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De profundis
Buch

De profundis

Epistola: in carcere et vinculis

Berlin, 1905
Diese Ausgabe: Diogenes Verlag, 1986 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Autobiografie
  • Fin de siècle

Worum es geht

Ein Gefängnisbrief

De profundis ist ein Aufschrei aus dem Kerker. Der schillernde Dandy und gefeierte Theaterautor Oscar Wilde wurde auf dem Höhepunkt seines Ruhms wegen homosexueller Beziehungen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Anfang 1897, schon gegen Ende der Haft, schrieb er sich mit einem Brief an den ehemaligen Geliebten Lord Alfred Douglas die Verzweiflung vom Leib. Der Brief wurde später unter dem Titel De profundis veröffentlicht. Wilde rechnet schonungslos mit Douglas ab und wirft ihm – während er die fatale Beziehung noch einmal Revue passieren lässt – Herzlosigkeit, Verschwendungssucht, Egozentrik und Fantasielosigkeit vor. Dann schwenkt er vom Gestern aufs Heute und versucht seinem harten Leben im Gefängnis etwas Gutes abzugewinnen: Er habe dort Demut und das Leiden gelernt. Beide Erfahrungen, die er zu früheren Zeiten als Liebling der Gesellschaft wohl gering geschätzt hätte, erscheinen ihm nun essenziell und zur Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit unverzichtbar. Bis zum Schluss ist der Text von tiefem Groll und hilfloser Liebe zu Douglas geprägt. Dabei geht er in Ton und Umfang weit über die briefliche Form hinaus. Obwohl unausgewogen und gedanklich gewagt, ist Wildes Werk ein bewegendes persönliches Bekenntnis und ein bewundernswertes Stück Selbstbehauptung.

Zusammenfassung

Eine verhängnisvolle Affäre

Die Niederschrift des Briefes an Lord Alfred Douglas beginnt nach mehr als eineinhalb Jahren Haft des Verfassers und nach langem, vergeblichen Warten auf eine Nachricht des ehemaligen Geliebten. Der Schmerz und die Enttäuschung über dessen Schweigen sind groß, aber die Zeit der gegenseitigen Zuneigung ist trotzdem nicht vergessen. „Bosie“, so der Spitzname des Adressaten, soll sich durch das Folgende nicht angegriffen fühlen, sondern seine Eitelkeit besiegen und sein Herz öffnen. Nur so wird er zur bitter nötigen Selbsterkenntnis fähig sein.

Beklagenswert ist, dass die Beziehung zu Douglas keinen geistigen Mehrwert hatte und den Künstler zur Unproduktivität verurteilte. Douglas’ eindimensionale Vergnügungssucht hat Wildes schöpferische Fantasie gelähmt. Im Übrigen ist die eitle Fixierung des Adressaten auf kostspielige Extravaganzen immer maßloser und zugleich immer undankbarer geworden. Auf mehr als 5000 £ sind Wildes Aufwendungen für den gemeinsam gepflegten Lebensstil zu veranschlagen, den er allein zu finanzieren hatte. Am Ende hat Douglas seinen Willen gebrochen und ihn in eine Tyrannei des Schwachen über den Starken gezwungen.

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Über den Autor

wird am 16. Oktober 1854 in Dublin geboren. Seine Mutter ist Schriftstellerin, der Vater Chirurg. Wilde studiert in Dublin und Oxford klassische Philologie. Schon als Student begeistert er sich für die Ideale des Ästhetizismus und praktiziert mustergültig die Idee von der Ausdehnung des Schönheitskults auf alle Bereiche des Lebens. Sein exzentrisches Auftreten mit langer Mähne und exquisiter Garderobe macht ihn früh bekannt. 1879 zieht Wilde nach London um, lehrt dort Ästhetik und steigt schnell in die feine Gesellschaft auf. 1884 heiratet er die wohlhabende und gebildete Constance Lloyd, die 1885 und 1886 die beiden Söhne Cyril und Vyvyan zur Welt bringt. Zu dieser Zeit beginnt er seine Homosexualität auszuleben. Nach lyrischen Arbeiten, Essays und Märchen veröffentlicht er 1891 seinen einzigen Roman, den Skandalerfolg Das Bildnis des Dorian Gray (The Picture of Dorian Gray). Mit dem Theaterstück Lady Windermeres Fächer (Lady Windermere’s Fan) etabliert er sich 1892 endgültig als Erfolgsautor von sprühendem Witz und scharfem Intellekt – viktorianischen Vorbehalten gegen seine „Unmoral“ zum Trotz. Wildes Ruf festigt sich in den Folgejahren mit den Stücken Eine Frau ohne Bedeutung (A Woman of No Importance), Ein idealer Gatte (An Ideal Husband) und Die Bedeutung, Ernst zu sein (The Importance of Being Earnest). Dann wird ihm seine mehrjährige Beziehung mit dem jungen Snob Lord Alfred Douglas zum Verhängnis. Wilde wird 1895 wegen homosexueller Kontakte zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis verfasst er De profundis. Die letzten Lebensjahre verbringt er in relativer Armut, von Freunden unterstützt, auf dem europäischen Festland. Bis zu seinem Tod am 30. November 1900 in Paris veröffentlicht er nur noch Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading (The Ballad of Reading Gaol), ein Text über seine Hafterfahrung.


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