Narrationen erzählen Geschichten. Sie reichen von reinen Fakten bis hin zur blühenden Fiktion. Dabei vollbringt das menschliche Gehirn die erstaunliche Leistung, Episoden in unser Bewusstsein zu zaubern, die mit unserer aktuellen Situation meist wenig zu tun haben, oft sogar komplett erdacht sind. Was kennzeichnet dieses narrative Denken, wie funktioniert es und wie hat es sich entwickelt? Der Autor beschreibt, warum Narrationen für uns so wichtig sind – und warum wir sie lieben.
Narrationen geben uns Orientierung, entlasten uns und öffnen unseren Blick für Alternativen.
Narrationen sind Geschichten, die in Büchern, Filmen, Gesprächen oder anderswo erzählt werden. Wir lieben Narrationen. Sie sind unterhaltsam. Sie erzählen von den Erfahrungen anderer, sodass wir aus ihnen lernen können, ohne die Erfahrungen selbst machen zu müssen. Sie ermöglichen es uns, in unserer Fantasie verbotene Dinge zu tun. Und mit ihnen können wir Erlebtes erneut ins Bewusstsein rufen und geplante Aktivitäten gedanklich durchspielen.
Narrationen weisen drei Merkmale auf:
- Sie bieten Klarheit, Überschaubarkeit und Orientierung in einer unübersichtlichen Welt.
- Sie haben ein Ende, das uns entlastet, nachdem wir zunächst mitgefiebert haben.
- Sie lassen uns Alternativen erkennen und eventuell auch umsetzen, sofern wir es können.
In unserem episodischen Gedächtnis bündeln wir Ereignisse zu Geschichten.
Säuglinge stehen vor der schwierigen Aufgabe, die unzähligen Sinneseindrücke, denen sie ausgesetzt sind, zu strukturieren. Sie müssen Dinge, Materialien und deren Eigenschaften ...
Fritz Breithaupt lehrt Kognitionswissenschaften und Germanistik an der Indiana University in Bloomington. Dort leitet er das Experimental Humanities Lab und forscht an narrativen Ereignissen, Empathie und moralischem Denken. Außerdem schreibt er für Die Zeit und das Philosophie Magazin.
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