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Der Richter und sein Henker

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Der Richter und sein Henker

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Wer ist der Mörder von Polizeileutnant Schmied? Kommissar Bärlach kennt den Täter – will aber einen anderen für das Verbrechen büßen lassen ...


Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Ist Gerechtigkeit möglich?

Kann man das perfekte Verbrechen begehen, das nie entdeckt wird? Oder allgemeiner gefragt: Gibt es Gerechtigkeit in der Welt? Als junge Männer schließen der Polizist Bärlach und ein Ganove über diese Frage eine Wette ab, die ihr Leben bestimmen wird. Bärlach verfolgt über Jahre hinweg einen Gegner, der ihm immer wieder den Beweis liefert, dass selbst Kapitalverbrechen oft nicht geahndet werden können. Als beide alt sind und Bärlach nicht mehr lange zu leben hat, möchte er die Wette noch gewinnen. Schließlich schafft er es, den Verbrecher hinrichten zu lassen – nur nicht mit legalen Mitteln. Friedrich Dürrenmatts erfolgreiches Werk ist ein spannender Kriminalroman und befasst sich zugleich mit tief gehenden moralischen Fragen. Sein Kommissar Bärlach kann auf legalem Weg keine Gerechtigkeit schaffen, also macht er andere Menschen zu Marionetten, die seinen Willen ausführen. In diesem Roman gibt es kein Gut und Böse, keine klare Grenze zwischen Verbrechen und Strafe – und die Frage nach der Gerechtigkeit bleibt offen.

Take-aways

  • Der Richter und sein Henker war Friedrich Dürrenmatts erster Kriminalroman und sein erster literarischer Erfolg.
  • Polizeileutnant Schmied wird ermordet aufgefunden. Der alte Kommissar Bärlach soll den Fall aufklären und wählt zu seiner Unterstützung den jungen Polizisten Tschanz.
  • Der Mordverdacht richtet sich bald gegen einen Herrn Gastmann. In dessen Haus finden geheime Treffen statt, an denen auch Schmied teilnahm.
  • Gastmanns Anwalt kann die Ermittlungen unterbinden. Tschanz verzweifelt darüber, denn er möchte endlich einmal erfolgreich sein.
  • Bärlach kennt Gastmann seit Langem: Vor Jahren haben sie einmal eine Wette darüber abgeschlossen, ob es möglich sei, ein perfektes Verbrechen zu begehen.
  • Seitdem hat Gastmann viele Verbrechen begangen, die Bärlach ihm nicht nachweisen konnte.
  • Bärlach möchte die Wette noch gewinnen, hat aber nicht mehr viel Zeit, denn er ist alt und schwer krank.
  • Bei einem Treffen kündigt Bärlach Gastmann an, dass er ihn stellvertretend für alle seine Verbrechen für diesen Mord bestrafen werde: Sein Henker werde ihn besuchen und töten.
  • Am selben Tag geht Tschanz zu Gastmann. Als er bedroht wird, erschießt er Gastmann.
  • Bärlach überführt Tschanz des Mordes an Schmied. Gleichzeitig wird klar, dass er Tschanz benutzt hat, um die Rache an Gastmann auszuführen.
  • Damit hat Bärlach zwar über Gastmann gesiegt, zugleich aber die Wette verloren: Denn dass er Gastmann absichtlich töten ließ, wird nie entdeckt.
  • Der Roman begründete Dürrenmatts Weltruhm und wurde mehrfach verfilmt.

Zusammenfassung

Ein Toter am Straßenrand

Der Dorfpolizist Alphons Clenin bemerkt eines Morgens auf der Landstraße zwischen den Dörfern Lamboing und Twann einen geparkten Wagen. Der Fahrer scheint zu schlafen. Aber als Clenin näher kommt, stellt er fest, dass der Mann tot ist – er wurde erschossen. Es handelt sich um Ulrich Schmied, einen Polizeileutnant aus Bern. Clenin ist ratlos, als Dorfpolizist ist er Morde nicht gewöhnt. Schließlich schiebt er den Toten auf den Beifahrersitz und fährt mit ihm nach Biel. Die Ermittlungen übernimmt der alte Kommissar Bärlach, ein Vorgesetzter Schmieds.

„Clenin öffnete die Wagentür und legte dem Fremden die Hand väterlich auf die Schultern. Er bemerkte jedoch im gleichen Augenblick, dass der Mann tot war.“ (S. 5)

Als Erstes verschafft sich Bärlach Zutritt zu Schmieds Zimmer und nimmt vom Schreibtisch eine Mappe mit Unterlagen an sich. Seinen Chef, Dr. Lucius Lutz, bittet Bärlach, ihm für diesen Mordfall einen Kollegen an die Seite zu stellen, der einen Großteil der Ermittlungen übernehmen soll: den jungen Polizisten Tschanz. Denn Bärlach ist magenkrank und deshalb nicht mehr voll leistungsfähig. Er besichtigt den Tatort, wo er eine Revolverkugel findet. Im Gespräch mit Tschanz am nächsten Morgen erfährt Bärlach, dass der ermordete Schmied unter seinem Mantel einen Frack getragen hat. In Schmieds Kalender sind bestimmte Tage mit einem G gekennzeichnet, und immer an diesen Tagen ist Schmied abends im Frack weggefahren, allem Anschein nach in den kleinen Ort Lamboing. Aber wer soll in Lamboing regelmäßig Abendgesellschaften geben, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß? Da auch für diesen Tag in Schmieds Kalender ein G eingetragen ist, fahren Bärlach und Tschanz am Abend nach Lamboing.

Nächtliche Schießerei

Als ihnen auf dem Weg einige große, voll besetzte Autos begegnen, schließen sie sich diesen an und kommen zu einem abseits gelegenen Haus, in dem anscheinend Gäste empfangen werden. Am Tor des Hauses hängt ein Schild mit dem Buchstaben G. Tschanz hat bereits recherchiert: In diesem Haus wohnt ein Herr Gastmann. Hier muss auch Schmied verkehrt haben, denn sonst lebt in Lamboing niemand, dessen Name mit G beginnt.

„Ich habe eigentlich nur eine Idee, wer als Mörder in Betracht kommen könnte; aber der, den es angeht, muss die Beweise, dass er es gewesen ist, noch liefern.“ (Bärlach, S. 22)

Nachdem alle Gäste im Haus verschwunden sind, untersuchen Tschanz und Bärlach das Grundstück. Plötzlich wird Bärlach von einem riesigen Hund angegriffen. Er ist zu überrascht, um sich zu wehren. Aber Tschanz erschießt den Hund. Daraufhin zeigen sich einige Leute an den Fenstern des Hauses. Mit Gastmann selbst können die beiden nicht sprechen. Stattdessen werden sie vor dem Haus von seinem Anwalt abgefangen, der zugleich Politiker ist: Nationalrat von Schwendi. Er verspricht jedoch, mit Gastmann zu sprechen und am nächsten Tag zur Polizei zu kommen.

„Er nicht Geld verdienen, er Geld haben. Er zahlen Steuern für das ganze Dorf Lamboing. Das genügt für uns, dass Gastmann ist der sympathischste Mensch im ganzen Kanton.“ (Polizist von Lamboing, S. 40)

Bei einem anschließenden Gespräch mit dem Polizisten von Lamboing erfährt Tschanz, dass Gastmann sehr reich ist, obwohl er offensichtlich keinem Beruf nachgeht. Als er danach nochmals zu Gastmanns Haus zurückkehrt, ist der tote Hund bereits verschwunden.

Die Politik mischt sich ein

Von Schwendi taucht am nächsten Tag wirklich bei der Polizei auf – allerdings nicht bei Bärlach, sondern bei Lutz, dessen Chef. Von Schwendi und Lutz gehören der gleichen Partei an, und Lutz hat dem Nationalrat einiges zu verdanken. Von Schwendi schüchtert Lutz mit seiner herablassenden Haltung ein und erzählt ihm schließlich, was sich hinter Gastmanns Gesellschaften verbirgt: In diesem Haus finden geheime Treffen zwischen Schweizer Industriellen und Vertretern ausländischer Staaten statt, die Wert auf Diskretion legen. Es werden auch immer einige Künstler eingeladen, um den tatsächlichen Zweck dieser Gesellschaften zu vertuschen. Polizeileutnant Schmied hat an diesen Treffen unter dem Namen Dr. Prantl teilgenommen, was den Verdacht nahelegt, dass er ein Spion war. Der Nationalrat weist Lutz an, Gastmann in Zukunft in Ruhe zu lassen, denn dieser habe nichts mit dem Mord zu tun. Denkbar wäre eher ein politischer Hintergrund. Lutz ist von diesen Enthüllungen so verblüfft, dass er von Schwendis Forderungen nachkommt.

„Er ist unhöflich, dachte Bärlach, er liebt die Polizisten nicht; Schriftsteller haben Polizisten nie geliebt. Der Alte beschloss, vorsichtig zu sein, auch Tschanz war von der ganzen Angelegenheit nicht angetan. Auf alle Fälle sich nicht beobachten lassen, sonst kommen wir noch in ein Buch, dachten sie ungefähr beide.“ (S. 76)

Lutz und Bärlach besuchen anschließend Schmieds Beerdigung. Es regnet in Strömen. Gerade als Lutz seine Grabrede beginnen will, kommen grölend zwei Betrunkene herangetorkelt, die einen Kranz tragen. Auf der Schleife steht der Name Dr. Prantl. Sie lassen den Kranz auf den Sarg fallen und verschwinden so plötzlich, wie sie gekommen sind. In diesem Moment wird der Regen so heftig, dass die Trauergäste flüchten und die Feier abgebrochen werden muss.

Ein alter Bekannter

Als Bärlach nach Hause kommt, sitzt jemand an seinem Schreibtisch – der Mann, der jetzt unter dem Namen Gastmann in Lamboing lebt. Es ist ein alter Bekannter Bärlachs: Vor über 40 Jahren haben sie sich in der Türkei kennen gelernt und in einer durchzechten Nacht eine Wette abgeschlossen. Bärlach vertrat die Meinung, dass die meisten Verbrechen ans Tageslicht kämen, weil die Menschen eben nicht vollkommen seien und weil der Zufall immer ein Wörtchen mitzureden habe. Gastmann wettete mit Bärlach, man könne Verbrechen so geschickt begehen, dass sie nie entdeckt und deshalb auch nie gesühnt würden. Schon am nächsten Tag lieferte er einen Beweis: Vor Bärlachs Augen stieß er einen Kaufmann ins Wasser. Bärlach versuchte damals, Gastmann als Mörder verurteilen zu lassen, aber vergeblich: Da der Kaufmann in finanziellen Schwierigkeiten steckte, wurde sein Tod vom Gericht als Selbstmord gewertet. In den folgenden Jahren verübte Gastmann immer wieder Verbrechen, die Bärlach ihm nicht nachweisen konnte.

„Der Schriftsteller lachte. Er sei eben auch eine Art Polizist, sagte er, aber ohne Macht, ohne Staat, ohne Gesetz und ohne Gefängnis hinter sich. Es sei auch sein Beruf, den Menschen auf die Finger zu sehen.“ (S. 81)

Nun weist Gastmann Bärlach darauf hin, dass dieser wegen seiner schweren Krankheit nicht mehr viel Zeit hat, die Wette noch zu gewinnen und seinen Kontrahenten zur Strecke zu bringen. Schließlich geht Gastmann. Bärlach kann nicht verhindern, dass er die Mappe mitnimmt, die der Kommissar aus Schmieds Zimmer geholt hat. Er bricht unter Magenschmerzen zusammen.

Weitere Untersuchungen

Lutz, der Proteste fürchtet, traut sich erst am Nachmittag, Bärlach zu informieren, dass Gastmann nicht weiter behelligt werden soll. Seine Begründung: Da der tote Schmied jetzt unter Spionageverdacht stehe, müsse man erst die Nachforschungen des Bundeshauses abwarten. Außerdem versucht er Bärlach davon zu überzeugen, dass Gastmann nicht der Mörder sein könne. Bärlach nimmt, anders als erwartet, die Anweisungen seines Chefs gelassen auf und bittet ihn für die folgende Woche um Urlaub.

„Es ist mir nicht gelungen, dich der Verbrechen zu überführen, die du begangen hast, nun werde ich dich eben dessen überführen, das du nicht begangen hast.“ (Bärlach zu Gastmann, S. 100)

Anschließend verhören Bärlach und Tschanz einen Schriftsteller, der gleichfalls bei Gastmann verkehrt. Dieser traut Gastmann zwar jedes Verbrechen zu, glaubt aber trotzdem nicht, dass er Schmied ermordet hat. Außerdem war der Schriftsteller zum Zeitpunkt der Tat mit Gastmann zusammen, sodass allenfalls einer von Gastmanns Dienern als Täter infrage käme.

„Ich habe dich gerichtet, Gastmann, ich habe dich zum Tode verurteilt. Du wirst den heutigen Tag nicht mehr überleben. Der Henker, den ich ausersehen habe, wird heute zu dir kommen. Er wird dich töten, denn es muss nun eben einmal in Gottes Namen getan werden.“ (Bärlach zu Gastmann, S. 100)

Tschanz verliert nun die Geduld: Er möchte Gastmann verhören, da er ihn offenbar trotz der Aussage des Schriftstellers für den Mörder hält. Die von Lutz angeordnete Rücksichtnahme versetzt ihn in Wut. Das hat auch persönliche Gründe: Nie war er so erfolgreich wie sein gebildeter und begabter Kollege Schmied, und jetzt, wo er endlich auch eine Chance bekommen hat, sein Können zu beweisen, möchte er den Mörder auf jeden Fall dingfest machen. Verzweifelt fleht er Bärlach an, Lutz umzustimmen. Aber Bärlach bleibt gelassen und macht Tschanz klar, dass er sich nur selbst helfen kann und niemand sonst etwas für ihn tun wird.

„Da begriff Tschanz, dass er in eine heimtückische Falle geraten war, deren Türe nun hinter ihm ins Schloss schnappte. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. Das Entsetzen umklammerte ihn mit immer stärkeren Armen. Die Erkenntnis seiner Lage kam zu spät, es gab keine Rettung mehr.“ (S. 112)

Bei einem anschließenden Besuch bei seinem Arzt und Freund Dr. Samuel Hungertobel erfährt Bärlach, dass er spätestens in drei Tagen operiert werden muss, denn einen weiteren Anfall würde er nicht überleben. Also bleiben ihm nur noch zwei Tage, um den Fall aufzuklären.

Der Überfall

In der folgenden Nacht wird Bärlach von einem Geräusch geweckt und stellt fest, dass jemand im Haus ist. Er greift zu seiner Waffe. Der Eindringling löst einen Kurzschluss aus, sodass das Licht nicht mehr funktioniert, und bewaffnet sich mit einem gefährlichen Messer, das auf Bärlachs Schreibtisch liegt. Bärlach, hilflos in der Dunkelheit, kann weder erkennen, wer der Mann ist, noch sich gegen die Bedrohung wehren. In der Not schießt er mehrmals durch das Fenster, um die Nachbarn auf sich aufmerksam zu machen. Der Eindringling wirft das Messer nach Bärlach, verfehlt ihn jedoch. Dann flüchtet er. Eine halbe Stunde später informiert Bärlach Tschanz über den Zwischenfall. Der Kollege kommt vorbei und besichtigt den Tatort. Nachdem Tschanz Bärlach wieder verlassen hat, kehrt er noch einmal um, aber jetzt ist die Haustür, entgegen Bärlachs sonstiger Gewohnheit, verschlossen.

Die Hinrichtung

Am nächsten Morgen möchte Bärlach nach Grindelwald fahren. Er ruft ein Taxi, das ihn zum Bahnhof bringen soll. Doch auf dem Rücksitz des Wagens, in den Bärlach einsteigt, sitzt Gastmann, und der Fahrer ist einer seiner Diener. In rasendem Tempo fahren sie durch die Stadt. Gastmann droht Bärlach mit dem Tod. Doch dieser bleibt gelassen und gibt offen zu, dass er Gastmann nicht für Schmieds Mörder hält. Bärlach will ihn aber trotzdem für diese Tat bestrafen – anstelle der vielen ungesühnten Verbrechen. Gastmann, verblüfft über diese Logik, lässt Bärlach unbehelligt am Bahnhof aussteigen, droht aber nochmals, ihn umzubringen. Bärlach dreht den Spieß um: Er selbst werde Gastmann einen Henker schicken, der ihn töten werde – und zwar noch heute.

„‚Ich habe mit dir gespielt‘, antwortete Bärlach mit furchtbarem Ernst. ‚Ich konnte nicht anders. Du hast mir Schmied getötet, und nun musste ich dich nehmen.‘“ (S. 114)

Am gleichen Tag macht sich Tschanz auf den Weg zu Gastmann und trifft ihn mit seinen beiden Dienern im Haus an. Nun wird Gastmann klar, was Bärlachs Prophezeiung zu bedeuten hatte. Einer der Diener schießt auf Tschanz, dieser wird aber nur verwundet und tötet mit seiner Waffe die Diener und Gastmann. Die folgende Untersuchung ergibt, dass Schmied mit dem Revolver erschossen wurde, den einer der toten Diener noch in der Hand hält. Damit ist der Mordfall Schmied offensichtlich gelöst.

Geständnisse

Für den nächsten Abend lädt Bärlach Tschanz zu sich ein. Als dieser ankommt, lässt Bärlach von Dienstmädchen Unmengen von Essen auftragen, das er in sich hineinstopft. Tschanz fühlt sich immer unbehaglicher – er ahnt, dass der Kommissar ihm eine Falle gestellt hat. Denn wer so hemmungslos isst, kann gar nicht magenkrank sein: Er hat Tschanz nur deshalb zu seinem Assistenten ernannt, weil er bereits wusste, dass dieser Schmied getötet hat. Er wartete nur darauf, dass Tschanz sich bei den Ermittlungen verraten würde. Solchermaßen in die Enge getrieben, gesteht Tschanz den Mord an Schmied.

„‚Dann waren Sie der Richter, und ich der Henker‘, keuchte der andere. ‚Es ist so‘, antwortete der Alte.“ (S. 117)

Bärlach nimmt diese Eröffnung gelassen auf; er hatte Tschanz von Anfang an im Verdacht. Bärlach selbst hatte Schmied mit den Ermittlungen gegen Gastmann beauftragt, um ihm nach all den Jahren endlich etwas nachweisen zu können. Tschanz, neidisch auf Schmieds Karriere, hatte von diesen Ermittlungen erfahren und tötete Schmied, um den Fall übernehmen zu können. Er wollte auch einmal Erfolg haben, denn Gastmann wäre leicht zu überführen gewesen. Zugleich aber hatte nun Bärlach ein Problem: Er wollte Gastmann endlich bestrafen und die alte Wette gewinnen, aber jetzt zerschlug der Mord an Schmied seine ursprünglichen Pläne. Also entschloss er sich, Tschanz als Henker das Urteil über Gastmann ausführen zu lassen. Die Anweisung seines Vorgesetzten, Gastmann zu schonen, kam ihm dabei zugute, denn Tschanz wollte Gastmann natürlich auch deshalb unbedingt überführen, um von sich selbst als Täter abzulenken. Als dies auf legalem Weg nicht mehr möglich war, erschoss er Gastmann. Seine Waffe drückte er anschließend einem der toten Diener in die Hand. Aus dieser Waffe stammte aber auch die Kugel, die Schmied tötete – und die, mit der Tschanz Gastmanns Hund erschoss. Tschanz sitzt in der Falle.

Nach Bärlachs Enthüllungen wird Tschanz klar, dass der Kommissar ihn nur als Werkzeug für seine eigenen Pläne benutzt hat. Bärlach schickt Tschanz fort. Dieser gerät noch in derselben Nacht mit dem Auto unter einen Zug. Ob er sich das Leben genommen hat oder Opfer eines Unfalls wurde, bleibt ungeklärt.

Bärlach aber geht es nicht gut – er ist nämlich wirklich magenkrank, und seine Fressorgie war nur inszeniert, um Tschanz zu verunsichern und zu einem Geständnis zu bringen. Am nächsten Morgen ist Bärlach für die Operation bereit, die dem Todkranken ermöglichen soll, noch ein Jahr zu leben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Dürrenmatts Kriminalroman Der Richter und sein Henker erzählt das Geschehen von sechs aufeinanderfolgenden Tagen. Die Handlung beginnt am Donnerstag, dem 3. November 1948, mit der Entdeckung von Schmieds Leiche und endet am Dienstagmorgen der folgenden Woche. Innerhalb dieses Rahmens lassen sich die einzelnen Teile der Handlung zeitlich sehr genau einordnen. Der Text ist in 21 Kapitel von recht unterschiedlicher Länge gegliedert. Zwei große Handlungsstränge laufen in diesem Roman zusammen: zum einen die Aufklärung des Mordes an Polizeileutnant Schmied, die sich in der Gegenwart abspielt, und zum anderen die Geschehnisse um die 40 Jahre zurückliegende Wette zwischen Bärlach und Gastmann, die in einer langen Rückblende erzählt werden.

Die Sprache des Romans ist, seiner gesellschaftskritischen Grundhaltung entsprechend, oft überspitzt und ironisch. Auffällig ist auch, dass im Text manches nur angedeutet, aber nicht beim Namen genannt wird, so z. B. Bärlachs lebensgefährliche Magenkrankheit. Dass es sich bei den ausländischen Politikern, die sich bei Gastmann mit Schweizer Industriellen treffen, um Vertreter kommunistischer Staaten handeln muss, ist offensichtlich, wird aber ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt.

Interpretationsansätze

  • Charakteristisch für den Roman ist die Tendenz zu Satire und Parodie. Mit Figuren wie Nationalrat von Schwendi oder Dr. Lucius Lutz übt der Autor beißende Gesellschaftskritik. Einige Szenen kann man nur als grotesk bezeichnen, so die Fahrt des Dorfpolizisten Clenin mit der nickenden Leiche als Beifahrer oder die Beerdigung Schmieds, bei der alle Bemühungen um Feierlichkeit kläglich scheitern.
  • Der Text enthält viele Vorausdeutungen, die erst zum Schluss aufgelöst werden. Bärlach weiß von Anfang an, wer der Mörder ist, aber als Leser kann man nur spekulieren, wieso die geheimnisvolle Mappe so wichtig ist oder wer den Kommissar in der Nacht überfallen hat.
  • Im Zentrum stehen nicht der Mord und dessen Aufklärung, sondern die Wette zwischen Bärlach und Gastmann und damit die moralische Frage nach der Gerechtigkeit. Die Suche nach der Antwort verfolgt beide bis an ihr Lebensende: Gastmann wird erschossen, Bärlach hat höchstens noch ein Jahr zu leben.
  • Gut und Böse sind nicht klar geschieden: Kommissar Bärlach spielt zwar die Rolle des Guten, ist aber dem Bösen Gastmann nicht unähnlich. Sein Kampf um Gerechtigkeit kostet am Ende fünf Menschen das Leben.
  • Oberflächlich gesehen scheint Bärlach die Wette gewonnen zu haben – bei genauerer Betrachtung hat er jedoch verloren: Er benutzt Menschen als Schachfiguren und nimmt auch deren Tod in Kauf; damit bestätigt er gegen seinen Willen Gastmanns These.
  • Hier zeigt sich Dürrenmatts negative Weltsicht: Gerechtigkeit gibt es nicht, der Mensch ist ein Opfer von Zufällen und muss sich notwendigerweise in Schuld verstricken.

Historischer Hintergrund

Pessimismus im 20. Jahrhundert

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war in Europa eine Zeit tief greifender gesellschaftlicher Umbrüche. Schon der Erste Weltkrieg hatte politische Systeme ins Wanken gebracht und althergebrachte Werte infrage gestellt, noch mehr aber war dies nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall. Die Erfahrung des Nationalsozialismus, des Holocaust und des Weltkriegs, der gleichfalls Millionen von Menschen den Tod brachte, ist in der Geschichte ohne Beispiel.

Nicht nur in Deutschland selbst, sondern in ganz Europa wurde nach dem Krieg der Versuch unternommen, das unfassbare Geschehene zu verarbeiten und zu bewerten. Die Schweiz war zwar während des Zweiten Weltkriegs neutral geblieben und hatte vielen Juden und politisch Verfolgten aus Deutschland ein Exil geboten, doch waren auch dort die moralischen Fragen, die diese Erfahrung aufwarf, drängend.

Die Folge war, vor allem bei vielen Intellektuellen und Künstlern, ein negatives Bild des Menschen, der Gesellschaft und der Welt. Die Vorstellung, dass es in der Welt eine Macht gebe, die letztendlich für Gerechtigkeit sorgt, schien nun endgültig widerlegt. Moralische Instanzen wie die Kirche wurden infrage gestellt, denn auch sie hatten das Böse nicht verhindern können. Traditionelle Normen und Werte wurden kritisch hinterfragt. Alle idealistischen Bildungsideale schienen gescheitert: Man hatte ja gesehen, wozu der Mensch fähig war, und das trotz aller Bildung und Kultur. Dieses Weltbild, das Althergebrachtes kritisch betrachtete und grundsätzlich pessimistisch geprägt war, bestimmte die Gesellschaft und die Kunst in den Jahrzehnten nach dem Krieg.

Entstehung

Ende der 40er Jahre, als seine Familie größer wurde, befand sich Friedrich Dürrenmatt in finanziellen Schwierigkeiten. Er wollte als freier Schriftsteller leben, hatte aber ernsthafte Probleme, auf diese Weise eine Familie zu ernähren. 1950 erhielt er von der Wochenzeitschrift Der Schweizerische Beobachter das Angebot, einen Fortsetzungsroman zu verfassen. Dürrenmatt schrieb daraufhin den Kriminalroman Der Richter und sein Henker, der zwischen dem 15. Dezember 1950 und dem 31. März 1951 in acht Folgen veröffentlicht wurde. 1952 folgte die Buchausgabe.

Der Richter und sein Henker steht in der Tradition der Kriminalromane mit moralischer Grundaussage. Zu Dürrenmatts Vorbildern gehören die Werke von G. K. Chesterton, Dorothy Sayers, Georges Simenon und Graham Greene ebenso wie Fjodor M. Dostojewskis Roman Schuld und Sühne. Zugleich aber hebt sich Dürrenmatt von seinen Vorbildern ab und verstößt bewusst gegen die Regeln des Genres: Sein Kommissar Bärlach ist kein scharfsinniger, moralisch integrer Held, sondern ein todkranker alter Mann, der einen Schwerverbrecher nur jenseits der Legalität zur Strecke bringen kann.

Außerdem spiegelt sich in diesem Roman, wie auch in seinen Bühnenwerken, das pessimistische, fast nihilistische Weltbild Dürrenmatts, das dem Leser kein sicheres moralisches Fundament mehr bieten kann und will. Dürrenmatt verarbeitet in diesem frühen Roman bereits Themen, die auch in späteren Werken eine wichtige Rolle spielen: Das Motiv der späten, tödlichen Rache wird er im Drama Der Besuch der alten Dame wieder aufgreifen; ein Kommissar, der sein Leben opfert, um einen einzigen Verbrecher zu stellen, ist auch die Hauptfigur in Dürrenmatts letztem Kriminalroman Das Versprechen.

Wirkungsgeschichte

Der Richter und sein Henker war das erste Werk, mit dem der junge Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt Erfolg hatte. So viel Erfolg, dass ihn Der Schweizerische Beobachter bald darauf bat, noch einen zweiten Kriminalroman mit Kommissar Bärlach als Hauptfigur zu schreiben. So entstand 1951 Der Verdacht, dessen Handlung zeitlich an die von Der Richter und sein Henker anschließt.

Auch international wurde der junge Schriftsteller mit Der Richter und sein Henker bekannt. Das Werk begründete den Weltruhm Dürrenmatts, an den er später u. a. mit den Dramen Der Besuch der alten Dame und Die Physiker anknüpfen konnte.

Bereits 1957 wurde der Roman erstmals für das Fernsehen verfilmt. 1976 entstand unter der Regie von Maximilian Schell eine zweite Filmfassung, in der Dürrenmatt übrigens selbst die Rolle des namenlosen Schriftstellers spielte.

Über den Autor

Friedrich Dürrenmatt wird am 5. Januar 1921 in Konolfingen im Schweizer Kanton Bern geboren. Sein Vater ist protestantischer Pfarrer. In Bern besucht Dürrenmatt das Freie Gymnasium und das Humboldtianum, 1941 legt er die Matura ab. Er ist bestenfalls ein mittelmäßiger Schüler und bezeichnet die Schulzeit später als die übelste Phase seines Lebens. In Bern und Zürich studiert er Philosophie, Literatur- und Naturwissenschaften. Seinen eigenen biografischen Schriften zufolge führt er das Leben eines verkrachten Studenten. 1946 zieht er nach Basel, ein Jahr später heiratet er die Schauspielerin Lotti Geissler, mit der er insgesamt drei Kinder hat. 1947 wird sein erstes Theaterstück Es steht geschrieben uraufgeführt. Aus Geldnot verfasst Dürrenmatt Anfang der 50er Jahre seinen wohl bis heute bekanntesten Kriminalroman Der Richter und sein Henker (1950/51), es folgen Der Verdacht (1951/52) und Das Versprechen (1958). Die Theaterstücke Die Ehe des Herrn Mississippi (1952) und Ein Engel kommt nach Babylon (1953) machen ihn einem breiten Publikum bekannt, die Dramen Der Besuch der alten Dame (1956) und Die Physiker (1962) vermehren seinen Ruhm. Ab 1952 lebt der Schriftsteller in einem eigenen Haus bei Neuchâtel. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet Dürrenmatt 1984 die Schauspielerin und Filmemacherin Charlotte Kerr. Wechselvoll ist sein Verhältnis zur zweiten großen Figur der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts, Max Frisch. Die anfängliche Freundschaft schlägt in gegenseitiges Ressentiment um, das auf persönlicher Antipathie und literarischen Differenzen beruht. Dürrenmatt erhält im Lauf seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Georg-Büchner-Preis. Sein literarisches Werk ist äußerst vielfältig: Neben Theaterstücken und Romanen umfasst es Hörspiele, Essays, Erzählungen, Vorträge sowie autobiografische, literatur- und theatertheoretische Schriften. Daneben arbeitet Dürrenmatt zeitweise als Regisseur und ständig als Maler und Zeichner. Er stirbt am 14. Dezember 1990 in Neuchâtel an einem Herzinfarkt.

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