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Das Parfum

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Das Parfum

Die Geschichte eines Mörders

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Der deutschsprachige Bestseller der 80er Jahre: Ein genialer Parfümeur braucht den Duft getöteter Jungfrauen für seine Kreationen ...


Literatur­klassiker

  • Historischer Roman
  • Postmoderne

Worum es geht

Die Geschichte eines genialen Monsters

Neben Umberto Ecos Name der Rose, Michael Endes Unendlicher Geschichte und den Romanen von Isabel Allende war Patrick Süskinds Parfum einer der großen Bestseller der 1980er Jahre im deutschsprachigen Raum. Die faszinierende Geschichte des Meisterparfümeurs und Jungfrauenmörders, der seine Opfer umbringt, um aus ihrer Haut einen „Engelsduft“ zu destillieren, ist originell, anziehend und abstoßend zugleich. Angesiedelt im Frankreich des 18. Jahrhunderts, förderte Das Parfum einen Trend zum historischen Roman. Süskind trat mit seinem Buch gewissermaßen in Ecos Fußstapfen, der dem Genre bereits international zu neuem Renommee verholfen hatte. Süskinds Roman über den Jungfrauenmörder Grenouille ist allerdings weniger ein Epochengemälde, wie sonst für historische Romane üblich, als vielmehr die individuelle Geschichte eines Einzelgängers, eines Besessenen, der am Ende für einen kurzen Moment eine suggestive Macht über Menschenmassen ausübt.

Take-aways

  • Das Parfum ist einer der größten deutschen Bucherfolge der Nachkriegszeit.
  • Angesiedelt im Paris des 18. Jahrhunderts, erzählt der historische Roman die Geschichte des Parfümeurs und Mörders Grenouille, der über den perfekten Geruchssinn verfügt.
  • Grenouille wird am „allerstinkendsten Ort“ Frankreichs, einem Pariser Fischmarkt, geboren; er ist selbst geruchlos und schon als Kind ein ungeliebter Außenseiter.
  • In seiner Lehre bei zwei Parfümeuren lernt er das Handwerk der Parfumherstellung perfekt zu beherrschen.
  • Der einzigartige Duft einer Jungfrau weckt in Grenouille sein Lebensziel: Er muss diesen „Engelsduft“ als Parfum verwenden.
  • Während eines siebenjährigen elenden Einsiedlerdaseins entwickelt er genügend Allmachtsfantasien, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
  • Dafür ist die Ermordung von mehr als zwei Dutzend Jungfrauen vonnöten.
  • Als Massenmörder überführt, kann sich Grenouille dank seines Liebesdufts der Hinrichtung entziehen.
  • Kurz darauf setzt er seinem Leben selbst auf abscheuliche Weise ein Ende.
  • Grenouilles Geschichte ist die eines verachteten Außenseiters, der keine Skrupel hat, seine besondere Begabung zu nutzen, um sich an der Gesellschaft zu rächen.
  • In Grenouilles erfolgreicher Betörung der Menschenmenge thematisiert Süskind das Phänomen der Massenverführung durch charismatische Personen.
  • Der zurückgezogen lebende Patrick Süskind ist auch als erfolgreicher Theater- und Drehbuchautor hervorgetreten.

Zusammenfassung

Geburt im Gestank

Jean-Baptiste Grenouilles Geburt erfolgt vollkommen beiläufig „am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs“ – dem Fischmarkt nahe beim größten Friedhof von Paris. Man schreibt das Jahr 1738, Paris ist eine der am dichtesten besiedelten Städte Europas und von noch völlig mittelalterlichem Gepräge. Eine Wolke menschlicher und unmenschlicher Ausdünstungen wabert durch die Straßen, es riecht nach Fäkalien, Schweiß und verdorbenen Speisen. Ganz unbemerkt bleibt die Geburt nicht, denn die Mutter wird ohnmächtig. Das erregt Aufsehen. Der bereits halb tote Säugling wird gerettet, die Mutter verhaftet und kurz darauf wegen Tötung ihrer früheren Kinder hingerichtet. Das Kind wird einer Amme übergeben, die schnell bemerkt, dass der Säugling überhaupt keinen eigenen Geruch an sich hat – ein unnatürliches Kind. Sie will ihn deshalb nicht mehr haben. Der Junge, der inzwischen getauft und mit einem Namen versehen wurde („grenouille“ heißt auf Deutsch „Frosch“), wird unter erbärmlichen Umständen wechselnden Leuten in Obhut gegeben. Zuletzt landet er bei Madame Gaillard, einer völlig emotionslosen Frau, die mehrere Waisen und Findelkinder sozusagen gewerbsmäßig aufzieht. Mütterliche Zuwendung wird hier keinem der Zöglinge zuteil, auch nicht Grenouille.

„Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden.“ (S. 5)

Der geruchlose, unscheinbare, ja hässliche Junge nimmt schon als Kind sein Schicksal an. Er lebt bedürfnislos, unauffällig, herumgestoßen, ungeliebt, in sich verkapselt „wie ein Zeck“. An sich selbst stellt er seine einzige Ausnahmebegabung fest: Er verfügt über eine ausgesprochen feine Nase. Auf geradezu animalische Weise kann er die Welt um sich herum und auf weite Entfernungen olfaktorisch wahrnehmen, sie regelrecht geruchsmäßig sehen. Ihm erschließt sich ein geradezu dreidimensionales Bild eines für andere Menschen unsichtbaren Universums. Im Alter von zwölf Jahren muss Grenouille eine schinderische Handlangertätigkeit bei Ledergerbern aufnehmen. Die äußerst mühevolle, abscheuliche Bearbeitung von Tierhäuten in einer scheußlich stinkenden Umgebung ist eine Arbeit auf der untersten Stufe der sozialen Leiter.

Im Schlaraffenland des Geruchs

Seine geringe Freizeit nutzt Grenouille für Gänge über die basarartigen Märkte von Paris. Hier erwacht sein Interesse für andere, bessere Düfte: die Blumen, die Gewürze. An einem Feiertag, während eines Feuerwerks zum Thronjubiläum des Königs, ist die ganze Bevölkerung am Ufer der Seine versammelt. Grenouille folgt einer bestimmten balsamischen Duftspur in ein menschenleeres Stadtviertel und entdeckt in einem Hof ein jungfräuliches, sehr hübsches Mädchen, dessen Körper den völlig reinen, beglückenden Duft verströmt. Vollkommen überwältigt erwürgt er die junge Frau, nur um sich ungestört an ihrem Duft weiden zu können. Das Einatmen des Geruchs ist die erste und einzige Form von Wollust, von gesteigerter Daseinserfahrung, die er kennt. Durch dieses Erlebnis pflanzt sich dem ansonsten empfindungslosen Grenouille die fixe Idee seines Lebens ein: Er will den Duft einer Jungfrau, das von Natur aus Flüchtigste überhaupt, besitzen, fabrizieren, festhalten.

„Da fängt, wider Erwarten, die Geburt unter dem Schlachttisch zu schreien an. Man schaut nach, entdeckt unter einem Schwarm von Fliegen und zwischen Gekröse und abgeschlagenen Fischköpfen das Neugeborene, zerrt es heraus.“ (S. 9)

Der Gerbergehilfe wird von seinem Arbeitgeber zu einem stadtbekannten Parfümeur geschickt, um Ware abzuliefern. Im Geschäfts- und Wohnhaus des ältlichen Giuseppe Baldini betritt Grenouille erstmals ein wahres Wunderreich der Düfte und dazu ein professionelles Laboratorium zu deren Herstellung. Sofort weiß er, dass hier sein Platz ist. Baldini ist kein erfolgreicher Geschäftsmann mehr. Nicht einmal die Nachahmung eines Konkurrenzproduktes will ihm gelingen. Dank einer kecken Regung glückt es Grenouille auf Anhieb, den sozialen Abstand zwischen sich und Baldini zu überspringen, indem er ihm die Bestandteile des Konkurrenzprodukts voranalysiert und ihn so von seiner feinen Nase überzeugt. Baldini erkennt, dass seine berufliche Existenz von Grenouille gerettet werden kann. Er erlaubt ihm, für ihn zu arbeiten. Grenouille komponiert nun laufend neue Düfte, die Baldini erfolgreich verkaufen kann. Dieser Aspekt interessiert Grenouille jedoch nicht. Er hat nun Zugriff auf eine überwältigende Vielzahl von Ausgangsstoffen für Parfums und kann die Grundlagen des Parfümeurhandwerks, die alchimistischen Praktiken ähneln, lernen. Außerdem verleihen ihm die Anstellung und die Unterkunft bei Baldini sowie die Aussicht auf einen Gesellenbrief den Anschein einer bürgerlichen Existenz.

Sieben Jahre Einsamkeit

Grenouille lernt schnell: isolieren, destillieren, filtrieren, konservieren. Die meisten Ausgangsprodukte Baldinis werden aus organischen Stoffen gewonnen. Aber große Mengen von Blüten können in der Werkstatt nicht verarbeitet werden. Immerhin lernt Grenouille nach einiger Zeit die Herstellung der Essenz, des reinen Duftauszugs einer Pflanze kennen. An der Grenze seiner Möglichkeiten angekommen, versucht Grenouille nun auch anorganischen Substanzen wie Staub, Glas oder Erde Düfte zu entreißen, aber ohne Erfolg. Das macht ihn krank. Er fiebert. Beinahe schon tot, erfährt er von Baldini, dass man außer durch Pressen und Destillieren auch noch durch das Verfahren der so genannten Enfleurage Düfte gewinnen kann. Diese hohe Kunst wird jedoch nur in der Provence, im Städtchen Grasse, praktiziert. Dank dieser Mitteilung ist Grenouille binnen Kurzem wieder geheilt. Er macht sich zu Fuß auf den Weg nach Süden.

„So ein Zeck war das Kind Grenouille. Es lebte in sich verkapselt und wartete auf bessere Zeiten. An die Welt gab es nichts ab als seinen Kot; kein Lächeln, keinen Schrei, keinen Glanz des Auges, nicht einmal einen eigenen Duft.“ (S. 29)

Sein Weg führt ihn immer weiter weg von der Zivilisation durch das französische Zentralmassiv. Die Ausdünstungen der Menschheit werden dabei immer spärlicher, die Luft immer reiner. Endlich kann er in nie gekannter Weise durchatmen. Auf einem der höchsten Berge findet er eine Höhle und verbringt hier sieben Jahre, in denen er hauptsächlich schläft und sich von Moosen, Würmern und Käfern ernährt. Während dieser einzigartigen Abkapselung füllt sich sein Inneres mit Visionen, mit Traumbildern. Er kann dank seiner Vorstellungskraft Geruchswelten imaginieren, die er früher einmal erlebt hat, von seiner Geburt auf dem Fischmarkt über die Gerberei und Baldinis Manufaktur bis zum ekstatischen Höhepunkt, dem Erlebnis mit der Jungfrau in Paris. Er sieht sich als unumstrittenen Herrn der Düfte, ja sogar als Herrn der Welt. Doch nach sieben Jahren in der Höhle nimmt Grenouille im nebligen Dunst seines Lagers erstmals auch seinen Eigengeruch wahr. Er mag ihn nicht. Entsetzt kriecht er in die Welt zurück.

Fluidum letale und Fluidum vitale

Den Menschen im südfranzösischen Pierrefort, wo Grenouille zuerst auftaucht, erscheint er als Schreckgespenst: abgemagert, völlig verdreckt und verwahrlost, mit langen Haaren und krallenartigen Fingernägeln. Der ortsansässige Marquis de la Taillade-Espinasse hingegen ist begeistert: Der dilettierende Ökonom und Naturforscher vertritt u. a. eine krude Biosphärentheorie, die besagt, die Erde verströme einen tödlichen Verwesungsgeruch („Fluidum letale“) und biologisches Leben sowie Intelligenz (Kornähren, Blumenblüten, das menschliche Gehirn) könnten sich nur in einer gewissen Entfernung von der Erde entfalten. Grenouille erklärt seinen verwahrlosten Zustand mit einer erfundenen Geschichte über Räuber, die ihn in einem unterirdischen Verlies gefangen gehalten hätten. Sein verfallener körperlicher Zustand nach langjährigem Aufenthalt in einer Höhle erscheint dem Marquis als glanzvolle Bestätigung seiner Theorie. Er führt Grenouille in der Universitätsstadt Montpellier einem großen Publikum als wissenschaftliche Sensation vor. Noch sensationeller wirkt allerdings Grenouilles Genesung innerhalb von fünf Tagen, vor allem dank Taillade-Espinasses „Fluidum-vitale-Therapie“: Sie besteht aus der Ventilation von viel frischer Luft und gesunder Ernährung. Der Marquis erhofft sich von solch großartiger Bestätigung seiner Theorie unsterblichen Ruhm als Wohltäter und Retter der Menschheit.

„Tausende und Abertausende von Gerüchen bildeten einen unsichtbaren Brei, der die Schluchten der Gassen anfüllte, sich über den Dächern nur selten, unten am Boden niemals verflüchtigte.“ (S. 44)

Als Grenouille zur Vorbereitung der zweiten Präsentation vornehm eingekleidet wird, sieht er sich zum ersten Mal selbst im Spiegel. Dies ist ein erster Schritt zu einer veränderten Selbstwahrnehmung, weg von der reinen Randexistenz und hin zu einem respektierten Mitglied der Gesellschaft. An sich selbst vermisst Grenouille allerdings den Menschenduft. Unter einem Vorwand veranlasst er den Marquis, ihm Zutritt zum besten Parfümeur des Ortes zu verschaffen, wo sich Grenouille erstmals einen Menschenduft für sich selbst mixt. Er trägt diesen Duft auf den Straßen und Plätzen von Montpellier und ist überrascht von der positiven Wirkung. Man übersieht ihn nicht mehr, wie es früher immer geschah; man bringt ihm sogar Sympathie entgegen. Dies und die Erfahrungen in der Gesellschaft des Marquis stärken Grenouilles Selbstvertrauen für die letzte Etappe seines Wanderwegs auf der Suche nach dem perfekten Duft. Grenouille weiß jetzt genau, was er will: den allmächtigen Duft, mit dem sich die Gefühle der Menschen beherrschen lassen und damit diese selbst.

Die Gewinnung des Engelsdufts

In Grasse, sieben Tagesreisen von Montpellier entfernt, lässt sich Grenouille wieder als bescheidener Parfümeurgeselle in der kleinen Manufaktur von Madame Arnulfi anstellen. In Grasse wird die hohe Kunst der Enfleurage geübt, die Grenouille nun begierig lernt. Empfindlichen Blüten, etwa von Jasmin, Orangen oder Ginster, wird dabei ihr Duft nicht durch Auspressen, sondern durch aufwändiges Zusammenrühren mit Fetten und Ölen oder sogar nur durch zeitweiliges Einlagern in fettgetränkten Tüchern entzogen. Diese besonders schwierige Technik der Duftkonservierung wird für Grenouille die entscheidende sein. Aber noch ist er nicht so weit.

„Hunderttausend Düfte schienen nichts mehr wert vor diesem einen Duft. Dieser eine war das höhere Prinzip, nach dessen Vorbild sich die andern ordnen mussten. Er war die reine Schönheit.“ (S. 55)

In Grasse macht Grenouille auch sein nächstes Opfer ausfindig, eine bezaubernde, bildhübsche junge Frau. Aber vor der Tat lernt und übt er ein Jahr lang die Technik der Enfleurage, teilweise an Hunden, Kühen, Ferkeln. Auf konventionelle Weise, durch Mixen vorhandener Essenzen, fabriziert er sich in der Werkstatt „Duftkleider“. Das sind bestimmte raffinierte Duftnoten, die er, der Geruchsneutrale, sich aufsprüht und mit deren Hilfe es ihm gelingt, mitleiderregend zu wirken oder bei anderer Gelegenheit derb und geschäftig oder aber, wenn er in Ruhe gelassen werden möchte, auch ein wenig ekelerregend. Kurz: Er verfügt bereits über geeignete Mittel, die Gefühle der Menschen direkt und wirkungsvoll durch Düfte zu beeinflussen. Die Krönung soll der „Engelsduft“ sein, der bei den Menschen hemmungslose Zuneigung und Liebe weckt. Diesen Duft gewinnt Grenouille aus den noch warmen Körpern soeben ermordeter Jungfrauen in und um Grasse.

Aufruhr in Grasse

Die Mordserie versetzt den Ort in Angst und Schrecken. Da die Getöteten, alle im gleichen Alter und alle vom gleichen dunkelhaarigen südländischen Frauentypus, offenbar keinem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen, sondern „virginal unberührt“ sind, bleibt das Motiv unerkannt. Allein Antonio Richis, ein reicher und angesehener Bürger der Stadt, ahnt den Plan des unbekannten Mörders. Er vermutet, dass dieser es letztlich auf seine Tochter Laure abgesehen hat, ein rothaariges Mädchen von einmaliger Schönheit. Richis trifft umfassende Vorkehrungen, um seine Tochter wegzubringen und zu schützen. Doch der Mörder erwischt das Mädchen noch in der letzten Nacht vor der Überfahrt auf die rettende Insel vor der Küste. Richis ist untröstlich. Er setzt alles in Bewegung, um den Mörder zu fassen.

„Da war nur Ruhe, wenn man so sagen kann, geruchliche Ruhe. Ringsum herrschte nur der wie ein leises Rauschen wehende homogene Duft der toten Steine, der grauen Flechten und der dürren Gräser und sonst nichts.“ (S. 154)

Die Polizei hat Glück: Wertvolle Zeugen und Indizien tauchen auf, und es dauert nicht lange, bis Grenouille verhaftet und das Mordwerkzeug bei ihm gefunden wird; der Ausgang des Prozesses ist klar. Der Tag der Rache an dem Jungfernmörder, die Befreiung von diesem kollektiven Albtraum, wird von der gesamten Stadt wie ein Festtag begangen. Die Massen drängen herbei. Grenouille erscheint als Letzter, sorgfältig gekleidet, ohne Fesseln, auf dem Blutgerüst. Da geschieht das Unglaubliche: Die Menschen sind von Grenouilles Auftreten überwältigt. Sie erliegen im Handumdrehen seiner Verführungskunst, fallen sich gegenseitig in die Arme, ja kopulieren miteinander, geben sich einem orgiastischen Liebesrausch hin. Selbst Richis ersucht um Vergebung und bittet Grenouille, sein Sohn zu werden. Es ist Grenouilles Engelsduft, der diese Wirkung auslöst. Sein Fall wird sogar juristisch zu den Akten gelegt, und an seiner Stelle wird ein anderer, der sich lediglich durch Indizien verdächtig gemacht hat, hingerichtet. Bald darauf verlässt Grenouille die Stadt Grasse.

Das Ende auf dem Friedhof

Grenouille wandert zurück nach Paris, wo er im Sommer 1767 ankommt. Auf dem Friedhof, in dessen unmittelbarer Nähe er geboren wurde, treibt sich nach Mitternacht in gespenstischem Fackelschein nur übelstes Gesindel herum. Eine Gruppe sitzt um ein Lagerfeuer. Grenouille tritt hinzu, entkorkt ein Fläschchen und übergießt sich mit dem Inhalt. Die Wirkung ist gewaltig. Alle wollen ihn berühren, ergreifen, ihn gierig in sich aufnehmen. Durch einen Akt des kollektiven Kannibalismus verschwindet Jean-Baptiste Grenouille binnen Minuten von der Erde, ohne Spuren zu hinterlassen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman ist einfach und linear erzählt und chronologisch aufgebaut. Er beginnt mit der Geburt der Hauptfigur am 17. Juli 1738 und endet mit ihrem Tod in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1767. Rückblenden, Abschweifungen und Nebenhandlungen gibt es im Parfum nicht. Patrick Süskind konzentriert sich ganz auf seine Hauptfigur Jean-Baptiste Grenouille, darauf, was diese erlebt und erleidet, denkt, empfindet und natürlich vor allem: riecht. Die Beschreibungen der Dufterlebnisse gehören zweifellos zu den schriftstellerischen Höhepunkten des Buches („Die Hitze lag wie Blei über dem Friedhof und quetschte den nach einer Mischung aus fauligen Melonen und verbranntem Horn riechenden Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen.“). Wie man allgemein weiß – auch im Roman wird es ausdrücklich erwähnt –, gibt es in der Sprache kaum Begriffe, die Riecherlebnisse und Geruchseindrücke unmittelbar treffend beschreiben. Man ist dafür weitgehend auf Vergleiche angewiesen. Süskind verdichtet entsprechende Stellen mit großem Einfallsreichtum in Bezug auf das Vokabular und mit großer sprachlicher Sorgfalt; so beschreibt er z. B. Grenouilles „Duftkonsum“ regelmäßig als Trinkvorgang und er sucht nach Analogien aus dem Bereich der Flüssigkeiten: „Der Duftstrom wurde zur Flut, sie überschwemmte ihn mit ihrem Wohlgeruch.“ Süskinds besondere Aufmerksamkeit für dieses oftmals vernachlässigte Sinnesorgan erschließt auch dem Leser neue literarische Erlebnishorizonte. Ansonsten wird in nüchterner, ungekünstelter Prosa erzählt, die nur gelegentlich bei der Verwendung einiger altertümlich klingender Wörter von der gewohnten Alltagssprache abweicht.

Interpretationsansätze

  • Der Roman hat ein Monster als Helden: Grenouille wird als Kind ausgestoßen und dermaßen vernachlässigt, dass er, psychisch zutiefst traumatisiert, seine besondere Gabe des Geruchssinns vervollkommnet, um mit ihrer Hilfe zum rächenden Monster zu mutieren.
  • Die Figur des Grenouille hat eine ganze Reihe literarischer Vorbilder (Quasimodo aus dem Glöckner von Notre-Dame, das Untier aus Die Schöne und das Biest, das Monster aus Mary Shelleys Frankenstein usw.): Hässliche und Außenseiter, deren Liebes- und Zugehörigkeitsbedürfnis von der Gesellschaft verkannt wird.
  • Grenouille (der Name entspricht dem französischen Wort für „Frosch“) kann als eine Art Froschkönig gesehen werden, der sich mithilfe seines Liebesdufts wenigstens für kurze Zeit in einen betörenden Prinzen verwandelt.
  • Süskinds Buch lässt sich als negativer Entwicklungsroman lesen: Alle Errungenschaften Grenouilles führen zu Zerstörung und Selbstzerstörung.
  • Süskind thematisiert die Verführbarkeit von Menschenmassen mit irrationalen Methoden durch charismatische Personen: Mit seinem unwiderstehlichen Duft ausgestattet, macht sich Grenouille die Menschen hörig und lässt sie Dinge tun, die sie bei nüchterner Betrachtungsweise höchst verwerflich fänden.
  • Grenouilles Lebensweg führt steil nach oben und ebenso steil wieder herab: Er erschafft sich selbst fast aus dem Nichts, steigert sich in gottähnliche Übermenschenfantasien, gewinnt Macht über Menschen und endet im orgiastischen Nichts.

Historischer Hintergrund

Zwischen Alchemie und Chemie

Bereits in der Antike und im Mittelalter waren den Menschen chemische und physikalische Effekte aufgefallen; man hatte z. B. beobachtet, dass Silber schwarz anläuft, dass Pilze giftig sein können, dass Kräuter heilen, dass also da und dort „geheime“ Naturkräfte am Werk sind. Deren Wirkmechanismen durchschaute man jedoch nicht. Um diese Vorgänge zu ergründen, bildete sich die obskure Wissenschaft der Alchemie, die allerdings nie konkrete Ergebnisse oder Erkenntnisse lieferte. Die Suche nach dem Stein der Weisen, nach dem Lebenselixier, nach dem Allheilmittel (man glaubte, Krankheiten hätten nur eine Ursache) sowie die Umwandlung unedler Metalle in Gold waren zentrale Anliegen vieler Alchemisten. Die Praktiken der Destillation und Mazeration, die Grenouille bei Baldini und Madame Arnulfi lernt, ähneln in mancher Hinsicht denen der Alchemisten.

In der Neuzeit begann in Europa punktuell und in ganz verschiedenen Sparten eine neue Art der Naturbeobachtung im Hinblick auf Ursache und Wirkung. Galileo Galilei entdeckte 1590 die Fallgesetze, William Harvey erkannte 1628 den geschlossenen Blutkreislauf, Otto von Guericke führte um 1650 das Phänomen des Vakuums vor, und in den Salons wurde die Beschäftigung mit Mikroskopen und Teleskopen zum modischen Zeitvertreib. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist in der Physik mit dem Namen Isaac Newton verbunden, in der Chemie mit dem Antoine Lavoisiers. Allmählich lösten diese Erkenntnisse alchemistische Verfahren ab.

Süskind reißt dieses ganze Panorama durch Grenouilles Begegnungen einerseits mit Baldini, andererseits mit dem Marquis de la Taillade-Espinasse auf. Baldini ist ein Mann der alchemistischen Praktik. Zugleich ist er rückwärtsgewandt und verabscheut zutiefst, dass in jedem Bereich „gefragt und gebohrt und geforscht und geschnüffelt und herumexperimentiert“ wird. Ganz anders der fortschrittsbegeisterte Marquis, ein Dilettant und Scharlatan, der sich von der Nationalökonomie über die Kindererziehung bis zur Milchgewinnung aus Stiersamen mit allem Möglichen beschäftigt, was irgendwie neu und wissenschaftlich erscheint. Seine fixe Idee vom „Fluidum letale“, dem der Erde entströmenden Verwesungsgas, entsprach einer gängigen wissenschaftlichen Anschauung jener Zeit. Sie ähnelt der „Phlogistontheorie“, nach der die Substanz Phlogiston beim Verbrennen aus den Gegenständen entweichen und nur noch Asche zurücklassen soll. Lavoisier war es dann, der erkannte, dass bei der Verbrennung nicht das rätselhafte Phlogiston freigesetzt, sondern vielmehr Sauerstoff aus der Luft aufgenommen wird.

Wissenschaftliche Erkenntnis hat sich eben nicht immer direkt in die Formen ergossen, die später als richtig und nachprüfbar anerkannt wurden, sondern ist manche Umwege gegangen und in Sackgassen geraten. So gehörte im pestilenzialisch stinkenden Paris der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Vorstellung von krankheitserregenden „Miasmen“, „Auren“ und „Fluiden“ zum seriösen Wissensstand, und man versuchte durch eine „Desodorierung“ der Stadt der Probleme Herr zu werden. Dies ist der Hintergrund, vor dem der unglückselige und verstoßene kleine Grenouille sich selbst die Wonnen duftender Wollust verschafft und seinen ganz privaten olfaktorischen Rachefeldzug gegen eine Gesellschaft führt, die für Wesen wie ihn nichts übrig hat.

Entstehung

Da Patrick Süskind zurückgezogen lebt wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor, ist über die Entstehungsgeschichte von Das Parfum so gut wie nichts bekannt. Einige Anlehnungen an mehr oder weniger bekannte Vorgänger lassen sich gleichwohl ausmachen: Der Roman scheint zunächst von Alain Corbins bahnbrechendem kulturhistorischen Werk Pesthauch und Blütenduft inspiriert zu sein, das auf Französisch im Jahr 1982 erschien und den „Gestank von Paris“ im 18. Jahrhundert deutlich vor Augen führt. So referiert es z. B. „Schreckensnachrichten von den Unfällen der Kloakenreiniger oder auch den Privatpersonen, die im eigenen Dreck ertrunken sind“.

Der Gnom mit übermenschlichen Fähigkeiten, der antritt, auf seine ganz spezielle Weise die Welt zu retten, begegnet uns in der Nachkriegsliteratur auch nicht zum ersten Mal: Der spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat mit seinem Zwerg Oskar Matzerath in der Blechtrommel einen berühmten Vorgänger Grenouilles geschaffen.

Wirkungsgeschichte

Süskinds Roman entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Bücher der Nachkriegszeit. Bereits die Startauflage betrug 100 000 Exemplare. Jahrelang stand Das Parfum auf den Bestsellerlisten, nach seinem Erscheinen allein 23 Wochen auf Platz 1. Der Roman wurde in 33 Sprachen übersetzt und hält sich auch in der Taschenbuchausgabe als Longseller. Weltweit wurden bisher mehr als 15 Millionen Exemplare verkauft. Im Herbst 2006 kam eine Verfilmung des Romans von Tom Tykwer in die Kinos, mit Dustin Hoffman in der Rolle des Parfümeurs Baldini. Gemeinsam mit Umberto Ecos Der Name der Rose dürfte der Roman auch andere deutschsprachige Autoren ermuntert haben, historische Romane zu publizieren, man denke etwa an Christoph Ransmayrs Die letzte Welt.

Über den Autor

Patrick Süskind wird am 26. März 1949 in Ambach am Starnberger See geboren. Nach Abitur und Zivildienst studiert er von 1968 bis 1974 Geschichte an den Universitäten München und Aix-en-Provence. Nach dem Studium entschließt er sich, freier Schriftsteller zu werden. Bereits sein Vater Wilhelm Emanuel Süskind war Autor und wurde mit dem Wörterbuch des Unmenschen bekannt. Patrick Süskind lebt extrem zurückgezogen. Er entzieht sich konsequent der Öffentlichkeit und nimmt nicht einmal Literaturpreise entgegen, u. a. lehnt er den Literaturpreis der FAZ und den Gutenberg-Preis ab. Seine schriftstellerische Arbeit beginnt er als Student mit dem Verfassen von Prosatexten und Drehbüchern; diese Texte sind überwiegend unveröffentlicht geblieben. Süskind ist auch ein bedeutender Theaterautor. Sein Ein-Mann-Stück Der Kontrabass wird 1981 in München uraufgeführt und macht ihn schlagartig bekannt. Auch die Drehbücher zu den erfolgreichen TV-Serien Monaco Franze und Kir Royal (Regie: Helmut Dietl) und dem Kinofilm Rossini (1997) des gleichen Regisseurs stammen von ihm. In der Figur des publikumsscheuen Erfolgsautors Jakob Windisch (im Film gespielt von Joachim Król) darf man wohl eine Art Selbstporträt oder Selbstkarikatur Süskinds erkennen. Weitere Prosastücke von Süskind neben Das Parfum sind Die Taube (1987) und Die Geschichte von Herrn Sommer (1991). Patrick Süskind lebt in München, Paris und Montolieu in Südfrankreich.

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