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Das Glasperlenspiel

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Das Glasperlenspiel

Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

„Utopia“ von Hermann Hesse: Der Roman erzählt Leben und Tod des Glasperlenspielmeisters Josef Knecht in der sagenhaften Provinz Kastalien im 23. Jahrhundert.


Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Moderne

Worum es geht

Utopia in Kastalien

Hermann Hesse ist Kult: Spätestens seit dem Hesse-Jahr 2002 (anlässlich des 125. Geburtstags des Autors) wissen das auch die Leser, die sich vorher nicht an seine Bestseller wie Siddharta oder Der Steppenwolf herangewagt haben. Mit dem Glasperlenspiel lieferte der vor allem im Ausland beliebte deutsche Schriftsteller die Summe seines gesamten Schaffens ab. Die beiden Pole der "vita activa" und "vita contemplativa", also der Hingabe an die weltlichen Freuden einerseits und der Hingabe an den Geist, die Wissenschaft und die Kunst andererseits, werden in Hesses Werk immer aufs Neue ausgelotet. In der Tradition des deutschen Bildungsromans zeigt der Autor in seinem letzten großen Werk, wie der junge Josef Knecht im utopischen Land Kastalien des 23. Jahrhunderts zum ehrwürdigen Glasperlenspielmeister aufsteigt, immer wieder zweifelt und strauchelt und letztlich das Amt aufgibt, um sein Heil in der Welt jenseits des Ordens zu finden. Diese Sinnsuche durchzieht nicht nur das gesamte Œuvre von Hermann Hesse, sondern ist auch auf jeder Seite des Glasperlenspiels präsent. Auch wenn das Buch aus heutiger Sicht ein wenig angestaubt und umständlich wirkt und schon so manchen Leser zur Verzweiflung getrieben hat, gelingt es Hesse doch ausgezeichnet, ein genaues Bild seines Protagonisten zu zeichnen und die Fiktion des Geistes- und Kulturreiches Kastalien plastisch und eindrucksvoll auszumalen. Ein Roman, so vieldeutig wie das Glasperlenspiel selbst und zugleich die Quintessenz von Hesses Gesamtwerk.

Take-aways

  • Das Glasperlenspiel ist Hermann Hesses letztes großes Prosawerk und die Summe seines gesamten Schaffens.
  • Das Buch erschien 1943 in der Schweiz, weil es in Deutschland nicht gedruckt werden durfte.
  • Hesse schuf den Roman als geistig-kulturellen Gegenentwurf zu der Realität des Nationalsozialismus in Deutschland und verlegte die Handlung ins 23. Jahrhundert.
  • Das Glasperlenspiel ist ein komplexes Spiel mit den Werten der Kultur und wird nur von einer Elite, den Mitgliedern des Glasperlenspielordens im Land Kastalien, beherrscht.
  • Der elternlos aufgewachsene, hochbegabte Josef Knecht wird vom Musikmeister von Kastalien in eine der Eliteschulen des Landes berufen.
  • Knecht durchläuft die Ausbildung ohne Fehl und Tadel und erhält die Chance, im Internat in Waldzell das Glasperlenspiel zu erlernen.
  • Dort lernt er den Gastschüler Plinio kennen, der in ihm die Neugier auf die Welt jenseits von Kastalien weckt.
  • Nach der Studienzeit tritt Josef in den kastalischen Orden ein. Bald wird er in ein Benediktinerkloster geschickt, um den Mönchen dort das Glasperlenspiel beizubringen.
  • Im Kloster lernt er den Pater Jakobus kennen, den er für die Anerkennung des kastalischen Ordens beim Vatikan gewinnen soll.
  • Nach dieser erfolgreichen Mission stirbt der alte Glasperlenspielmeister und Josef wird zu seinem Nachfolger bestimmt.
  • Josef Knecht erkennt die Grenzen des Eliteordens, er verzichtet auf sein Amt und verlässt Kastalien, um Tito, den Sohn seines alten Schulfreundes Plinio, zu erziehen.
  • Bei einem Wettschwimmen mit Tito kommt Josef ums Leben.

Zusammenfassung

Das Glasperlenspiel

Im 23. Jahrhundert beschreibt ein Chronist des Ordens der Glasperlenspieler im Lande Kastalien die Ursprünge des Glasperlenspiels. Dabei handelt es sich um ein hochkomplexes geistiges Spiel mit allen Inhalten und Werten der Künste, der Musik und der Wissenschaften, das nur von der Kaste der Glasperlenspieler in langen Jahren perfektioniert und beherrscht werden kann. Man kann es sich wie das Spiel auf einer riesigen Orgel vorstellen, die das gesamte geistige Leben der Menschheit umfasst und reproduzieren kann. Der Orden der Glasperlenspieler strebt das Zusammenspiel aller Künste und Wissenschaften an. Anstelle von Noten, Wörtern oder Zahlen werden aber eben Glasperlen als Symbole verwendet.

Die Geschichte der Glasperlenspieler

Die Geschichte des Glasperlenspiels reicht bis ins alte China und die griechische Antike zurück. Das eigentliche Spiel entsteht aber im Deutschland des "feuilletonistischen Zeitalters", einer Epoche (19. und 20. Jahrhundert), welche die Menschheit mit skurrilen Allerweltsgeschichten in den Feuilletons der Zeitungen überschüttet. Wirklich Geistreiches entwickelt sich in dieser Zeit der Dekadenz jedoch nicht mehr, sodass eine Gegenbewegung entsteht: Einige wenige Gelehrte und Musiker gründen den Orden der Glasperlenspieler. Das Spiel selbst entwickelt sich in den folgenden Jahrhunderten vom bloßen Privatvergnügen zum Inbegriff der geistig-musischen Vollkommenheit. Jedes Land verfügt über eine Spielkommission, deren Oberhaupt der "Magister Ludi", der "Meister des Spiels" ist. An den Eliteschulen ist es der Traum jedes Jungen, einmal in den Orden der Glasperlenspieler aufgenommen zu werden. Die Ordensprovinz Kastalien ist der Hort und Ausbildungsort dieses Völkchens, das hier durch strenge Meditation im hierarchischen Orden ihr Spiel perfektioniert.

Die Berufung Josef Knechts

Josef Knecht, ein zwölfjähriger Lateinschüler in Berolfingen, wird, wie schon viele andere begabte Schüler vor ihm, von der Erziehungsbehörde adoptiert, die fortan seine Ausbildung übernimmt. Josef ist beim Spiel auf der Geige sehr begabt. Darum finden seine Lehrer bei der Erziehungsbehörde nur die besten Worte für ihn. Denn einzig solche Empfehlungen können den begabtesten Schülern vielleicht einmal den Eintritt in eine der Eliteschulen des Landes ermöglichen. Als der Musiklehrer seinem Schüler Josef ankündigt, der Musikmeister des Ordens der Glasperlenspieler höchstpersönlich werde die Schule besuchen, um den Musikunterricht zu inspizieren, ist Josef hellauf begeistert. Der Musikmeister, ein alter, kleiner Mann, bittet Josef tatsächlich zu sich. Gemeinsam musizieren sie: Josef spielt auf der Geige und der Musikmeister zeigt ihm am Klavier, wie eine Fuge aufgebaut ist. Der Schüler empfindet diese Stunde wie seine Berufung. Auf der Heimfahrt trägt der Musikmeister Josef in sein "goldenes Buch" ein, das von den weniger begabten Schülern als "Streberkatalog" geschmäht wird. Josef gehört fortan zu den "Electi", den Auserwählten. Auch wenn ihm der Abschied von der Heimat und seinen Lehrern zunächst schwer fällt, freut er sich auf die neue Schule.

Eschholz

Von allen Eliteschulen in Kastalien ist die Schule in Eschholz die größte und neueste. Am Bahnhof wird Josef von einem älteren Mitschüler abgeholt, der ihn in die Schule einführt, ihm den Schlafplatz, das Luftbad und die anderen Räume seines Wohnhauses zeigt. Josef fühlt sich vom ersten Augenblick an wohl. Besonders beim Musizieren blüht er auf und vergisst alles um sich herum. Schnell vergehen die Jahre an der Schule und es nähert sich der Tag, an dem beschlossen wird, welche höhere Schule Josef als Nächstes besuchen darf. Zuvor ist er beim Musikmeister zu Gast, den er über die Schulen jenseits von Kastalien befragt, wo die Schüler sich "freie" Berufe wählen können. Er kann nicht verstehen, warum das in Kastalien, dem freiesten Land überhaupt, nicht möglich ist. Der Musikmeister schmunzelt. In seinen Augen sind die Menschen außerhalb des Ordens alles andere als frei: Sie können zwar ihren Beruf wählen, sonst jedoch gar nichts, weil sie zeitlebens um ihre Existenz kämpfen müssen, ganz anders als die Ordensmitglieder. Danach führt der Meister Josef in die Kunst der Meditation ein. Zurück in Eschholz erfährt Knecht den Namen seiner neuen Schule: Waldzell - die Ausbildungsstätte der Glasperlenspieler.

Waldzell

Die Creme de la Creme der Elite studiert in Waldzell: Für Josef bedeutet dies eine große Ehre. Der Schulalltag unterscheidet sich nur wenig von Eschholz. Einige neue Fächer, wie beispielsweise die Meditation, treten zu den bekannten hinzu. Josef schließt Freundschaft mit Carlo Ferromonte. Mit ihm verbringt er etliche Stunden im Gespräch und mit der Musik. Im Gegensatz zu Carlo, der voll in das klosterähnliche Schulleben integriert ist, betrachtet der ungestüme Plinio Designori den Orden mit einer gehörigen Portion Skepsis. Plinio ist älter als Josef und gehört zu jener Schar von Gastschülern, die sich in Waldzell aufhalten, die aber später wieder in die Welt hinausgeschickt werden.

Vita activa

Plinio ist stolz darauf, dass er Eltern draußen in der Welt hat, zu denen er in den Ferien immer wieder zurückkehrt. In seinen Augen leben die Eliteschüler wie die Maden im Speck: Sie brauchen sich nicht die Hände schmutzig zu machen und zu arbeiten. Sie leben vom Geld der "normalen Menschen" und verachten diese auch noch. Josef, den die Welt außerhalb des Ordens immer schon fasziniert hat, ist begierig, mehr von Plinio zu erfahren. Er ist hin- und hergerissen zwischen der Freundschaft zu Plinio und der Ablehnung von dessen Weltanschauung. Plinios feurige Schmähreden treffen Josef derart, dass er sich an den Schulvorstand wendet. Der erlaubt ihm die Freundschaft mit Plinio, macht Josef aber zum "Verteidiger Kastaliens". Er soll den Disput mit dem weltlichen Freund auf einer rhetorisch hohen Stufe ausfechten, was den beiden zur Freude aller auch gelingt.

Studienjahre

Auch die Jahre in Waldzell fliegen dahin. Josef beginnt mit dem Erlernen des Glasperlenspiels. Doch ganz sind die Zweifel, die Plinio in ihn gesät hat, nicht von ihm gewichen: Gehört er überhaupt nach Kastalien? Mit 24 Jahren ist die Schule für Josef jedenfalls vorbei. Nach seiner Entlassung aus Waldzell beginnt er mit dem Studium, das er als großen Schritt in die Freiheit betrachtet. Als Generalist kann er sich auf jede Disziplin stürzen, die ihm interessant erscheint. Beschränkt wird seine studentische Freiheit nur durch die jährliche Pflicht zur Abgabe von erfundenen Lebensläufen. Dabei handelt es sich um eine Stilübung der Studenten: Sie sollen sich in einen Menschen einer längst vergangenen Epoche hineinversetzen und mit historischen Details dessen Leben beschreiben. Josef gibt drei Lebensläufe ab, die im Anhang seiner Lebensbeschreibung abgedruckt sind: "Der Regenmacher", "Der Beichtvater" und "Der indische Lebenslauf".

Der Eintritt in den Orden

Die Beschäftigung mit der chinesischen Sprache und Kultur fasziniert Josef. Besonders begeistert er sich für das I-Ging, das konfuzianische Buch der Wandlungen. Mit Hilfe von Stängeln der Schafgarbe lässt sich demnach die Zukunft deuten. Um diese Kunst zu vervollkommnen, sucht Josef einen Eremiten des Ordens auf, den alle nur den "Älteren Bruder" nennen. Bei ihm verbringt er viele Monate des Studiums. Nach seiner Rückkehr aus der Einöde bittet ihn der Glasperlenspielmeister Thomas von der Trave zu sich, um ihn zu prüfen. Am Ende der zweiwöchigen Prüfungszeit legt er Josef nahe, in den Orden einzutreten. Kaum ist dies geschehen, wird Josef nach Mariafels beordert, wo er die Mönche eines Benediktinerklosters in die Kunst des Glasperlenspiels einführen soll. Im Kloster wird er freundlich aufgenommen und gibt sich dem langsamen, ehrwürdigen Lebenstempo der Ordensbrüder hin. In der Bibliothek trifft er auf den Pater Jakobus, einen Historiker, mit dem er so etwas wie eine Freundschaft unter Gelehrten aufbaut. Wie mit Plinio verwickelt sich Josef mit dem Pater in heftige Disputationen, weil auch der Pater dem kastalischen Orden höchst skeptisch gegenübersteht: Er betrachtet ihn als ein geistiges Wolkengespinst, als Plagiat eines echten Ordens, aber ohne wahre Religion. Nach vielen Monaten der Gespräche scheint es jedoch so, als wolle der Pater die kastalische Lebensweise neben der seinen gelten lassen, ohne jedes Mal ein Streitgespräch zu beginnen.

Die Mission

Nach zwei Jahren wird der nun 37-jährige Josef zu einem Urlaub und einer Aussprache zum Glasperlenspielmeister beordert. Dieser ist hocherfreut über die guten Beziehungen, die Josef in Mariafels geschaffen hat. Josef trifft viele hochgestellte Persönlichkeiten seines Ordens und es scheint ihm, als ob hiermit eine Beförderung für ihn vorbereitet werden soll. Schließlich gibt ihm der Glasperlenspielmeister einen konkreten Auftrag: Josef soll den einflussreichen Pater Jakobus davon überzeugen, dass der kastalische Orden eine Vertretung im Vatikan eröffnen darf. Das Nebenherexistieren der römischen Kirche und des Ordens soll endlich zu einer fruchtbaren Symbiose zusammengeführt werden. Josef nimmt den Auftrag an, bittet aber darum, nicht selbst als Diplomat nach Rom geschickt zu werden. Zurück im Kloster, beginnt er Pater Jakobus mit der Weltanschauung des kastalischen Ordens bekannt zu machen. Der Pater riecht zwar bald Lunte, er nimmt Josef seine politische Mission aber nicht übel, sondern will sich bereitwillig von ihm unterweisen lassen. So vergeht eine Zeit des gegenseitigen Unterrichts. Dann und wann fährt Josef nach Waldzell zurück, um sein Glasperlenspiel nicht zu vernachlässigen. Schließlich schreibt Pater Jakobus einen Brief an die kastalische Ordensleitung, in dem er seine Unterstützung für die Vorsprache beim Vatikan zusagt.

Magister Ludi

Josef kehrt nach Waldzell zurück. Das große öffentliche Glasperlenspiel, auf das er sich gefreut hat, wird aber von einem dunklen Schatten überdeckt: Der Spielmeister leidet an einer schweren Krankheit und stirbt bald. Während ganz Kastalien noch in Trauer liegt, wird Josef zum neuen Magister Ludi, zum Meister des Glasperlenspiels ernannt. Das Amt, so ehrenvoll es sein mag, hat aber auch seine Schattenseiten: Josef wird von seinen Pflichten aufgefressen, er hat kaum noch Zeit für private Dinge und betrachtet alte Freunde nur noch aus der Sicht seines Amtes und nicht mehr als Person. Der Tod des alten Musikmeisters bekümmert ihn zusätzlich; glücklicherweise bereiten ihm aber der Unterricht der Schüler und die Zusammenarbeit mit seinen Vertrauten große Freude. Auch das öffentliche Glasperlenspiel, nun unter Josefs Leitung, wird ein voller Erfolg. In seiner Rede findet Josef jedoch höchst bedrückende Worte für den Zustand des Landes: Ihm wird klar, dass Kastalien eigentlich zu schön, zu unbesorgt und zu unbekümmert ist, um wahr zu sein. Josef, der seiner historischen Studien bei Pater Jakobus gedenkt, fürchtet darum, dass dieses Reich einmal von der unbarmherzigen Kraft der Zeit zerrieben wird - und nichts als Geschichte zurückbleibt.

Der Ausbruch aus dem Orden

Fortan arbeiten zwei Kräfte in Josefs Seele, die ihn in unterschiedliche Richtungen ziehen: Seine Hingabe an den Orden auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Drang nach außen, in die Welt jenseits von Kastalien. Er hat zwar alles erreicht, was sich jedes andere Ordensmitglied erträumen würde - dennoch zieht ihn das Unbekannte magisch an. Rein zufällig begegnet er seinem Schulfreund Plinio wieder, der ihn zu sich nach Hause einlädt. In vielen langen Gesprächen, in denen sich die beiden wieder annähern, erklärt Plinio seinem alten Freund, dass er sich um seinen Sohn Tito Sorgen macht: Der Junge ist vorlaut, verwöhnt und hat die beiden Eltern während einer Ehekrise zu seinem Vorteil gegeneinander ausgespielt. Josef willigt ein, sich um die Erziehung des Jungen zu kümmern. Er sendet ein Rundschreiben an die Ordensleitung und bittet darum, aus dem Dienst entlassen zu werden. Er vergleicht sein Leben mit einem brennenden Haus: Während er im Dachgeschoss mit Glaskugeln spielt, fressen sich die Flammen durch das Holzfundament. Josef sieht seinen Platz nicht mehr im Orden, sondern draußen in der Welt. Sein Gesuch wird von der Ordensleitung und dem Magisterkollegium abgelehnt. Hier enden die offiziellen Dokumente über Knechts Leben.

Die Legende vom Glasperlenspielmeister

Wie es mit Josef Knecht weiterging, kann man nur noch aus der Legende erfahren, die sich seine Schüler im Orden erzählen. Josef beschließt trotz des Verbotes, den Orden zu verlassen. Zu Fuß begibt er sich zu Plinios Landhaus, wo er schon freudig erwartet wird. Am nächsten Morgen begrüßt ihn auch sein Zögling Tito und lädt ihn zu einem Bad im kristallklaren, aber auch eiskalten See ein. Josef, der sich nach seiner langen Reise ein wenig krank fühlt, möchte eigentlich nicht, dennoch geht er auf Titos Wunsch ein. Sie schwimmen um die Wette. Doch als Tito sich umblickt, ist Josef verschwunden und taucht nicht mehr auf. Tito betrauert den lieb gewonnenen Mentor vom Ufer des Sees aus - und spürt die Schuld, die nun auf ihm lastet.

Zum Text

Aufbau und Stil

Hermann Hesse hat seinen Roman in drei Teile gegliedert: In der Einleitung ergreift ein nicht näher bezeichneter Chronist das Wort, um den Leser in die Geschichte des Glasperlenspiels einzuführen. Hiermit schafft Hesse die Atmosphäre für das ganze Buch: Der Essaystil vermischt wichtige Hintergrundinformationen über das utopische Kastalien mit allgemeinen Betrachtungen über das "feuilletonistische Zeitalter" - Hesses Gegenwart. Der Hauptteil stellt die Lebensbeschreibung des Josef Knecht dar. Auch hier wird der Anschein erweckt, dass ein Chronist das Leben dieses für den Orden der Glasperlenspieler so wichtigen Mannes akribisch zurückverfolgt hat, um es mit Dokumenten, Erzählungen und Originalbriefen des Magister Ludi möglichst lebhaft, aber historisch korrekt darzustellen. Der Eindruck, dass es sich hierbei tatsächlich um ein authentisches Dokument handelt, wird mit dem dritten Teil des Buches noch verstärkt: Hier finden sich "Josef Knechts hinterlassene Schriften": Gedichte, die Knecht während seiner Schulzeit verfasst hat, sowie die drei Lebensläufe vom "Regenmacher", vom "Beichtvater" und der "Indische Lebenslauf". Diese Erzählungen variieren verschiedene Themen (wie z. B. das Lehrer-Schüler-Verhältnis oder das Opfer eines Einzelnen für die Gemeinschaft), die auch im Hauptteil des Romans eine Rolle spielen.

Interpretationsansätze

  • Hesse widmet den Roman Das Glasperlenspiel "den Morgenlandfahrern". Er bezieht sich damit auf eine frühere Erzählung und meint damit Künstler, Wissenschaftler, Visionäre, Idealisten und alle Menschen, die ihrer Bestimmung folgen und sich nicht von Parolen und politischem Zeitgeist beeinflussen lassen.
  • Das Glasperlenspiel an sich wird im gesamten Roman nie wirklich erklärt! Genau wie das utopische Reich Kastalien ein überzeitlicher, nicht greifbarer Ort ist, bleibt auch das Spiel mit den Glasperlen unbestimmt, phantastisch und wird dadurch zum reinen Symbol.
  • Hesse beschreibt Kastalien, diesen Hort des Geistes und der Kultur, als eine vergeistigte Gegenwelt zur stumpfsinnig-realen, kulturlosen Gegenwart im nationalsozialistischen Deutschland.
  • Einige Charaktere des Buches formte Hesse nach dem Bild von Zeitgenossen: Der Glasperlenspielmeister Thomas von der Trave hat Thomas Mann zum Vorbild, der Benediktinerpater Jakobus den Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt.
  • Der Name der Hauptperson, Josef Knecht, deutet auf dessen unbedingten Willen und seine Pflicht zum Gehorsam innerhalb der Hierarchie des Ordens hin - aus der er sich aber schließlich befreien muss.
  • Gleichzeitig ist der Name ein Gegenentwurf zu Goethes "Wilhelm Meister". Hesse greift also im Glasperlenspiel auf die Tradition des deutschen Bildungsromans zurück, auf jenen Romantypus, der den bewussten Prozess des Sich-Bildens eines Helden zum Thema hat.

Historischer Hintergrund

Hermann Hesse und die deutsche Exilliteratur

Hermann Hesses Werk lässt sich nicht in den Käfig eines Epochenbegriffs zwängen. Den literarischen Hintergrund seines Schaffens, insbesondere des Glasperlenspiels, bildet jedoch die so genannte deutsche Exilliteratur. Unter dem literaturgeschichtlichen Begriff "Exilliteratur" versteht man die Produktion der Autorinnen und Autoren, die während der NS-Herrschaft ins Ausland flüchteten oder ausgewiesen wurden. Abgeschnitten von Deutschland, gründeten die Emigranten Zentren der Exilliteratur, z. B. in Wien und Prag, Paris, Stockholm, Zürich, London und den USA. Literarische Zeitungen wie Die Sammlung in Amsterdam, Neue deutsche Blätter in Prag und Das Wort in Moskau sorgten für Publikationsmöglichkeiten - sogar ein PEN-Club im Exil wurde gegründet. Zu den wichtigsten Autoren der deutschen Exilliteratur gehörten Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig, Bertolt Brecht, Robert Musil, Franz Werfel, Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin und Anna Seghers. Hermann Hesse stellt aber insofern einen Sonderfall dar, als er schon lange vor der Nazizeit, im Jahr 1923, in die Schweiz übersiedelte. Trotzdem fühlte er sich von den Ereignissen in seinem Heimatland und in ganz Europa so stark betroffen, dass er mit dem Glasperlenspiel eine Art soziale und politische Utopie als Gegenentwurf zum realen Deutschland ab 1933 formulierte. Sein Engagement für das Heimatland ging sogar so weit, dass er junge Deutsche persönlich anschrieb, um sie vor den Nationalsozialisten, der Kriegstreiberei und dem Rassismus zu warnen: In Hesses Nachlass fand man über 30 000 Briefe dieser Art.

Entstehung des Romans

Das Glasperlenspiel ist das letzte große Prosawerk von Hermann Hesse. Nach eigenen Angaben hat der Autor das Buch bereits 1930, als sich die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten noch kaum andeutete, entworfen, um eine Kunstwelt des Geistes gegen die "barbarischen Mächte" aufzubauen, die sich in Europa zusammenbrauten. In einem Brief schrieb er: "Ich musste, der grinsenden Gegenwart zum Trotz, das Reich des Geistes und der Seele als existent und unüberwindlich sichtbar machen, so wurde meine Dichtung zur Utopie, das Bild wurde in die Zukunft projiziert, die üble Gegenwart in eine überstandene Vergangenheit gebannt. Und zu meiner eigenen Überraschung entstand die kastalische Welt wie von selbst." An keinem anderen Werk hat Hesse so lange gearbeitet - und entsprechend umfangreich ist es auch geworden. Erst 1942 beendete er den Roman. Die Bemühungen seines Freundes und Verlegers Peter Suhrkamp, das Buch in Deutschland herauszubringen, waren jedoch zum Scheitern verurteilt. Seit 1939 wurden Hesses Werke in Deutschland geächtet. Die Druckgenehmigung für das neue Werk wurde verweigert. Erstveröffentlicht wurde es als zweibändiges Werk im Jahr 1943 beim Verlag Fretz & Wasmuth in Zürich.

Wirkungsgeschichte

Die erste Auflage des Glasperlenspiels fiel vergleichsweise gering aus. Das Buch wurde in Deutschland nur unter der Hand weitergegeben. Nach dem Krieg erreichte es jedoch eine Millionenauflage. Hesses Gegenentwurf zur (Nazi-)Realität stieß bei vielen Lesern auf große Zustimmung. Die ersten Kritiker und Rezensenten wiesen aber auch auf die hohe Schwierigkeit des Buches hin und waren ein wenig davon enttäuscht, dass Hesses pädagogische Konzeption zu lückenhaft sei - anders als beispielsweise in Goethes Wilhelm Meister, der von den meisten Kritikern als Vorbild für Hesses Roman betrachtet wurde. Dichterkollege Albrecht Goes lobte den Roman 1946 als den "Gipfel aller bisherigen Hesse-Prosa" und meinte, dass jedes seiner vorherigen Werke fast logisch auf Das Glasperlenspiel hinauslief. Theodor Heuss, der erste deutsche Bundespräsident, schwärmte von Hesses Roman als poetischer Utopie. Der Philosoph Martin Buber zeigte sich vor allem vom Schluss beeindruckt: Er erkannte hierin einen heroischen Opfertod des Protagonisten. Thomas Mann schließlich ehrte Das Glasperlenspiel mit den Worten: "Es gehört zu dem wenigen Wagemutigen und eigensinnig-groß Konzipierten, was unsere verprügelte, verhagelte Zeit zu bieten hat." Hermann Hesse gilt mit seinem Gesamtwerk als der meistgelesene deutschsprachige Dichter des 20. Jahrhunderts. Seine Bücher werden im Ausland sogar mehr gelesen als hierzulande. In Asien, vor allem in Japan und Korea, ist er nicht nur beliebt, sondern wird geradezu als Heiliger verehrt. Der Autor selbst erkannte das zeitlose Themenspektrum seiner Werke: "Ich habe noch nie daran gezweifelt, dass ein gewisser Teil dieses Werkes unentbehrlich ist und diese Zeit überdauern, d. h. später wieder sein Dasein in der Welt finden und rechtfertigen werde." Das Glasperlenspiel stellt das reifste von Hesses großen Prosawerken dar. 1946 wurde ihm dafür der Literaturnobelpreis verliehen.

Über den Autor

Hermann Hesse wird am 2. Juli 1877 im Schwarzwaldstädtchen Calw als Sohn des Missionars Johannes Hesse und der ebenfalls missionarisch tätigen Marie Gundert geboren. 1881 zieht die Familie nach Basel, wo der Vater die Schweizer Staatsangehörigkeit annimmt. Nach der Rückkehr nach Calw im Jahr 1883 besucht Hesse die Lateinschule in Göppingen. 1891 tritt er in das evangelische Klosterseminar in Maulbronn ein. Ein Jahr später flüchtet er jedoch von dort, um Dichter zu werden. Nach einem Selbstmordversuch besteht er 1893 das Einjährig-Freiwilligen-Examen (mittlere Reife) am Gymnasium in Cannstatt. Im gleichen Jahr beginnt er eine Buchhändlerlehre, die er jedoch nach nur drei Tagen hinwirft. Nach einer Ausbildung zum Mechaniker fühlt er sich wieder bereit für Geistiges und beendet die zweite begonnene Buchhändlerlehre erfolgreich. Nach den Gedichtsammlungen Das deutsche Dichterheim und Romantische Lieder bringt der Roman Peter Camenzind (1904) Hesse den Durchbruch als Autor. In diesem Werk und im zwei Jahre später fertiggestellten Unterm Rad (1906) verarbeitet er seine schlechten Erfahrungen aus der Schulzeit. 1911 unternimmt er die einzige große Reise seines Lebens, die ihn nach Ceylon und Sumatra führt. Die dort empfangenen Eindrücke werden für sein weiteres Werk sehr wichtig. 1916 erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Der Grund ist der Tod seines Vaters und die voranschreitende Schizophrenie seiner Frau Maria Bernoulli. Hesse begibt sich in die psychotherapeutische Behandlung eines Schülers von C. G. Jung. Die Beschäftigung mit der Jung’schen Archetypenlehre findet ihren literarischen Niederschlag in der 1919 veröffentlichten Erzählung Demian und im Roman Narziß und Goldmund (1929/30). Hesses Bücher bekommen einen fernöstlich beeinflussten, meditativen Charakter, besonders Siddhartha (1922). 1927, zwischen seiner zweiten und seiner dritten Heirat, erscheint der Roman Der Steppenwolf. Während der NS-Herrschaft werden viele Bücher Hermann Hesses in Deutschland verboten. In dieser Zeit schreibt er sehr lange (1930–1943) an seinem großen Spätwerk Das Glasperlenspiel. 1946 erhält Hesse den Nobelpreis für Literatur, 1955 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am 9. August 1962 stirbt Hermann Hesse in Montagnola in seiner Wahlheimat, der Schweiz.

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