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Das kurze Leben
Buch

Das kurze Leben

Buenos Aires, 1950
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2017 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Vom Versuch, ein anderer zu sein

Wir leben im Zeitalter des „Makeover“, in dem Frauenzeitschriften und Ratgeber ihren Lesern empfehlen, sich doch einfach ganz neu zu erfinden. Juan Carlos Onetti nahm dies schon 1950 vorweg, als er der Hauptfigur in Das kurze Leben die Flucht in eine neue Existenz erlaubte: heraus aus dem armseligen Dasein als Werbetexter mit fetter, brustamputierter Ehefrau, hinein in eine widerliche Machowelt voller Drogen, Verbrechen und Gewalt. Gewiss, mit dieser Art von Makeover lässt sich kein Blumentopf gewinnen. Doch Ruhm und Erfolg waren dem menschenscheuen Schriftsteller angeblich egal: „In meinem Fall ist der Leser nicht unbedingt notwendig“, sagte er. Wer jedoch erleben will, wie sich die argentinisch-uruguayische Hölle anfühlt, und wer an den Ursprung der modernen lateinamerikanischen Literatur reisen will, der kommt an Onetti nicht vorbei.

Zusammenfassung

Verfaulende Liebe

Juan María Brausen liegt schwitzend in seiner Wohnung in einer Vorstadt von Buenos Aires auf dem Bett und lauscht. Nebenan ist Queca eingezogen, eine Prostituierte, die ihn fasziniert. Brausen wartet auf die Rückkehr seiner Frau Gertrudis aus dem Krankenhaus, wo man ihr am Vormittag die linke Brust wegoperiert hat. Der Gedanke an das abgeschnittene, quallenartige Brustfett ekelt ihn. Auch graut ihm vor dem Moment, an dem seine rechte Hand ins Leere greifen wird und er Begierde vortäuschen muss.

Brausen weiß: Die Liebe zwischen ihm und seiner Frau hat zu faulen begonnen. Während er sie zu trösten versucht, denkt er an den Auftrag für ein Drehbuch, den sein Freund und Kollege Julio Stein ihm vermittelt hat. Er stellt sich einen müden, etwa 40-jährigen Arzt mit dicken Brillengläsern in der verschlafenen Provinzstadt Santa María vor. Díaz Grey soll er heißen. Eine verführerisch schöne Frau betritt dessen am Hauptplatz liegende Praxis. Sie trägt ein Medaillon mit der Fotografie eines sehr jungen Mannes um den Hals.

Kann Mitleid...

Über den Autor

Juan Carlos Onetti wird am 1. Juli 1909 in Montevideo, Uruguay, als Sohn eines Zollbeamten geboren. Lesen ist sein Leben: Der Junge schwänzt die Schule und lässt sich von seinem Bruder in einem Eimer auf den Grund einer Zisterne hinabkurbeln, um dort mit seinen Büchern allein zu sein. Nach Abbruch des Gymnasiums hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. 1930 heiratet er seine Cousine und zieht mit ihr nach Buenos Aires in Argentinien. Vier Jahre später, nach der Scheidung, kehrt er nach Montevideo zurück und ehelicht die Schwester seiner Exfrau. Er arbeitet als Redakteur für die Zeitschrift Marcha und veröffentlicht 1939 mit Der Schacht (El Pozo) seinen ersten Roman. Jahrzehnte später wird dieser als erster moderner Roman der südamerikanischen Literatur gefeiert, doch zunächst bleibt das auf Packpapier gedruckte Werk ein Ladenhüter: 20 Jahre modern die 500 Exemplare im Keller einer Buchhandlung vor sich hin, angeblich bis die Ratten ihnen den Garaus machen. Für Onetti folgen leitende Posten bei Reuters in Montevideo und Buenos Aires, eine dritte Ehe mit einer holländischen Redaktionskollegin und ein Job als Werbetexter. Mit Das kurze Leben (La vida breve, 1950) beginnt Onetti seinen Romanzyklus um die fiktive Stadt Santa María. 1955 heiratet er ein viertes und letztes Mal: diesmal eine deutlich jüngere, deutschstämmige Geigerin. 1962 erhält er den uruguayischen Literatur-Nationalpreis. Statt einer Dankesrede sagt er: „Ich rede nicht, ich schreibe.“ Zu Beginn der uruguayischen Militärdiktatur fällt er in Ungnade und wird 1974 zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung geht er nach Madrid ins Exil, wo er 1980 den bedeutenden Cervantes-Preis entgegennimmt – und dann das ihm zu Ehren veranstaltete königliche Festbankett schwänzt. In den letzten zehn Jahren verlässt er nur noch selten sein Bett, liest, raucht und trinkt exzessiv. Am 30. Mai 1994 stirbt Onetti 84-jährig an einem Herzanfall.


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