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Daphnis und Chloe

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Daphnis und Chloe

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Poetisch und mit wissender Ironie erzählt der antike Roman von der ersten Liebe.


Literatur­klassiker

  • Liebesroman
  • Griechische Antike

Worum es geht

Die Mutter aller Liebesromane

Zwei junge Hirten entdecken die Liebe – so lässt sich Daphnis und Chloe aufs Kürzeste zusammenfassen. Der antike Roman ist über Jahrhunderte eine Inspiration geblieben. Er nimmt vorweg, was viele Generationen von Liebesromanen weiter ausgearbeitet und immer neu erzählt haben: Zwei junge Liebende, getrennt durch Gefahren und Widersacher, werden am Ende glücklich vereint. Liest man die knapp 200 Seiten lange Geschichte, merkt man ihr das Alter von 1800 Jahren nicht an. In einfachen Worten und universell nachfühlbar beschreibt Longos die ersten Schmetterlinge im Bauch, die zaghaften erotischen Begegnungen seiner Hauptfiguren, ihre Sehnsüchte und ihre Zweifel. Auch wenn die zahlreichen Anspielungen auf die antike Literatur und Sagenwelt Freude beim Entschlüsseln bereiten, sind umfangreiche Vorkenntnisse zum Verständnis des Romans nicht nötig. Um Goethe zu zitieren: „Man thut wohl, es alle Jahre einmal zu lesen, um immer wieder daran zu lernen und den Eindruck seiner großen Schönheit aufs neue zu empfinden.“

Take-aways

  • Daphnis und Chloe ist der bekannteste Roman der griechischen Antike.
  • Inhalt: Die Findelkinder Daphnis und Chloe wachsen auf Lesbos auf, werden Hirten und verlieben sich ineinander. Nach zahlreichen Wendungen kommt ihre Herkunft ans Licht und sie heiraten.
  • Über den Autor Longos ist fast nichts bekannt. Das Werk wird auf Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christus datiert.
  • Der Roman zählt zu den berühmtesten Werken der Bukolik oder Hirtendichtung.
  • Wichtige Einflüsse waren die Idyllen Theokrits sowie die Neue Komödie.
  • Mit seinen sprechenden Namen und Rückbezügen auf ältere Werke bietet der Roman vielfältige Interpretationsansätze.
  • Daphnis und Chloe vereint Elemente des Liebes-, Entwicklungs- und des Abenteuerromans.
  • Das Werk wurde von zahlreichen Dichtern verehrt, darunter Johann Wolfgang von Goethe.
  • Der Stoff inspirierte die bildende Kunst – unter anderem Marc Chagall und Auguste Rodin – und wurde sowohl als Ballett als auch filmisch adaptiert.
  • Zitat: „Denn gegen die Liebe gibt es kein Heilmittel, weder in Form eines Tranks, einer Speise noch gemurmelter Zaubersprüche, keines, außer Kuss und Umarmung und Zusammenliegen mit nackten Leibern.“

Zusammenfassung

Ein inspirierendes Gemälde

Als der Erzähler einmal auf Lesbos ist, um zu jagen, sieht er in einem Wäldchen ein Gemälde. Darauf ist eine Liebesgeschichte mit vielen Wendungen abgebildet. Der Erzähler fühlt sich beim Anblick inspiriert, die Bilder in eine Geschichte zu fassen. Er informiert sich über die Bedeutung der einzelnen Szenen und schreibt die Geschichte zu Ehren der Götter Pan und Eros sowie der Nymphen auf. Er widmet das Werk den erfahrenen Liebenden, damit sie sich an die erste Liebe erinnern, und den unerfahrenen, damit sie etwas über die Liebe lernen.

Zwei Findelkinder

Nahe der Stadt Mytilene auf Lesbos liegt das Landgut eines reichen Mannes. Die Fläche erstreckt sich von den Bergen bis zum Meer. Weizen und Wein werden angebaut und auf den Ebenen weiden Schafe und Ziegen. Der Ziegenhirte Lamon findet eines Tages in einem Eichenwald eine Ziege, die einen kleinen Jungen mit ihrer Milch füttert. Das Kind trägt hochwertige Windeln und Lamon findet neben ihm einen purpurnen Mantel, eine goldene Spange und einen wertvollen Dolch. Er bringt das Kind zu seiner Frau Myrtale, die einverstanden ist, das Kind als ihr eigenes anzunehmen. Sie nennen das Kind Daphnis und lassen es weiter von der Ziege großziehen.

„Als ich auf Lesbos jagen war, erblickte ich in einem Nymphenhain ein Schaustück, wie ich es schöner nie gesehen hatte, ein Gemälde, das eine Liebesgeschichte darstellte.“ (S. 5)

Zwei Jahre später geschieht auf einem benachbarten Grundstück etwas Ähnliches, als der Schäfer Dryas in einer Grotte, die den Nymphen geweiht ist, ebenfalls ein Findelkind entdeckt. Das kleine Mädchen wird von einem Schaf gesäugt. Auch dieses Kind wurde mit Erkennungszeichen abgelegt: einem Stirnband, Sandalen und Knöchelspangen. Dryas bringt das Mädchen zu seiner Frau Nape und sie beschließen, es aufzuziehen. Sie geben dem Mädchen den Namen Chloe.

Die jungen Hirten

Als Daphnis 15 und Chloe 13 ist, weist Eros Lamon und Dryas im Traum an, Daphnis solle Ziegen- und Chloe Schafhirte werden. Obwohl sich die Ziehväter Höheres für die Kinder erhofft hatten, fügen sie sich und übertragen den Kindern die Aufsicht über die Herden. Daphnis und Chloe freunden sich an und verbringen bald den ganzen Tag zusammen. Doch Eros genügt diese Freundschaft nicht: Er plant, die beiden zusammenzubringen.

„Wie Chloes Augen auf ihm ruhten, schien ihr Daphnis schön, und da er ihr nie zuvor schön vorgekommen war, dachte sie, das Bad bewirke diese Schönheit.“ (S. 17)

Im Dorf geht eine Wölfin um, die schon viele Schafe gerissen hat. Die Dorfbewohner heben Gruben aus, um sie zu fangen, doch ohne Erfolg. Als jedoch Daphnis zwei streitende Ziegenböcke trennen will, übersieht er eine der Gruben und fällt hinein. Chloe bittet einen anderen Hirten um Hilfe und gemeinsam können sie Daphnis befreien. Er ist unverletzt, aber schmutzig geworden, weswegen er sich an der Quelle nahe der Nymphengrotte waschen möchte. Als Chloe ihn nackt baden sieht, wird ihr auf einmal bewusst, wie schön Daphnis ist. Fortan muss sie ständig an ihn denken. Sie glaubt schon, sie sei krank, weil ihr ständig warm wird und sie kaum schlafen kann.

Der erste Kuss

Dorkon, der Rinderhirte, ist schon etwas älter und hat ein Auge auf Chloe geworfen. Er bringt ihr Geschenke und umwirbt sie. Eines Tages bricht ein Wettstreit zwischen Dorkon und Daphnis aus. Chloe soll entscheiden, wer von ihnen der Schönere sei und den Sieger mit einem Kuss belohnen. Dorkon ist zwar größer, stärker und erfolgreicher als Daphnis, doch Chloe zieht trotzdem Daphnis vor. Sie küsst ihn und steckt so auch Daphnis mit ihrer „Krankheit“ an. Dorkon will sich nicht geschlagen geben. Er bittet Dryas um die Hand seiner Tochter, doch der lehnt ab, weil er sich noch immer eine bessere Zukunft für Chloe erhofft. Daraufhin verkleidet sich Dorkon als Wolf, um Chloe aufzulauern und sie sich mit Gewalt zu nehmen, doch die Hirtenhunde finden und beißen ihn.

Piratenüberfall

Der Sommer beginnt und Daphnisʼ und Chloes unbestimmte Sehnsucht wächst. Daphnis möchte Chloe wieder küssen, befürchtet aber, dass dadurch alles noch schlimmer wird. Im Herbst wird die Gegend von Piraten überfallen, die die Ernte und Rinder aus Dorkons Herde stehlen. Sie entführen auch Daphnis. Chloe beobachtet die Entführung und will Dorkon um Hilfe bitten, doch die Piraten haben ihn schwer verletzt. Bevor er stirbt, erklärt Dorkon Chloe, wie sie mit seiner Flöte die Rinder zu sich rufen kann. Als Gegenleistung soll sie ihn küssen. Chloe erfüllt den Wunsch und spielt die Flöte. Die Rinder reagieren und springen von Bord des Piratenschiffes, das umkippt und versinkt. Daphnis kann sich an den Rindern festhalten und kommt so sicher an Land. Später wäscht Chloe sich in der Nymphengrotte. Nachdem Daphnis dabei ihren nackten Körper gesehen hat, ist es mit seiner Gemütsruhe vorbei.

Heilmittel gegen die Krankheit Liebe

Die Weinlese beginnt und nimmt das ganze Dorf in Anspruch. Die Ernte wird mit dem Dionysosfest gefeiert. Daphnis und Chloe werden dabei von einem alten Mann, Philetas, angesprochen. Er erzählt, dass er auch früher Hirte gewesen sei. Heute habe er in seinem Garten einen Knaben getroffen, der sein Obst pflückte. Das Kind erzählte ihm, dass es zwar jung aussehe, aber älter sei als die Zeit und dass es dabei gewesen sei, als Philetas sich das erste Mal verliebte. Nun wache es über Daphnis und Chloe. Philetas sah, dass der Knabe Flügel auf den Schultern hatte und einen kleinen Bogen trug. Er erklärt Daphnis und Chloe, dass sie Eros geweiht sind. Die Krankheit, die sie erfasst habe, sei Erosʼ Werk. Gegen die Liebe wirke als Heilmittel nur der Kuss, die Umarmung und das nackte Zusammenliegen. Da Philetas ihre Symptome richtig beschrieben hat, wollen Daphnis und Chloe seine Kur ausprobieren. Sie küssen und umarmen sich, scheuen aber davor zurück, nackt zusammenzuliegen, da sie nicht genau wissen, was sie zu tun haben.

Kriegsgefahr

Zu dieser Zeit kommt eine Gruppe reicher junger Männer aus Methymna zum Jagen in die Gegend. Ein einheimischer Bauer stiehlt ein Seil von ihrem unbewachten Schiff. Die Männer binden es auf der Weiterreise stattdessen mit einem Tau aus Weidenruten fest, das kurz darauf von Daphnisʼ Ziegen zerbissen wird. Das Schiff treibt aufs Meer hinaus, und mit ihm die Reichtümer, die die Männer mitgebracht haben. Sie lassen ihre Wut an Daphnis aus und verprügeln ihn. Als die Männer aus dem Dorf das hören, verlangen sie, dass der Fall vor Gericht verhandelt wird. Philetas wird als Richter eingesetzt. Die Methymnäer fordern als Wiedergutmachung, Daphnis mitnehmen zu dürfen. Philetas urteilt, dass Daphnis keine Schuld trifft, sondern dass die Ziegen, das Meer und der Wind Ursache des Unglücks waren. Die Methymnäer kehren wütend nach Hause zurück und berichten dort, sie seien von den Mytilenäern betrogen worden. Daraufhin wird eine Flotte entsandt, um die Mytilenäer zu berauben. Auch Chloe wird entführt. Daphnis ist verzweifelt. Im Traum erscheinen ihm die Nymphen, die bereits Pan um Hilfe gebeten haben. Pan erscheint dem Kommandanten der feindlichen Flotte, Bryaxis, und droht ihm, seine Schiffe zu versenken, wenn er Chloe und die Herden nicht zurückgibt. Bryaxis erfüllt die Forderungen. Daphnis und Chloe bedanken sich bei den Nymphen und bei Pan mit Opfern. Am nächsten Tag tauschen Daphnis und Chloe Treueschwüre aus. Daphnis schwört bei Pan und Chloe bei den Nymphen. Sie wollen lieber sterben, als ohne den anderen zu sein.

„Jetzt bin ich krank, aber was für eine Krankheit das ist, weiß ich nicht. Ich fühle Schmerz und trage doch keine Wunde an mir. Ich bin betrübt, und doch ist mir kein Schaf verloren gegangen. Ich glühe und sitze doch tief im Schatten.“ (Chloe, S. 19)

Der Angriff der Methymnäer hat derweil ein Nachspiel: Mytilene schickt Truppen unter der Führung des Feldherrn Hippasos aus. Als sich das Heer den Stadttoren von Methymna nähert, senden die Methymnäer einen Herold und verhandeln einen Waffenstillstand. Inzwischen ist ihnen klar geworden, dass ihre jungen Männer im Unrecht waren. Das Raubgut wird zurückgegeben und der Frieden so wiederhergestellt.

Lieben lernen

Im Winter bleiben die Tiere im Stall. Daphnis und Chloe leiden darunter, dass sie sich nicht mehr jeden Tag sehen können. Daphnis fasst einen Plan: Er will im Efeugebüsch auf Dryasʼ Hof Vögel jagen, um Chloe zu sehen. Dryas findet Daphnis auf dem Hof und lädt ihn an den Tisch ein. Daphnis bleibt über Nacht, teilt sich aber das Bett mit Dryas statt mit Chloe. Sie finden erst am nächsten Tag Gelegenheit, sich allein zu sehen.

„Aber dieser Kuss ist etwas unerhört Neues. Mein Atem geht stoßweise, mein Herz will herausspringen, meine Seele schmilzt dahin – und doch möchte ich immer wieder küssen.“ (Daphnis, S. 24)

Endlich beginnt der Frühling und Daphnis und Chloe treffen sich wieder bei der Nymphengrotte. Der lange Winter hat ihre Sehnsucht noch wachsen lassen, doch was genau es ist, wonach sie sich sehnen, wissen sie nicht. Sie legen sich nackt nebeneinander, wie es ihnen von Philetas geraten wurde. Daphnis schlägt vor, das Gleiche zu tun, was die Schafe und Ziegen tun, doch das erscheint Chloe falsch.

„Gewiss bin ich kein Kind mehr, auch wenn ich den Eindruck eines Kindes mache, sondern bin älter als Kronos, älter als alle Zeit.“ (Eros, S. 46)

Eine Nachbarsfrau, Lykainion, möchte Daphnis zu ihrem Geliebten machen. Da sie weiß, wie sehr er in Chloe vernarrt ist, schlägt sie vor, ihn in der Liebeskunst zu unterweisen. Er ist für das Angebot so dankbar, dass er ihr Käse und eine Ziege als Gegenleistung anbietet. Lykainion zeigt ihm, was zu tun ist. Sie warnt ihn aber auch, dass Chloe als Jungfrau beim ersten Mal Schmerzen haben und bluten werde. Daphnisʼ Tatendrang wird dadurch gedämpft – er möchte Chloe nicht wehtun und belässt es deswegen bei den gewohnten Küssen.

Die Verlobung

Der Sommer beginnt und Daphnis übt sich weiter in Zurückhaltung. Mehrere andere Männer umwerben Chloe, und deren Ziehmutter Nape drängt darauf, dass Chloe verheiratet wird. Dryas aber verschiebt die Entscheidung. Als Daphnis von den Freiern erfährt, vertraut er sich seiner Mutter an. Die glaubt, dass Chloe nicht gut genug für ihren Ziehsohn ist, da die Erkennungszeichen ihn damals als Kind aus reichem Hause ausgewiesen hatten. Die Nymphen erscheinen Daphnis im Traum und weisen ihm den Weg zu dem Wrack der Männer aus Methymna, aus dem er die Beute birgt. Daphnis gibt das Geld Dryas, damit er ihm Chloe zur Frau gibt. Dryas und Nape sind einverstanden und bringen auch Lamon dazu, der Heirat zuzustimmen. Der muss als Sklave jedoch erst seinen Herrn um Erlaubnis bitten. Lamon deutet an, dass Daphnis von hoher Herkunft ist, und Dryas beginnt zu vermuten, dass Daphnis ein ganz ähnliches Schicksal haben könnte wie Chloe. Daphnis und Chloe, von den Hintergründen nichts ahnend, freuen sich über den Segen der Zieheltern.

Die Wahrheit kommt ans Licht

Lamons Herr Dionysophanes wird zur Weinlese erwartet. Dessen Sohn Astylos trifft vor seinem Vater ein. Bei ihm ist auch sein Diener Gnathon, der Gefallen an Daphnis findet. Als Daphnis nicht auf seine Annäherungsversuche eingeht, wird Gnathon gewalttätig. Daphnis kann ihn jedoch abwehren und fliehen. Dionysophanes trifft mit seiner Frau Kleariste ein. Gnathon überredet derweil Astylos, Daphnis als Sklaven mit in die Stadt zu nehmen und ihn Gnathon als Geliebten zu geben. Als Lamon davon erfährt, beschließt er, Daphnisʼ Geheimnis zu lüften. Er zeigt Dionysophanes die Erkennungszeichen. Der erkennt Daphnis daran als seinen eigenen Sohn, den er viele Jahre zuvor ausgesetzt hat, weil er schon so viele Kinder hatte. Diese starben jedoch alle, bis ihm nur noch Astylos blieb. Dionysophanes schenkt Daphnis das Landgut. Die Familie feiert die Wiedervereinigung mit einem Fest.

„Denn gegen die Liebe gibt es kein Heilmittel, weder in Form eines Tranks, einer Speise noch gemurmelter Zaubersprüche, keines, außer Kuss und Umarmung und Zusammenliegen mit nackten Leibern.“ (Philetas, S. 49)

Unterdessen wird Chloe von Lampis, einem abgewiesenen Freier, und seinen Kumpanen angegriffen und verschleppt. Gnathon hört davon und beschließt, sich mit Daphnis gut zu stellen. Er rettet Chloe und bringt sie zurück. Dryas bringt die Erkennungszeichen von Chloe zu Dionysophanes und Kleariste, die das Mädchen als zukünftige Braut ihres Sohnes akzeptieren. Zusammen reisen sie zurück in die Stadt und machen Chloes wahre Eltern ausfindig. Ihr Vater ist Megakles, der Chloe damals aussetzte, weil er nicht genug Geld hatte, um sie standesgemäß aufzuziehen. Kurz danach wendete sich das Blatt und Megakles wurde immer reicher, hatte jedoch keine Erben. Er nimmt sie als seine Tochter an und stimmt der Hochzeit mit Daphnis zu.

„Möchtest du also erlöst sein von deinen Nöten und die gesuchten Wonnen erfahren, so komm und vertraue dich mir als Schüler an! Ich will dich darin unterrichten und erweise so den Nymphen einen Gefallen.“ (Lykainion zu Daphnis, S. 95)

Daphnis und Chloe halten es in der Stadt nicht lange aus. Sie kehren auf ihr Landgut zurück und feiern vor der Nymphengrotte ihre Hochzeit. In der Hochzeitsnacht kann Daphnis endlich mit Chloe tun, was er von Lykainion gelernt hat. Die beiden verbringen den Rest ihres Lebens als Hirten und lassen ihren Sohn Philopoimen von einer Ziege, ihre Tochter Agele von einem Schaf säugen.

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Aufbau und Stil

In vier Büchern erzählt Longos die Geschichte von Daphnis und Chloe, die mit dem Auffinden der Findelkinder beginnt und mit einem Ausblick auf ihre Ehe endet. Die zentrale Handlung umfasst einen Zeitraum von rund zwei Jahren und spielt sich vornehmlich auf der Insel Lesbos im Umfeld der Stadt Mytilene, der größten Stadt der Insel, ab. Ein Gemälde, das der Erzähler auf Lesbos vorfindet, inspiriert ihn, dessen Geschichte niederzuschreiben: „Während ich nun noch viele andere Szenen, die alle um die Liebe kreisten, staunend betrachtete, ergriff mich der brennende Wunsch, wetteifernd mit dem Gemälde dessen Inhalt in Worte zu fassen.“ – ein Hinweis darauf, dass der Autor eine ältere Geschichte nacherzählt, die ihm die Menschen vor Ort erzählt haben. Damit fügt er seine eigene Geschichte in den Kanon der Mythen und Sagen ein, aus dem er im Verlauf der Erzählung immer wieder schöpft. Stilistisch geschliffen und mit geschickt eingesetzten poetischen Mitteln erzählt Longos eine Geschichte, deren Kunstfertigkeit sich erst auf den zweiten Blick enthüllt. Während andere Romane derselben Zeit mit ihrer überbordenden Menge an Szenen und Wendungen fast unüberschaubar werden, konzentriert sich die Kernhandlung von Daphnis und Chloe auf einen Ort und einen relativ kurzen Zeitraum von zwei Jahren, in dem die Geschichte eines einzelnen Paares erzählt wird. Die einfache Sprache passt zum Lebensstil der Figuren, beeindruckt aber mit ihrem oft kunstvollen Rhythmus. 

Interpretationsansätze

  • Daphnis und Chloe vereint Elemente des Hirten-, Liebes- und des Entwicklungsromans, wobei die Entwicklung hier nicht als Bildung des Charakters und der Persönlichkeit zu verstehen ist, sondern das Erwachen und Kennenlernen der Sexualität betrifft. Der Roman ist denn auch dem Gott Eros gewidmet. Vor allem anderen ist Daphnis und Chloe ein Liebesroman, dessen Handlung erst mit der Annäherung der beiden Hauptfiguren richtig beginnt, und der sich das Happy End fast bis zur letzten Seite aufspart.
  • Die Hauptfiguren treten als gleichberechtigte Partner auf. Die Liebesgeschichte ist gespickt mit Abenteuerepisoden wie dem Überfall der Piraten und dem Angriff der Methymnäer. Dabei fällt auf, dass Daphnis nie als strahlender Held, sondern immer als Hilfsbedürftiger erscheint. Nicht selten ist es Chloe, die ihn, oft auch mit göttlichem Beistand, aus misslichen Lagen befreien muss.
  • Zahlreiche Figuren tragen sprechende Namen: Chloe steht für das frische grüne Gras im Frühling, Lykainion heißt „Dirne“, Megakles bedeutet „der, dessen Ruhm groß ist“, und Kleariste „Beste an Ruf“.
  • Andere Figuren haben eindeutig mythologische und historische Vorbilder. So weist Philetas Parallelen zu dem alexandrinischen Dichter Philetas von Kos auf. Er war der Lehrer Theokrits, des berühmtesten bukolischen Dichters der Antike, von dem Longos unter anderem die Beschreibung von Eros übernimmt.
  • Der Kontrast zwischen Stadt und Land wird im Roman immer wieder betont. Das ländliche Dasein erscheint als Ideal vom Leben im Einklang mit der Natur und ist geprägt von tiefer Frömmigkeit. Diese ländliche Idylle findet sich schon als Arkadien in der bukolischen Dichtung, vor allem bei Vergil. Die städtischen Figuren wie Lykainion, Gnathon und die Methymnäer sind hingegen meist negativ gezeichnet. Aus dem Roman spricht eine Sehnsucht nach dem einfachen Leben, die als Gesellschaftskritik gedeutet werden kann.

Historischer Hintergrund

Griechenland unter römischer Herrschaft

Nach dem Tod Alexanders des Großen 323 v. Chr. wurde das von ihm eroberte Gebiet in drei Großreiche aufgeteilt: Makedonien, Ägypten und Syrien. In Makedonien schwand die Macht der vormals so wichtigen griechischen Städte, obwohl viele von ihnen faktisch noch unabhängig waren. Unter der Herrschaft der Antigoniden wuchs der Einfluss des Makedonischen Reichs in Griechenland. Mehrere Städte schlossen sich zusammen und bildeten Bundesstaaten. Zwischen diesen Bundesstaaten und Makedonien kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Rom mischte sich ein und besiegte Makedonien im Zweiten Makedonischen Krieg (200 bis 197 v. Chr.). Endgültig unterwarf Rom Makedonien aber erst in der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.). Damit war Makedonien nun eine römische Provinz und wurde wie der Rest Griechenlands in das Römische Reich eingegliedert.

Obwohl die Unabhängigkeit verloren war, hatte die griechische Kultur enormen Einfluss auf Rom: Neben Latein wurde Griechisch gesprochen und auch die klassische griechische Bildung wurde übernommen. Unter den Kaisern Tiberius, Claudius und Vespasian wurde Griechenland in mehrere Provinzen aufgeteilt. Derweil stiegen immer mehr Griechen in der römischen Politik zu hohen Posten auf. Ab 251 n. Chr. kam es zu mehreren Einfällen der Goten auf griechisches Gebiet, sie drangen sogar bis Athen vor. Kaiser Aurelian überließ den Barbaren Gebiete jenseits der Donau und konnte so 274 n. Chr. den Frieden wiederherstellen. Das folgende Jahrhundert bescherte der griechischen Kultur noch einmal eine Blütezeit, die erst mit dem erneuten Einfall der Goten am Ende des 4. Jahrhunderts und der beginnenden Christianisierung endete.

Entstehung

Die Liebe war im Hellenismus das wichtigste Motiv der Literatur. Die Menschen identifizierten sich zu dieser Zeit weniger mit dem Staat, der im Zuge der Eingliederung ins Römische Reich seine Unabhängigkeit verloren hatte, sondern zogen sich ins Private zurück. Ein Vorbild für die Romane dieser Zeit war die apolitische Neue Komödie. Longos schöpfte für seinen Roman Daphnis und Chloe außerdem aus dem Fundus der Bukolik oder Hirtendichtung. Der Name Daphnis geht auf die Idyllen von Theokrit zurück, zu der sich auch viele weitere Parallelen finden. Dort erscheint Daphnis als mythisch-poetische Gestalt; er ist der Sohn des Hermes und einer Nymphe und wird als Findelkind von Hirten gefunden und von Nymphen aufgezogen. Auch finden sich bei Longos Bezüge zur Malerei der römischen Kaiserzeit. Daneben übernimmt er Motive und Szenen von Homer, Sappho und Platon und bezieht sich mehrfach auf die Geschichtswerke von Thukydides.

Wirkungsgeschichte

Daphnis und Chloe, der heute bekannteste Roman der griechischen Antike, wurde von Anfang an rege rezipiert. Hirtenromane waren besonders in der Renaissance und im Barock sehr beliebt; es entstanden Schäferdichtungen wie Jacopo Sannazaros Arcadia (1504), Torquato Tassos Aminta (1573) und Giovanni Battista Guarinis Il Pastor fido (1590). Auch in William Shakespeares Wintermärchen (1623) sind zahlreiche Bezüge zu belegen. Das hohe Interesse an Longosʼ Werk ist vor allem der Übersetzung von Jacques Amyot aus dem Jahr 1559 zu verdanken: Die Fassung Les amours pastorales de Daphnis et de Chloe wurde unzählige Male wieder aufgelegt. Weiterverarbeitet wurde der Stoff unter anderem in dem Gedicht Daphnis von Salomon Gessner (1754). Johann Wolfgang von Goethe, ein großer Fan des Werks von Longos, riet: „Man thut wohl, es alle Jahre einmal zu lesen, um immer wieder daran zu lernen und den Eindruck seiner großen Schönheit aufs neue zu empfinden.“ Später fanden pastorale Motive kaum noch Platz in der Literatur. Im 19. Jahrhundert wurde Longos’ unverkrampfte Darstellung als lüstern und frivol abgetan und erst im 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Orestis Laskos verfilmte den Stoff 1931 und auch der Film Die blaue Lagune (1980) ist durch den Roman inspiriert.

Weitreichenden Einfluss hatte der Roman auf die bildende Kunst und die Musik. Motive aus Daphnis und Chloe finden sich in den Holzschnitten von Aristide Maillol, in Farblithografien von Marc Chagall sowie in einer Skulptur von Auguste Rodin. Jean-Jaques Rousseau arbeitete 1774 bis 1776 an einer Pastorale, die auf dem Werk beruhte, stellte sie aber nie fertig. Daphnis et Chloé, Jacques Offenbachs Operette in einem Akt, wurde 1860 uraufgeführt. Das Ballettstück Daphnis und Chloe von Maurice Ravel entstand 1912. Die Musik war auch Teil der Adaption für die Bühne von Frederic Ashton, die 1951 uraufgeführt wurde. 

Über den Autor

Über den Autor Longos ist so gut wie nichts bekannt. Der Name kam in der Antike häufig vor, auch auf der Insel Lesbos. Was wir heute über den Dichter wissen, lässt sich nur aus seinem einzigen erhaltenen Werk, Daphnis und Chloe, ableiten. Die Tatsache, dass sich der Autor anscheinend gut auf der Insel auskannte, kann ein Beleg dafür sein, dass er von Lesbos stammte. Allerdings ist auch denkbar, dass er Römer war und Lesbos nur von Reisen kannte. Die Schaffenszeit des Dichters könnte in der Wende vom zweiten zum dritten Jahrhundert gelegen haben, wie stilistische Eigenheiten des Romans vermuten lassen. Erhalten sind zwei Handschriften seines Werkes: der Codex Vaticanus und der Codex Florentinus. Letzterer gibt als Autor zwar „Logos“ an, doch es gibt Indizien, dass es sich dabei um einen Schreibfehler handelt. Möglich ist auch, dass „Longos“ ein Pseudonym war. Unbestritten ist jedoch die umfassende literarische Bildung des Autors, die aus den zahlreichen Anspielungen auf die großen Werke der Antike spricht. In der Einführung zu Daphnis und Chloe berichtet der Erzähler, wie ihn der Anblick eines Gemäldes mit dem „brennenden Wunsch“ erfüllt habe, den Inhalt des Bildes in Worte zu fassen. Dort fasst er auch sein Wirkungsziel zusammen: Sein Werk soll heilen und trösten, die Menschen an die Liebe erinnern und Unerfahrene auf die Liebe vorbereiten. Das Ziel, seinen Roman „allen Menschen zum bezaubernden Besitz“ zu machen, hat er in jedem Fall erreicht.

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