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Der Menschen Hörigkeit

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Der Menschen Hörigkeit

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Einer der wichtigsten Entwicklungsromane der englischen Literatur: das Leben, Leiden und Lieben des Philip Carey.


Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Moderne

Worum es geht

Das Leben, Leiden und Lieben des Philip Carey

Der Menschen Hörigkeit erzählt die ersten rund 30 Jahre im Leben des Philip Carey. Dessen Geburtsjahr wird nicht genannt, aber man kann aus einigen Angaben rückschließen, dass es ca. 1875 sein muss. Dies entspricht ungefähr Maughams eigenen Lebensdaten (geboren 1874). Der Autor sagt denn auch bereits im Vorwort unverhüllt, das Buch sei "keine Autobiographie, aber ein autobiographischer Roman". Der Held des Romans wird in die typisch englische spätviktorianische Mittelschicht hineingeboren, deren Leben stark von starren Denk- und Verhaltenskonventionen, von übertriebenem Standesbewusstsein und Heuchelei gekennzeichnet ist. Philip ist zudem von Anfang an mit einem körperlichen Makel, einem Klumpfuß, belastet, was ihn unweigerlich zum Einzelgänger macht. Der Kampf um die Überwindung aller Fesseln von Glaube, Tradition und Standeszugehörigkeit sowie der Durchbruch zu einem selbstbestimmten Leben sind der eigentliche Inhalt dieses Buches. Es ist ein sehr persönliches Werk, ein typischer Entwicklungsroman - und zwar einer der wichtigsten der englischen Literatur.

Take-aways

  • Der Menschen Hörigkeit ist einer der wichtigsten Entwicklungsromane der englischen Literatur und ein Hauptwerk von W. Somerset Maugham.
  • Philip Carey, die Hauptfigur, erkennt als junger Mensch den illusionären Charakter von Kirchenglauben, Kunstschwärmerei, Liebesromantik und Standesbewusstsein.
  • Im Alter von neun Jahren verliert Philip, der einen Klumpfuß hat, seine Eltern und kommt in die Obhut eines Onkels, eines Geistlichen.
  • Der kindliche Trotz gegen dessen Frömmigkeit und Heuchelei ist der erste Ansatz einer Suche nach der eigenen Identität.
  • Schockiert von den Demütigungen im Internat verzichtet Philip auf einen Schulabschluss und gerät in Heidelberg und Paris in bohemehafte Studentenkreise.
  • Seine vermeintliche Berufung zum Künstler als Alternative zum bürgerlichen Dasein erweist sich als Irrweg.
  • Philip entschließt sich für den Arztberuf und stolpert mit knappen finanziellen Mitteln durch das Studium.
  • In dieser Zeit wird ihm seine romantische, völlig verblendete Liebe zu der Kellnerin Mildred zum Verhängnis. Sie nutzt ihn emotional und finanziell bedenkenlos aus.
  • Schließlich muss er das Studium aus Geldmangel abbrechen und sich fast zwei Jahre lang, praktisch mittellos, mit einem demütigenden Job durchschlagen.
  • Erst die selbstlose Freundschaft einer ungewöhnlich gefühlsstarken Familie und eine kleine Erbschaft ermöglichen es ihm, sich wieder zu fangen.
  • Desillusioniert, aber innerlich befreit und gefestigt kann er mit Anfang 30 seinen Lebensweg mit der Aussicht auf Glück und Erfolg fortsetzen.
  • Der Roman ist stark autobiographisch geprägt: Maugham schrieb ihn sozusagen zur Selbsttherapie, als Bewältigung seiner eigenen leidvollen Vergangenheit.

Zusammenfassung

Abschied von der Kindheit

Philip ist neun Jahre alt, als er eines Morgens von einer Hausangestellten geweckt und, noch ganz schläfrig, für ein paar Minuten ins warme Bett zu seiner Mutter gelegt wird. Es ist ein Abschied für immer. Philips Mutter liegt nach einer Fehlgeburt im Sterben. Sie befürchtet, dass dem Jungen sein Klumpfuß im Leben eine starke Behinderung sein wird. Philips Vater, ein Chirurg, ist ein halbes Jahr zuvor überraschend an einer Blutvergiftung gestorben. Nach dem Tod der Mutter wird Philip ihrem Wunsch entsprechend der Obhut seines Paten, Mr. Carey, übergeben. Mr. Carey ist anglikanischer Priester in dem ca. 100 Kilometer von London entfernten Örtchen Blackstable. Er ist bereits weit über 50 und seit 30 Jahren kinderlos verheiratet. Doch eher noch seiner verrunzelten Frau Louise als ihm selbst bereitet es Sorgen, dass sie keine Erfahrung mit der Erziehung von Kindern haben. Mr. Carey befürchtet vor allem eine Störung seiner Ruhe und seiner Gewohnheiten. Aber er tut seine Pflicht als Christenmensch. Nachdem alles Entbehrliche, also praktisch alles, verkauft ist, bleibt für Philip ein Vermögen von 2000 £. Der Betrag wird nur bei großer Achtsamkeit ausreichen, um Philip eine gediegene, einem Gentleman gemäße Ausbildung zu ermöglichen.

Im Pfarrhaus

Mr. Carey ist äußerst rechtschaffen und sparsam. Seine Pfarrstelle ermöglicht ihm ein gesichertes Einkommen, aber keinen Reichtum. Seinem geistlichen Stand entsprechend gehört er zur örtlichen Oberschicht. Außer dass er am Samstag und am Sonntag Andachten halten muss, hat er keine weiteren Pflichten. Weil sein Tagesablauf und seine Denkgewohnheiten sich seit 30 Jahren nicht verändert haben, gilt er als überaus respektables Mitglied seiner Klasse. In dieses starre Lebensschema muss sich Philip nun einfügen, was ihm aber nicht besonders schwer fällt, da er es als Einzelkind gewohnt ist, sich alleine zu beschäftigen. Der Tages- und Wochenzyklus ist präzise und gleichförmig an den Gewohnheiten und Bequemlichkeiten von Mr. und Mrs. Carey ausgerichtet. Montag, Dienstag und Mittwoch gibt es zu Mittag immer Rindfleisch, Donnerstag bis Samstag immer Hammelfleisch und sonntags Hühnchen. In Latein und Mathematik wird Philip von seinem Onkel unterrichtet, obwohl der von beidem nichts versteht; seine Tante lehrt ihn Französisch und Klavierspielen. Französisch beherrscht sie zwar nicht, aber immerhin spielt sie gut genug Klavier, um einige altmodische Lieder zum Besten zu geben, die sie bereits seit 30 Jahren singt.

„Und wenn du etwas als Andenken an deine Eltern haben willst, darfst du dir zwei Gegenstände aussuchen: einen für deinen Vater und einen für deine Mutter. Alles andere wird verkauft.“ (Mr. Carey zu Philip, S. 15)

Am Sonntag, dem "Tag des Herrn" und somit dem Arbeitstag von Mr. Carey, ziemt es sich für Kinder nicht, zu spielen. Denn wie sollen sie vor das Antlitz ihres Schöpfers treten, wenn sie sein Gebot der Sonntagsruhe gebrochen haben? Dieses Spielverbot führt zu ersten Trotzreaktionen Philips. Die Andachten, an denen er natürlich teilnehmen muss, sind sehr lang, sehr zeremoniös, und die Kirche ist sehr kalt. Umgang mit anderen Kindern pflegt Philip nicht. Immerhin bietet die Bibliothek des Pastors, die dieser stets mit Leidenschaft ergänzt, Philips Phantasie reichlich Nahrung; der Höhepunkt ist für ihn, als er eine Ausgabe von Tausendundeine Nacht findet.

Im Internat

Des Pastorenpaares innigster Wunsch ist, Philip möge dereinst ebenfalls Geistlicher werden. Das ist in ihren Augen eine der wenigen angemessenen Beschäftigungen für einen Gentleman ohne nennenswertes Vermögen. Philip wird daher in die Kathedralschule in Tercanbury gesteckt. Auch hier wird die Frömmigkeit mit zahlreichen Ritualen intensiv gepflegt, ansonsten aber geht es zu wie in anderen Internaten. Am Sport kann Philip wegen seines Fußes nicht teilnehmen. Die übrigen Jungen unterziehen ihn deswegen allerlei Demütigungen, aber sie verlieren auch irgendwann wieder das Interesse daran. Philip ist seit jeher an Bücher gewöhnt und wird ein herausragender Schüler. Unter einem neuen, jüngeren Direktor, Tom Perkins, steht sogar ein Stipendium für Oxford in Aussicht. Perkins bringt frischen Wind in das Internat, indem er für "Enthusiasmus" und "allgemeine Bildung" plädiert, im Gegensatz zum herkömmlichen Paukwissen.

„(...) es gab in der Schule Knaben, deren Väter, Großväter, Urgroßväter bereits hier erzogen worden waren; und diese Knaben traten zumeist mit dem Vorsatz ein, ebenfalls Geistliche zu werden.“ (S. 63)

Unter Perkins’ Anleitung wird Philip noch einmal so fromm, dass er - in Anlehnung an das Bibelwort vom Glauben, der Berge versetzen kann - hofft, der liebe Gott möge ihn von seinem Klumpfuß befreien. Philip, nun bereits im Konfirmandenalter, genießt einerseits das Bemühen des Direktors um ihn als begabten Schüler, andererseits fühlt er sich dadurch erneut gegängelt. Aus reinem Trotz schließt er sich einem oberflächlichen Schüler aus London an, der in Philips Phantasie eine Vorstellung vom Leben in der Halbwelt der Hauptstadt entfacht. Nach einem zweijährigen inneren Kampf verliert Philip jegliches Interesse an der Schule und an seiner Zukunft, so wie Lehrer und Vormund sie sich ausmalen, und setzt gegen erheblichen Widerstand durch, zum Erlernen der deutschen Sprache nach Deutschland gehen zu können.

Von Heidelberg nach Paris

Philip gelangt in das Haus eines Professors in Heidelberg, wo er mit anderen Studenten wohnt und wo ihm Unterricht erteilt wird. Zu seinen neuen Bekannten zählt ein gewisser Hayward, ein junger englischer Literatur- und Kunstschwärmer, und Philip gewinnt erstmals einen Eindruck vom Leben der Boheme Zugleich fasziniert ihn ein anderer, ernsthafter amerikanischer Harvard-Student, unter dessen Einfluss er sich ganz vom christlichen Glauben abwendet. Philip erkennt, dass er nicht aus sich heraus gläubig war, sondern nur ein bestimmtes Verhaltensmuster imitierte, weil er kein anderes kannte. Im Winter in Heidelberg besucht Philip erstmals eine Theateraufführung und ist begeistert. Er hat es satt, sich ständig auf das Leben vorzubereiten - er möchte jetzt endlich damit anfangen.

„Enthusiasmus verstieß gegen gute Erziehung. Enthusiasmus ziemte sich nicht für einen Gentleman.“ (S. 68)

Im Sommer kehrt Philip nach Blackstable zurück, wo sich Miss Wilkinson, eine Bekannte seines Onkels, aufhält. Sie hat als Gouvernante bereits in Berlin und Paris gelebt. In seiner Unerfahrenheit bemerkt Philip kaum, dass diese respektable Dame, die nicht mehr ganz jung ist, ihn verführen will. Sie weckt sein Interesse für die französische Metropole, und zwar vor allem für die bohemehaften Aspekte des Pariser Lebens. Vorerst muss Philip jedoch damit beginnen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, nachdem er ohne besonderen Abschluss die Schule verlassen hat und darum nicht studieren kann. Sein Onkel vermittelt ihm eine Stelle als eine Art Buchhalterlehrling in London. Die Arbeit ödet ihn bald an. Gelegentlich besucht er mit Hayward die Museen und berauscht sich an der Schönheit der Kunst, aber ansonsten lebt er einsam in der Großstadt, die ihre Verheißungen ihm gegenüber nicht erfüllt. "La vie de bohème", das Pariser Leben, wie er es aus einem ihm von Miss Wilkinson überlassenen Buch kennen gelernt hat, zieht ihn magisch an. Er möchte dorthin, um Malerei zu studieren. Mr. Carey ist strikt dagegen. Das eigene kleine Erbe kann Philip nicht verwenden, da er noch nicht volljährig ist. Dennoch fährt er mit 100 £, die ihm Mrs. Carey zusteckt, nach Frankreich. Die Pastorenfrau hat ein schlechtes Gewissen, da sie glaubt, sie und ihr Mann könnten zehn Jahre lang zu streng mit Philip verfahren sein.

La vie de bohème

In Paris mietet sich Philip bescheiden ein, belegt einen Zeichenkurs und lernt dadurch etliche Kunststudenten kennen, die in der Tat alle auf ihre Weise bohemehaft leben. Der Impressionismus steht zu dieser Zeit in seinem Zenit. Philip legt allmählich etwas von seiner englischen Steifheit ab und kleidet sich zumindest legerer. Er liest nach wie vor viel, nicht nur literarische, sondern auch philosophische und weltanschauliche Bücher, die ihm neue geistige Horizonte erschließen. Es dauert eine Weile, bis er dahinter kommt, dass seine Kollegen, so verschieden sie sein mögen, Stümper und Schwadroneure sind, gescheiterte Existenzen. Als in England Philips Tante Louise stirbt, kehrt er ernüchtert nach Blackstable zurück. Den beiden Jahren, die er in Paris in großer Geldknappheit verbracht hat, verdankt Philip nach seiner eigenen Einschätzung die Befreiung von den geistigen Fesseln, die ihn seit seiner Kindheit festgehalten haben. Einer seiner Pariser Freunde, Cronshaw, ein Dichter und Maler, schenkt ihm einen persischen Teppich. Dieser enthalte, so Cronshaw, ein Gleichnis des Lebens, hinter das Philip aber selbst kommen soll, sonst sei es nichts wert.

Lehrjahre in London

Nach einiger Bedenkzeit entschließt sich Philip, eine Arztausbildung in London zu absolvieren. Er rechnet sich aus, dass er bei sparsamer Lebensführung drei bis vier Jahre von seinem kleinen Erbvermögen leben und die für das Studium nötigen Gebühren bezahlen kann. Es handelt sich um eine Art praktische Arztausbildung im Krankenhaus kombiniert mit theoretischen Vorlesungen und Prüfungen. Nach einer gewissen Anfangseuphorie erlahmt Philips Interesse an Paukfächern wie Biologie oder Anatomie sehr schnell und er bekommt Probleme in den Prüfungen. Er nimmt sich aber auch nach wie vor Zeit für Museums- und für Theaterbesuche. In einem Café macht er die Bekanntschaft eines Serviermädchens namens Mildred.

„Philip schwieg eine Weile, dann sagte er: ‚Ich sehe nicht ein, warum man überhaupt an Gott glauben soll.’ Die Worte waren seinem Munde kaum entschlüpft, als ihm klar wurde, dass er bereits aufgehört hatte, es zu tun. Die Erkenntnis raubte ihm den Atem wie ein Sprung in kaltes Wasser.“ (S. 131)

Philip verliebt sich in sie, ja er ist wie besessen von ihr und versucht, sie mit allen Mitteln für sich zu gewinnen, obwohl sie wenig reizvoll und in ihrer Art eher kleinbürgerlich und vulgär ist. Zwar macht Mildred Philip klar, dass sie ihn nur als Freund akzeptiert, sich aber nicht in ihn verlieben kann und will, trotzdem erweist er sich ihr gegenüber immer wieder als bis zur Verblendung generös. Mildred heiratet einen anderen Mann, und sie geht Monate später eine Beziehung mit Philips Freund und Kommilitonen Griffith ein. Sie bekommt ein Kind, für das Philip Unterhalt bezahlt, ja er nimmt sie und das Kind schließlich sogar in seine Wohnung auf. Mildred versichert ihm immer wieder, sich um eigene Arbeit kümmern zu wollen, aber alle Hoffnungen erfüllen sich nicht. Die ständigen kleinen Ausgaben für sie bringen Philip immer näher zum Bankrott. Er ist ihr einfach hörig, und sie nutzt es immer wieder aus. Mildred sieht in Philip einen Gentleman - eine soziale Stellung, die sie für äußerst erstrebenswert hält.

„Er begann, an Paris zu denken, wie er zuvor an London gedacht hatte; er sehnte sich nach Romantik und Schönheit und Liebe, und all das schien ihm in Paris vereinigt.“ (über Philip, S. 189)

Inzwischen arbeitet Philip als Praktikant am Krankenhaus und nimmt sich eine neue, etwas geräumigere Wohnung, die er mit einfachen Mitteln liebevoll einrichtet. Die praktische Arbeit mit den kranken Menschen liegt ihm, er spürt auch, dass sie sich ihm vertrauensvoll öffnen. Auf Bitten eines alten Künstlerfreundes aus Paris kümmert sich Philip um den bitterarmen, todkranken Cronshaw, nimmt ihn zu guter Letzt gar in seiner Wohnung auf, wo dieser schließlich stirbt. Bei einem Börsengeschäft, das ein Freund dem notorisch klammen Philip empfiehlt, macht dieser einen kleinen Gewinn von 30 £ und kann sich davon einen Urlaub und eine Operation seines Klumpfußes leisten. Ein Jahr später wird ihm erneut eine aussichtsreiche Börsenspekulation empfohlen. Doch diesmal geht es gründlich schief: Philip verliert den Rest seines Vermögens. Sein Onkel verweigert ihm in dieser Situation jegliche Unterstützung.

Am Tiefpunkt angelangt - und neue Hoffnung

Philip muss seine Arztausbildung abbrechen und die Wohnung aufgeben. Mildred zerstört in einem Anfall von schlechter Laune die gesamte Einrichtung und verlässt ihn. Philip wird praktisch obdachlos. In höchster Not findet er bei der Familie von Thorpe Athelny Unterschlupf. Athelny ist ein ehemaliger Patient, mit dem sich Philip im Krankenhaus angefreundet hat. Schon seit dessen Genesung hat er regelmäßig die Sonntage bei der zehnköpfigen Familie verbracht. Athelny kann diese nur mit Mühe über Wasser halten. Vor allem dank der Resolutheit seiner Ehefrau Betty und der Umsicht der ältesten Tochter Sally sind die Athelnys eine glückliche Familie - das erste glückliche Familienleben, das Philip überhaupt kennen lernen darf.

„Der größte Gewinn, den er mitbrachte, war die Befreiung von den geistigen Fesseln, die er seit seiner Kindheit mitgeschleppt hatte.“ (über Philip, S. 289)

Die Athelnys nehmen Philip für einige Zeit auf, bis er einen Job als Auskunftsangestellter in einem Bekleidungswarenhaus findet, eine für ihn zwar miserable und demütigende Tätigkeit, die er aber annehmen muss, weil er sonst keinerlei für den Arbeitsmarkt brauchbare Fähigkeiten aufzuweisen hat. Nach etwa einem Jahr erkennt man im Kaufhaus zufällig Philips zeichnerisches Talent und seinen guten Geschmack, und in der Folge muss er nicht mehr im Laden stehen, sondern darf Modellentwürfe zeichnen, was ihm sogar eine kleine Gehaltserhöhung einbringt. In diesem zweiten Jahr seines Kaufhausjobs stirbt sein Onkel Mr. Carey. Dank einer kleinen Erbschaft kann Philip sein Studium wieder aufnehmen und abschließen. Nach sieben Jahren ist er endlich diplomierter Arzt.

„Die Angst, zurückgewiesen zu werden, hinderte ihn daran, liebenswürdig zu sein, und er verbarg seine Schüchternheit, die immer noch sehr groß war, hinter einer eisigen Schweigsamkeit.“ (über Philip, S. 299)

Seine erste Stelle ist eine Vertretungsstelle in einer kleinen Küstenstadt. Die spätere Übernahme dieser Praxis wird zu einer beruflichen Perspektive für ihn. Beinahe still und unbemerkt hat sich Sally Athelny im Lauf der Jahre in Philip verliebt. Die beiden heiraten.

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Aufbau und Stil

Maugham sagt in seinem Vorwort in aller Offenheit, Der Menschen Hörigkeit sei "keine Autobiographie, aber ein autobiographischer Roman". Er beginnt den fiktionalen, aber sehr stark von eigenen Erfahrungen und Empfindungen getragenen Roman im neunten Lebensjahr der Hauptfigur Philip Carey, mit dem Tod von dessen Mutter. Er endet rund 20 Jahre später, einige Monate nach dem Abschluss von Philips Studium, mit dem Heiratsantrag an Sally. Dazwischen werden chronologisch die verschiedenen Stationen von Philips Leben in Episoden beleuchtet. Die Romanform erlaubt es dem Autor, atmosphärisch dichter zu schreiben, als es in einem Bericht oder einer Autobiographie, die notwendigerweise in der Ich-Form geschrieben sein müsste, möglich wäre. Zudem eröffnet der Roman natürlich im Gegensatz zur Autobiographie dichterische Freiheiten. So lassen sich manche Inhalte noch klarer und deutlicher darstellen. Der Roman ist ganz traditionell erzählt, er liest sich leicht und angenehm, da Maugham einen einfachen, schnörkellosen Stil pflegt, der sich oft an die gesprochene Sprache anlehnt. Die deutsche Übersetzung fällt allerdings manchmal negativ auf, u. a. weil sie Schimpfwörter und ordinäre Ausdrücke nicht angemessen wiedergibt.

Interpretationsansätze

  • Der Menschen Hörigkeit ist der Versuch einer Selbstbefreiung Maughams von den Fesseln und Prägungen seiner Kindheit und seines Standes. Als Arzt war Maugham mit den psychoanalytischen Ansätzen seiner Zeit vertraut und wusste somit um die therapeutische Wirkung des Sich-etwas-von-der-Seele-Schreibens.
  • Die Hauptfigur Philip Carey ist klar als Alter Ego des Autors zu erkennen. Seine Behinderung (Klumpfuß) entspricht der Sprachstörung, unter der Maugham zu leiden hatte. Auch Maugham lebte in Paris und Heidelberg, studierte Medizin und praktizierte als Arzt. Außerdem besuchte er ein Internat in Canterbury (im Roman: Tercanbury).
  • Philips Desillusionierung durchläuft verschiedene Stadien: Auf einige persönliche Enttäuschungen (konventioneller Kirchenglaube, Kunstschwärmerei, romantische Liebe) folgt eine Kritik am Ständedenken seiner Zeit. Der "Gentleman" in Philip widersetzt sich am hartnäckigsten der Infragestellung. Erst als er mittellos ist und in einem Warenhaus arbeiten muss, wird sein Selbstbild so nachhaltig erschüttert, dass er zu einem neuen, freien Selbstbewusstsein findet.
  • Das Buch ist ein Entwicklungsroman mit negativen Vorzeichen: Nicht was Philip auf seinem Lebensweg prägt und seine Persönlichkeit entwickelt, ist das Thema, sondern im Gegenteil: von welchen Prägungen er sich befreit. Dass der Mensch "geboren wird, heiratet, Kinder zeugt und stirbt" und dass sich Menschen kaum wegen der Liebe, aber "wegen des Geldes" umbringen, sind die Meilensteine auf Philips Weg der Desillusionierung und Welterkenntnis.
  • Der Titel des Romans ist der Ethik des Philosophen Spinoza entnommen. Er drückt bereits die deterministische und pessimistische Weltsicht aus, die den Roman prägt: Der Mensch ist seinen Trieben und Leidenschaften hörig und vermag es kaum, sich von ihnen zu befreien.

Historischer Hintergrund

Die spätviktorianische Gesellschaft

Königin Victoria regierte das Vereinigte Königreich 64 Jahre lang, von 1837 bis 1901. Eine ganze Epoche wurde nach ihr benannt: der Viktorianismus. Es war das Zeitalter, in dem die Briten als Weltmacht triumphierten. Nach dem Ende Napoleons bis zum Ersten Weltkrieg machte niemand, weder auf dem europäischen Kontinent noch in den Kolonien, ihnen diesen Rang streitig. Global gesehen kann man von diesem Zeitalter als einer Pax Britannica sprechen. Zugleich war das 19. Jahrhundert das dynamischste der bisherigen Weltgeschichte und Großbritannien stand an der Spitze dieser Entwicklung: technischer und wissenschaftlicher Fortschritt, Erforschung unbekannter Erdteile, beispiellose Industrialisierung. Mit Letzterer verbunden waren tief greifende soziale Umwälzungsprozesse: Es entstanden das Proletariat, die Gewerkschaften und später die Frauenbewegung. Unter Victoria vollzog sich der Aufstieg des Bürgertums; Krone, Adel und Klerus büßten im Zuge erster Demokratisierungsbestrebungen an Macht ein.

Doch die herrschende Klasse passte sich nach außen hin den Neuerungen an, ohne sich im Innern nennenswert zu verändern. Das Leitbild des "Gentleman" hatte Bestand, der Korpsgeist dieser Klasse wurde in den Eliteschulen geprägt. Der Idealtypus des Gentleman prägte die Briten nachhaltig und hat bis heute eine gewisse Geltung. Der Gentleman war im Idealfall finanziell unabhängig, er musste also keinem Erwerbsberuf nachgehen. Da aber die großen Vermögen in der Regel nur an die ältesten Söhne vererbt wurden, gab es auch einige wenige "akzeptable" Berufe, die ein minderbemittelter Gentleman ergreifen konnte: die Offizierslaufbahn in Heer oder Marine, eine Stellung als Geistlicher, der Anwaltsberuf und allenfalls noch der Arztberuf. Sogar die unteren Schichten akzeptierten den Gentleman-Typus uneingeschränkt. Maugham selbst sagte an anderer Stelle, in seiner Heimat glaube man, "Gott sei ein englischer Gentleman".

Entstehung

Geboren als Sohn eines britischen Diplomaten in Paris, wo er zehn Jahre lang aufwuchs, war William Somerset Maughams erste Sprache Französisch und nicht Englisch, da er nach dem Tod seiner früh verstorbenen Eltern in die Obhut französischer Pflegerinnen kam. Englisch lernte er erst von seinem Onkel, der es ihm beibrachte, indem er den stark stotternden Jungen mit dem markanten französischen Akzent laut aus der Zeitung vorlesen ließ. Der spätere Autor Maugham wurde literarisch an den großen französischen Realisten des 19. Jahrhunderts geschult: Balzac, Zola, Flaubert, Maupassant. Diese Autoren stellten schon damals alltägliche Menschen und ihre Schicksale dar. Daran knüpfte Maugham an; viele Szenen in Der Menschen Hörigkeit zeichnen sich durch diese realistische Qualität aus, vor allem die beklemmende Schilderung von Philips Beziehung zu Mildred. Maugham schätzte auch Tolstoi, Dostojewski und Tschechow und den Norweger Ibsen. Unter den englischsprachigen Schriftstellern bewunderte er am meisten Joseph Conrad. Ein weiteres wichtiges Vorbild war Oscar Wilde, der eine Generation ältere Society-Liebling mit homosexueller Orientierung, ein witziger und stilistisch glänzender Dichter.

Maugham schrieb Der Menschen Hörigkeit mit Ende 30 als Zwischenbilanz seines Lebens in schonungsloser Offenheit gegenüber sich selbst, um mit den Ängsten und Demütigungen seiner Jugend fertig zu werden, die ihn zu einem schüchternen Einzelgänger gemacht hatten. Um das umfangreiche autobiographisch-fiktionale Werk verfassen zu können, zog er sich für längere Zeit nach Spanien zurück und unterschrieb keine Verträge für Bühnenstücke, die ihm, dem damals bereits berühmten Dramenautor, laufend angeboten wurden.

Wirkungsgeschichte

Der Menschen Hörigkeit wurde bei seinem Erscheinen 1915 von der Kritik wie vom Publikum sehr positiv aufgenommen und sogleich als Hauptwerk Maughams eingeschätzt, was sich bis heute nicht verändert hat. Der Ruhm von Maughams Bühnenstücken ist mittlerweile etwas verblasst, teils weil sie den damaligen modischen Trends des gehobenen Unterhaltungstheaters folgten, teils weil es sich um aktuelle Stoffe vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Zeitgeschehens handelte, manchmal sogar mit Anspielungen auf Prominente jener Zeit. Maugham gilt auch als Meister der Kurzgeschichten und der Reiseerzählungen. Da er selbst für den Geheimdienst gearbeitet hatte, beeinflusste Maugham auch eine ganze jüngere Generation von Schriftstellern, die ebenfalls als Geheimagenten tätig waren, wie Graham Greene, Eric Ambler, Ian Fleming und John le Carré. Der Menschen Hörigkeit wurde dreimal verfilmt: 1934 mit Bette Davis in der Rolle der Mildred, 1946 und 1963.

Über den Autor

William Somerset Maugham (sprich: mohm oder moäm) wird am 25. Januar 1874 in Paris als Sohn eines englischen Diplomaten geboren. Beide Eltern sterben, bevor William zehn Jahre alt ist. Seine Mutter vertraut seine Erziehung einem Bruder ihres Mannes an, einem gut 50-jährigen anglikanischen Geistlichen, der in Kent beheimatet ist. Maugham ist ein starker Stotterer. Er besucht das Internat der King’s School in Canterbury, was für ihn zur demütigenden Erfahrung wird. Anschließend geht er nach Heidelberg, wo er Philosophievorlesungen hört, und studiert danach Medizin in London. Das Examen legt er 1898 ab und praktiziert einige Zeit im Londoner Viertel Lambeth. Die Erlebnisse und Erfahrungen aus jener Zeit verarbeitet Maugham in seinem Erstlingswerk Liza of Lambeth (1897), das ihm sofort großen Erfolg beschert. Sein erstes erfolgreiches Bühnenstück kommt 1907 heraus, weitere Stücke folgen. Zwischenzeitlich lebt Maugham in Paris. 1915 gelingt sein Durchbruch als Romanautor mit Der Menschen Hörigkeit. Während des Ersten Weltkriegs ist Maugham als Agent für den englischen Auslandsgeheimdienst MI6 tätig, u. a. im revolutionären Russland. Als Schriftsteller und vor allem als sehr produktiver Bühnenautor ist Maugham außerordentlich erfolgreich. Er ist der meistgelesene (10 Millionen verkaufte Exemplare zu seinen Lebzeiten) und bestbezahlte Autor seiner Zeit. Wie ein Star bewegt er sich in den führenden Kreisen der englischen und französischen Gesellschaft. Diese bilden auch den Hintergrund vieler seiner komödiantisch-satirischen Bühnenstücke. Sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, ist für einen angesehenen Engländer jener Zeit undenkbar. 1917 heiratet Maugham eine Dame der englischen Gesellschaft. Aus der Ehe geht eine Tochter hervor. Sein eigentlicher Lebenspartner ist jedoch der übel beleumdete Amerikaner Gerald Haxton. Nach außen hin ist Haxton als "Sekretär" Mitglied von Maughams Haushalt, ebenso wie später Alan Searle, sein zweiter Partner. Maugham verlegt nach seiner Ehescheidung 1928 seinen Wohnsitz nach Südfrankreich, wo er eine große Villa erwirbt und in fürstlichem Stil lebt. 1933 beendet er seine Tätigkeit als Bühnenautor, 1948 veröffentlicht er seinen letzten Roman. Er stirbt am 16. Dezember 1965 im Alter von 91 Jahren in seinem Haus in Saint Jean Cap Ferrat.

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