camus bot die Religion rund ein Jahrhundert später dagegen keine Lösung mehr. In seinem Essay Der Mythos des Sisyphos von 1942 entwickelte er den Gedanken, dass man dem Absurden nicht entrinnen kann, da es auf die Frage, warum der Mensch existiert, keine sinnstiftende Antwort gibt. Der Mensch, so Camus, werde sich seiner Fremdheit und Verlorenheit in der Welt bewusst, habe aber die Gabe, sich gegen das Absurde aufzulehnen, indem er die Sinnwidrigkeit seines Daseins akzeptiert.
Wie Camus ging auch Jean-Paul Sartre, der mit seinem Hauptwerk Das Sein und das Nichts 1943 den französischen Existenzialismus begründete, davon aus, dass der Mensch zunächst einmal nackte Existenz sei, die keine Essenz, kein eigentliches Wesen habe. „Die Existenz geht der Essenz voraus“, lautete einer seiner bekanntesten Sätze. Demnach gibt es nichts, was der Mensch von Natur aus oder durch Gottes Willen ist, vielmehr erschafft er sich als Wesen selbst, indem er lebt und handelt. In konkreten alltäglichen Situationen muss er sich immer wieder zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten entscheiden und ist dabei an keine allgemeine Moral oder metaphysische Macht gebunden. Laut Sartre ist der Mensch dazu verurteilt, frei zu sein. Einmal in die Welt geworfen, ist er verantwortlich für alles, was er tut.
Entstehung
Um die Entstehung des Romans ranken sich zahlreiche Mythen, die einiges zum Ruhm des Buches beitrugen. Angeblich schrieb die 18-jährige Françoise Sagan Bonjour tristesse innerhalb weniger Wochen überwiegend in Cafés in ein blaues Schulheft. Das fertige Manuskript gab sie Anfang 1954 persönlich beim Verlag Éditions Julliard ab. Eine Sekretärin, die die junge Frau mit der zotteligen Ponyfrisur rückblickend als „komische Mischung aus frechem Gör und stotterndem Seelchen“ beschrieb, überflog die ersten Seiten und steckte dann das Manuskript dem Cheflektor als Lektüre für die Metrofahrt in die Aktentasche. Nachdem der Verleger Réne Julliard tags darauf das Urteil seines Lektors gelesen hatte, verließ er ein Diner mit dem Präsidenten des französischen Wirtschaftsrates vorzeitig, um das Werk selbst zu lesen. Er war so angetan davon, dass er Bonjour tristesse wenige Wochen später veröffentlichte.
Ob diese Legende stimmt oder nicht, fest steht: Françoise Sagan wollte mit ihrem Buch berühmt werden, und sie wollte den Skandal. Sie erklärte später gegenüber Journalisten, sie habe ursprünglich einen Roman über ein Mädchen schreiben wollen, das glückliche Sommerferien an der Côte d’Azur verbringt – doch man schreibe eben keine Romane mit einem glücklichen Mädchen als Hauptperson. Auf Wunsch ihres Vaters, der den Familiennamen Quoirez nicht auf dem Buchumschlag sehen mochte, nahm die Autorin das Pseudonym Françoise Sagan an – nach einer Romanfigur von Marcel Proust.
Wirkungsgeschichte
Bonjour tristesse wurde von Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert aufgenommen. Allein in Frankreich wurden in den ersten zwei Jahren rund 350 000 Exemplare verkauft. Bereits im Mai 1954, zwei Monate nach Erscheinen des Buches, erhielt Sagan den renommierten Prix des Critiques. Auch in den USA – die englische Übersetzung erschien 1955 – stieg Bonjour tristesse zu einem Millionenbestseller auf. Insgesamt wurde das Buch, das zur Ikone einer leichtlebigen, lässigen und sexuell befreiten Generation geriet, in 14 Sprachen übersetzt. Otto Preminger verfilmte Bonjour tristesse 1958 mit Jean Seberg in der Rolle der Cécile, David Niven als Raymond und Deborah Kerr in der Rolle der Anne.
Über die Autorin
Françoise Sagan wird am 21. Juni 1935 im südfranzösischen Cajarc als Françoise Quoirez geboren. Sie ist das vierte Kind einer wohlhabenden Industriellenfamilie. Bis zum Alter von vier Jahren wächst sie in Lyon auf, danach in Paris, wo sie eine Klosterschule besucht. Nach dem Abitur beginnt sie 1952 ein Studium an der Pariser Universität Sorbonne und taucht in das Nachtleben der Jazzclubs und Kellerbars ein. In dieser Zeit schreibt sie ihren ersten Roman Bonjour tristesse (1954), der sie sofort weltberühmt und reich macht. Sie bricht ihr Studium ab und lebt fortan als freie Schriftstellerin unter dem Pseudonym Françoise Sagan. Ihre in rascher Folge erscheinenden Bücher wie Ein gewisses Lächeln (Un certain sourire, 1955) oder Lieben Sie Brahms? (Aimez-vous Brahms?, 1959) werden rasch zu Weltbestsellern und in Hollywood verfilmt. Ruhm und Reichtum ermöglichen ihr ein ausschweifendes Leben; Sagan wird zu einem Societystar. Sie gibt das Geld mit vollen Händen aus, fährt elegante Sportwagen, spielt im Casino, hat zahlreiche Affären – auch mit Frauen. Nach einem schweren Autounfall 1957, den sie nur knapp überlebt, gerät sie in eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln und anderen Drogen. Sie heiratet den Verleger Guy Schoeller, doch die Ehe geht schon bald in die Brüche. Auch ihre zweite Ehe mit Robert Westhoff, mit dem sie 1962 einen Sohn bekommt, wird geschieden. 1970 beginnt Sagan eine Beziehung mit der Modedesignerin Peggy Roche, die mehr als 15 Jahre andauert, bis zu Roches Tod. Nach einer langen Schreibblockade veröffentlicht sie ab den 1980er-Jahren wieder zahlreiche Romane, die jedoch bei Publikum und Kritik meist durchfallen – daneben auch Novellen, Theaterstücke und ihre Autobiografie Mein Blick zurück (Derrière l’épaule, 1998). Politisch engagiert sich Sagan für François Mitterrand, mit dem sie auch privat befreundet ist. In den 1990er-Jahren wird sie wegen Drogenbesitzes und -konsums sowie wegen Steuerhinterziehung wiederholt zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt. Verarmt, hoch verschuldet und schwer krank verlebt sie die letzten Jahre zusammen mit ihrer Freundin Ingrid Mechoulam. Françoise Sagan stirbt am 24. September 2004 an einer Lungenembolie.
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