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Der Schimmelreiter
Buch

Der Schimmelreiter

Berlin, 1888
Diese Ausgabe: dtv, 2002 Mehr

Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Realismus

Worum es geht

Ein neues Menschenbild

Mit Hauke Haien, der Hauptfigur seiner Novelle Der Schimmelreiter, hat Theodor Storm eine literarische Figur geschaffen, die das neue Menschenbild der Gründerzeit, des beginnenden industriellen Zeitalters, verkörpert. Ein Menschenbild, das auch heute noch Gültigkeit beanspruchen kann: Haiens Hang zum Visionären, sein auf die Zukunft gerichtetes Denken, technisches Geschick und ein enormer Arbeitseinsatz verhelfen ihm zum sozialen Aufstieg. Verdienst und Leistungsfähigkeit wiegen mehr als Herkunft und Geburt. Gegen den Widerstand der Dorfbewohner realisiert Haien sein ehrgeiziges Projekt eines hochmodernen Deichs. Die Dörfler haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt und legen Haien mit ihrem Sozialneid und Aberglauben Hindernisse in den Weg. Tatsächlich will Hauke Haien sich mit dem Werk auch selbst Genugtuung verschaffen und den eigenen Ehrgeiz befriedigen. So ist er eine "Kippfigur", in der die Chancen und zugleich auch die Gefahren des industriellen Arbeits- und Gesellschaftsethos angelegt sind. Dass es Storm gelingt, die Komplexität von Haiens Wesen in der Kürze einer Novelle zu entwickeln, macht den Schimmelreiter zu einer der künstlerisch höchststehenden Erzählungen der deutschen Literatur.

Take-aways

  • Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter erschien 1888 im Todesjahr des Autors und gilt als eines der bedeutendsten Prosawerke der Gründerzeit.
  • In der Erzählung verbinden sich mündlich überlieferte Gespenstergeschichten mit der realistischen Beschreibung der Lebensbedingungen hinter den Nordseedeichen.
  • Hauke Haien, ein selbstbewusster, begabter junger Mann interessiert sich schon als Kind für die Kunst des Deichbaus und tritt als Knecht in den Dienst des alten Deichgrafen.

Über den Autor

Theodor Storm wird am 14. September 1817 als Spross einer alteingesessenen Husumer Patrizierfamilie geboren. Sein Vater ist Rechtsanwalt. Storm studiert Jura und lässt sich 1843 ebenfalls als Rechtsanwalt in Husum nieder. Als er sich 1853 gegen die Annektierung Husums durch Dänemark auflehnt, muss er seine Heimatstadt verlassen. Erst 1864 kann er wieder dorthin zurückkehren. In der Zwischenzeit arbeitet er als Assessor in Potsdam, wo er unter anderem mit Theodor Fontane, Joseph von Eichendorff und Paul Heyse verkehrt. In Husum hat er zwischen 1864 und 1880 zuerst das Amt des Landvogts, dann das des Amtsrichters inne. Storm heiratet zweimal, aus den beiden Ehen gehen insgesamt sieben Kinder hervor. Zu einer einschneidenden Erfahrung wird für ihn der Versuch, nach dem Tod der ersten Ehefrau mit der zweiten Frau erneut eine glückliche Ehe zu führen. Die permanente geistige Präsenz der Verstorbenen stellt das neue Eheglück immer wieder infrage. Storm verarbeitet diese Erfahrung in der Novelle Viola Tricolor (1874). Zwischen Immensee (1849), einer Novelle über den Widerstreit zwischen bürgerlichem Leben und Künstlerexistenz, mit der Storm schlagartig berühmt wird, und dem Schimmelreiter (1888) publiziert der Autor noch viele weitere Novellen, unter anderem Pole Poppenspäler (1874), Aquis submersus (1876), Carsten Curator (1878), Hans und Heinz Kirch (1882) sowie Ein Doppelgänger (1886). Daneben entstehen realistisch-impressionistisch getönte Gedichtbände. Theodor Storm erkrankt an Magenkrebs und stirbt am 4. Juli 1888.


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