Der deutsche Soziologe Andreas Reckwitz diagnostiziert in seinen Büchern eine tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft. In Das Ende der Illusionen verfolgt er detailliert die Auswirkungen dieser Transformation auf die einzelnen Bereiche der Gesellschaft: Kultur, Wirtschaft, Politik und Privatleben. Ein spannender und erhellender Big-Picture-Blick auf den gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft und ein engagiertes Plädoyer dafür, die zahlreichen Krisen als Chance zu begreifen.
Es gibt keinen Kampf der Kulturen, aber gegensätzliche Auffassungen, was Kultur eigentlich ist.
Bis in die 1970er-Jahre hinein war Kultur in der westlichen Welt nur ein Randphänomen, das an speziellen Orten wie im Theater oder im Konzertsaal stattfand. Heute dagegen ist unser Leben immer stärker kulturell bestimmt. Diese Ausdehnung des Kulturellen findet auf Kosten des Rationalen statt.
Alte Kulturkämpfe meist nationalistischer oder religiöser Art leben heute wieder auf, obwohl sie der liberalistische Fortschrittsglaube längst überwunden glaubte. Doch diese Kämpfe finden nicht zwischen den Kulturen statt, wie einst Samuel Huntington in seinem Buch Kampf der Kulturen schrieb. Stattdessen handelt es sich um einen Grundsatzkonflikt darum, was Kultur bedeutet, wie sie organisiert wird und was sie hochhält bzw. abwertet.
Die beiden Positionen, die sich in diesem Kampf gegenüberstehen, lassen sich als Hyperkultur und Kulturessenzialismus beschreiben. Die Hyperkultur gibt seit den 1980er-Jahren den Takt vor. Sie feiert die Selbstentfaltung des Individuums, ist kosmopolitisch und global ausgerichtet. Kultur, im Sinne von Hyperkultur verstanden, ist weder...
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