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Das Labyrinth der Einsamkeit
Buch

Das Labyrinth der Einsamkeit

Mexiko-Stadt, 1950
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2014 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Essay
  • Moderne

Worum es geht

Der Mexikaner, das unbekannte Wesen

Angeregt durch einen Aufenthalt in den USA beschäftigte sich Octavio Paz mit der Frage, was das Wesen des Mexikaners im Vergleich zu dem des Nordamerikaners ausmacht. Seine Antwort gibt er mit diesem Essay: Misstrauen, Verschlossenheit und Einsamkeit, die aus dem Unvermögen resultieren, eine eigene kulturelle Ausdrucksform zu finden. Die Ursache dafür erkennt er in der langen spanischen Kolonialherrschaft und in den importierten liberalen Ideen, die seinem Heimatland im 19. Jahrhundert von oben verordnet wurden. Am stärksten ist Paz’ literarisch-philosophischer Essay da, wo er versucht, mit den Mitteln der vergleichenden Kulturwissenschaft die Andersartigkeit der Mexikaner in ihren alltäglichen Verhaltensweisen und sprachlichen Wendungen festzumachen. Wenn Paz am Ende des Essays die Einsamkeit als Grundbedingung menschlichen Daseins beschreibt, wird die Besonderheit des mexikanischen Wesens, die er zuvor so lebendig dargestellt hat, ein wenig verwässert. Paz’ eindringliches Plädoyer, sich anderen Kulturen zu öffnen, ohne dabei auf das eigene kulturelle Erbe zu verzichten, bleibt davon jedoch unberührt.

Zusammenfassung

Einsamkeit und Rebellion

Ähnlich wie Individuen fragen sich Völker, woher sie kommen und wer sie sind. Auch wenn es keinen unwandelbaren Nationalcharakter gibt, so hat doch jedes Volk seine Besonderheiten. Ein wesentlicher Zug der Mexikaner ist ihr Minderwertigkeitsgefühl und ihre ganz besondere Art von Einsamkeit. Zwar sind Menschen auch anderswo einsam, dies aber auf andere Weise. Die Einsamkeit des Mexikaners gründet darin, dass er – einst mit der ganzen Schöpfung verbunden – der lebendigen, von Göttern bevölkerten Wirklichkeit entrissen wurde, sich verwaist fühlt und Sehnsucht nach seinem Ursprung verspürt. Dagegen rührt die Einsamkeit des Nordamerikaners daher, dass er in seiner von ihm selbst geschaffenen abstrakten Welt der Maschinen mit seiner selbst auferlegten Moral lebt.

Im Unterschied zu den leichtgläubigen Amerikanern sind die Mexikaner gläubig. Sie lieben Mythen, nicht Kriminalgeschichten, und sind zutiefst nihilistisch. Dem unerschütterlichen Fortschrittsoptimismus, der Heiterkeit und dem Selbstvertrauen der Amerikaner setzen sie ihren Pessimismus und ihre Todessehnsucht entgegen. Der amerikanische Kult um Gesundheit, Arbeit und Glück ist ihnen fremd...

Über den Autor

Octavio Paz wird am 31. März 1914 in Mexiko-Stadt geboren. Sein Großvater, ein bekannter Intellektueller, unterstützte Diktator General Porfirio Díaz, sein Vater, Anwalt und Journalist, ist Anhänger des Reformers Emiliano Zapata. Mit 17 Jahren gründet Octavio Paz eine Literaturzeitschrift, mit 19 Jahren veröffentlicht er erste Gedichte. Sein Studium an der philosophischen Fakultät der Universität von Mexiko-Stadt bricht er im Alter von 23 Jahren ab und zieht in die Provinz Yucatán, wo er eine Schule für Arbeiter- und Bauernkinder gründet und seine Liebe zur alten indianischen Kultur entdeckt. Als überzeugter Kommunist kämpft Paz im Spanischen Bürgerkrieg gegen Francos Truppen, doch angesichts stalinistischer Umtriebe verliert er den Glauben an seine Ideale. Über Paris kehrt er in seine Heimat zurück, heiratet 1937 die Schriftstellerin Elena Garro, mit der er eine Tochter bekommt, und gründet die literarische Zeitschrift Taller. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und der Ermordung Leo Trotzkis im mexikanischen Exil wendet sich Octavio Paz endgültig vom Kommunismus ab. Nach einem Aufenthalt in den USA tritt er 1945 in den auswärtigen Dienst ein und geht als Gesandter Mexikos nach Paris, wo er André Breton und anderen Surrealisten begegnet. 1950 erscheint sein Essay Das Labyrinth der Einsamkeit (El laberinto de la soledad). Während längerer Aufenthalte in Japan und Indien beschäftigt er sich intensiv mit der Lyrik des Orients, mit Buddhismus und Taoismus. Von 1954 bis 1959 lebt Paz wieder in Mexiko-Stadt, wo er publizistisch tätig ist und zahlreiche Gedichte veröffentlicht. Nach drei weiteren Jahren in Paris wird er 1962 zum Botschafter in Neu-Delhi ernannt. Aus Protest gegen das Blutbad, das die mexikanische Regierung unter protestierenden Studenten in Mexiko-Stadt anrichtet, legt er sein Amt nieder und lebt, inzwischen zum zweiten Mal verheiratet, als Gastprofessor in den USA, bevor er 1971 in seine Heimatstadt zurückkehrt. Neben vielen anderen Preisen erhält Octavio Paz 1990 den Literaturnobelpreis. Er stirbt am 20. April 1998 in Mexiko-Stadt.


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