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Das Haus mit den sieben Giebeln

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Das Haus mit den sieben Giebeln

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein altes Haus in Neuengland – auf Blut gebaut, mit Glut beschrieben.


Literatur­klassiker

  • Novelle
  • American Renaissance

Worum es geht

Puritanische Schauerromanze

Das Haus mit den sieben Giebeln erzählt vor der geschichtsträchtigen Kulisse Neuenglands vom Niedergang der Familie Pyncheon. Unklar bleibt, ob dieser Niedergang durch Gier und Standesdünkel selbst verschuldet ist oder ob er die Folge eines Fluchs ist, den vor Urzeiten der angebliche Hexer Matthew Maule über den hartherzigen Oberst Pyncheon ausgesprochen hat, nachdem dieser ihn um ein Stück Land betrogen und ihn anschließend an den Galgen gebracht hatte. So oder so, das alte, düstere Haus an der Pyncheon Street ist das zentrale Symbol der Erzählung. Und es ist auch Schauplatz der Erlösung: Die junge, unschuldige Phoebe Pyncheon lernt hier den fortschrittsgläubigen Holgrave, den letzten Nachfahren Maules, kennen, sie verlieben sich und schauen gemeinsam besseren Zeiten entgegen. Das große Thema des Romans ist die Emanzipation des Heute vom Gestern, der Neuen Welt von der Alten, und damit in letzter Instanz die Frage nach der Möglichkeit von Erlösung und Neuanfang. Diese Frage ist naturgemäß zeitlos, wenn sie auch bei Hawthorne in etwas altmodischem Gewand daherkommt.

Take-aways

  • Das Haus mit den sieben Giebeln ist neben dem Scharlachroten Buchstaben das berühmteste Werk des amerikanischen Schriftstellers Nathaniel Hawthorne.
  • Inhalt: Auf der Familie Pyncheon und ihrem Stammsitz in Neuengland, einem uralten, geheimnisvollen Haus, lastet angeblich ein Fluch, eine Blutschuld des Ahnherrn Oberst Pyncheon. Doch die junge Phoebe bringt frischen Wind in die ehrwürdigen Mauern: Sie hilft ihrer alten Cousine Hepzibah und deren Bruder Clifford, die Gespenster der Vergangenheit abzuschütteln.
  • In der Figur der lieblichen Phoebe verewigte Hawthorne seine Frau Sophia.
  • Das Haus mit den sieben Giebeln gibt es wirklich: Es gehörte einst Hawthornes Cousine Susannah Ingersoll und steht in Salem, Massachusetts.
  • Die Gruselelemente im Roman wurzeln in der Vergangenheit Neuenglands: 1692 kam es in Hawthornes Geburtsort Salem zu grausamen Hexenprozessen.
  • Ein Ururgroßvater Hawthornes namens John Hathorne war als Richter an den Gräueltaten beteiligt.
  • Während Hawthorne den Roman schrieb, entwickelte sich ein reger kreativer Austausch mit Herman Melville, der gerade an Moby Dick arbeitete.
  • Entgegen seiner bisherigen Gewohnheit ließ Hawthorne Das Haus mit den sieben Giebeln glücklich enden. Kritiker warfen ihm deshalb Inkonsequenz vor.
  • Der Roman brachte Hawthorne, der mit dem Scharlachroten Buchstaben berühmt geworden war, auch materielle Sicherheit.
  • Zitat: „So viel an menschenmöglicher Erfahrung hatte sich dort zugetragen – so viel war gelitten und etliches auch genossen worden –, dass es überall aus dem Gebälk troff wie aus einem Herzen. Das Haus war selbst wie ein großes Menschenherz, voller Eigenleben und reich an denkwürdigen und düsteren Erinnerungen.“

Zusammenfassung

Der Ahnherr

Das Haus mit den sieben Giebeln ist seit etlichen Generationen Stammsitz der Familie Pyncheon. Allerdings lastet eine Blutschuld auf dem altehrwürdigen Gebäude: Das Grundstück gehörte ursprünglich Matthew Maule, der es wegen einer darauf befindlichen Quelle in Besitz genommen und eine Hütte darauf gebaut hatte. Jahre später, als die Siedlung zu einer Stadt gediehen war, erhob jedoch der Puritaner Oberst Pyncheon, ein einflussreicher und unbarmherziger Mann, Ansprüche auf das Grundstück. Da er sich auf dem Rechtsweg nicht durchsetzen konnte, verfemte er seinen Gegner als Hexer. Maule endete am Galgen, nicht jedoch ohne den Oberst zu verfluchen: Gott werde ihm „Blut zu trinken geben“. Der Oberst baute auf dem Grundstück das Haus mit den sieben Giebeln. Die Einweihungsfeier begann prächtig, zahlreiche Honoratioren gaben sich die Ehre. Nur der Oberst fehlte. Als man ihn suchen ging, fand man ihn tot in seinem Zimmer sitzend, sein Bart und seine Halskrause voller Blut. Die Todesursache blieb ungeklärt, man munkelte jedoch, es sei etwas Übernatürliches geschehen. Der Oberst hinterließ seinen Nachkommen ein üppiges Erbe, darunter Ansprüche auf riesige Ländereien aus einem Geschäft mit Indianern. Doch diese Ansprüche erwiesen sich als nicht durchsetzbar, weil ein Eigentumsnachweis fehlte.

Die alte Jungfer und das junge Mädchen

Fast zwei Jahrhunderte sind vergangen, das Haus mit den sieben Giebeln wird inzwischen von der mürrischen alten Jungfer Hepzibah Pyncheon bewohnt. Ihr Cousin, der angesehene Richter Jaffrey Pyncheon, ist zwar der Besitzer, Hepzibah hat jedoch lebenslanges Wohnrecht. Der vormalige Eigentümer des Hauses, ein Onkel von Hepzibah und Jaffrey, ist vor 30 Jahren ermordet worden. Hepzibahs Bruder Clifford musste damals wegen Mordes ins Gefängnis. Gerüchten zufolge, soll er demnächst freikommen. Aus Geldnot hat Hepzibah sich entschlossen, einen Kramladen in einem der unteren Räume des Hauses zu eröffnen. Ihr Standesstolz sträubt sich gegen die ordinäre Tätigkeit des Verkaufens, doch für den Beruf der Näherin ist sie zu tattrig, für den der Lehrerin zu verschroben. Also muss sie in den sauren Apfel beißen.

„An einer Nebenstraße einer Stadt unseres Neuengland steht auf halbem Weg ein Holzhaus, verwittert, mit sieben spitzen Giebeln nach allen Himmelsrichtungen und einem mächtigen, mehrzügigen Schornstein dazwischen.“ (S. 9)

Ihr erster Kunde spricht ihr Mut zu. Es ist Holgrave, ein junger Daguerreotypist, der im Haus mit den sieben Giebeln als Untermieter wohnt und dem die alte Jungfer trotz eines gewissen Misstrauens freundschaftlich zugetan ist. Später kommt der alte Onkel Venner auf einen Plausch vorbei, ein stadtbekanntes Original. Auch er versucht Hepzibah aufzumuntern. Gemeinsam bauen die beiden Alten Luftschlösser, Onkel Venner träumt von einem gemütlichen Lebensabend auf seiner „Farm“, womit er aber das Armenhaus meint. Er gibt Hepzibah ein paar nützliche Tipps und rät ihr unter anderem, immer zu lächeln. Der miesepetrige Blick scheint Hepzibah nach so vielen Jahren des zurückgezogenen Lebens zur Gewohnheit geworden zu sein, ist aber in Wahrheit bloß eine Folge ihrer Kurzsichtigkeit.

„So viel an menschenmöglicher Erfahrung hatte sich dort zugetragen – so viel war gelitten und etliches auch genossen worden –, dass es überall aus dem Gebälk troff wie aus einem Herzen. Das Haus war selbst wie ein großes Menschenherz, voller Eigenleben und reich an denkwürdigen und düsteren Erinnerungen.“ (S. 42)

Kurz vor Feierabend sieht Hepzibah ein Fuhrwerk vor dem Haus halten. Ein junges, hübsches Mädchen steigt aus und geht schnurstracks auf den Eingang zu. Es ist Phoebe, eine Cousine vom Lande, die bei Hepzibah unterkommen möchte. Mit ihrer fröhlichen, unverstellten Art gewinnt sie bald das Herz der alten Jungfer und weht wie ein frischer Wind die Melancholie beiseite, die über dem Haus mit den sieben Giebeln lastet. Auch gedeiht mit ihrer Hilfe der Kramladen. Sie zeigt sich als überaus geschickte Hausfrau und muntere Gesellschafterin. Bei der Gartenarbeit lernt sie bald Holgrave kennen. Sie weiß nicht recht, was sie von ihm halten soll, fühlt sich aber von seiner unkonventionellen Art angezogen. Als sie sich voneinander verabschieden, warnt Holgrave Phoebe vor Maules Brunnen. Auf keinen Fall solle sie daraus trinken, das Wasser habe magische Kräfte. Überhaupt scheint es im Haus mit den sieben Giebeln nicht mit rechten Dingen zuzugehen: Phoebe hört Stimmen und spürt eine geisterhafte Präsenz. Hepzibah, darauf angesprochen, wechselt gleich das Thema.

Rückkehr ins Leben

Am nächsten Tag ist der Frühstückstisch für drei Personen gedeckt. Clifford, Hepzibahs Bruder, kommt im Morgenrock die Treppe herunter. Er ist gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden. Die Jahre der Gefangenschaft sind ihm anzusehen, er ist seelisch und körperlich zerrüttet. Clifford ist ein kindlicher Schöngeist. Die vielen neuen Eindrücke überfordern ihn. Seine Stimmung wechselt unberechenbar zwischen Trübsinn und Euphorie. Zudem bedrückt ihn die Düsternis des Hauses merklich. Besonders das alte Bild im Salon, das den strengen Oberst Pyncheon zeigt, macht ihm Angst. Umso mehr Freude findet er an Phoebe. In ihrer Gesellschaft erlebt er glückliche Momente.

„Und die frischgebackene Krämerin ließ das erste greifbare Ergebnis ihrer Handelstätigkeit in die Kasse fallen. Es war geschehen. Die Kupfermünze hatte ihre Hand für immer besudelt. (...) Sie war keine Dame mehr, sondern nur noch Hepzibah Pyncheon, eine einsame alte Jungfer, die einen Kramladen führte.“ (S. 78)

Eines Tages kommt Hepzibahs Cousin Richter Pyncheon in den Laden. Phoebe empfängt ihn und stellt sich als Hepzibahs Cousine vor. Der Richter zeigt sich angetan und beugt sich vor, um die neu entdeckte Verwandte väterlich zu küssen, doch Phoebe weicht unwillkürlich aus. Von der scheinbaren Abweisung überrascht, lässt der Richter für einen Augenblick die Maske des jovialen Menschenfreunds fallen, und voller Schrecken erkennt Phoebe die harten, unbarmherzigen Züge des alten Obersts in seinem Blick. Doch sofort hat Richter Pyncheon sein salbungsvolles Lächeln wieder aufgesetzt und lobt Phoebes Zurückhaltung. Dann will er Clifford sprechen und drängelt sich an Phoebe vorbei ins Haus. Doch Hepzibah stellt sich ihm grimmig in den Weg. Der Richter gibt vor, nur das Beste für alle zu wollen: Clifford, Hepzibah und Phoebe sollen zu ihm, in sein komfortables Landhaus, übersiedeln, dort seien sie alle materiellen Sorgen los. Aber Hepzibah lehnt ab und lässt den Richter nicht zu Clifford. „Er hat ein Herz aus Eisen“, sagt sie hinterher zu Phoebe.

„Mit ihrem sonnigen Gemüt machte Phoebe sich bald völlig unentbehrlich für das tägliche Wohlergehen, wenn nicht das tägliche Leben ihrer beiden einsamen Gefährten. Ruß und Schmutz des Hauses mit den sieben Giebeln schienen seit ihrem Erscheinen dort verschwunden zu sein (...)“ (S. 203)

Allmählich stellt sich eine gewisse Routine im Haus mit den sieben Giebeln ein. Besonders die Sonntage im Garten, in der alten Sommerlaube, werden ein fester Programmpunkt im Leben von Phoebe, Hepzibah, Clifford, Onkel Venner und Holgrave. Phoebe liest Clifford Gedichte vor oder plaudert mit ihm über Blumen. Manchmal sitzen die beiden auch am Fenster im zweiten Stock und beobachten das Treiben auf der Straße. Einmal ist der labile Clifford so hingerissen vom Anblick eines Menschenstroms, der sich anlässlich einer Parade die Straße entlangwälzt, dass er aus dem Fenster in die Menge springen will. Ein anderes Mal sieht er sonntägliche Kirchgänger und schlägt Hepzibah vor, sie sollten ebenfalls einen Gottesdienst besuchen, um ihre Seele zu erleichtern. Hepzibah willigt ein; sie machen sich auf den Weg. Doch kaum sind sie aus der Tür, kehren sie entmutigt wieder um. Sie fühlen sich der Teilhabe an der Gemeinschaft unwürdig.

Holgraves Geschichte

Holgrave erzählt Phoebe seine Lebensgeschichte: Er stammt aus einfachen Verhältnissen, musste früh für sich selbst sorgen, ist viel gereist, hat viele Berufe ausgeübt und sich oft in neuen Lebensumständen zurechtfinden müssen. Er ist ein skeptischer Beobachter ohne Respekt vor der Tradition. Alles Alte, Überkommene ist ihm verhasst, lebensfeindlicher Ballast. Stattdessen wünscht er sich Wandel und ständige Erneuerung. Er liest Phoebe eine selbst geschriebene Geschichte vor.

„Möglicherweise hatte Clifford irgendwie Recht. Er brauchte einen Schock oder allenfalls den tiefen, tiefen Sprung ins Meer des Menschenlebens, das Sinken bis auf den Grund, um dann ernüchtert und gestärkt wieder aufzutauchen, sich selbst und der Welt wiedergegeben. Es sei denn, dass er nichts weniger als die letzte große Arznei brauchte – den Tod!“ (S. 247)

Diese beginnt mit einem Gespräch zwischen Gervayse Pyncheon, dem Enkel des alten Obersts, und Matthew Maule, dem Enkel des alten Maule. Der alte Maule, so will es Holgraves Geschichte, spukt im Haus mit den sieben Giebeln und will keine Ruhe geben, bis die Pyncheons ihn für den Raub des Grundstücks entschädigen. Auch den jungen Maule, einen Zimmermann, halten seine Zeitgenossen für einen Hexer. Gervayse Pyncheon bietet ihm Geld dafür an, jenes ominöse Dokument aufzutreiben, das die Pyncheons zu Großgrundbesitzern machen würde. Angeblich hat der alte Maule das Dokument seinerzeit an sich gebracht, es ist jedoch nie wieder aufgetaucht. Maule junior will aber gar kein Geld, sondern einen anderen Lohn: das Haus mit den sieben Giebeln. Gervayse Pyncheon stimmt zu. Um das Dokument aufzuspüren, versetzt Maule junior die Tochter des Hauses, die schöne Alice Pyncheon, in Trance. Sie beschreibt ihre Vision: drei Gestalten, von denen zwei die dritte mit Gewalt daran zu hindern versuchen, das Geheimnis jenes Dokuments preiszugeben. Maule junior schließt daraus, dass jede weitere Suche zwecklos ist. Der Anspruch auf die Ländereien kann niemals realisiert werden. Dann weckt er Alice aus der Trance. Allerdings hat er sie auf magische Weise seinem Willen unterworfen. Sie wird nun seine Sklavin. So rächt er sich für einen vermeintlich herabsetzenden Blick, den Alice ihm zugeworfen hat. Am Ende stirbt Alice, und Matthew Maule macht sich schwere Vorwürfe.

„Dann gingen Bruder und Schwester und ließen Richter Pyncheon ganz allein im alten Haus seiner Vorväter zurück; so schwerfällig und träge saß er da, dass wir ihn wenig schmeichelhaft mit einem toten Nachtmahr vergleichen müssen, der mitten im bösen Tun verendet war (...).“ (S. 373 f.)

Damit ist Holgraves Geschichte zu Ende. Wie Alice in der Geschichte schwebt auch Phoebe in Trance: Holgrave besitzt ebenfalls hypnotische Fähigkeiten und hat zur Verdeutlichung der Erzählung die beschwörenden Gesten Matthew Maules imitiert. Doch bevor Phoebe ganz und gar in seinen Einfluss gerät, weckt Holgrave das Mädchen mit einer Handbewegung auf. Danach unterhalten sie sich noch eine Weile, wobei Holgrave sich in melancholischen Betrachtungen und dunklen Andeutungen ergeht, mit denen Phoebe nichts anfangen kann. Zwei Tage später fährt sie vorübergehend zurück in ihr Dorf.

Der Tod des Richters

Kaum ist Phoebe fort, liegt wieder Düsternis über dem Haus, die Bewohner verlieren alle Lebensfreude. Eines Tages taucht Richter Pyncheon auf und will mit Clifford sprechen. Wieder stellt sich ihm Hepzibah in den Weg. Sie beschuldigt ihn, Clifford nach dem Leben zu trachten. Der Richter zeigt sich tief getroffen von den Anschuldigungen seiner Cousine. Da bricht es aus Hepzibah heraus. Mit dem Mut der Verzweiflung bezichtigt sie den Richter der Heuchelei. Doch der besteht auf dem Besuch bei Clifford. Es geht um die Erbschaft des ermordeten Onkels. Ein großer Teil des Vermögens scheint noch irgendwo verborgen zu sein, und Clifford kennt vielleicht den Ort. Der Richter droht: Falls Hepzibah ihn nicht durchlasse, sorge er dafür, dass Clifford ins Irrenhaus komme. Hepzibah gibt klein bei und führt den Richter in den Salon, wo der sich im altehrwürdigen „Ahnensessel“ niederlässt, in dem einst Oberst Pyncheon tot aufgefunden wurde. Hepzibah kann Clifford nicht finden. Panisch rennt sie zurück in den Salon und fleht den Richter um Hilfe an. Doch der sitzt still und starr im Sessel.

„,Liebst du mich?‘, fragte Holgrave. ,Wenn wir uns lieben, hat nichts anderes Platz. Lass es genug sein, lass uns damit zufrieden sein. Liebst du mich, Phoebe?‘ ,Du siehst mir ins Herz‘, sagte sie und schlug die Augen nieder. ,Du weißt, dass ich dich liebe!‘“ (S. 456)

Da erscheint Clifford, seltsam erregt, wild lachend, und redet auf seine Schwester ein, unverzüglich mit ihm fortzugehen. Hepzibah gehorcht. Sie besteigen den nächstbesten Zug. Clifford ist bestens aufgelegt. Ein älterer Herr verwickelt ihn in ein Gespräch, und Clifford erzählt von einem finsteren Haus mit sieben Giebeln, in dem ein alter, strenger Mann tot auf einem Sessel sitzt. Niemals, so sagt er, könne er dort leben, und er wünscht sich, das Haus möge niederbrennen. Hepzibah fleht ihn an zu schweigen. Sie fürchtet, die Mitreisenden könnten ihn für verrückt halten.

Flucht und Wiederkehr

Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne, die Pyncheon Street ist voller Leben. Auf dem Dach des Hauses, zwischen den beiden Frontgiebeln, blühen Blumen. Doch das Haus ist seltsam still. Kunden rütteln vergeblich an der Tür des Kramladens. Allmählich macht das Gerücht die Runde, Richter Pyncheon sei ermordet worden. Eine Droschke hält vor dem Haus: Phoebe ist wieder da. Zu ihrer Verwunderung findet sie die Ladentür verschlossen. Also klopft sie am Haupteingang. Nichts rührt sich. Nun geht sie durch den verwilderten, vom Sturm zerzausten Garten. Maules Brunnen ist übergelaufen, auf dem Boden hat sich eine große Pfütze gebildet. Phoebe wird mulmig zumute. Sie klopft an die Tür, die vom Garten ins Haus führt. Die Tür öffnet sich. Jemand nimmt Phoebe an der Hand und führt sie hinein. Es ist Holgrave. Er berichtet, Hepzibah und Clifford seien verschwunden, Richter Pyncheon sitze tot im Salon. Phoebe drängt ihn, er solle die Öffentlichkeit informieren, doch Holgrave zögert; er fürchtet, Clifford und Hepzibah könnten als Mörder verdächtigt werden. Er gesteht Phoebe seine Liebe. Phoebe sträubt sich kurz, gibt aber schließlich zu, dass auch sie Holgrave liebt. Plötzlich hören sie Geräusche an der Tür. Es sind Hepzibah und Clifford. Alle sind glücklich über das Wiedersehen.

Das Ableben des Richters sorgt für Furore. Letztlich wird jedoch ein natürlicher Tod festgestellt. Hepzibah, Clifford und Phoebe sind die einzigen Erben. Mit Onkel Venner und Holgrave im Schlepptau beziehen sie den Landsitz des Verstorbenen. Einige Geheimnisse kommen ans Licht: Holgrave entpuppt sich als Nachkomme Maules. Von seinem Ahnen ist das Wissen um den Verbleib jenes legendären Dokuments auf ihn gekommen: Es steckt in einem Geheimfach hinter dem Bild von Oberst Pyncheon, ist aber inzwischen wertlos. Außerdem stellt sich heraus, das Clifford wohl nicht schuld am Tod seines Onkels ist und dass er deshalb zu Unrecht im Gefängnis gesessen hat. Der Alte ist vermutlich vor Schreck an seinem eigenen Blut erstickt, als er nachts seinen als Verschwender und Wüstling bekannten Neffen, den späteren Richter Pyncheon, beim Durchwühlen seiner Schubladen ertappte.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Haus mit den sieben Giebeln besteht aus 21 Kapiteln und einem Vorwort. Darin spricht Hawthorne sich dafür aus, den Text als fantastische Erzählung („romance“) zu begreifen statt als Roman („novel“). Dabei ist es ihm um „gewisse Freiheiten“ zu tun, „mit Blick auf den Stil wie auf den Stoff“, die ihm das Romangenre seiner Ansicht nach verwehrt. Von diesen Freiheiten macht Hawthorne im Haus mit den sieben Giebeln reichlich Gebrauch. Die Erzählung weist einige fantastische Elemente auf: Gegenstände scheinen beseelt, so etwa das düstere Porträt des Obersts Pyncheon, Maules Brunnen und nicht zuletzt das Haus selbst. Vieles wird geschickt offengelassen, etwa ob das Geschlecht der Pyncheons wirklich an Maules Fluch zugrunde geht oder an der Gier einzelner Familienmitglieder. Vor allem das Kapitel „Gouverneur Pyncheon“, in dem der tote Richter Pyncheon von den Gespenstern der Vergangenheit heimgesucht wird, ragt weit in die Domäne der Schauerliteratur hinein. Insgesamt aber halten sich fantastische und realistische Anteile die Waage. Dunkle Motive werden von humoristischen Einschüben aufgehellt. Die Erzählung strotzt überdies vor Metaphern, Allegorien und Symbolen; alles ist mit tieferer Bedeutung hinterlegt. Hawthornes Schreibstil war von seinen Zeitgenossen hochgelobt, wirkt jedoch heute recht antiquiert. Ausführliche, oft gewundene Beschreibungen gehen im Haus mit den sieben Giebeln auf Kosten von Dialog und Handlung. Auch wirken die Charaktere, zumindest nach heutigem Maßstab, etwas klischeehaft und konstruiert.

Interpretationsansätze

  • Die Macht des Gestern über das Heute ist das beherrschende Motiv im Haus mit den sieben Giebeln. Doch Hawthorne versteift sich nicht auf einen strengen Determinismus, sondern räumt den handelnden Personen durchaus die Möglichkeit ein, den „Fluch“ der Vergangenheit zu überwinden.
  • Die Konkurrenz zwischen England und Amerika, der Alten und der Neuen Welt liegt dem Gegensatz zwischen Alt und Neu zugrunde. Für viele Bewohner der aufstrebenden Kolonie stand das Mutterland für eine rückständige Vergangenheit, als Ballast auf dem Weg in eine bessere Zukunft.
  • Ein weiteres großes Thema ist das Verhältnis von Schein und Sein: Sei es die quasi magische Fotokunst des jungen Holgrave, Richter Pyncheons ewig lächelnde Fassade oder der scheinbar missbilligende Blick Hepzibahs, der in Wirklichkeit nur eine Folge ihrer Kurzsichtigkeit ist.
  • Das Haus mit den sieben Giebeln ist ein Sozialpanorama Neuenglands zur Mitte des 19. Jahrhunderts, mit seiner puritanischen Besessenheit von Schuld und Sünde, mit seinem Konflikt zwischen der alteingesessenen, puritanischen Elite und den weltlicher gesinnten Neuankömmlingen.
  • Für viele Details im Haus mit den sieben Giebeln griff Hawthorne auf reale Vorbilder zurück. So ist die Figur der Phoebe an seiner Frau Sophia orientiert, in Holgrave hat er sich wohl selbst verewigt, sogar das Haus mit den sieben Giebeln gab es wirklich. Es steht übrigens noch heute: in der Turner Street, in Salem, Massachusetts. Es gehörte einst Hawthornes Cousine Susannah Ingersoll.

Historischer Hintergrund

Neue Welt – alter Wahn

Der äußerste Nordosten der USA, „New England“ genannt, mit den heutigen Staaten Massachusetts, Maine, Connecticut, New Hampshire, Rhode Island und Vermont, wurde ab etwa 1620 von England aus kolonialisiert. Viele der Siedler waren Puritaner, Angehörige einer radikalen, protestantischen Sekte, die in der alten Heimat von Verfolgung bedroht war. Die puritanische Lehre forderte von ihren Anhängern eine strenge, gottgefällige Lebensweise und verwarf alle irdischen Freuden als Einfallstor der Sünde. Auch sahen die Puritaner überall den Teufel am Werk. Ihr Aberglaube steigerte sich bisweilen zur kollektiven Paranoia.

Ende des 17. Jahrhunderts kam es in Salem, Massachusetts, dem Geburtsort Nathaniel Hawthornes, zu einer folgenreichen Aufschauklung: Ein junges Mädchen erlitt unerklärliche Anfälle, und eine Waschfrau wurde beschuldigt, das Mädchen verhext zu haben. Weitere Fälle folgten. Schließlich wurden im Jahr 1692 regelrechte Hexenprozesse veranstaltet, in deren Verlauf 20 Menschen, vor allem Frauen, hingerichtet wurden. Ein Ururgroßvater von Nathaniel Hawthorne, der Richter John Hathorne, saß einigen der Prozesse vor. Erst im Mai 1693 machte der Gouverneur von Massachusetts den Prozessen ein Ende. Die Aufarbeitung des geschehenen Unrechts wurde jedoch lange verschleppt. Erst im Jahr 2001 erfolgte eine umfassende, namentliche Rehabilitation der letzten fünf Opfer.

Entstehung

Hawthorne brachte es bei allem literarischen Ruhm nie zu wirklichem Wohlstand. Jahrelang hielt er sich und seine Familie mehr schlecht als recht mit Kurzgeschichten über Wasser, die er für knappe Honorare an verschiedene Zeitschriften verkaufte. Erst die Zusammenarbeit mit dem Verleger James T. Fields, der später sein bester Freund wurde, brachte die Wende. 1850 erschien sein erster Roman, Der scharlachrote Buchstabe, der Hawthorne vorerst eine halbwegs gesicherte Existenz bescherte. Eine Zukunft ließ sich darauf jedoch nicht aufbauen – Hawthorne musste nachlegen.

Kaum war Der scharlachrote Buchstabe erschienen, verließ Hawthorne samt Frau und Kindern seine Geburtsstadt Salem und bezog ein Haus in den Berkshire Mountains. Dort konnte er ungestört schreiben. Überdies entkam er so dem Unmut seiner Mitbürger in Salem, den er sich durch allzu realistische Schilderungen im Scharlachroten Buchstaben zugezogen hatte. In den Berkshires waren die Hawthornes Nachbarn von Herman Melville, mit dem Nathaniel Hawthorne sich anfreundete und ausgedehnte Wanderungen unternahm. Es ergab sich ein fruchtbarer Austausch zwischen den beiden Schriftstellern. Während Hawthorne am Haus mit den sieben Giebeln arbeitete, schrieb Melville seinen berühmten Roman Moby Dick, der übrigens Hawthorne gewidmet ist. Die Arbeit an dem Roman nahm Hawthorne zwar schon im August 1850 auf, er kam jedoch zunächst nicht recht voran, da ihn die sommerliche Schönheit seiner Umgebung zu sehr ablenkte. Im Januar 1851 war das Manuskript dann fertig, im April erschien das Buch.

Wirkungsgeschichte

Einen ersten großen Erfolg erzielte Das Haus mit den sieben Giebeln noch vor der Drucklegung: Hawthorne las das Manuskript seiner Frau vor, die sich von der Erzählung ihres Mannes fast in Trance versetzt fühlte und „O unaussprechliche Freude!“ in ihr Tagebuch schrieb.

Auch das breite Lesepublikum zeigte sich begeistert. Das Haus mit den sieben Giebeln verkaufte sich blendend. Fünf Monate nach Erscheinen ging es bereits in die vierte Auflage. Bis Ende des Jahres waren knapp 7000 Exemplare über den Ladentisch gegangen. Damit hatte Hawthorne den Erfolg des Scharlachroten Buchstabens übertroffen. Jetzt erst kehrte allmählich so etwas wie finanzielle Sicherheit ein, und Hawthorne konnte endlich ein eigenes Haus im beschaulichen Concord, Massachusetts, kaufen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ralph Waldo Emerson, bei dem Henry David Thoreau eine Zeit lang wohnte, bevor er in die nahe gelegene Hütte am Walden Pond zog.

Von der Kritik wurde Hawthornes neuer Roman ebenfalls enthusiastisch gelobt. Besonders hervorgehoben wurde die im Vergleich zu seinen vorigen Werken größere Balance. Wo im Scharlachroten Buchstaben noch das düstere Moment überwog, setzte Hawthorne im Haus mit den sieben Giebeln seinen typischen Humor als Gegengewicht ein. Sogar ein Happy End gab er der Erzählung, womit er zwar die zeitgenössische Leserschaft entzückte, sich jedoch vonseiten späterer Kritiker den Vorwurf dichterischer Inkonsequenz einhandelte. So oder so, Das Haus mit den sieben Giebeln war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer genuin amerikanischen Literatur, es beeinflusste Schriftsteller wie Henry James, Edgar Allan Poe oder H. P. Lovecraft und wurde später mehrfach verfilmt.

Über den Autor

Nathaniel Hawthorne wird am 4. Juli 1804 in Salem, Massachusetts, geboren. Seine Abstammung lässt sich bis zu seinem Ururgroßvater John Hathorne (das „w“ hat erst Nathaniel dem Familiennamen hinzugefügt) zurückverfolgen, einem der Richter aus den berühmten Hexenprozessen in Salem von 1692. Nathaniel wird sich bei seiner schriftstellerischen Arbeit immer wieder auf seine puritanischen Wurzeln besinnen. Er besucht das Bowdoin College in Maine und arbeitet ab 1825 als Journalist und als freier Schriftsteller. Später wird er Zollinspektor und muss bei einem politischen Wechsel seinen Hut nehmen. 1842 heiratet er die Malerin Sophia Peabody. Er lernt die Dichter Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau kennen, mit deren „amerikanischem Transzendentalismus“ er jedoch wenig anfangen kann. Stattdessen reflektiert er kritisch über die Geschichte seines eigenen Ururgroßvaters, der Gründerväter und der ganzen jungen Nation. Mit Herman Melville schließt er 1850 eine Freundschaft, die insbesondere für Melville eine große Inspiration ist: Dieser widmet seinen Roman Moby Dick dem Freund. Hawthornes Hauptthemen Schuld und Vergebung sowie religiöser Fanatismus finden in zahlreiche Werke von ihm Eingang, darunter Der scharlachrote Buchstabe (The Scarlet Letter, 1850), Das Haus mit den sieben Giebeln (The House of the Seven Gables, 1851), Der Marmorfaun (The Marble Fawn, 1860) und zahlreiche Kurzgeschichten. Trotz seiner Bekanntheit leidet Hawthorne zeit seines Lebens an Geldknappheit. 1852 geht er nach Europa und wird Konsul in Liverpool. Nach mehreren Reisen kehrt er 1859 nach Amerika zurück und stirbt am 19. Mai 1864 in Plymouth, New Hampshire.

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