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Das Schloss

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Das Schloss

dtv,

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12 Take-aways
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Was ist drin?

Kafkas rätselhafter Roman über einen Landvermesser, der vergeblich versucht, sich einem Schloss und dessen Verwaltungsapparat anzunähern.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Die unheimliche Macht

Das Schloss ist einer der rätselhaftesten Romane des 20. Jahrhunderts und hat zu einer Vielzahl von Deutungen herausgefordert. Im Kern stimmen sie darin überein, dass die Grunderfahrungen des modernen Menschen behandelt werden: das Gefühl der Unfreiheit inmitten einer komplexen Gesellschaft, die Unsicherheit gegenüber den Mächten, die unser Leben bestimmen. Kafka erzählt die Geschichte des Landvermessers K., der in einem Dorf am Fuß eines Schlossbergs versucht, seiner Arbeit und einem ordentlichen Leben nachzugehen. All seine Bemühungen werden aber von der geheimnisvollen Macht der Schlossbehörde durchkreuzt. Der Einfluss der Bürokratie durchdringt alles und jeden, die Beamten sind unantastbar. K. kämpft verzweifelt um Anerkennung, er bleibt jedoch im Dorf ein Fremder und für die Schlossbehörde ein Störenfried. Die Schilderungen sind albtraumhaft, düster und mysteriös, doch zugleich oft grotesk-komisch. Einzigartig ist Kafkas Schreibstil: Kaum eine Aussage kann als gesichert akzeptiert werden, alles wird sogleich relativiert und infrage gestellt. Das Schloss ist ein Werk, das bis heute nichts von seiner ursprünglichen Kraft verloren hat und das noch immer zutiefst faszinierend wirkt.

Take-aways

  • Der Roman Das Schloss ist ein Hauptwerk der Literatur des 20. Jahrhunderts.
  • Franz Kafka gilt als einer der wichtigsten Autoren der literarischen Moderne.
  • In Das Schloss entwirft er einen Mikrokosmos voller absurder Machtverhältnisse und grotesker Zwänge – ein Gleichnis für die Unfreiheit des menschlichen Daseins.
  • Im Auftrag eines Grafen kommt K. in ein Dorf, um dort als Landvermesser zu arbeiten.
  • Im Schloss oberhalb des Dorfes befindet sich eine Verwaltung, deren Beamtenapparat einen übermächtigen Einfluss auf die Dorfbewohner auszuüben scheint.
  • Schon bald nach K.s Ankunft wird seine Berufung – und vieles mehr – infrage gestellt.
  • Vergeblich versucht K., Kontakt zur Behörde aufzunehmen: Weder findet er einen Weg ins Schloss noch einen Beamten, der ihn anhört.
  • Die weiteren Ereignisse sind grotesk: K. wird ersatzweise als Schuldiener angestellt, seine Gehilfen benehmen sich wie Clowns, zudem erlebt er einige amouröse Verwicklungen.
  • Die Abhängigkeit der Dorfbewohner vom Schloss ist für K. ein Rätsel. Doch auch er selbst scheint immer stärker in den Bann der Behörde zu geraten.
  • Das Schloss ist unvollendet geblieben. Es wurde erst posthum veröffentlicht, gegen den testamentarischen Willen des Autors.
  • Der Roman ist auf vielfältigste Weise interpretiert worden und wirkt noch immer faszinierend und rätselhaft.
  • Kafkas Literatur wird weltweit bewundert; der Ausdruck „kafkaesk“ ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.

Zusammenfassung

Ankunft im Dorf

In einer Winternacht erreicht K. nach langer Wanderschaft ein verschneites Dorf am Fuß eines Schlossbergs. Im Schankraum des Wirtshauses legt er sich schlafen, er wird jedoch bald geweckt. Ein junger Mann, der Sohn eines Schlosskastellans, erklärt ihm, das Dorf befinde sich im Besitz des Schlosses. K. benötige deshalb eine offizielle Erlaubnis, um auf gräflichem Gebiet zu übernachten. K. kann diese nicht vorlegen, er erklärt aber, als Landvermesser im Auftrag des Grafen ins Dorf gekommen zu sein. Eine telefonische Nachfrage bei der Schlossbehörde scheint das vorerst zu bestätigen. K. kann weiterschlafen.

„Es war spät abends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schlossberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloss an.“ (S. 7)

Am nächsten Tag sieht er aus der Ferne zum ersten Mal das Schloss. Es wirkt auf ihn nicht wie ein Prunkbau, sondern eher wie ein aus Dorfhäusern zusammengesetztes Städtchen. Er will hinaufgehen, wenigstens bis zum Eingang, doch keine Straße scheint bis zum Schloss zu führen. Erschöpft macht K. Rast bei einer Familie, schlummert kurz ein und wird bald darauf hinauskomplimentiert. Zurück im Wirtshaus – es ist schnell wieder Nacht geworden – lernt K. seine beiden Gehilfen kennen. Sie scheinen aber mit der Art Gehilfe, die er sonst gewohnt ist, nichts gemein zu haben: Sie sind jünger, führen keine Geräte mit sich und verstehen auch nichts von der Landvermessung. Mehrmals versucht K., sich bei der Schlossverwaltung für den folgenden Tag anzumelden. Ihm wird telefonisch beschieden, dass ein Besuch nicht möglich sei. Der Bote Barnabas sucht das Wirtshaus auf, um K. einen Brief aus dem Schloss zu überbringen. Darin wird K. bestätigt, dass er in die herrschaftlichen Dienste aufgenommen sei. Sein direkter Vorgesetzter sei der Gemeindevorsteher, und Barnabas diene als Bote zwischen K. und der Schlossbehörde. Barnabas entziffert für K. die Unterschrift unter dem Dokument: Der zuständige Beamte heißt Klamm.

Unverhoffte Liebschaft

Barnabas verlässt das Wirtshaus. K. folgt ihm spontan in die Nacht hinaus und hakt sich bei ihm ein, um nicht vom Weg abzukommen. Sie erreichen schließlich das Haus von Barnabas’ Familie, wo K. den greisen Eltern und den beiden Schwestern Olga und Amalia vorgestellt wird. K. begleitet Olga auf dem Weg in ein anderes, näher gelegenes Wirtshaus, den Herrenhof, um Bier zu holen. Dort möchte K. die Nacht verbringen, doch das ist ein Privileg, das den Herren aus dem Schloss vorbehalten ist. Momentan befindet sich nur ein Schlossangestellter im Haus: Klamm, der für K. zuständige Beamte. Im Ausschank gestattet die Kellnerin Frieda dem Landvermesser, durch ein Guckloch in der Wand einen Blick auf Klamm zu werfen, der reglos an einem Tisch sitzt. Frieda behauptet, sie sei Klamms Geliebte, was K.s Interesse an ihr steigert. Sie erlaubt K., im Schankraum zu übernachten. Unter dem Schanktisch finden Frieda und K. zueinander, mehrere Stunden liegen sie eng umschlungen auf dem schmutzigen Boden der Gaststätte. Als Klamm am Morgen nach der Bedienung ruft, antwortet Frieda: „Ich bin beim Landvermesser!“ Sie verlässt gemeinsam mit K. den Herrenhof und zieht zu ihm ins kleine Zimmer des anderen Wirtshauses, das er außerdem mit den Gehilfen teilt.

Eine neue Stellung

Am nächsten Tag will K. den Gemeindevorsteher treffen, doch zunächst hält ihn die Wirtin zurück, denn sie will mit ihm über Frieda sprechen. K. meint, er wolle Frieda umgehend heiraten, worauf die Wirtin betont, er hätte sie niemals Klamms Obhut entreißen dürfen. Überhaupt benehme er sich in seiner Unwissenheit skandalös gegenüber den örtlichen Gesetzmäßigkeiten.

„Sie sind nicht aus dem Schloss, Sie sind nicht aus dem Dorfe, Sie sind nichts. Leider aber sind Sie doch etwas, ein Fremder, einer, der überzählig und überall im Weg ist (...)“ (die Wirtin zu K., S. 72)

Der Gemeindevorsteher, den K. als Nächstes aufsucht, unterrichtet ihn vom Krankenlager aus über ein unglückliches Missverständnis: K. sei angestellt worden, obwohl es im Ort keine Arbeit für Landvermesser gebe. Während die Frau des Gemeindevorstehers gemeinsam mit K.s Gehilfen enorme Aktenberge nach einem entsprechenden Erlass durchpflügt, erklärt der Vorsteher K. im Detail, wie es in den Verzweigungen der amtlichen Geschäfte zu diesem Irrtum kommen konnte. Trotz allem wagt es der Vorsteher aber nicht, K. aus seinem Dienstverhältnis zu entlassen.

„Nirgends noch hatte K. Amt und Leben so verflochten gesehen wie hier, so verflochten, dass es manchmal scheinen mochte, Amt und Leben hätten ihre Plätze gewechselt.“ (S. 85)

Zurück im Wirtshaus wird K. abermals zu einem Gespräch mit der Wirtin gebeten. Sie erwartet ihn im Bett, das in einem Verschlag hinter der Küche des Hauses steht, und weiht ihn in ihre Vorgeschichte mit Klamm ein. Vor mehr als 20 Jahren ist die Wirtin dreimal zu Klamm bestellt worden, dann aber nicht mehr. Anschließend hat sie selbst jahrelang verzweifelt nach den Gründen für Klamms Verhalten geforscht, und noch immer bewahrt sie einige Andenken an die wenigen flüchtigen Treffen wie Reliquien auf. Sie versucht K. von Klamms grundsätzlicher Unnahbarkeit zu überzeugen.

„Sie sind eben noch niemals wirklich mit unseren Behörden in Berührung gekommen. Alle diese Berührungen sind nur scheinbar, Sie aber halten sie infolge Ihrer Unkenntnis der Verhältnisse für wirklich.“ (der Vorsteher zu K., S. 105)

In seinem von Frieda leidlich hergerichteten Zimmerchen findet K. den Lehrer des Ortes vor. Dieser beklagt sich zunächst über K.s unhöfliches Verhalten gegenüber dem Gemeindevorsteher. Da dieser jedoch ein großherziger Mann sei, dürfe K. – da er als Landvermesser keine Verwendung finde – vorläufig als Schuldiener arbeiten. K. lehnt dieses Angebot entschieden ab. Nun bestürmt ihn allerdings Frieda, diese vorschnelle Absage zu überdenken. Denn die Wirtin habe ihnen gerade das Zimmer gekündigt, noch heute müssten sie ausziehen. Also nimmt K. die undankbare Stelle als Schuldiener widerwillig an.

Auf Klamms Spuren

Während Frieda mit den Gehilfen die Übersiedlung vorbereitet, geht K. zum Herrenhof, um doch noch eine direkte Begegnung mit Klamm zu provozieren. Das Guckloch vom letzten Besuch findet er verschlossen. Aber Pepi, Friedas Nachfolgerin im Ausschank, weist ihn darauf hin, dass Klamms Schlitten im Hof für dessen Abreise Richtung Schloss bereitstehe. K. versucht dem Beamten aufzulauern, doch das Warten zieht sich hin. Ein junger Mann verweist ihn schließlich des Hofes. Als K. darauf besteht, Klamms Abreise zu erwarten, lässt der junge Mann die Pferde wieder ausspannen. K. kehrt ins Gasthaus zurück, woraufhin Klamm in Windeseile den Herrenhof verlässt. Der junge Mann entpuppt sich als Klamms Sekretär Momus, zuständig für dessen Angelegenheiten im Dorf. Er bittet K. zu einem routinemäßigen Verhör. K. hat allerdings keine Lust, Auskünfte zu erteilen – es sei denn, mithilfe des Verhörprotokolls ließe sich eine Verbindung zu Klamm herstellen. Doch Momus macht K. in dieser Hinsicht keinerlei Hoffnung; Klamm würde derartige Protokolle grundsätzlich nicht lesen. Später, auf dem nächtlichen Weg in die Schule, seine neue Heimstatt, kommen K. die lästigen Gehilfen entgegen – und Barnabas, mit einem neuen Brief von Klamm. Darin versichert der Beamte, er sei mit K.s bisherigen Arbeiten als Landvermesser sehr zufrieden. K. beklagt das offensichtliche Missverständnis und gibt Barnabas sogleich eine neue Botschaft für Klamm mit, eine verzweifelte Bitte um persönliche Anhörung.

Das Leid mit Frieda

Durchgefroren erreicht K. die Schule, wo Frieda in einem der beiden Klassenräume ein notdürftiges Lager eingerichtet hat. Über dem kärglichen Abendbrot wirft er ihr vor, die Gehilfen allzu nachsichtig zu behandeln. Er möchte versuchen, sie loszuwerden, doch Frieda bezweifelt, dass das möglich ist. Um in der kalten Schule den Ofen einzuheizen, bricht K. den Holzschuppen auf. Erst als es warm geworden ist, können er und Frieda einschlafen. Als sie aufwachen, ist um sie herum schon der Schulbetrieb in Gang. Die Lehrerin schimpft über die Liederlichkeit des neuen Schuldieners, dann stürmt auch noch erbost der Lehrer herein, um K. für das Aufbrechen des Schuppens zu bestrafen. Als die Gehilfen ihrem Herrn bei dem Streit in den Rücken fallen, entlässt K. sie trotz ihres wilden Protest- und Klagegeschreis. K. und Frieda sind beide ermattet. Sie schlägt ihm vor, auszuwandern. Doch K. will unbedingt im Dorf bleiben und glaubt im Übrigen, Frieda habe sich noch längst nicht aus Klamms Bann befreit. Dass sie die Entlassung der Gehilfen bedauere und diese als Abgesandte Klamms betrachte, sei der Beweis dafür.

„Und in einem Widerspruch, den er gar nicht zu erklären sich Mühe gab, fügte er wie im Selbstgespräch hinzu: ,Was hätte mich denn in dieses öde Land locken können, als das Verlangen hierzubleiben.‘“ (K., S. 196)

Einer der Schuljungen klopft an die Tür. Bestürzt von den Demütigungen, denen K. durch den Lehrer ausgesetzt ist, bietet er seine Hilfe an. Es stellt sich heraus, dass seine Mutter, eine kranke Frau, Umgang mit dem Schloss pflegt. K. möchte sie deshalb treffen, doch der Junge hält dies wegen ihres schlechten Zustands für unmöglich. Trotzdem schöpft K. neue Hoffnung. Friedas Stimmung allerdings verdüstert sich weiter. K.s Versuche, den Schüler zu einem gemeinsamen Besuch bei dessen Mutter zu überreden, haben sie argwöhnisch gemacht. Sie glaubt nun, die Wirtin könnte mit ihrer Vermutung in Bezug auf K. Recht haben: Dieser wolle sie, Frieda, womöglich nur als Pfand im Handel mit Klamm einsetzen und liebe sie nicht wirklich. K. versucht den Verdacht zu entkräften.

„Amtliche Entscheidungen sind scheu wie junge Mädchen.“ (Olga, S. 242)

Der Fluch über Barnabas Familie Nachdem er endlich seinen Pflichten als Schuldiener nachgekommen ist, sucht K. Barnabas auf, doch dieser ist noch nicht zu Hause. Der Bote wollte im Laufe des Tages K.s Botschaft an Klamm weitergeben und gleich eine Reaktion erbitten. Während K. wartet, erzählt Olga ihm von der Botenarbeit ihres Bruders. Barnabas verkehre in den Kanzleien des Schlosses. Doch der regelmäßige Aufenthalt habe bei ihm Zweifel darüber aufkommen lassen, ob diese Kanzleien überhaupt zum Schloss gehörten. Auch in Bezug auf Klamm komme ihm einiges merkwürdig vor: Dieser sehe manchmal so, manchmal ganz anders aus, manchmal scheine er eine wichtige, dann wieder nur eine untergeordnete Position zu bekleiden. Barnabas warte üblicherweise in einem Kanzleizimmer tagelang darauf, wenigstens einen Funken von Klamms Aufmerksamkeit zu erhaschen. Dort seien, eng aneinandergedrängt, zahlreiche Beamte zugleich mit Aktenstudium und Diktaten befasst. Die überforderten Schreiber händigten den wartenden Boten von Zeit zu Zeit anscheinend willkürlich Briefe aus. K., von Olgas Schilderung entsetzt, wirft ihrer Familie falsche Ehrfurcht gegenüber der unheimlichen Schlossbehörde vor. Daraufhin erzählt Olga ihm eine lange Geschichte. Sie handelt von der Ächtung ihrer Familie durch die Dorfbewohner.

„Was hat er denn erreicht? In eine Kanzlei darf er eintreten, aber es scheint nicht einmal eine Kanzlei, eher ein Vorzimmer der Kanzleien, vielleicht nicht einmal das, vielleicht ein Zimmer, wo alle zurückgehalten werden sollen, die nicht in die wirklichen Kanzleien dürfen. Mit Klamm spricht er, aber ist es Klamm? Ist es nicht eher jemand, der Klamm ein wenig ähnlich ist?“ (Olga über Barnabas, S. 254)

Drei Jahre zuvor, bei einem Dorffest, begegneten Barnabas, Olga, ihre Schwester Amalia und die Eltern kurz dem Beamten Sortini. Dieser warf dabei offenbar ein Auge auf Amalia. Am nächsten Tag jedenfalls brachte ein Bote Amalia einen Brief von Sortini. Das Schreiben war voller Obszönitäten und befahl Amalia, sofort in den Herrenhof zu kommen. Sie aber zerriss den Brief, warf dem Boten die Fetzen hin und blieb zu Hause. Obwohl weder Sortini noch sonst ein Organ der Schlossbehörde diese Tat bestrafte oder auch nur kommentierte, fiel die Familie unmittelbar nach Amalias Ungehorsam bei den Dorfbewohnern in Ungnade. Das Mädchen wollte beim Schloss um Verzeihung nachsuchen, doch dort war der Vorgang niemals aktenkundig geworden: Da keine Schuld vorliege, sei es unmöglich, zu verzeihen. Um die Angelegenheit doch noch ins Reine zu bringen, wartete der Vater Nacht für Nacht am Straßenrand und versuchte, die Aufmerksamkeit jener Beamten zu erringen, die in den Kutschen vorbeirasten. Olga gab sich regelmäßig im Herrenhof den Knechten der Beamten hin, in der Hoffnung, irgendwann dem Boten, der den Brief gebracht hatte, wiederzubegegnen und ihn persönlich zu entschädigen. Und Barnabas diente sich dem Schloss, ohne Auftrag, als Bote an, um durch den freiwilligen Dienst die Beleidigung von damals auszugleichen. Doch Klamms Briefe an K., gesteht Olga schließlich, seien überhaupt die ersten Botschaften, die Barnabas je habe überbringen dürfen. Sie sieht in ihnen ein Gnadensignal des Schlosses.

Eine letzte Vorladung

Einer von K.s Gehilfen klopft an Olgas Tür. Frieda hat ihn gesandt. K. verlässt das Haus durch einen Hintereingang, um Frieda nicht eingestehen zu müssen, dass er abermals zu Gast bei der verhassten Familie war. Auf der Straße trifft er den Gehilfen. Dieser setzt ihn davon in Kenntnis, dass nun er mit Frieda zusammenlebe. Sein Kollege führe inzwischen Klage über K. im Schloss. Frieda werde im Übrigen ihre Beschäftigung im Herrenhof wieder aufnehmen. Jetzt kommt auch Barnabas die nächtliche Straße entlanggelaufen. Er habe zwar den Tag über nicht mit Klamm sprechen können, doch K. solle unverzüglich in den Herrenhof gehen: Dort wolle Klamms Sekretär Erlanger mit ihm reden. Vor dem Wirtshaus stellt K. fest, dass noch andere Dorfbewohner darauf warten, in der Nacht von Erlanger vernommen zu werden. Immerhin wählt Momus, Klamms Dorfsekretär, zunächst K. für eine Vorladung aus. Er wird in einen engen Nebentrakt des Herrenhofs geführt, wo offenbar noch andere Beamte bis in die frühen Morgenstunden arbeiten. K. wird mitgeteilt, dass Erlanger momentan schlafe und er vorerst weiter warten müsse. Am Ende des Ganges sieht K. plötzlich Frieda. Er geht zu ihr und versucht, sie wieder für sich einzunehmen. Doch Frieda denkt nicht daran, zu ihm zurückzukehren. Sie hat bereits mit dem Gehilfen ein winziges Zimmer in diesem Teil des Gasthofs bezogen. Sie wirft K. noch einmal vor, dass er nicht gleich mit ihr ausgewandert ist. Nun sei sie an den Gehilfen gebunden. Schließlich lässt sie K. im Gang zurück und verschwindet in ihrer Kammer.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die gesamte Romanhandlung vollzieht sich innerhalb weniger als einer Woche und ist chronologisch erzählt. Der Erzähler folgt vor allem der Hauptfigur K., schildert dessen Erlebnisse, Eindrücke und Gedanken. Viele von K.s Begegnungen führen zu langen Gesprächen, die in direkter Rede wiedergegeben sind. So werden auch andere Figuren ausführlich vorgestellt. Deren Ansichten sind jenen von K. nicht selten genau entgegengesetzt. Kafkas Sprache ist im Grunde einfach und klar. Doch zugleich entspricht sie der absurden, unheimlichen Welt, in der sich K. zurechtzufinden hat. Stets aufs Neue und geradezu manisch erörtern die handelnden Personen bestimmte Ereignisse und Beobachtungen. Dabei treibt Kafka das ständige Deuten und Umdeuten so weit, dass manche Sätze auf kunstvollen Umwegen sich selbst zu widersprechen scheinen. Nicht nur K., auch dem Leser wird ständig der Boden unter den Füßen weggezogen. Vernünftig beginnende Gespräche wuchern mitunter zu grotesken Hirngespinsten aus. Hierbei bedient sich Kafka oft stilistischer Eigenheiten des Amts- und Juristendeutsch, womit er als Angestellter einer Versicherung regelmäßig zu tun hatte. Doch er manipuliert nicht nur souverän die Sprache, sondern spielt auch mit Raum und Zeit. Die Entfernungen innerhalb des Dorfes, sogar innerhalb einzelner Räume werden ebenso verzerrt wie manche Tagesabläufe. Unzuverlässig ist im Roman z. B. immer wieder die Sicht – der schlechten Beleuchtung wegen – und auch K.s Bewusstsein – aufgrund seiner chronischen Müdigkeit. Weil Kafka aber Unheimliches und Bizarres meist nüchtern und reserviert ausbreitet, ist Das Schloss zugleich ein sehr komischer Roman.

Interpretationsansätze

  • Das Schloss hat zahlreiche Interpretationen herausgefordert, doch keine einzelne Deutung ist der Vielschichtigkeit des Romans gerecht geworden. Das Buch entzieht sich jeder singulären Interpretation und stachelt die Fantasie immer aufs Neue an. Viele Interpreten haben sich darum damit begnügt, die sprachlichen Strategien und Motive von Kafkas unheimlicher Welt nachzuzeichnen.
  • Die erste wichtige Deutung geht auf den ursprünglichen Herausgeber des Romans zurück, auf Kafkas Freund Max Brod. Er sah das Werk als theologisches Gleichnis: Das Schloss vertrete die göttliche Gnade, deren Wege so unerforschlich seien wie die Erlasse der Schlossbehörde. Brod stellte Das Schloss Kafkas anderem großen Roman Der Prozess gegenüber: Darin fliehe die Hauptfigur Josef K. vor dem göttlichen Gericht; im Schloss dagegen strebe K. der göttliche Gnade zu.
  • In der existenzialistischen Deutung ist K. ein Held des Absurden. Er sucht ebenso verzweifelt wie vergeblich nach einem gesicherten Lebenssinn. Das Schloss ist eine Art Trugbild der Jenseitshoffnung. K.s Kampf um die Sinngebung des Sinnlosen kann ebenso als heroische Revolte wie als tragische Zwangshandlung gesehen werden.
  • Leicht lässt sich Das Schloss auch als eine Kritik am autoritären System verstehen. Kafka empfand die väterliche Autorität als sehr bedrohlich. In der unabsehbaren Macht der Beamten scheint sich dieser Vaterkomplex zu spiegeln. Doch der Roman kann auch als Vision des heraufziehenden Faschismus gedeutet werden: Im Getriebe der Schlossbürokratie und in der Unterwürfigkeit der Dorfbewohner sind totalitäre Strukturen erkennbar. Kafka hat allerdings auch im Kapitalismus ein fatales „System von Abhängigkeiten“ gesehen.

Historischer Hintergrund

Zeiten des Umbruchs

Zu Beginn der 1920er Jahre befand sich Europa am Ende eines tief greifenden politischen Wandlungsprozesses. Das einst zaristische Russland wurde zur Sowjetunion, das Gebiet des Deutschen Reiches wurde vom polnischen Korridor durchschnitten, das Osmanische Reich blieb auf die Türkei beschränkt, die k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn war in Österreich, Ungarn, Bulgarien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien aufgeteilt worden. In der Folge des Ersten Weltkriegs waren also vier bedeutende Reiche zusammengebrochen. Mit dem Versailler Vertrag wurde die neue politische Landkarte im Juni 1919 besiegelt. Parallel zu diesen spektakulären Umbrüchen auf politischer Ebene war Europa auch Schauplatz eines tief greifenden Mentalitätswandels, der sich durch eine Vielzahl neuer Strömungen in Kunst, Literatur und Philosophie ausdrückte. In der Existenz- und der Lebensphilosophie trat das Individuum in den Mittelpunkt, der Marxismus brachte die Massen gegen die herrschende Klasse in Stellung, der Darwinismus ging gegen den Schöpfungsmythos vor, und die Wissenschaften erweiterten kontinuierlich das Verständnis der Naturgesetze und des Universums. Zugleich gerieten auch die Abgründe der menschlichen Seele ins Blickfeld: Sigmund Freud machte die Menschen mit ihrem eigenen Unbewussten bekannt. Auf sozialer Ebene differenzierte sich die Arbeitsgesellschaft immer weiter aus, es entstanden zahlreiche neue Berufe, und die Frauenrechtlerinnen errangen erste bedeutende Erfolge. Europa modernisierte sich rapide. Nicht immer konnten die Menschen Schritt halten. Das Gottvertrauen vieler wurde erheblich geschwächt. Doch manch alter Glaube, manch furchtbares Vorurteil blieb vorerst bestehen. Nur ein Jahrzehnt später sollte der Faschismus sich das zunutze machen.

Entstehung

Kafka schrieb Das Schloss in einer sehr produktiven Phase, allerdings war er gesundheitlich schon etwas geschwächt. Das Manuskript entstand im Laufe des Jahres 1922. Als Versicherungsbeamter in Prag war Kafka bereits beurlaubt, im Juni 1922 erfolgte die Frühpensionierung aufgrund seiner Lungentuberkulose. Zuvor, Ende Januar 1922, war Kafka für mehrere Wochen zur Erholung nach Spindelmühle ins Riesengebirge gereist. Dort begann er die Arbeit an Das Schloss. Später sollte er in Prag daran weiterarbeiten, anschließend im böhmischen Planá, wo er den Sommer über im Haus seiner Schwester Ottla Kafka lebte. Im Herbst wurde er von Angstattacken heimgesucht und brach die Arbeit am Manuskript ab. Knapp zwei Jahre später starb er. Ob Kafka die Schloss-Idee von vornherein zum Roman ausbauen wollte, ist unklar. Mindestens einmal änderte er die Erzählperspektive: Die ersten Kapitel waren zunächst in der Ich-Form geschrieben. Erst beim Verfassen des dritten Kapitels schwenkte Kafka zur Er-Form um. Da der Roman bei Kafkas Tod unvollendet war, entschied sein Freund Max Brod über die Textgestalt der Erstausgabe. In späteren Editionen wurden der ursprünglichen Fassung weitere erhaltene Abschnitte hinzugefügt. In diesen verbringt K. einige Stunden am Bett des Schlosssekretärs Bürgel, wird kurz vom Schlossbeamten Erlanger vernommen und beobachtet schließlich eine chaotische Szene, in der die Beamten des Herrenhofs um Akten kämpfen. Ein Schluss des Romans ist nicht überliefert. Kafka soll allerdings Max Brod einmal das Ende, das ihm vorschwebte, mitgeteilt haben: Demnach wäre K. schließlich an Entkräftung gestorben – im gleichen Moment, in dem ihm vom Schloss ein Bleiberecht im Dorf zugestanden worden wäre.

Wirkungsgeschichte

Wäre es nach Kafka gegangen, hätte keiner seiner drei bekannten Romane (Der Verschollene bzw. Amerika, Der Prozess, Das Schloss – in der Reihenfolge ihrer Niederschrift) je das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Doch Max Brod setzte sich über eine entsprechende testamentarische Verfügung des Autors hinweg und begann bereits ein Jahr nach dessen Tod mit der Herausgabe. 1925 erschien Der Prozess, 1926 Das Schloss, 1927 Amerika. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Publikationsgeschichte gelten die kritischen Würdigungen häufig nicht bloß einem Werk, sondern dem literarischen Phänomen Kafka insgesamt. André Breton, der Wortführer des Surrealismus, und die Existenzialisten Albert Camus und Jean-Paul Sartre gehörten zu den Ersten, die Kafkas Werk außerhalb des deutschen Sprachraums begeistert aufnahmen. Auch unter Deutschlands Schriftstellern wuchs Kafkas Nachruhm schnell. Walter Benjamin und Theodor W. Adorno bemühten sich früh um eine philosophische Einordnung seiner Literatur. 1935 allerdings wurden Kafkas Bücher in Deutschland verboten. Erst 1950 kam es zu Neuausgaben. Zu diesem Zeitpunkt waren seine zentralen Werke bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Schnell galt er nun, auch international, als einer der bedeutendsten Autoren der literarischen Moderne. Vor dem Hintergrund von Kriegserfahrung und Holocaust gewann sein Werk einen weiteren Resonanzboden. Heute gehört es zu den einflussreichsten Œuvres der Weltliteratur. Zahlreiche berühmte Autoren berufen sich auf Kafka, das Wort „kafkaesk“ ist in mehreren Sprachen geläufig. Trotzdem ist sein Werk bis heute in Stil und Stimmung einzigartig. Das Schloss ist inzwischen viermal verfilmt und zweimal als Oper vertont worden.

Über den Autor

Franz Kafka wird am 3. Juli 1883 in Prag geboren. Als deutschsprachiger Jude gehört er gleich in doppelter Hinsicht einer Minderheit an. Der Vater Hermann Kafka ist Kaufmann, die Mutter Julie im Geschäft des Vaters tätig; so wächst das Kind in der Obhut verschiedener Dienstboten auf. Der lebenstüchtige Vater bringt für seinen kränklichen, künstlerisch begabten Sohn kein Verständnis auf − ein Konflikt, der das gesamte Werk Kafkas prägen wird. Nach dem Abitur möchte Kafka eigentlich Philosophie studieren, entscheidet sich aber nach dem Willen des Vaters für Jura und promoviert 1906. Danach arbeitet er bei einer Unfallversicherung. Sein Beruf ist ihm eine Last, weil ihm zu wenig Zeit zum Schreiben bleibt; er erledigt die Arbeit aber gewissenhaft. Auf Schaffensphasen, in denen er Nächte durchschreibt, folgen längere unproduktive Abschnitte. 1902 lernt er Max Brod kennen, eine lebenslange Künstlerfreundschaft beginnt. Ab 1908 veröffentlicht er kurze und längere Erzählungen in Zeitschriften und als Buchpublikationen, darunter Die Verwandlung (1915) und Das Urteil (1916). Er beginnt drei Romane, Der Verschollene (später veröffentlicht unter dem Titel Amerika), Der Prozess und Das Schloss, stellt aber keinen fertig – für ihn ein fundamentales Scheitern. Kafkas Beziehungen zu Frauen sind problematisch. 1912 lernt er bei Max Brod die Berlinerin Felice Bauer kennen, mit der er sich zweimal verlobt und wieder entlobt. Auch die weiteren Beziehungen sind nicht von Dauer. 1917 erkrankt er an Tuberkulose. Immer wieder muss er seine berufliche Arbeit unterbrechen, um sich an Ferienorten, in Sanatorien oder bei seiner Schwester Ottla zu erholen. Die gewonnene Zeit kann er aber nicht in gewünschter Weise in Literatur umsetzen. Als er am 3. Juni 1924 stirbt, hat er Max Brod testamentarisch angewiesen, seine unveröffentlichten Manuskripte zu vernichten. Der Freund hält sich nicht daran und ermöglicht so den Weltruhm Franz Kafkas.

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