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Die Chronik der Sperlingsgasse
Buch

Die Chronik der Sperlingsgasse

Berlin, 1857
Diese Ausgabe: Kröner, 2015 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Realismus

Worum es geht

Ein Bindeglied zwischen Spätromantik und früher Moderne

Als Die Chronik der Sperlingsgasse 1877 in zweiter, illustrierter Auflage erschien, wurde sie als Idylle, als sentimentale Heimatliteratur geschätzt – aber als solche auch völlig missverstanden. Die kleine, überschaubare Welt der titelgebenden Gasse bildet das ganze Leben ab. Glück und Leid, Leben und Tod liegen so eng beieinander, dass sie nicht voneinander zu trennen sind. Trotz aller heiteren und niedlichen Szenen und aller humoristischen und satirischen Einlagen ist der gesamte Text mit bedrückenden Schlaglichtern auf soziales Elend unterlegt. Armut, Krankheit und behördliche Willkür bestimmen den Alltag der einfachen Leute und formen ihr Schicksal. Nicht die Feier der Heimat ist das Thema der Chronik – ihr Verlust ist es: Auswanderung, Ausweisung und innere Emigration sind das Ergebnis der politischen und sozialen Umstände in Deutschland; die Besinnung auf Familie, Liebe und Freundschaft scheinen Raabe das einzig wirksame Gegengift – und ein Modell fürs Land. In der Darstellung der sozialen Frage fast schon dem Naturalismus zugehörig, in der Wahl der literarischen Mittel zum Teil noch der Romantik verpflichtet, fällt Raabes Erstling aus allen Schubladen. Und das macht ihn modern.

Zusammenfassung

Ein alter Mann beginnt sein Lebenswerk

An einem regnerischen 15. November sitzt der alternde Schriftsteller Johannes Wachholder am Fenster seiner Wohnung in der Sperlingsgasse und grübelt melancholisch über die Schlechtigkeit der Welt, ihren Hunger und ihre Armut. Er greift sich einen alten Text von Matthias Claudius und findet auch hier trübe Herbststimmung. Als sich in den Regen jedoch der erste Schnee des Jahres mischt, ändert sich alles: Die Menschen im Viertel freuen sich, und auch Wachholder ist plötzlich voller Tatendrang. Er beschließt, eine Chronik zu verfassen: die Chronik der Sperlingsgasse. Keinen Roman will er schreiben, sondern eine Plauderei. Er will seine Einsamkeit und sein Alter bannen und in die Beobachtungen vor Ort Erinnerungen an sein Leben einflechten. Wachholder liebt die alten Stadtteile und ihre Bewohner. Große Kunstwerke erblickten in den Dachstuben solcher Viertel das Licht der Welt. Und hier soll auch ihm sich nun die große Welt zum „Traum- und Bilderbuch der Sperlingsgasse“ verdichten.

Am 30. November, einem Regentag, zieht ein Mann in die gegenüberliegende Wohnung, in der einst...

Über den Autor

Wilhelm Raabe wird am 8. September 1831 in Eschershausen im Herzogtum Braunschweig als Sohn eines Juristen geboren. Seine Mutter macht ihn bereits im Alter von fünf Jahren mit Robinson Crusoe bekannt. Ein starker Einfluss ist zudem der Großvater August Raabe, der als schriftstellernder Postrat die Fantasie des Jungen anregt. 1845 stirbt der Vater, die Mutter siedelt mittellos mit den Kindern nach Wolfenbüttel über. Wilhelm versagt auf dem Gymnasium, das er nach der siebten Klasse ohne Abschluss verlässt. Gelobt wird er lediglich für seine zeichnerischen Fähigkeiten und sein sprachliches Talent. Es folgt eine Buchlehre in Magdeburg, die er jedoch nach einem Selbstmord in seinem Bekanntenkreis 1853 verstört abbricht, um zu seiner Mutter nach Wolfenbüttel zurückzukehren. 1854 geht er nach Berlin, um als Gasthörer ohne Abitur Philologie zu studieren. Dort schreibt er ab November 1854 seinen ersten Roman Die Chronik der Sperlingsgasse, der 1856 veröffentlicht wird. Beim Publikum, vor allem aber auch bei der Kritik, ist der Roman ein Erfolg. Raabe entschließt sich, als freier Schriftsteller zu leben. Im Juli 1862 heiratet er Bertha Leiste, mit der er nach Stuttgart zieht. Das Paar bekommt vier Töchter. Um die Familie zu ernähren, ist Raabe enorm produktiv und schreibt im Lauf seines Lebens über 80 Romane, Novellen und Erzählungen. Bekannt werden vor allem Die schwarze Galeere (1861) und Der Hungerpastor (1864). Im Juli 1870 zieht die Familie nach Braunschweig. Die Werke des Autors werden künstlerisch anspruchsvoller, der literarische Erfolg seiner Anfangsjahre bleibt zunehmend aus. Mit Stopfkuchen (1891) sieht Raabe sein Lebenswerk vollendet. Er schreibt nicht mehr viel und widmet sich verstärkt der Malerei. Am 15. November 1910 stirbt er.


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