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Das Heptameron

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Das Heptameron

Die Erzählungen der Königin von Navarra

tredition,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Die Spielarten der Liebe im 16. Jahrhundert – erzählt in 72 Kurzgeschichten.


Literatur­klassiker

  • Erzählsammlung
  • Renaissance

Worum es geht

Liebesgeschichten aus dem 16. Jahrhundert

Die Figuren in Margarete von Navarras Heptameron leben in unsicheren Zeiten, geprägt von Umbrüchen, Krieg und politischer Intrige. Doch Navarras Geschichten kennen nur ein Thema: die Liebe in all ihren Erscheinungsformen. Die Bandbreite reicht von der Anekdote eines wollüstigen Mönchs, der sich Zugang zum Schlafzimmer verheirateter Damen verschafft, bis hin zu der Geschichte eines Edelmanns, der seine Angebetete nur aus der Ferne verehrt, um ihrem Ruf nicht zu schaden. Im Gegensatz zu früheren Generationen wird heute wohl kaum ein Leser wirklich schockiert sein – sondern eher überrascht von der Offenheit, mit der hier über Sex gesprochen wird: Ehrlich und lebensnah diskutieren die Protagonisten über die Voraussetzungen für eine gelungene Ehe. Der Wert der Erzählungen besteht vor allem darin, einen lebendigen Einblick in die zwischenmenschlichen Beziehungen zu einer Zeit zu geben, die uns heute vor allem wegen der Reformation präsent ist.

Take-aways

  • Das Heptameron ist eine der bekanntesten Novellensammlungen der Literatur.
  • Inhalt: Zehn Adlige sehen sich aufgrund einer Überschwemmung gezwungen, in einem Kloster haltzumachen. Sie vertreiben sich die Zeit, indem jeder von ihnen jeden Tag eine Geschichte erzählt. Die Geschichten drehen sich hauptsächlich um das Thema Liebe – in allen möglichen Varianten.
  • Der Titel des Buches bedeutet „Sieben-Tage-Werk“.
  • Viele Erzählungen enthalten scharfe Kritik an der katholischen Kirche, vor allem am Franziskanerorden.
  • Immer wieder sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein Thema.
  • Vorbild für das Werk war Giovanni Boccaccios Dekameron, das rund 200 Jahre zuvor geschrieben wurde.
  • Die Autorin Margarete von Navarra war eine Schwester des französischen Königs und somit eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit.
  • Sie stand in Kontakt zu zahlreichen Intellektuellen.
  • Aufgrund von Margaretes plötzlichem Tod im Jahr 1549 blieb die Sammlung unvollendet – statt der geplanten 100 sind es nur 72 Geschichten geworden.
  • Zitat: „(…) so wollen wir hier, behaglich hingelagert, jedweder eine Geschichte erzählen, die wir entweder selbst erlebt oder von vertrauenswürdiger Seite gehört haben. In zehn Tagen kann das Hundert voll sein.“

Zusammenfassung

Ein Unwetter und seine Folgen

Im September verbringen mehrere Gruppen aus Spanien, Frankreich und anderen Ländern einige Wochen in den Pyrenäen zur Kur. Als sie abreisen wollen, setzt ein Unwetter ein, das den Ort unbewohnbar macht. Die Urlauber machen sich auf den Heimweg, doch schwere Überschwemmungen schneiden ihnen den Weg ab. Auf der Suche nach einer Alternativroute landen zehn von ihnen nach verschiedenen Abenteuern in einem Kloster. Das Ehepaar Hircan und Parlamente, Hircans alter Freund Guebron, die junge Witwe Longarine und die alleinstehenden Edelmänner Dagoucin und Saffredant sowie die Edeldamen Nomerfide und Emarsuitte haben sich auf dem Weg kennengelernt und treffen im Kloster auf die ältere Witwe Oisille und den Edelmann Simontault. Um endlich den Fluss passieren zu können, beschließen sie, eine Brücke errichten zu lassen. Bis diese fertiggestellt ist, wollen sie im Kloster bleiben. Um sich die Zeit bis dahin zu vertreiben, nehmen sie sich vor, sich jeden Nachmittag gegenseitig mit kleinen Geschichten zu unterhalten. Die einzigen Vorgaben: Die Geschichten müssen wahr sein und jeder Teilnehmer muss jeden Tag eine Erzählung beisteuern. Ganz nach dem Vorbild von Boccaccio wollen sie nun jeden Tag zusammenkommen und so 100 Geschichten sammeln.

Der erste Tag

Den Anfang macht Hircan mit der Geschichte einer Frau, die zwei Verehrer gleichzeitig hat. Sie ist die Ehefrau eines Prokurators und lässt sich auf eine Affäre mit einem reichen Prälaten ein, den sie jedoch nicht liebt. Etwas später verliebt sie sich in den Sohn des Stadtkommandanten, worauf sie sich mit beiden abwechselnd trifft. Bei einem dieser Treffen hat eine junge Magd Mitleid mit dem jungen Verehrer und weist ihn darauf hin, dass es noch einen anderen Mann gibt. Er trennt sich von seiner Geliebten. Sie spielt anschließend ihren Mann und ihren ehemaligen Verehrer gegeneinander aus: Gegenüber ihrem Gatten behauptet sie, der junge Mann habe ihr nachgestellt. Ihrem ehemaligen Liebhaber berichtet sie von der Eifersucht ihres Mannes: Irgendjemand müsse ihm von ihrem Verhältnis erzählt haben. Er solle zum Prokurator gehen und versichern, dass die Gerüchte nicht wahr seien. Doch dort wird der Jüngling von einem Mann erwartet, der ihn im Auftrag des Prokurators umbringt. Als die Tat ans Licht kommt, flieht das Ehepaar nach England. In Abwesenheit werden sie zur Zahlung von 1500 Talern verurteilt. Um das Urteil aufzuheben, wendet sich der Prokurator an einen Hexenmeister, der fünf Wachsfiguren für ihn anfertigt: Zwei sind nach dem Bildnis des Königs bzw. seines Kanzlers gefertigt und sollen deren Gnade erwirken, die anderen drei stellen den Vater des ermordeten jungen Mannes, die Schwester des Königs und seine Frau dar und sollen deren Tod verursachen. Durch Zufall erfährt die Frau von dem Plan und sorgt dafür, dass der Hexenmeister und der Prokurator verhaftet werden. Beide werden zum Zwangsdienst auf einer Galeere verurteilt. Die Frau setzt ihren frivolen Lebenswandel fort.

„Da nun die Arbeiter versicherten, die Brücke könne vor zehn oder zwölf Tagen nicht fertig werden, so begann die Gesellschaft, so Männer als Frauen, sich zu langweilen.“ (S. 33)

Für Hircan ist die Geschichte der Beweis dafür, dass die Frauen die Männer schon immer ins Unglück gestürzt haben. Doch ist er bereit, sich für die richtige Frau – er meint Parlamente – absichtlich diesen Qualen auszusetzen. Auch die anderen neun Geschichten des ersten Tages handeln von Liebe, Affären und Eifersucht.

Der zweite Tag

Parlamente erzählt von einer jungen Edeldame. Diese ist mit einem älteren Mann verheiratet, der unbedingt nach Jerusalem reisen möchte. Die Dame ist entschlossen, ihn zu begleiten. Sie lernen einen Hauptmann kennen, der in nächster Zeit nach Jerusalem aufbrechen will und bereit ist, mit ihnen zu gehen. Die drei verbringen viel Zeit zusammen, um die Reise zu planen, und bald verliebt sich der Hauptmann in die Edeldame. Er schwört sich, ihr zuliebe ein besserer Mensch zu werden, gesteht ihr aber nicht seine Gefühle. Kurz darauf wird er einberufen. Die Edeldame erhält später einen Brief mit einem langen Gedicht, in dem der Hauptmann ihr seine Liebe gesteht. Mit dem Brief schickt er einen wertvollen Ring als Geschenk. Die Frau schickt beides an die Ehefrau des Hauptmanns weiter und versichert ihr, Brief und Schmuck seien für sie bestimmt. Die Ehefrau ist außer sich vor Freude. Als wenig später die Nachricht eintrifft, dass der Hauptmann gefallen ist, trauern die Eheleute aufrichtig um ihn, und seine Witwe wird getröstet durch die Überzeugung, dass ihr Mann sie wirklich geliebt hat.

„(…) so wollen wir hier, behaglich hingelagert, jedweder eine Geschichte erzählen, die wir entweder selbst erlebt oder von vertrauenswürdiger Seite gehört haben. In zehn Tagen kann das Hundert voll sein.“ (Parlamente, S. 36)

Parlamente ist überzeugt, dass jede Frau, die von einem anderen ein Geschenk erhält, so vorgehen sollte. Nomerfide hätte den Ring dagegen für sich behalten, und auch Hircan meint, die Frau hätte das Geschenk annehmen müssen.

Der dritte Tag

Am nächsten Tag berichtet Oisille von einem Edelmann, der große Stücke auf die Franziskaner hält. Seine Frau hat kurz zuvor einen Sohn bekommen, und so lädt er seinen franziskanischen Seelsorger zu sich ein. Beim Essen fragt er ihn, ob es eine Sünde sei, seine Frau im Wochenbett aufzusuchen. Eigentlich sei das streng verboten, erklärt ihm der Pater, doch könne in diesem Fall eine Ausnahme gemacht werden. Allerdings dürfe der Ehemann erst ab zwei Uhr nachts zu ihr gehen. Der Franziskaner, der die Frau seit Jahren begehrt, beschließt, sich die Umstände zunutze zu machen. So schleicht er sich, deutlich vor zwei Uhr, im Dunkeln in ihr Zimmer und schläft mit ihr. Sie bemerkt nicht, dass der Mann in ihrem Bett nicht ihr Ehemann ist. Erst als dieser um zwei Uhr tatsächlich zu ihr kommt, fliegt der Betrug auf. Der Mönch ist inzwischen geflohen. Als dem Ehemann klar wird, was geschehen ist, nimmt er sofort die Verfolgung auf. Seine Frau ist derweil so verzweifelt, dass sie sich das Leben nimmt. Im Todeskampf stürzt sie auf das wenige Wochen alte Kind, das kurz darauf stirbt. Ihr Bruder findet die Leichen und befragt eine Magd, die nur ihren Herrn aus dem Zimmer hat stürzen sehen. Überzeugt, dass sein Schwager Frau und Kind ermordet hat, stürzt er aus dem Haus und trifft draußen auf den Edelmann, der den Mönch nicht fassen konnte. Ohne eine Erklärung abzuwarten, beginnen sie zu kämpfen, und der Edelmann wird schwer verletzt. Erst jetzt erfährt er vom Tod seiner Frau. Sein Schwager sieht sein Unrecht ein, doch es ist zu spät: Der Edelmann stirbt am nächsten Tag an seinen Verletzungen.

„So bitte ich euch, verehrte Damen, schaut wohl, was für Jammer ein boshaftes Weib anrichten kann. Seit Adams Fall durch Eva haben alle Frauen das Ihre getan, um die Männer zu quälen, zu töten und in Verdammnis zu stürzen.“ (Simontault, S. 45)

Alle Zuhörer sind empört über die Tat des Franziskaners, aber nicht überrascht – von solchen Vorkommnissen haben sie alle schon gehört.

Der vierte Tag

Am nächsten Tag hört die Gruppe gleich vier Geschichten über ganz und gar nicht heilige Franziskanermönche.

Longarine erzählt danach die Geschichte einer Bürgersfrau aus Tours. Deren Mann verliebt sich eines Tages in eine Pächterin auf einem seiner Güter, das er fortan häufig besucht, um sich mit ihr zu treffen. Jedes Mal, wenn er heimkehrt, geht es ihm so schlecht, dass er sich einige Zeit in Tours erholen muss. Seine Frau macht sich Sorgen um ihn und besucht den Gutshof schließlich selbst, um herauszufinden, was dort vor sich geht. Sie trifft die Pächterin und wirft ihr vor, dass sie sich schlecht um ihren Mann kümmere. Sie lässt sich das Zimmer zeigen, in dem die beiden übernachten: Es ist ein kalter und schmutziger Raum. Sofort lässt die Ehefrau das Zimmer neu einrichten. Als ihr Mann das bei seinem nächsten Besuch sieht und erfährt, wer für die Veränderung verantwortlich ist, hat er so ein schlechtes Gewissen, dass er seine Affäre beendet.

„Mir scheint, (…) wenn unsere Liebe nur auf Äußerlichkeiten aufgebaut ist, vermag sie nicht zu dauern. Denn Lust, Schönheit und dergleichen entflieht bald. Nur Liebe dauert unerschüttert, die keine Nebenziele kennt und lieber den Tod wählte denn verzichtete.“ (Hircan, S. 74)

Longarine sieht darin ein nachahmenswertes Beispiel, doch Parlamente ist anderer Meinung. Hircan unterstellt der Ehefrau sogar, dass sie ihren Mann gewähren ließ, um selbst unentdeckt zu bleiben.

Der fünfte Tag

Simontault erzählt: Ein verheirateter Tapetenmacher verliebt sich in seine Magd. Um seine Gefühle vor seiner Frau zu verbergen, schimpft er oft auf das Mädchen und wirft ihr Faulheit vor. Seine Frau rät ihm daraufhin, die Magd mit der Rute zu züchtigen. Also macht er sich mit frischen Zweigen auf den Weg zu ihr, er schlägt sie aber nicht, sondern zwingt sich ihr auf. Als die Magd danach weinend zu ihrer Herrin läuft und sich über die Behandlung beschweren will, zeigt diese – überzeugt, dass es um die Strafe geht – kein Mitleid und erklärt dem Mädchen, alles sei mit ihrem Einverständnis geschehen. So lässt die Magd den Hausherrn gewähren. Eines Tages treffen sich der Herr und die Magd frühmorgens im Garten und gehen nach einer Schneeballschlacht zu intimeren Handlungen über. Dabei werden sie von einer Nachbarin beobachtet. Als der Hausherr das bemerkt, reagiert er sofort: Er weckt seine Frau, führt sie in den Garten und wiederholt mit ihr, was er zuvor mit der Magd getan hat. Als die Nachbarin nun empört die Frau anspricht, behauptet die voll Überzeugung, dass sie selbst die Frau gewesen ist, mit der sich ihr Mann vergnügt hat.

„Darum, meine Damen, hütet euch vor uns, wie ein kluger Hirsch vor dem Jäger. Denn all unser Glück und unsern Ruhm setzen wir darein, euch einzufangen und das zu rauben, das euch teurer ist als das Leben.“ (Guebron, S. 142)

Während die Frauen in der Runde entrüstet sind wegen der Durchtriebenheit des Mannes, äußern die Männer ihre Hochachtung vor der Leistung des Tapetenmachers.

Der sechste Tag

Nomerfide erzählt die Geschichte einer Spanierin aus Saragossa. Als deren Mann im Sterben liegt, bestimmt er, dass sein ganzer Besitz nach seinem Tod einem Bettelorden gespendet werden soll. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf seine Familie, die mittellos dastehen wird. Er weist seine Familie also an, sein wertvolles Pferd zu verkaufen, sobald er gestorben ist, und das Geld dem Orden zu geben. Seine Frau folgt seinem Willen, allerdings mit einer List: Sie schickt den Knecht mit dem Pferd und einer Katze zum Markt. Er soll das Pferd für einen Dukaten verkaufen, allerdings unter der Bedingung, dass der Käufer auch die Katze erwirbt. Die soll jedoch 99 Dukaten kosten. Tatsächlich findet der Knecht einen Edelmann, der den Preis angemessen findet. Der Erlös aus dem Verkauf wird daraufhin wie vereinbart aufgeteilt.

Der siebte Tag

Parlamente erzählt von einem Edelmann in Valencia, der schon seit vielen Jahren in ein Mädchen verliebt ist. Als er sich endlich dazu durchringt, um ihre Hand anzuhalten, erfährt er, dass er zunächst ihre Freunde überzeugen muss. Diese sind mit der Verbindung einverstanden, doch das Mädchen bleibt unentschlossen. Darüber ist ihr Verehrer so betrübt, dass er beschließt, Mönch zu werden. Seine Verwandten wollen das verhindern und wenden sich an das Mädchen, das völlig überrascht ist von seinem plötzlichen Sinneswandel. Mit einem Gedicht will sie ihn überzeugen, von seinem Plan abzusehen: Sie habe ihn nur prüfen und deshalb nicht sofort einwilligen wollen. Nun wünscht sie sich nichts mehr, als dass er zu ihr zurückkehrt und sie heiratet. Er antwortet ihr, dass es dafür nun zu spät sei. Sie will das nicht glauben und macht sich auf den Weg zu ihm, um ihn persönlich zu sprechen. Als er sie erkennt, geht er ihr aus dem Weg und schreibt ihr nur einige Zeilen. Sie sieht ein, dass sie ihn nicht umstimmen kann, und führt daraufhin ein trostloses, einsames Leben.

„Damit will ich niemandes gute Meinung von achtbaren Geistlichen beeinträchtigen. Doch sollt ihr nur nicht für unmöglich halten, dass unter großer Frömmigkeit nicht auch bisweilen schlimme Sinnengier verborgen liegt.“ (Guebron, S. 174)

Die Geschichte sorgt für Diskussionen: Nomerfide findet es schade, dass der junge Mann sich nicht umstimmen ließ, während Simontault spöttelt, dass die Ehe wahrscheinlich genauso trübselig wie das Leben im Kloster verlaufen wäre.

Der achte Tag

Am folgenden Tag erfährt die Gruppe, dass die Bauarbeiten noch zwei bis drei Tage andauern werden. Einige von ihnen wären gern noch länger geblieben, weil ihnen die Nachmittage so viel Freude bereitet haben.

„Doch werdet ihr immerhin erkennen, dass die Liebe ein Herz nicht wandelt, und bei Schlechten schlechte, bei Guten gute Taten auslöst.“ (Saffredant, S. 202)

Parlamente erzählt die Geschichte einer todkranken Frau: Es ist die Ehefrau eines Sattlers. Diesem hat sie mehrere Kinder geschenkt. Als der Sattler erfährt, dass seine kluge Frau schwer krank ist, ist er völlig verzweifelt, weil er nicht weiß, was er ohne sie tun soll. Als er mit der Sterbenden und einer jungen Magd allein ist, fleht er die Magd an, für die Kinder zu sorgen, wenn er seine Frau verliert. Und mit diesen Worten wirft er sie in eindeutiger Absicht aufs Bett. Als seine Frau das mitbekommt, beginnt sie zu schreien und zu schimpfen. Dabei geht es ihr nach und nach besser, bis sie schließlich wieder gesund ist.

„Könnten jeder und jede nach Belieben heiraten – wie viel unglückliche Ehen gäbe es dann! Vermeint ihr, so ein Jüngling oder ein Mägdelein von zwölf bis fünfzehn Jahren weiß, was ihr nottut?“ (Oisille, S. 287)

Hircan will dem Mann zugutehalten, dass er all das absichtlich getan hat, um seine Frau zu heilen, doch daran mag niemand glauben. Außerdem sind sich die Gefährten uneinig, ob der Mann berechtigt war, so schnell nach einer neuen Frau Ausschau zu halten.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das Heptameron umfasst 72 Geschichten, die, so die Fiktion, von zehn Personen an acht Tagen erzählt werden. Insofern ist der Titel Heptameron („Sieben-Tage-Werk“), der dem Buch von einem Herausgeber verliehen wurde, etwas verwirrend. Eingebettet in eine Rahmenhandlung – die zehn Erzählenden warten in einem Kloster darauf, weiterreisen zu können – werden an jedem Tag zehn Geschichten erzählt. Mit wenigen Ausnahmen handeln die Erzählungen von Liebesdingen: Manchmal ernst und traurig, häufiger humorvoll berichten sie von betrogenen Ehepartnern und ihrer Rache, unnachgiebigen Verehrern und unerwiderter Liebe. An jedem neuen Tag wird kurz die Rahmenhandlung fortgeschrieben. Jede Geschichte ist mit einer knappen Zusammenfassung überschrieben. Die Erzählungen sind von sehr unterschiedlicher Länge – manche sind nicht mehr als kurze Anekdoten von zwei Seiten, andere umspannen ganze Lebensgeschichten auf mehr als zehn Seiten. Der Stil ist äußerst vielfältig und oft den Inhalten angepasst: So finden sich zotige Bemerkungen ebenso wie höfische Lyrik, ironische Umschreibungen genauso wie pathetische Liebeserklärungen.

Interpretationsansätze

  • Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind immer wieder ein Thema, insbesondere das typische Dilemma, in das die Liebe in dieser Zeit führte: Die ideale Frau hatte ihre Ehre notfalls mit ihrem Leben zu verteidigen – nur dann hatte sie die Verehrung des Mannes tatsächlich verdient. Der setzte dennoch alles daran, sie rumzukriegen. War es ihm gelungen, sank die Frau sofort in seinem Ansehen. Auch bei der Bewertung der Geschichten bilden die Frauen und die Männer häufig entgegengesetzte Lager.
  • Die Geschichten stehen im Spannungsfeld zwischen Ideal und Wirklichkeit der Liebe. Die Unerfüllbarkeit all der Vorgaben, die an die Liebe gestellt werden, wird auch von den Figuren mehrfach diskutiert. Dabei beweist die Autorin einen scharfen Blick hinsichtlich der wahren Beweggründe für die dargestellten Taten.
  • Die Annahme, dass alle Geschichten auf wahren Begebenheiten beruhen, möchte man als Leser gern anzweifeln, insbesondere die Fälle, in denen Figuren aus Liebe oder Scham plötzlich sterben. Die Protagonisten zweifeln die Glaubwürdigkeit der Geschichten jedoch nicht an: Der Eindruck von Authentizität wird verstärkt, indem die dargestellten Personen entweder namentlich genannt oder die Namen – vorgeblich aus Rücksicht auf den Ruf – verschwiegen werden.
  • Obwohl sich die Figuren in einem Kloster aufhalten, täglich mehrmals die Messe hören und morgens über religiöse Fragen diskutieren, spielt die christliche Moral in den Geschichten selten eine Rolle.
  • Das äußerst negative Bild der Franziskaner erklärt sich damit, dass Margarete auf den Orden schlecht zu sprechen war. Zur Zeit der Entstehung der Texte stand Europa an der Schwelle zur Reformation – überall wurden Stimmen laut, die Korruption in kirchlichen Ämtern und den Ablasshandel anprangerten.
  • Die politischen Wirren der Zeit werden in den Erzählungen meist nur am Rande behandelt: Wo Figuren in den Krieg ziehen oder sich an den Königshöfen aufhalten, werden historische Details in die Geschichte eingewoben, aber meist nicht weiter ausgeführt.

Historischer Hintergrund

Zwischen Renaissance und Reformation

Die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert brachte einschneidende Veränderungen in der europäischen Welt mit sich. Die Seefahrer erkundeten die Welt, Christoph Kolumbus entdeckte Amerika, die Theorie, dass die Erde eine Kugel ist, wurde endlich bestätigt. Die Wissenschaft erlebte einen nie zuvor gekannten Auftrieb, und viele seit Jahrhunderten für unumstößlich gehaltene Lehren mussten revidiert werden. Die träge und rückwärtsgerichtete Scholastik wurde vom neu aufwallenden Erkenntnisdrang der europäischen Gelehrten abgelöst. Durch den Buchdruck verbreiteten sich neue Theorien und neue Denkmodelle mit großer Geschwindigkeit. Mit dem Ende des Mittelalters bildeten sich neue gesellschaftliche Formen heraus, das Landesfürstentum erstarkte und die aufstrebenden Städte ermöglichten ein vom Adel unabhängiges, zunehmend gebildetes Bürgertum, das durch die gerade entdeckten neuen Handelswege zu Wohlstand kam.

In dieser Aufbruchstimmung setzten erste Abspaltungen von der katholischen Kirche ein, die zuvor 1500 Jahre lang das uneingeschränkte Monopol in der christlichen Lehre gehabt hatte. Nachdem Martin Luther 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Kirche von Wittenberg genagelt und damit dem Katholizismus den Kampf angesagt hatte, folgten zwei Jahrhunderte religiös motivierter Auseinandersetzungen in ganz Europa. Viele katholische Herrscher verfolgten die neuen Glaubensgemeinschaften mit unnachgiebiger Härte. Die Verfolgung der Hugenotten in Frankreich, die unter Franz I. begonnen hatte und von seinem Sohn Heinrich II. fortgesetzt wurde, fand 1572 in der sogenannten Bartholomäusnacht, die Tausende Opfer forderte, ihren Höhepunkt.

Die katholische Kirche reagierte auf die sich europaweit ausbreitende Reformation unter anderem mit dem Konzil von Trient (1545 bis 1563), auf dem sie einige Forderungen der Protestanten, etwa die Einschränkung des Ablasshandels, umsetzte und ein neues Glaubensbekenntnis formulierte. Der Versuch, einen Weg zurück zu einer einheitlichen Kirche zu finden, scheiterte jedoch.

Entstehung

Mitte des 14. Jahrhunderts erlangte Das Dekameron von Giovanni Boccaccio Berühmtheit. In dieser Novellensammlung, die um 1350 entstand, ziehen sich zehn junge Adlige auf der Flucht vor der Pest auf ein Landgut zurück und vertreiben sich die Zeit mit Geschichten, die an jedem Tag von einem anderen Thema handeln sollen. Nach Boccaccios Vorbild entstanden in den folgenden Jahrzehnten überall in Europa Novellensammlungen, die in ganz ähnliche Rahmenhandlungen eingebettet waren. Zu den berühmtesten Nachahmern zählen Miguel de Cervantes und Geoffrey Chaucer.

Auch Margarete von Navarra entschloss sich um 1542, eine solche Sammlung anzulegen. Auf Reisen und am Hof ließ sie sich Geschichten erzählen, die dann, vermutlich per Diktat, aufgezeichnet wurden. Bis heute hält sich das Gerücht, dass sie einige der Geschichten selbst erlebt hat. Ihr Plan sah vor, ebenfalls 100 Novellen zu sammeln. Bis zu ihrem Tod 1549 waren jedoch erst 72 Geschichten vorhanden. Im Gegensatz zu dem großen Vorbild Boccaccio lässt Margarete ihre Figuren nach jeder Geschichte über die moralische Bewertung des Gehörten diskutieren. Auch die Vorgabe, dass alle Erzählungen wahre Begebenheiten wiedergeben sollen, ist neu.

Margaretes Novellensammlung wurde erst 1558, neun Jahre nach ihrem Tod, von ihrer Tochter Jeanne veröffentlicht, allerdings in stark verfälschter Form und unter dem Titel Histoires des amants fortunes. Der Herausgeber einer zweiten, originalgetreuen Ausgabe, Glaude Gruget, war es, der dem Werk den Titel Heptameron („Sieben-Tage-Werk“) gab und so die Tatsache aufgriff, dass nur 72 Geschichten vorlagen.

Wirkungsgeschichte

Schon zu Lebzeiten wurde Margarete verehrt. Erasmus von Rotterdam, sonst eher für beißenden Spott bekannt, lobte sie in den höchsten Tönen. Margaretes Werk wurde von einer breiten Leserschaft begeistert aufgenommen, doch es gab auch kritische Stimmen: Michel de Montaigne fand zum Beispiel die Diskussionen der Hauptfiguren zu gekünstelt. In den folgenden Jahrhunderten wurde Das Heptameron immer wieder als unsittlich verdammt. Zu offenherzig für damalige Zeiten werden darin sexuelle Handlungen dargestellt, zu oft eher derbe Witze eingewoben. Dennoch oder gerade deshalb hat das Werk überdauert und wurde in allen Epochen rege gelesen.

Über die Autorin

Margarete von Navarra wird am 11. April 1492 in Angoulême geboren – daher ist sie auch als Margarete von Angoulême bekannt; Königin von Navarra wird sie erst später. Sie ist die ältere Schwester von François d’Angoulême, der nach dem Tod von Ludwig XII. als Nächster in der Erbfolge den französischen Thron besteigt. Margaretes Vater, Charles de Valois, ermöglicht ihr eine umfassende Bildung und verheiratet sie 1509 mit Karl IV., Herzog von Alençon, einem mächtigen Militär. Margarete zählt nun zu den einflussreichsten Frauen des Landes und übernimmt wichtige diplomatische Aufgaben. 1524 veröffentlicht sie eine Versmeditation. 1531 folgen weitere Langgedichte. Nach dem Tod ihres Mannes 1525 heiratet sie den elf Jahre jüngeren Henri d’Albret, Herrscher des Königreichs Navarra, das zu Beginn des Jahrhunderts große Flächen an Spanien abtreten musste. Sie haben eine Tochter, Jeanne, deren Sohn später als Heinrich IV. den französischen Thron besteigen wird. Margarete interessiert sich für die Reformbestrebungen Martin Luthers und überhaupt für religiöse Fragen, wobei sie die Ansichten der Reformatoren nicht immer teilt. Als Mäzenin zahlreicher Intellektueller, von denen viele reformierte Glaubensansichten vertreten, macht sie sich bald einen Namen. Unter den von ihr geförderten Künstlern und Denkern sind François Rabelais und Johannes Calvin. Margarete setzt auch ihre eigene literarische Karriere fort: 1542 beginnt sie mit den Aufzeichnungen für ihre berühmte Novellensammlung, Das Heptameron (Heptaméron, 1558). Sie übt großen Einfluss auf ihren Bruder, den König, aus, der sich schließlich aber doch auf die Seite der katholischen Kirche stellt. Margarete zieht sich daraufhin mehr und mehr vom Pariser Hof zurück. Sie stirbt am 21. Dezember 1549 im südfranzösischen Odos an einer Lungenentzündung.

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