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Das Herz aller Dinge

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Das Herz aller Dinge

dtv,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Graham Greenes Seelenthriller aus dem kolonialen Afrika: Ein Katholik zwischen zwei Frauen treibt der Todsünde Selbstmord entgegen.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Maßloses Mitleid

Nächstenliebe ist die christliche Tugend schlechthin – kann man es mit ihr auch übertreiben? Maßloses Mitgefühl ist es jedenfalls, was Graham Greenes Major Scobie ins Grab bringt. Weil er, der gläubige Katholik, keine der beiden Frauen verletzen will, die er vor allem aus Mitgefühl zu lieben meint, türmt er Todsünde auf Todsünde: Er geht fremd, entweiht Beichte und Abendmahl und glaubt am Ende, sich nur noch in den Selbstmord retten zu können. Kaum jemand hat die seelische Zerrissenheit eines gläubigen Menschen so spannend und lebensnah geschildert wie Greene. Das Buch fasziniert auch, wenn man selbst nicht mit religiösen Skrupeln kämpft. Das mag daran liegen, dass Greene – obwohl bekennender Katholik – selbst ein eher sündiges Leben führte und mit dessen Abgründen durchaus vertraut war. Ursprünglich wollte Greene seine Erfahrungen als Agent in Afrika literarisch aufarbeiten. Das Herz aller Dinge geht allerdings weit über diesen Erfahrungshorizont hinaus und rührt ans Allgemein-Menschliche.

Take-aways

  • Das Herz aller Dinge ist ein Meisterwerk des Briten Graham Greene.
  • Der Roman spielt in einer westafrikanischen Kolonie des britischen Empire. Greene selbst hat dort während des Zweiten Weltkriegs als Agent gearbeitet.
  • Inhalt: Polizeioffizier Scobie, ein guter Katholik und aufrechter Beamter, lässt seine unglückliche Ehefrau zur Erholung nach Südafrika reisen. Während er im Berufsleben unter Korruptionsverdacht gerät, lässt er sich im Privaten mit einer jungen Witwe ein. Als seine Frau zurückkehrt, verzweifelt er an seinem unmoralischen Doppelleben und begeht schließlich Selbstmord.
  • Der Katholik Greene setzt seine Hauptfigur einer christlichen Zerreißprobe aus: Liebe zu den Menschen oder Liebe zu Gott?
  • Scobies Sorge um die geliebten Menschen lässt ihn das eigene Seelenheil vergessen.
  • Die Liebe erscheint als leeres Wort. Sie kommt nur in zwei fragwürdigen Formen vor: als Mitleid oder als erotischer Reiz.
  • Typisch für Greene ist der nahtlose Wechsel zwischen dramatischer Handlung und psychologischen Einblicken.
  • Als Leser neigt man dazu, Scobies Überzeugungen auch dem Autor zu unterstellen. Doch Greene, der einen ähnlichen Lebenswandel pflegte, sah seine Hauptfigur sehr kritisch.
  • Das Herz aller Dinge markierte Greenes endgültigen Durchbruch zu literarischem Ruhm.
  • Zitat: „Müsste nicht jemand, der um alles weiß, was geschieht, der eingedrungen ist in das, was man das Herz aller Dinge nennt, sogar mit den Planeten Mitleid haben (...)“

Zusammenfassung

Keine Beförderung

Der junge Brite Wilson kommt als neuer Buchhalter der United African Company in einer westafrikanischen Haupt- und Hafenstadt an. Der Zweite Weltkrieg dauert an, das afrikanische Land gehört zu den Kolonien der britischen Krone. Auf dem Balkon seines Hotels wird Wilson von dem Telegrammzensor Harris angesprochen. Dieser orientiert ihn über das örtliche Völkergemisch und macht ihn außerdem auf den vorbeispazierenden Major Henry Scobie aufmerksam. Scobie, Anfang 50, seit 15 Jahren vor Ort und stellvertretender Polizeichef des Landes, ist auf dem Weg ins Büro. Dort werden ihm die jüngsten betriebsinternen Gerüchte bestätigt: Sein Vorgesetzter, der Commissioner, wird in Kürze in Pension gehen, doch Scobie ist nicht als sein Nachfolger vorgesehen. Er selbst nimmt die schlechte Nachricht gefasst auf, doch seine Frau Louise empfindet sie als schwere Enttäuschung. Sie hat gehofft, durch den Aufstieg ihre soziale Isolation in der britischen Gemeinde überwinden zu können.

„Sie sind ein fürchterlicher Mensch, Scobie. Scobie der Gerechte.“ (der Commissioner, S. 21)

Am Abend lernt Wilson bei seinem ersten Besuch im Klub das Ehepaar Scobie persönlich kennen. Er unterhält sich angeregt mit Louise, die wegen ihrer literarischen Bildung oft belächelt wird, in Wilson aber endlich jemanden findet, der sich für Poesie interessiert. Scobie freut die neue Bekanntschaft. Er lädt Wilson für den späteren Abend auf einen Drink zu sich nach Hause ein. In der Nacht hört Scobie seine Frau leise weinen. Sie möchte dem Elend vor Ort entfliehen und nach Südafrika umziehen, zunächst ohne ihren Mann. Scobie hat für diesen Wunsch Verständnis, doch fehlt ihm momentan das Geld, um die Schiffspassage bezahlen zu können. Bei der Bank fragt er vergeblich nach einem Kredit.

Lieblose Liebe

Scobie muss ein Passagierschiff routinemäßig durchsuchen lassen. In der Toilette des Kapitäns stellt er einen illegal transportierten Brief sicher. Weil er dem Kapitän – ein Katholik wie er selbst – im Herzen vertraut, öffnet er den Brief, überzeugt sich von dessen Harmlosigkeit und lässt ihn verschwinden. Am Abend kommt es zu einem Streit mit Louise. Sie wirft ihrem Mann Lieblosigkeit vor. Der Tod der gemeinsamen Tochter drei Jahre zuvor habe alle Leidenschaft in ihm erstickt. Seine herzliche Sorge sei nur noch Pflichtgefühl, und im Grunde wäre er lieber allein. Scobie beruhigt sie notdürftig: Selbstverständlich liebe er sie und werde nach wie vor alles tun, um sie glücklich zu machen. Er lädt Wilson zu einem weiteren Besuch ein. Bei einem Spaziergang mit Louise erfährt dieser von ihren Reisewünschen. Er behauptet, sie zu lieben, und küsst sie. Louise widersetzt sich nicht, lässt aber keine weiteren Annäherungen zu. Zurück im Haus, wird den Spaziergängern von Scobie mitgeteilt, dass er sofort dienstlich ins Landesinnere abreisen muss. Wilson möge seiner Frau doch noch etwas Gesellschaft leisten.

„Er hörte nie zu, wenn seine Frau redete. Sein Geist arbeitete bei dem gleichmäßigen Geräuschpegel ruhig weiter, doch wenn sich ein Unterton von Erregung in ihre Stimme einschlich, merkte er es sofort.“ (über Scobie, S. 33)

Im Landesinneren hat sich ein junger District-Commissioner, von Spielschulden erdrückt, das Leben genommen. Der örtliche Pfarrer Clay weist Scobie darauf hin, dass der Tote durch den Selbstmord jede göttliche Gnade verwirkt habe. Scobie glaubt allerdings, dass Gott sehr wohl Erbarmen mit einem so unwissenden jungen Menschen hat. Nach der Aufnahme des Tatbestands wird Scobie von einem Fieberanfall ans Bett gefesselt. Noch während seiner Krankheit bekommt er Besuch von dem syrischen Händler Yusef, einem Bekannten aus der Hauptstadt. Yusef verbrennt mit großzügiger Geste alle noch ausstehenden Schuldscheine des Toten und versichert Scobie seiner Freundschaft. Der jedoch legt keinen Wert auf diese Annäherung. Es fällt ihm schwer, dem Syrer zu trauen. Yusef und sein Konkurrent Tallit, ebenfalls Syrer, sind für illegalen Diamantenhandel berüchtigt und versuchen mit allen Mitteln, lokale Beamte auf ihre Seite zu ziehen. Yusef bietet Scobie an, ihm zu einem günstigen Zinssatz das Geld zu leihen, das er für Louises Überfahrt braucht. Scobie lehnt zunächst ab. Als er jedoch nach einer Woche auf dem Krankenlager nach Hause zurückkehrt, er wieder die Liebe seiner Frau zu spüren glaubt und außerdem ein Schiff mit Kurs auf Südafrika im Hafen einläuft, nimmt er Yusefs Angebot an. Nach dem Abschied von Louise bekommt er erneut Besuch von dem Syrer. Der verrät ihm, dass sein Konkurrent Tallit Diamanten aufs nächste Schiff nach Europa schmuggeln will. Zugleich warnt er ihn vor einem Geheimagenten der britischen Regierung, der mit Tallit Umgang haben soll. Scobie hat Wilson im Verdacht.

Unter Schiffbrüchigen

Wochen später erwartet Scobie im Grenzort Pende die Ankunft einer Gruppe von Schiffbrüchigen. Sie haben 40 Tage in Rettungsbooten hinter sich, nachdem ihr Schiff vom Feind versenkt wurde. Auch Wilson befindet sich vor Ort, da er die lokalen Lagerbestände seiner Firma zu prüfen hat. Er und Scobie unterhalten sich über den jüngsten Diamantenfall: Im Kropf eines Papageis habe Tallit Steine zu schmuggeln versucht – wobei man sich nicht sicher sein könne, ob ihm der Vogel nicht zuvor von Yusef untergeschoben worden sei.

„Wieso (...) liebe ich diese Stadt so? Vielleicht deshalb, weil hier die menschliche Natur noch keine Zeit hatte, sich zu tarnen. (...) Hier konnte man den Menschen fast genauso lieben, wie Gott ihn liebte, der das Schlimmste von ihm wusste.“ (Scobie, S. 46 f.)

Unter den Überlebenden der Schiffskatastrophe befinden sich ein etwa sechsjähriges, frisch verwaistes Mädchen und eine junge Frau von 19 Jahren namens Helen Rolt, deren Gatte umgekommen ist – beide schweben in Lebensgefahr. Scobie hält eine Weile Wacht am Bett des halluzinierenden Mädchens und gibt sich als ihr Vater aus, als sie nach diesem fragt. Kurz darauf stirbt sie, und Scobie glaubt, den Tod der eigenen Tochter, an deren Sterbebett er seinerzeit nicht anwesend sein konnte, nachempfunden zu haben. Er bleibt noch ein paar Tage bei den Schiffbrüchigen in Pende und lernt dabei Helen Rolt näher kennen. Mit Wilson kommt es zu einer unangenehmen Aussprache. Dieser verdächtigt Scobie, von Yusef gekauft zu sein. Außerdem erzählt er ihm von seinem Kuss mit Louise und bezichtigt ihn unlauterer Neigungen gegenüber Helen. Scobie nimmt die Taktlosigkeiten gelassen hin.

Ein Kuss mit Folgen

Einen guten Monat später sieht er Helen Rolt durch Zufall wieder. Sie ist in die Hauptstadt umgesiedelt, wo man ihr eine Wellblechbaracke in Scobies Nachbarschaft zugewiesen hat. Als der Major bei nächtlichem Fliegeralarm dort klopft, um die schadhafte Verdunkelung zu reparieren, brauchen beide einen Augenblick, um sich überhaupt wiederzuerkennen. Schließlich plaudern sie stundenlang – bis weit über das Entwarnungssignal hinaus. In der Polizeizentrale wird Scobie vom Kolonialsekretär und vom Geheimdienstoberst Wright zur Diamantenaffäre befragt. Tallit behauptet mittlerweile, Scobie sei von Yusef bestochen worden. Scobie leugnet seine Bekanntschaft zu Yusef nicht, wohl aber die Bestechung. Den Kredit für die Schiffspassage seiner Frau lässt er unerwähnt. Später fährt er zu Yusef. Dieser gesteht, ihn mit eigenen Edelsteinen auf eine falsche Fährte gelockt zu haben, um Tallit hinter Gitter zu bringen. Scobie geht, verärgert und enttäuscht. Beim nächsten Besuch in Helen Rolts Baracke wächst zwischen den beiden die Vertraulichkeit. Scobie empfindet der jungen Frau gegenüber ein großes Verantwortungsgefühl und viel Mitleid. An einer beiläufigen körperlichen Nähe entzündet sich ein Funke, der die beginnende Freundschaft blitzschnell auf eine andere Ebene befördert. Aus einem Kuss wird eine Liebesnacht, und plötzlich steckt Scobie in einer außerehelichen Affäre.

Selbstmordgedanken und eine Erpressung

Wilson bewohnt inzwischen die Baracke neben Helen Rolt. Eines Nachts sieht er Scobie vor Helens Hütte. Nachdem die Affäre einen Monat gedauert hat, kommt es zu einem ersten, heftigen Streit. Helen, die nur heimlich Geliebte, schickt Scobie fort. Der schreibt ihr daraufhin einen leidenschaftlichen Brief und schiebt ihn unter der Barackentür durch. In der Polizeizentrale setzt er den Commissioner über seine Schulden bei Yusef in Kenntnis – ohne damit seinem Ansehen zu schaden. Nachts, wieder vor Helens Baracke, sehnt er sich kurz nach der Einfachheit des tugendhaften Lebens zurück – und feiert dann doch beglückt die Versöhnung. Allerdings scheint sein Brief verschwunden zu sein. Zu Hause findet er ein Telegramm von Louise vor. Sie kündigt ihm unerwartet ihre Rückkehr an.

„Sogar in Kriegszeiten muss man sich hin und wieder darin üben, einfach zu glauben, weil diese Eigenschaft sonst völlig verkümmert.“ (S. 68 f.)

Scobie fühlt sich von der zweifachen Verantwortung und dem verdoppelten Mitleid – für Louise und für Helen – überfordert. Spontan sieht er im eigenen Tod einen Ausweg aus der moralischen Klemme – wohl wissend, dass nach katholischem Glauben nicht nur Ehebruch, sondern auch Selbstmord eine Todsünde ist. Als er Helen von Louises bevorstehender Rückkehr berichtet, verbindet er dies mit einem neuerlichen Liebesschwur. Helen stellt ihm dagegen in einem kurz darauf geschriebenen Brief frei, die Affäre zu beenden oder sie weiterzuführen, er solle handeln, wie immer es ihm beliebe. Yusef besucht Scobie und setzt ihn plötzlich unter Druck: Er ist in den Besitz von Scobies Liebesbrief gelangt. Den droht er Louise bei ihrer Ankunft auszuliefern, wenn Scobie nicht ein Schmugglerpäckchen an den Kapitän des in Kürze einlaufenden Schiffes weitergebe. Der Major gehorcht und händigt das Päckchen während der Routinedurchsuchung des Schiffes aus.

Verdammt trotz Abendmahl und Beichte

Bald darauf geht auch Louises Schiff vor Anker. Das Wiedersehen der Eheleute ist liebevoll, aber ohne Leidenschaft. Als Zeichen des neuen Zusammenhalts bittet Louise ihren Mann, am folgenden Tag gemeinsam mit ihr das Abendmahl zu feiern. Unter dem Vorwand, Wilson sprechen zu müssen, besucht Scobie noch am selben Nachmittag Helen. Vergeblich versucht er, ihr seine religiöse Verzweiflung und deren Gründe verständlich zu machen. Am folgenden Morgen fingiert Scobie eine Schmerzattacke, die er mit Cognac betäuben müsse – so kommt er um das Abendmahl herum. Louise trifft in der Stadt auf Wilson, der sie abermals bedrängt. Er versucht zudem, sie gegen ihren Mann aufzubringen, indem er auf dessen Affäre mit Helen Rolt anspielt – und erhält für seine Taktlosigkeit eine Ohrfeige. Louise ignoriert den Hinweis auf die Affäre und bittet ihren Mann für den nächsten Tag erneut zum gemeinsamen Abendmahl. Davor geht Scobie zur Beichte. Er gesteht Pater Rank seine regelmäßige Unkeuschheit, lässt es aber an aufrichtiger Reue fehlen. Die Absolution erhält er deshalb vorläufig nicht. Als er am nächsten Morgen trotz allem mit Louise zur Kommunion geht, glaubt er sich der ewigen Verdammnis unweigerlich ausgeliefert.

Mord

Vom Commissioner erfährt Scobie, dass er nun doch zu dessen Nachfolger ernannt werden soll. Er spricht mit Helen darüber, die damit erneut das Ende ihrer Affäre gekommen sieht. Scobie selbst hält das für ganz und gar ausgeschlossen, streitet sich mit der Geliebten aber dennoch über seine religiösen Nöte, deren Ernst sie nicht begreift. Nebenbei keimt in ihm der Verdacht, sein über lange Jahre treuer Diener Ali liefere intime Informationen an Wilson. Sicher ist er sich allerdings nicht: Womöglich hat er, dem man längst nicht mehr vertrauen sollte, mittlerweile selbst die Fähigkeit zu vertrauen eingebüßt. Yusef lässt Scobie – als kleine Aufmerksamkeit – einen Diamanten überbringen, was Ali mitbekommt. Scobie weist den Stein zurück, steuert jedoch in der folgenden Nacht das Büro des Händlers für eine Aussprache an. Auf dem Weg kommt es zu einem weiteren Wortwechsel mit Wilson, der ihm frei ins Gesicht sagt, dass er Louise liebe. Scobie lässt ihn schließlich einfach stehen. Yusef gegenüber bringt er nicht nur seine Affäre zur Sprache, sondern auch seinen Argwohn in Bezug auf Ali. Der Händler bittet ihn, diese Angelegenheit ihm zu überlassen und sich gleich darum kümmern zu dürfen. Nur wenige Stunden später findet Scobie seinen treuen Diener ermordet auf. Er gibt sich die Schuld an Alis Tod.

Vorgetäuschte Angina Pectoris

Bei der nächsten Begegnung mit Scobie ist Helen entschlossener denn je, ihren innerlich zerrissenen Geliebten freizugeben und die Stadt zu verlassen. Scobie akzeptiert diesen Schlussstrich allerdings nicht. Er will lieber selbst allem ein Ende setzen. Der Suizid scheint ihm immer unausweichlicher, und er trifft die nötigen Vorkehrungen, um diesen gut zu tarnen. In seinem Tagebuch notiert er Symptome von Angina Pectoris, er spielt beim Arzt den Kranken und beklagt auch seiner Frau gegenüber die charakteristischen Schmerzen. Ein letztes Mal besucht er die Kirche und bittet Gott, ihn einfach in den Tod und in die Verdammnis zu entlassen. Dann hört er Gott aus seinem Innern sprechen: Er solle am Leben bleiben, auf seine Liebe bauen und noch einmal den Kampf gegen die Sünde aufnehmen. Doch Scobie bleibt bei seinem Entschluss: Er hortet Schlaftabletten und schluckt sie schließlich mit einem Mal und viel Alkohol. Nach Scobies Tod weist Wilson Louise darauf hin, dass die letzten Tagebuchaufzeichnungen ihres Mannes – entgegen dessen Intention – eindeutig auf Selbstmord hindeuten. Louise lässt ihrerseits erkennen, dass sie längst über Scobies Affäre Bescheid wusste. Helen gibt bereits wenige Tage nach dem Todesfall dem Begehren des kleinen Beamten Bagster nach. Louise sucht Trost bei Pater Rank. Dieser kann ihr über Scobie immerhin versichern, „dass er Gott wirklich geliebt hat“.

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Aufbau und Stil

Das Herz aller Dinge ist ein gradlinig und chronologisch erzählter Roman. Die Gedanken der Hauptfigur Scobie nehmen breiten Raum ein, verringern aber nicht das Erzähltempo. Im Gegenteil sorgen gerade Scobies Gewissensnöte für Spannung und Dramatik. Eine von Greenes Finessen steckt im oft unmerklichen Übergang von der Perspektive des Erzählers zu derjenigen der Hauptfigur. Von Scobie wird zwar in der dritten Person gesprochen, doch werden dessen Gedanken und Empfindungen so weit wie möglich wiedergegeben. Zugleich bewahrt sich der Erzähler eine gewisse Distanz zur Hauptfigur, indem einzelne Kapitel aus Wilsons Perspektive geschildert werden – allerdings ohne diesem Gegenspieler ein vergleichbares Innenleben zu gestatten. Ohnehin sind die zentralen Figuren psychologisch nur in Grundzügen ausgestaltet. Nicht die einzelne Persönlichkeit ist entscheidend, sondern die Plausibilität von Scobies Passionsgeschichte. Mit der Mischung aus dramaturgischem Geschick – der Unterhaltungsliteratur entnommen – und tiefgründiger Thematik gelingt Greene ein packendes Werk über ein abstraktes religiöses Problem.

Interpretationsansätze

  • Scobies Problem ist sein übersteigertes Mitleid. Mit seinem Einfühlungsvermögen und seinem Verständnis für die Nöte der Mitmenschen ist Major Scobie ein herausragender Beamter und tadelloser Christ. Weil er aber sein Mitleid nicht einzuhegen weiß, wird aus der Tugend ein Laster, das ihn schließlich ins Unglück stürzt.
  • Der Roman zeigt die Welt als Jammertal, aus dem man erst mit dem Tod entlassen wird – im besten Fall ins Himmelreich, im schlimmsten ins Reich der Verdammnis. Der Sinn des Lebens bleibt ebenso unergründlich wie der der göttlichen Gnade.
  • Greene entlarvt die Liebe als leeres Wort; sie kommt im Roman nur in zwei fragwürdigen Formen vor: als Mitleid oder als erotischer Reiz. Tiefes Glück empfindet der Antiheld Scobie einzig in anspruchsloser Einsamkeit.
  • Scobie scheitert an einer christlichen Zerreißprobe: am Unvermögen, die Liebe zu den Menschen zugunsten der Liebe zu Gott einzuschränken. Dieses moralische Dilemma steht im Zentrum des Romans und erhellt ganz allgemein die Probleme eines praktizierenden Katholiken.
  • Greene sah seine Hauptfigur selbst sehr kritisch und wollte mit ihr nach eigener Aussage zeigen, „dass Mitleid der Ausdruck furchtbaren Hochmuts sein kann“. Insbesondere Scobies Gedanke, er würde Gott entlasten, wenn er sich durch Selbstmord dessen Sorge entziehe, erscheint tatsächlich als Anmaßung. Trotzdem ist man als Leser geneigt, Scobie mit Nachsicht zu betrachten – gerade wegen Greenes gelungener Einfühlung in dessen Charakter.
  • Der Roman ist auch eine Untersuchung über Nutzen und Nachteil des Glaubens. In Greenes eigenem Leben kontrastierte der katholische Glaube mit einer „sündhaften“ Lebensführung, weshalb die Seriosität seines Bekenntnisses oft bezweifelt wurde. Tatsächlich gab der Autor zu, katholische Figuren auch darum auftreten zu lassen, weil sie den dramatischen Effekt steigerten.

Historischer Hintergrund

Die Nachkriegszeit in Großbritannien

Großbritannien gehörte zu den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, ging aber geschwächt daraus hervor. Gegen die Konservative Partei des bisherigen Premiers Winston Churchill konnte die linksorientierte Labour Party bei den Wahlen im Juli 1945 einen Erdrutschsieg verbuchen. Clement Attlee führte in den folgenden Jahren eine der radikalsten britischen Regierungen des 20. Jahrhunderts an. Schlüsselindustrien wie Stahl und Kohle wurden ebenso verstaatlicht wie die Bank of England, das Transportwesen oder die Gas- und Stromversorgung. Darüber hinaus etablierte die Labour-Regierung den modernen britischen Sozialstaat einschließlich des 1948 gegründeten öffentlichen Gesundheitsdienstes. Im gleichen Jahr erhielt Großbritannien, noch immer von Nahrungsmittelknappheit betroffen, erstmals Gelder aus dem Marshallplan, dem US-Wiederaufbauprogramm für Europa. Trotz seiner Schwäche und seiner egalitären Politik auf nationaler Ebene hielt das Land an den immensen kolonialen Besitzungen fest. Dabei entsprach das imperialistische Denken immer weniger dem Geist der Zeit. Schon seit dem Ersten Weltkrieg hatten sich vielerorts Widerstandsbewegungen formiert. 1947 gelang schließlich Indien und Pakistan der Schritt in die Unabhängigkeit, ein Jahr später folgten Burma (Myanmar) und Ceylon (Sri Lanka). Das westafrikanische Sierra Leone – Graham Greenes Stützpunkt als Geheimagent – blieb bis 1961 in britischer Hand. Die europäische Leitreligion, das Christentum, verlor zunehmend an Boden. Die Verweltlichung der britischen Gesellschaft schritt voran.

Entstehung

Graham Greene begann mit der Arbeit an Das Herz aller Dinge unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bereits seit 1944 arbeitete er als Verlagsdirektor in London, während seine Frau mit den zwei gemeinsamen Kindern in Oxford lebte. Greene versuchte, seine Eindrücke und Erfahrungen aus Sierra Leone, wo er 1941–1944 als Agent für den britischen Geheimdienst tätig gewesen war, für das Romanprojekt fruchtbar zu machen. Zunächst plante er einen eher unterhaltenden Agententhriller. Erst mit der Zeit schälte sich Scobie als zentrale Figur heraus. „Die Gestalt Wilsons“, schrieb Greene später in seiner Autobiografie, „ist das wenig befriedigende Überbleibsel des Unterhaltungsromans.“ In der Rekapitulation seiner Kriegsjahre wurde sich Greene bewusst, dass die Zeit in Westafrika weniger aus „echter Action“ bestand denn aus einer „Flucht vor der Wirklichkeit und der Verantwortung“. So trat die exotische Kulisse im Roman schrittweise in den Hintergrund. Obwohl er das afrikanische Setting des Buches beibehielt, rückte Greene Themen ins Zentrum, die weniger mit dem Kolonialismus zu tun haben als mit seinen privaten Problemen in England. Wie die Hauptfigur Scobie kämpfte der Autor mit Selbstmordgedanken und lebte zerrissen zwischen zwei Frauen: Neben der schwer lösbaren Bindung an seine Frau Vivien unterhielt er eine Affäre zu einer Londoner Illustratorin. Beim Schreiben spielten auch professionelle Sorgen eine Rolle: Nach Jahren ohne ein ambitioniertes Romanprojekt erschien dem Autor sein „Handwerkszeug arg eingerostet“. Es kostete ihn erhebliche Mühe, die Erzählperspektive zweizuteilen und den richtigen Ton zu treffen. In einer später verfassten Einleitung zum Roman bedauert er die „technischen Mängel“ des Buches.

Wirkungsgeschichte

Das Herz aller Dinge war Graham Greenes Durchbruch zu literarischem Ruhm. Während von Greenes vorherigem Roman nur 18 000 Exemplare abgesetzt wurden, verkaufte sich das neue Buch binnen dreier Jahre 300 000 Mal allein in Großbritannien. Zum Erfolg trug nicht zuletzt die Entrüstung kirchlicher Institutionen bei, die an dem Roman eine in ihren Augen fragwürdige Darstellung gläubigen Lebens kritisierten. Das Buch stand in Irland sogar eine Zeit lang unter kirchlichem Bann; die Jugend wurde vor der demoralisierenden Lektüre gewarnt. Zugleich fand der Roman aber auch prominente katholische Fürsprecher, darunter den Schriftsteller Evelyn Waugh, der ihn als „zutiefst ehrfurchtsvoll“ lobte. Waugh ließ in seiner Rezension allerdings auch durchblicken, dass ihm Scobies Selbstmordmotive nicht einleuchteten: „Die Vorstellung, gerade aus Liebe zu Gott die eigene Verdammnis anzustreben, scheint mir entweder ein sehr freier, poetischer Ausdruck oder eine böse Blasphemie. Denn der Gott, der dieses Opfer annähme, wäre weder liebenswert noch gerecht.“ Den prominentesten Verriss verfasste George Orwell, der das Konzept des „geheiligten Sünders“ kritisierte und Greene u. a. vorwarf, er würde die Verdammnis zur erlesenen Erfahrung stilisieren: „Die Hölle scheint eine Art exquisiter Nachtklub, dessen Zutritt Katholiken vorbehalten ist, denn die anderen, die Nichtkatholiken, sind zu unwissend, um überhaupt schuldig zu werden.“

1953 wurde das Buch erstmals verfilmt, mit Trevor Howard und Maria Schell in den Hauptrollen. Aus Rücksicht auf den Zeitgeschmack verzichtete der Film jedoch auf den finalen Selbstmord. Heute zählt Das Herz aller Dinge zu den herausragenden Büchern in Greenes Gesamtwerk und gilt als einer der wichtigsten britischen Romane des 20. Jahrhunderts.

Über den Autor

Graham Greene wird am 2. Oktober 1904 in Berkhamsted (Hertfordshire) in England geboren. Als Kind ist Greene ein schüchterner Junge, der sich schnell einigelt und von Gleichaltrigen abwendet. Dass sein Vater Schuldirektor ist, macht ihm den Kontakt zu anderen Kindern nicht einfacher. So wird Greene zum Einzelgänger und Außenseiter, der sich immer öfter in die fantastische Welt der Literatur flüchtet. Die Schule wird für ihn zur Qual: Sein Hass darauf wird so stark, dass er sogar Selbstmordversuche unternimmt und seine Eltern mit 15 Jahren mit dem Entschluss konfrontiert, die Schule nicht mehr zu besuchen. Die Eltern schicken ihn zu einem Therapeuten nach London, der Greene dazu ermutigt, zu schreiben. Greene beginnt ein Geschichtsstudium am Balliol College in Oxford, das er nach eigenen Angaben „betrunken und schuldengeplagt“ 1925 beendet. Es folgen mehrere Anstellungen bei unterschiedlichen Redaktionen, unter anderem beim Nottingham Journal, wo er seine spätere Frau Vivien Dayrell-Browning kennenlernt. In diese Zeit fällt auch seine Konversion zur katholischen Kirche, die sein weiteres Werk entscheidend beeinflussen wird. Eine Anstellung bei der Times führt ihn nach London. Sein erster veröffentlichter Roman Zwiespalt der Seele (The Man Within, 1929) wird so erfolgreich, dass sich Greene fortan ganz auf die Schriftstellerei konzentriert. Um neues Material zu finden und seine Abenteuerlust zu befriedigen, begibt er sich auf größere Reisen: Seinen Aufenthalt in Schweden verarbeitet er in dem Buch Ein Sohn Englands (England Made Me, 1935); Der Weg nach Afrika (Journey Without Maps, 1936) resultiert aus seiner Reise durch Liberia; seine Arbeit für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 in Sierra Leone findet Niederschlag in Das Herz aller Dinge (The Heart of the Matter, 1948); und die Erlebnisse in Mexiko fließen in Die Kraft und die Herrlichkeit (The Power and the Glory, 1940) ein. Viele von Greenes Romanen werden verfilmt, Der dritte Mann (The Third Man, 1950) wird sogar direkt für die Verfilmung geschrieben. Greene stirbt am 3. April 1991 in Vevey in der Schweiz.

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