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Der talentierte Mr. Ripley

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Der talentierte Mr. Ripley

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Das diabolische Meisterwerk von Patricia Highsmith: Tom Ripley ist vielleicht das unwiderstehlichste Ekel der Krimigeschichte.


Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Triumph eines genialen Kriminellen

Eine teuflische Figur, dieser Mr. Ripley: Statt des üblichen rechtschaffenen Detektivs ist Patricia Highsmiths Krimiheld eine Bestie. Tom Ripley erwartet mit 25 Jahren schon nichts mehr vom Leben, als er unverhofft eine Chance bekommt: Ein reicher Reeder schickt ihn nach Italien, damit er ihm seinen verlorenen Sohn zurückbringe, der sich dem italienischen Dolcefarniente verschrieben hat. Tom schließt Freundschaft mit Dickie, aber nicht für lange: Als seine Mission und damit seine Hoffnung auf ein besseres Leben scheitern, bringt er den reichen Erben kurzerhand um. Er nimmt Dickies Identität an und fühlt sich wohler als je zuvor. Tom Ripley lebt als Verwandlungskünstler auf und narrt mit einem verschlagenen Doppelspiel sowie einem zweiten Mord sowohl die Polizei als auch Dickies Freunde. Mit tiefen Einblicken in alle Winkel von Ripleys Psyche schafft Patricia Highsmith eine unheimliche Spannung. Dem Leser bleibt nichts anderes übrig, als mit dem begabten Widerling mitzufiebern, der sich bei seinen Verbrechen amüsiert. Der talentierte Mr. Ripley ist so diabolisch und ohne Moral, dass man ihm einfach verfällt.

Take-aways

  • Der talentierte Mr. Ripley ist der erfolgreichste Kriminalroman von Patricia Highsmith.
  • Inhalt: Der 25-jährige New Yorker Tom Ripley wird vom reichen Reeder Mr. Greenleaf nach Italien geschickt, damit er dort Greenleafs Sohn Dickie zur Heimkehr bewegt. Toms Faszination für den charismatischen Dickie mündet schließlich darin, dass er ihn umbringt und seine Identität annimmt. Mit Verwandlungskünsten und Verschlagenheit narrt Tom alle Verfolger. Am Schluss triumphiert er frei von jedem Verdacht als Dickies Alleinerbe.
  • Das Krimigenre wird in diesem Roman auf den Kopf gestellt: Nicht ein Detektiv, sondern ein Verbrecher wird zum Helden gemacht.
  • Die unheimliche Spannung des Krimis wird nicht durch schnelle Handlung erzeugt, sondern durch den Fokus auf das verzwickte Innenleben des Mörders.
  • Der virtuose Verbrecher Ripley kann als eine Art Künstler gesehen werden, der mit Fantasie dem rigiden Moralkorsett der Gesellschaft entschlüpft.
  • Schon als Kind interessierte sich Patricia Highsmith für die Abgründe der menschlichen Seele, die sie dann an der Figur des Tom Ripley durchspielte.
  • Mit Ripleys latenter Homosexualität thematisierte sie auch die Nöte ihrer eigenen, komplizierten sexuellen Identität.
  • Das Buch war ein großer Erfolg und wurde mehrfach ausgezeichnet und verfilmt.
  • Zwischen 1970 und 1991 verfasste Highsmith vier weitere Ripley-Romane.
  • Zitat: „Er war er selbst und war es nicht. Er kam sich unschuldig und frei vor, obwohl er jeden Schritt, den er tat, bewusst plante und ausführte.“

Zusammenfassung

Die große Chance des Underdogs

Der 25-jährige Tom Ripley lebt ziemlich unzufrieden in New York. Seine Träume von einer Karriere als Schauspieler sind geplatzt, und er ist frustriert von seiner schäbigen Existenz im Big Apple. Seit seinem letzten Job als Steuerbeamter betreibt der verwaiste Einzelgänger mit einem Flair für Mathematik einen Schwindel mit gefälschten Steuerschecks. Sonst lebt er von den Zuwendungen seiner einzigen Verwandten, Tante Dottie. Als ihm ein Mann recht auffällig in eine Bar folgt, denkt er sofort, er sei ins Fadenkreuz der Polizei geraten. Doch der Mann stellt sich ihm als Herbert Greenleaf vor, ein reicher Reeder und Vater von Richard Greenleaf, genannt Dickie. Tom hat den gleichaltrigen Dickie auf einer Cocktailparty kennengelernt, aber schon lange nichts mehr von ihm gehört. Er erfährt, dass Dickie inzwischen in Italien lebt, wo er sich der Malerei und dem Segeln widmet. Sein Vater sähe es aber lieber, wenn er die Werft übernähme, und bittet Tom, nach Italien zu reisen, um Dickie zur Rückkehr zu bewegen. Eine Europareise auf fremde Kosten – das ist genau das, was Tom gefehlt hat.

Schnuppern am Reichtum

Mr. Greenleaf zeigt sich gegenüber Tom sehr großzügig und behandelt ihn wie einen Sohn. Der Reeder hat auf einem Dampfschiff nach Europa ein Erste-Klasse-Abteil reserviert. Tom kann sein Glück kaum fassen: Das ist die Chance, sein erfolgloses Dasein und seine nichtsnutzigen Freunde in New York für immer hinter sich zu lassen. Auf dem Schiff beginnt er ein neues Leben, indem er die Rolle des ernsten jungen Mannes auf einer wichtigen Mission spielt. Gegenüber den anderen Passagieren gibt er sich unnahbar. In seiner Euphorie schreibt er einen Brief an Greenleaf, in dem er detailliert seine bereits erfolgreiche Rückführungsmission erfindet. Den Brief schickt er nicht ab, ein kurzes Abschiedsschreiben an seine ungeliebte Tante Dottie aber, aus deren Abhängigkeit er sich für immer entflohen glaubt, findet tatsächlich den Weg zum Postkasten. Ohne Zwischenstopp reist Tom über Paris und Rom nach Neapel, wo er sich in einem imposanten Hotel einquartiert und sich in einem feinen Restaurant am Meer auf Mr. Greenleafs Kosten verpflegt.

Ein kühler Empfang

Als Tom sein Ziel, das süditalienische Fischerdorf Mongibello, erreicht hat, macht er sich auf die Suche nach Dickie Greenleafs Haus. Er überlegt lange, wie und wann er ihm gegenübertreten soll. Schließlich kauft er sich eine Badehose und geht an den Strand. Dort trifft er tatsächlich auf Dickie und dessen Freundin Marge, eine junge Amerikanerin, die sich in Mongibello als Schriftstellerin versucht und Dickie im letzten Winter Gesellschaft geleistet hat. Der Empfang ist kühl: Dickie erkennt Tom nicht einmal wieder, und nur aus Höflichkeit lädt er ihn zum Essen in sein Haus ein. Tom bewundert dort die echten Picassos an den Wänden und Dickies prunkvolle Ringe. Niemand fordert ihn zum Bleiben auf, und so muss er vorerst ein Hotelzimmer beziehen. Tom überkommen große Zweifel hinsichtlich der Erfolgsaussichten seines Auftrags. Er ist wütend über den missglückten Auftakt.

„Dickie war ein Glückspilz. Und er? Wie lebte er mit fünfundzwanzig? Von der Hand in den Mund. Ohne Bankkonto. Heute zum ersten Mal in seinem Leben vor der Polizei auf der Flucht.“ (S. 15)

Drei Tage lässt er verstreichen, bis er sich wieder zum Strand aufmacht, wo er diesmal Dickie allein trifft. Um seine Gunst zu gewinnen, entscheidet Tom sich, Dickie zu gestehen, dass er in Mr. Greenleafs Auftrag und auf dessen Kosten nach Mongibello gekommen ist. Seine Ehrlichkeit zeigt die erhoffte Wirkung: Toms zweites Essen bei Dickie und Marge wird sehr vergnüglich. Tom beginnt, um Dickies Aufmerksamkeit zu buhlen. Er beneidet ihn um seinen Lebensstil und die Gemälde, mit denen er sich umgibt – und verachtet die schrecklichen Bilder, die Dickie selbst malt. Schließlich zieht Tom sogar in Dickies Haus um. Die neuen Freunde beschließen, gemeinsam nach Neapel zu fahren. An der Bushaltestelle treffen sie Dickies amerikanischen Freund Freddie Miles, den Tom grauenhaft findet.

Achterbahn der Gefühle

In Neapel entschließen sich Tom und Dickie spontan, weiter nach Rom zu reisen, wo sie sich zusammen auf einem Streifzug durch die Nacht vergnügen. Tom bewundert Dickie für sein gutes Aussehen und verabscheut ihn gleichzeitig für sein großspuriges und oberflächliches Gehabe. Zurück in Mongibello zeigt sich Marge verärgert und eifersüchtig. Auch Tom entwickelt einen Hass auf seine Rivalin um Dickies Gunst. Tom und Dickie verbringen fast jede Minute zusammen, gehen segeln, hängen am Strand herum und schmieden Pläne für eine Reise nach Griechenland. Tom genießt das Dolcefarniente mit italienischem Wein und Sonne. Er schreibt an Mr. Greenleaf, dass Dickie auf gutem Weg sei zurückzukehren, obwohl das nicht stimmt. Marge, verliebt in Dickie und nunmehr ausgebootet, versucht ihn zurückzuerobern. Tom beobachtet eifersüchtig, wie die beiden sich wieder näherkommen. Wütend wendet er sich ab und flüchtet in Dickies Zimmer, wo er dessen Kleider anprobiert. Vor dem Spiegel imitiert Tom Dickies Stimme und spielt, wie er Marge umbringt. Dickie überrascht Tom bei diesem Theater und konfrontiert ihn mit Marges Verdacht, er sei homosexuell. Tom streitet dies ab, macht sich aber nun durchaus Gedanken über sein nicht vorhandenes Sexualleben. Dickie beginnt, sich von Tom zurückzuziehen, während dieser eifrig Italienisch lernt.

Eine letzte Vergnügungsfahrt

Tom will Dickie dazu überreden, mit ihm zusammen nach Paris zu reisen – in Särgen versteckt als Drogenkuriere. Dickie hält nichts von diesem verrückten Vorhaben. Der Streit darüber führt zum Bruch zwischen den beiden. Marge hat den Kampf um Dickies Gunst gewonnen, und Tom will angesichts Dickies Desinteresses vor Enttäuschung am liebsten sterben. Den Rest gibt ihm ein unmissverständliches Entlassungsschreiben von Mr. Greenleaf, in dem dieser Toms Mission höflich für gescheitert und beendet erklärt. Tom ist wahrlich erfolglos gewesen: Dickie kauft sich sogar einen Kühlschrank, was keine Zweifel mehr daran lässt, dass er in Mongibello bleiben will. Als Geste des Abschieds willigt Dickie ein, mit Tom noch einen letzten Ausflug nach San Remo zu machen. Auf der Zugreise dorthin zeigt sich Dickie Tom gegenüber herablassend und sehr reserviert und zerstört damit Toms letzte Hoffnung auf eine Versöhnung. Frustriert und hasserfüllt denkt Tom daran, Dickie umzubringen. Er spielt mit dem Gedanken, danach in Dickies Identität zu schlüpfen. Tom beginnt den Mord zu planen. In San Remo schlägt er Dickie vor, ein Boot zu mieten. Auf dem offenen Meer ist es dann so weit: Tom erschlägt Dickie mit einem Ruder. Er nimmt dem Toten die Ringe und Kleider ab, leert seine Taschen aus und versenkt die Leiche mit einem Zementgewicht im Meer. In einer einsamen Bucht lässt er auch das blutverschmierte Boot untergehen. Erschöpft kehrt er ins Hotel zurück, wo er die Abwesenheit seines Freundes kurzum mit dessen plötzlicher Abreise erklärt.

Toms Wiedergeburt

Tom macht sich auf den Weg zurück nach Mongibello, wo er sich um Dickies Besitz kümmern will. Verzückt malt er sich die Genüsse aus, die ihm sein neues Leben als Dickie Greenleaf ermöglichen werden. Marge erzählt er, Dickie halte sich in Rom auf und habe sich entschieden, eine Weile allein dort zu bleiben. Er lässt Dickies Post ans American-Express-Büro in Rom weiterleiten und packt einige Habseligkeiten des Toten in einen großen Koffer. Er erzählt allen, dass Dickie den Winter in Rom verbringe, und verlässt mit Dickies Sachen im Gepäck Mongibello. Außerdem gibt er den Verkauf von Dickies Haus, Boot und Mobiliar in Auftrag. Im Zug fälscht Tom einen Abschiedsbrief von Dickie an Marge, dann checkt er mit Dickies Pass in einem römischen Hotel ein. Den Abend verbringt er damit, Dickies Unterschrift zu üben, damit er die regelmäßigen Geldsendungen von Mr. Greenleaf an seinen Sohn quittieren kann.

„Der erste Schritt musste ohnehin der sein, sich bei Dickie beliebt zu machen. Das wünschte er sich mehr als alles auf der Welt.“ (S. 78)

Die nächsten Tage widmet er ganz dem Studium seiner neuen Rolle. Er führt imaginäre Gespräche mit Dickies Stimme und eignet sich dessen Gestik an. Tom genießt jeden Augenblick in seiner neuen Haut; als Dickie Greenleaf fühlt er sich niemals einsam. Nachdem er einen weiteren gefälschten Brief Dickies an dessen Eltern geschickt hat, reist er mit neuer Identität nach Paris. Dort verbringt er unbeschwerte Weihnachtstage, feiert und erlebt als Dickie seine lang ersehnte Frankreichreise. Zurück in Rom mietet er eine Wohnung. Er vergnügt sich ganz allein im Theater und in Klubs und schreibt in Dickies Namen nichtssagende Briefe an Marge. In Rom nimmt er weitere Italienischstunden, bemüht sich jedoch, Dickies fehlerhafte Aussprache nicht zu verlernen. Tom meidet Kontakte mit Amerikanern. Er fühlt sich frei, schuldlos und rechnet mit keinerlei Problemen.

Mord Nummer zwei

Unerwartet taucht Freddie Miles in Dickies römischer Wohnung auf und findet dort Tom Ripley vor, der ihn aus der Wohnung hinauskomplimentiert. Als Freddie Verdacht schöpft und zurückkommt, erschlägt Tom ihn kurzerhand mit einem Aschenbecher. Er trägt die Leiche zu Freddies Wagen, übergießt sie mit Schnaps und entsorgt sie hinter einem finsteren Grabmal an der Via Appia. Den Wagen stellt er vor einem Nachtklub in der Stadt ab. Als Alibi denkt Tom sich ein spontanes Besäufnis von Dickie und Freddie aus. Dann richtet er seine Wohnung entsprechend her. Schließlich erwartet er als Dickie die Polizei in seiner Wohnung. Nach der ersten Vernehmung zieht er in ein Hotel um und entgeht dort knapp einer Begegnung mit Van Houston, einem weiteren besorgten Freund Dickies. Tags darauf sind die Zeitungen voll von Artikeln über den Mord an Freddie Miles. Darüber hinaus wird aus San Remo der Fund eines Bootes mit Blutspuren gemeldet. Als auch noch Marge einen Besuch in Rom ankündigt, merkt Tom, wie sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zieht. Die römische Polizei vernimmt ihn ein zweites Mal im Hotel. Sie geht davon aus, dass Tom Ripley verschollen ist, und verdächtigt ihn, den sie für Dickie hält, des Mordes. Trotzdem erlaubt sie ihm, eine geplante Reise nach Palermo zu unternehmen. Tom packt Dickies Sachen und schafft es, sowohl Marge als auch Van zu täuschen und aus Rom zu fliehen.

Dickie muss wieder abtauchen

Tom verbringt weitere Tage als Dickie Greenleaf in Neapel und Palermo. Das Risiko, dass der ganze Schwindel auffliegen könnte, amüsiert ihn. Doch als die Bank die Echtheit seiner Unterschrift anzweifelt und Dickie zur Klärung von Toms Verschwinden von der Polizei nach Rom zitiert wird, wird es Tom in Dickies Haut zu gefährlich. Er bereitet Dickies Untergang vor. Unter Tränen trennt er sich von dessen Kleidern, löst die letzten Travellerschecks ein und deponiert die Koffer unter einem falschen Namen. Nur Dickies Ringe behält er bei sich. Tom verwandelt sich wieder in sich selbst und kauft in Trient ein Auto, weil er vorgeben will, die letzten Monate reisend in diversen Ecken Italiens verbracht zu haben. Schließlich lässt sich der wiedergeborene Tom Ripley in Venedig nieder.

Showdown in Venedig

Der verschollen geglaubte Tom Ripley meldet sich bei der Polizei und wird in Venedig von den gleichen Beamten verhört, die ihn bereits als Dickie in Rom vernommen haben. Er spielt sich selber glänzend und es gelingt ihm, den Verdacht gegen Dickie zu verstärken. Nachdem er die Polizisten erfolgreich an der Nase herumgeführt hat, leistet sich Tom Ripley ein teures Essen. Nun schreibt er versöhnlich klingende Briefe an Mr. Greenleaf und Marge, in denen er Dickies Selbstmordabsichten andeutet. Während Dickies Verschwinden in der Presse großes Aufsehen erregt, wird Tom Ripley immer selbstbewusster. Er schreibt Dickies Testament, in dem dieser Tom sein ganzes Vermögen vermacht. Marge kommt nach Venedig, um Tom zu treffen, und die beiden verbrüdern sich, während sie gemeinsam über Dickies Verbleib rätseln. Tom quält sich mit der naiven Marge zwar ab, kann aber ihr Vertrauen gewinnen. Nun lädt er auch Mr. Greenleaf nach Venedig ein, der inzwischen in Rom nach seinem Sohn sucht. Tom Ripley blickt dem Treffen mit Mr. Greenleaf ängstlich entgegen. Doch trotz den zahlreichen rätselhaften Unstimmigkeiten um Dickies Verschwinden kann Tom jeden Verdacht von sich ablenken. Selbst als Marge Dickies Ringe bei Tom findet, macht er den beiden plausibel, dass Dickie sie ihm vor seiner Abreise aus Rom geschenkt habe.

„‚Dickie, diese Sache möchte ich ein für alle Mal klären‘, sagte Tom feierlich. ‚Ich bin auch kein Homo, und ich will nicht, dass irgendjemand so etwas von mir denkt.‘“ (S. 115)

So souverän er sich ständig gibt, so labil ist Tom doch inzwischen geworden. Um ein Haar bringt er auch Marge um. Als ein von Mr. Greenleaf engagierter Privatdetektiv in Venedig eintrifft, ist Tom sicher, dass sein Lügengebäude jeden Moment einstürzen wird. Er übersteht aber auch dieses letzte Verhör dank einer meisterhaften schauspielerischen Leistung unbeschadet. Als schließlich alle an Dickies Selbstmord glauben, überzeugt Tom auch noch das eigene Gewissen von seiner Unschuld. Tom Ripley bringt nun Dickies Testament zum Vorschein und schickt es an Mr. Greenleaf, bevor er in die lang ersehnten Ferien nach Griechenland reist. Auf dem Schiff überkommt ihn ein letztes Mal Panik, als er erfährt, dass Dickies Koffer, die Tom eingelagert hat und die seine Fingerabdrücke tragen, gefunden worden sind. Doch entgegen allen Erwartungen kommt ihm die Polizei nicht mehr auf die Schliche. In Athen erhält er stattdessen einen liebevollen Brief von Mr. Greenleaf, der an Dickies Testament nichts auszusetzen hat. Tom Ripley hat auf der ganzen Linie gewonnen und lässt sich triumphierend ins beste Hotel fahren.

Zum Text

Aufbau und Stil

Patricia Highsmith erzählt in Der talentierte Mr. Ripley auf gut 400 Seiten die Geschichte der Titelfigur aus der personalen Perspektive, also aus Tom Ripleys Sicht, aber in der dritten Person. In 30 Kapiteln werden die Episoden von Ripleys perfektem Verbrechen chronologisch wiedergegeben, und der Leser wird dabei immer wieder in das bewegte Innenleben des Täters hineinversetzt. Ripleys Entwicklung vom schüchternen Versager zum triumphierenden Mörder lässt uns die Autorin durch zahlreiche raffinierte Charakterzeichnungen miterleben. Sämtliche Figuren erhalten durch Ripleys impulsive Einschätzungen scharfe Konturen. Die genauen Beschreibungen von Toms eigenen Ängsten und Hoffnungen bewirken, dass der Leser letztlich zum Komplizen des Mörders wird und mit ihm mitfiebert. Die spannendsten Momente werden mit Dialogen erzielt. Oft wird die Handlung auch durch eingebaute Texte wie Briefe oder Presseberichte in raschem Tempo vorangetrieben. Der Roman enthält eine subtile Metaphorik, wobei sich vor allem Ripleys Obsession für Verkleidungen durch das ganze Buch zieht. Die Handlung spielt in den 1950er-Jahren, und zu den detailliert gezeichneten Schauplätzen zählen neben dem fiktiven Fischerdorf Mongibello auch Städte wie New York, Rom, Paris, Venedig und Athen.

Interpretationsansätze

  • Patricia Highsmith sorgt für eine Revolution in der Krimigeschichte, indem sie mit Tom Ripley statt des Ermittlers einen Mörder im Zentrum der Handlung zeigt und ihn zu allem Überfluss auch noch ungeschoren davonkommen lässt. Das klassische Muster des Kriminalromans wird so verkehrt: Der Leser muss kein Verbrechen enträtseln, sondern zittert mit dem Täter auf der Flucht vor seinen rechtschaffenen Verfolgern.
  • Der Roman ist eine tiefschürfende psychologische Studie eines traumatisierten Einzelgängers, der sich in seiner eigenen Haut nie wohlfühlt und aus Enttäuschung und Zurückweisung zum Mörder wird. Die Spannung der Handlung wird durch die psychischen Komplexe der Hauptfigur erhöht.
  • Im Hintergrund wird das soziale Spannungsfeld der 1950er-Jahre sichtbar, in dem ein mittelloser und frustrierter, aber begabter junger Mann um jeden Preis versucht, Zugang zur sogenannten besseren Gesellschaft zu erhalten.
  • Tom Ripley verkörpert den genialen Künstler in einer spießbürgerlichen Welt: Mit viel Fantasie, Risiko und Improvisation und entgegen allen Gesetzen der Vernunft und Logik bringt er ein kriminelles Kunstwerk zustande. Die Autorin verwendet das Verbrechen ketzerisch als Parabel für die künstlerische Freiheit. Der virtuose, unmoralische Schauspieler Ripley ist seinen realitätsorientierten, fantasielosen Gegenspielern haushoch überlegen.
  • Die Handlung und die Entwicklung des Helden wird durch eine subtile Kleidermetaphorik untermalt. Für Tom Ripley ist das Sprichwort „Kleider machen Leute“ Programm: Er eignet sich die Kleider seines Opfers als zweite Haut an.
  • Mit Ripleys latenter und unerfüllter Homosexualität thematisiert Patricia Highsmith die Nöte ihrer eigenen komplizierten sexuellen Identität. Vordergründig kommt das Buch ohne Sex aus, die Homoerotik ist allerdings in Untertönen stets präsent.

Historischer Hintergrund

Das biedere Amerika der 50er-Jahre

Das Leben in den USA in der Mitte des 20. Jahrhunderts war geprägt von einem großen wirtschaftlichen Aufschwung und rasch wachsendem Wohlstand. Im Boom nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Konsumgesellschaft, und die massenhafte Verbreitung von Fernsehen und Automobil veränderte den amerikanischen Alltag nachhaltig. Die 50er-Jahre sollten trotzdem als ein konservatives Jahrzehnt in Erinnerung bleiben. Der Babyboom sorgte für rasant wachsende Vorstädte, in denen die bürgerliche Familienidylle im eigenen Häuschen zur gesellschaftlichen Norm wurde. Die Vertreter der Bürgerrechte von Frauen und Schwarzen dagegen mussten in diesem engen Umfeld herbe Rückschläge einstecken. Der Beginn des Kalten Krieges dominierte die politische Agenda, und viele soziale Probleme wurden von der Öffentlichkeit vernachlässigt oder verdrängt. Der konservative Mainstream zeigte wenig Toleranz gegenüber Abweichungen und Minderheiten. So wurde unter der Führung des übereifrigen Senators Joseph McCarthy eine Hexenjagd auf Sympathisanten des Kommunismus – auch auf lediglich vermeintliche – durchgeführt. Daraus entstand ein Klima des generellen Verdachts, das Medien und Gesellschaft prägte. Diesen eisigen Wind bekamen auch viele Künstler und Homosexuelle zu spüren, die der dominierenden Kultur kritisch gegenüberstanden. Nach und nach rebellierten Teile der Jugend gegen den biederen Lebensstil, musikalisch begleitet vom Aufkommen des Rock ’n’ Roll.

Entstehung

Im Unterschied zu anderen Schaffensperioden hat Patricia Highsmith während ihrer Arbeit an Der talentierte Mr. Ripley praktisch keine Tagebucheinträge verfasst. Weil sich im Nachlass der Autorin auch keine Vorstufen des Romans finden, lassen sich Beginn und Ende der Arbeit nur grob bestimmen. Aus dem Jahr 1954 stammt ein einziger direkter Kommentar zum Roman, der unter dem Arbeitstitel A Month of Sundays entstand. Highsmith zog sich zum Schreiben allein in eine Hütte in Stockbridge, Massachusetts, zurück und notierte am 12. Mai 1954, sie sei „sehr glücklich“ bei der Arbeit. Schon als Neunjährige war die Autorin von Gut und Böse fasziniert, nachdem sie im Bücherregal der Eltern Karl Menningers Abhandlung über das menschliche Verhalten, The Human Mind, entdeckt hatte. Das Buch ist voller Fallstudien über Kleptomanie, Pyromanie und Schizophrenie. Nach frühen literarischen Erfolgen reiste die Autorin Anfang der 50er-Jahre mehrmals durch Europa, wo sie Anregungen für ihre Romanschauplätze sammelte. Später schilderte Highsmith, wie ihr im Sommer 1951 im italienischen Positano die Figur des Tom Ripley eingefallen sei, als sie vom Hotelbalkon einen nachdenklichen jungen Mann beobachtet habe, der mutterseelenallein am Strand entlangschlenderte. Die Handlung des Romans stellte die Autorin mehrmals auf den Kopf: So plante sie im März 1954 die Geschichte eines „halben Homosexuellen“, der aus reinem Vergnügen eine verbrecherische Laufbahn einschlägt. Im Sommer desselben Jahres nahm der Plot nach mehreren unterschiedlichen Versionen schließlich die endgültige Form an. Der Roman erschien erstmals 1955 in New York.

Wirkungsgeschichte

Nachdem ihr erster Kriminalroman Zwei Fremde im Zug 1951 von Alfred Hitchcock verfilmt worden war, legte Patricia Highsmith mit Der talentierte Mr. Ripley nach und durchbrach mit dem Roman die traditionellen Muster des Krimigenres. Die Leser konnten sich dem packenden Rollentausch vom Detektiv zum Mordkomplizen nicht entziehen. Das Buch war ein großer Erfolg und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ausnahmsweise ließ sich sogar die Literaturkritik von einem Krimi begeistern und zeigte sich beeindruckt von der revolutionären Perspektive und der tiefgründigen Erzählform. Der Roman bescherte der Autorin auch mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Grand prix de la littérature policière und den Spezialpreis der Mystery Writers of America.

Als unkonventionelle Grenzgängerin zwischen anspruchsvoller Literatur und Krimi hatte Highsmith immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Mit ihrem Flair fürs Makabre hatte sie vorerst in Europa mehr Fans als in den USA. Tom Ripley ist bis heute ihre populärste Figur. Ursprünglich hatte Highsmith mit dem amoralischen Gentleman wohl keine Serie geplant, doch von 1970 bis 1991 ließ sie Ripley in vier weiteren Romanen auftreten. Nach Der talentierte Mr. Ripley folgten Ripley Under Ground, Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund, Der Junge, der Ripley folgte und Ripley Under Water, wobei der Held nach weiteren haarsträubenden Morden immer wieder davonkommt. Die Geschichte machte auch im Kino Furore und verlieh so wiederum dem Buch neue Popularitätsschübe: 1960 spielte Alain Delon den Tom Ripley in dem Film Nur die Sonne war Zeuge, der der Geschichte allerdings ein moralisierendes Ende überstülpte. Das erfolgreiche Hollywood-Remake folgte 1999, diesmal mit Matt Damon in der Rolle des Tom Ripley, unter der Regie von Anthony Minghella. Auch dieser Film kam allerdings nicht ohne ein Ende aus, das Ripleys unmoralischen Sieg durch Gewissensbisse trübte – ein Zug, der der Figur in Highsmiths Roman durchweg fehlt.

Über die Autorin

Patricia Highsmith wird am 19. Januar 1921 in Fort Worth, Texas, geboren und wächst nach der Scheidung der Eltern bei ihrer Großmutter auf. 1934 zieht sie mit Mutter und Stiefvater nach New York. Nach der Highschool studiert sie englische Literaturwissenschaft am renommierten Barnard College, das nur Frauen offensteht. Außerdem belegt sie Kurse in Zoologie, Griechisch und Latein. Schon in der Schulzeit schreibt sie Geschichten und zeichnet viel. Ab 1943 arbeitet sie als Comictexterin und Illustratorin. Die Modezeitschrift Harper’s Bazaar veröffentlicht im August 1945 ihre Kurzgeschichte The Heroine. Daraufhin erhält sie ein Stipendium für die Künstlerkolonie Yaddo, wo sie große Teile ihres ersten Romans Zwei Fremde im Zug (Strangers on a Train) schreibt. Der Erstling ist außerordentlich erfolgreich und wird 1951 von Alfred Hitchcock verfilmt. 1953 schreibt Patricia Highsmith unter dem Pseudonym Claire Morgan eine lesbische Liebesgeschichte mit Happy End, Salz und sein Preis (The Price of Salt). Sie wird millionenfach verkauft. Die frühen Erfolge verschaffen ihr finanzielle Unabhängigkeit, die sie für ausgedehnte Reisen nach Europa nutzt. Tom Ripley ist die Hauptfigur in fünf ihrer Romane. Highsmith ist aber auch jenseits der Ripley-Bücher ungemein produktiv und verfasst insgesamt 22 Romane sowie eine Vielzahl von Kurzgeschichten und Essays. 1963 siedelt sie definitiv nach Europa über, zunächst in das süditalienische Künstlerdorf Positano, dann nach England. Von 1967 bis 1981 lebt sie in der Nähe von Fontainebleau in Frankreich, bevor sie in die italienische Schweiz zieht. So oft wie sie ihren Wohnort wechselt, so unstet ist auch das Liebesleben der lesbischen Autorin. Sie hat eine Vielzahl von Beziehungen zu Frauen, die meistens nach ein bis zwei Jahren in einem emotionalen Fiasko enden. Highsmith lebt sehr zurückgezogen und meidet öffentliche Auftritte und Interviews. Überliefert ist neben ihrem Hang zum Alkohol ihre ausgeprägte Tierliebe, besonders für Katzen und Schnecken. Von 1981 bis zu ihrem Tod lebt Patricia Highsmith in Tegna im Tessin. Sie stirbt am 4. Februar 1995 in einem Krankenhaus in Locarno an Krebs.

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