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Die Insel des Dr. Moreau

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Die Insel des Dr. Moreau

dtv,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Schiffbrüchig auf einer Insel voller Tiermenschen – eine fantastische Horrorstory.


Literatur­klassiker

  • Horror
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Eine grauenvolle Schöpfungsgeschichte

Was wäre, wenn ein skrupelloser Arzt sich in einem abgelegenen Privatlabor ein kleines Tiermenschenvolk zusammenschnetzelte? Genau auf diesem haarsträubenden Szenario, in dem realistische Details kaum Platz haben, das aber der Fantasie umso freieren Lauf lässt, basiert Die Insel des Dr. Moreau. Bedauernswerter Gast in Moreaus Horrorwerkstatt ist der schiffbrüchige Engländer Edward Prendick. Er entdeckt wider Willen zuerst die grässlichen Experimente des zivilisationsflüchtigen Arztes und dann dessen unvollkommene, rachsüchtige Tiermenschen. Es kommt, wie es kommen muss: Die Tiere ermorden ihren irren Schöpfer, und der Gestrandete bleibt allein unter den wieder wild Gewordenen auf der Insel. Und damit beginnt das Grauen erst richtig ... Der junge Wilde H. G. Wells startete mit diesem Klassiker der Science-Fiction richtig durch: Old-School-Horror mit erschreckendem Aktualitätsbezug.

Take-aways

  • Der Roman Die Insel des Dr. Moreau zählt zu den bekanntesten Werken des Science-Fiction-Autors H. G. Wells.
  • Inhalt: Der schiffbrüchige Edward Prendick strandet 1887 auf einer abgelegenen Insel, wo der Chirurg Dr. Moreau mit dem Skalpell lebende Tiere zu Menschen operiert. Als die Tiermenschen sich gegen Moreaus Gesetz auflehnen und ihn töten, überlebt Prendick knapp und entkommt der Insel des Schreckens nach elf haarsträubenden Monaten.
  • Die Insel des Dr. Moreau erschien 1896 und ist ein typisches Werk des jungen Wells, der mit populären fantastischen Geschichten das Genre der Science-Fiction mitbegründete.
  • Hinter Wells’ packendem Thriller versteckt sich eine vielschichtige Gesellschaftssatire.
  • Zentrales Motiv ist die Frage, was passieren könnte, wenn eine Medizin ohne Skrupel mit der Schöpfung experimentiert – der Stoff ist bis heute brisant.
  • Der ewige Kampf Gut gegen Böse, bis heute ein Spannungsgarant, tobt im Roman zwischen einem größenwahnsinnigen Mediziner und dem Ich-Erzähler mit Gewissen.
  • Wells war ein Anhänger der damals noch jungen Evolutionstheorie Charles Darwins.
  • Beeindruckend ist Wells’ Fähigkeit, eine Parodie der Schöpfungsgeschichte in einen Actionplot zu packen.
  • Trotz der ersten, vernichtenden Kritiken beeinflusste das Buch andere Autoren und wurde mehrmals verfilmt.
  • Zitat: „Nicht auf allen Vieren gehen, das ist das Gesetz.“

Zusammenfassung

Vorwort

Die vorliegenden Aufzeichnungen stammen aus dem Nachlass des verstorbenen englischen Privatmanns Edward Prendick. Sein Neffe Charles Edward bezeugt die Echtheit des Tagebuchs. Er bestätigt auch, dass sich sein Onkel am 1. Februar 1887 auf der „Lady Vain“ befunden hat und ein knappes Jahr später in einem kleinen Boot aufgefunden wurde. Die einzige bekannte Insel in dieser Gegend wurde 1891 von einem Schiff besucht. Die Matrosen fanden dort aber außer eigentümlichen Ratten keine Lebewesen.

Vom Regen in die Traufe

Der Passagier Edward Prendick überlebt den Untergang der „Lady Vain“. Er rettet sich mit zwei anderen Überlebenden in ein Rettungsboot. Weil sie weder Lebensmittel noch Wasser an Bord haben, geraten die Hungernden in Streit. Sie wollen losen, mit dem Ziel, einen von ihnen zu opfern, damit die anderen beiden ihn verspeisen und so eine Überlebenschance hätten. Doch im Kampf fallen Prendicks Gefährten über Bord und ertrinken. Prendick treibt im Rettungsboot hungernd und halluzinierend dahin. Er verliert das Bewusstsein und wacht erst in der Kabine des Schoners „Ipecacuanha“ auf. Die Mannschaft des kleinen Schiffes hat ihn entdeckt und gerettet. Ein flachshaariger junger Mann namens Montgomery päppelt Prendick mit allerlei Injektionen und Heilmitteln in der Kabine auf. Er ist auf dem Weg zu einer einsamen Insel, auf der er seit zehn Jahren lebt, nachdem er in England sein erfolgloses Leben als Medizinstudent aufgegeben hat. Montgomery scheint ein unangenehmes Geheimnis zu hüten.

„Ich erinnere mich, wie mein Kopf mit den Wellen schwankte und wie der Horizont mit dem Segel darüber auf und nieder tanzte. Aber ich entsinne mich nicht minder deutlich, dass ich überzeugt war, ich sei tot (...)“ (S. 10)

Ladung wie Besatzung des kleinen Schiffes erscheinen Prendick höchst merkwürdig. Transportiert werden eine Horde Hetzhunde, unzählige Kaninchen, ein Lama sowie ein lebendiger Puma im Käfig. Am meisten erschrickt Prendick jedoch über die Gestalt von Montgomerys Diener. Der Kerl ist bucklig, plump und stark behaart. Er mutet tierisch an – seine Augen blitzen sogar unmenschlich blassgrün. Von den Matrosen wird er geplagt, und auch dem jähzornigen, trunksüchtigen Kapitän ist der Diener nicht geheuer. Der genesene Prendick schlichtet einen Schreit zwischen Montgomery und dem Kapitän, der den Mediziner mitsamt seinem Diener und den Viechern schnellstmöglich loswerden möchte.

„Das Geschöpf wandte sich für den Bruchteil einer Sekunde gegen diese Beleuchtung, und ich sah, dass die Augen, die mich anblickten, blassgrün funkelten.“ (S. 26)

Montgomery belässt es bei vagen Andeutungen, warum er vor Jahren auf der Insel gelandet ist, die sie jetzt ansteuern. Er will keinen Dank dafür, Prendick das Leben gerettet zu haben; alles sei Zufall. Als die lebendige Ladung gelöscht wird, wirft der cholerische Kapitän kurzerhand auch Prendick von Bord und setzt ihn gegen dessen Willen in einem Beiboot aus. Weil Montgomery ihn aber nicht auf die Insel lassen will, glaubt Prendick sich erneut verloren.

Dr. Moreau

Ein paar seltsam aussehende Insulaner bekommen Mitleid und lassen Prendick doch noch auf die Insel. Dort begegnet er weiteren grotesken Geschöpfen: vollkommen einbandagierten Gestalten mit gnomenhaften Gesichtern. Es scheinen noch andere obskure Wesen auf der Insel zu leben, jedenfalls sieht der Ankömmling sie durch die Gebüsche huschen. Die mitgebrachten Kaninchen werden auf der Insel ausgesetzt – als Fleischvorrat. Dem ungebetenen Gast wird ein Zimmer in einem mit Palmblättern bedeckten Gebäude am Strand zugewiesen; durch eine verschlossene Tür ist es vom Innenhof getrennt. Dieser Innenhof wird ihm verboten. Prendick trifft auch Montgomerys Chef, einen weißhaarigen Mann mit hängendem Gesicht: Dr. Moreau. Prendick erinnert sich an einen Skandal in England, wo ein Arzt namens Moreau tierquälerische Versuche an lebenden Hunden, so genannte Vivisektionen, vornahm.

Vivisektionen

Prendick spricht Montgomery auf die spitzen, haarigen Ohren seines Dieners an. Doch dieser weicht aus und gibt vor, ahnungslos zu sein. Im Nebenraum wird der Puma lebendig gehäutet. Seine Schreie werden immer lauter, bis Prendick es nicht mehr aushält. Er rennt davon. Abseits der Hütte sieht er im Gestrüpp ein bekleidetes, halbwildes Lebewesen, das wie ein Tier aus einem Teich trinkt. Zudem entdeckt er den Kadaver eines Kaninchens mit abgerissenem Kopf. Er hat mehrere unheimliche Begegnungen mit seltsamen Gestalten, die sich wie Tiere fortbewegen und kaum reden – und die ihn, wie er mit Grauen feststellt, verfolgen. In höchster Not wehrt er sich mit einem Steinwurf gegen ein räuberisches Wesen, das ihn angreift. Völlig erschöpft findet er zurück zu Moreaus Haus, wo der gefolterte Puma unerträgliche Laute von sich gibt. Montgomery gibt ihm ein Schlafmittel, damit er nicht verrückt werde. Als er erwacht, hört er nicht mehr die Schreie des Pumas, sondern menschliche Schreie. Er platzt in den verbotenen Innenhof und sieht den Chirurgen Moreau am Werk: Er operiert an einem blutigen, einbandagierten Wesen. Moreau schlägt den ungebetenen Zeugen mit blutbesudelter Faust bewusstlos.

Das Geheimnis wird gelüftet

Prendick ist überzeugt, dass Moreau auf der Insel Vivisektionen an Menschen durchführt. Er ist entsetzt über diese Experimente, bewaffnet sich mit einer Stange und flieht erneut. Verzweifelt und mit Selbstmordgedanken geht Prendick ins Meer. Ein affenartiger Tiermensch entdeckt ihn dort und spricht zu ihm fast wie ein Mensch. Er führt Prendick in eine dunkle, von fauligem Abfall stinkende Schlucht, in der das Tiervolk haust. Dort trifft Prendick auf rund zwei Dutzend Tiermenschen, darunter ein rosiges Faultiergeschöpf und ein graues Buckeltier, das im Halbdunkeln sitzt – der „Sprecher des Gesetzes“. Das intellektuell beschränkte Tiervolk rezitiert im Chor eine seltsame Litanei, eine Art Grundgesetz dieser Gemeinde: Nicht auf allen Vieren gehen, nicht schlürfen, kein Fleisch essen. Die Halbtiere legen großen Wert darauf, Menschen zu sein. Wer wie der Affenmensch fünf Finger hat, ist stolz darauf. Dr. Moreau wird vom Tiervolk als Gott verehrt. Als der Angebetete mit Revolvern und Spürhunden in der Schlucht auftaucht, befiehlt er seinem Volk, Prendick festzuhalten. Der zu Tode Geängstigte flüchtet erneut Hals über Kopf. Er geht wieder bis zur Brust ins Meer, um sich zu ertränken, weil er fürchtet, Moreau wolle ihn sezieren und in ein Halbtier verwandeln. Doch Moreau klärt ihn auf: Nicht Menschen werden in Tiere verwandelt, sondern umgekehrt: Die Bewohner der Insel waren einst alle Tiere – Moreau gab ihnen ihre jetzige Gestalt.

„Ich betete laut zu Gott, er möge mich sterben lassen.“ (S. 33)

Moreau erzählt dem schockierten Prendick davon, wie er auf dieser Insel landete und seine ersten Versuche unternahm: Ein Affenmensch war vielversprechend, ein schlangenartiges Ungeheuer, das Menschen fraß, musste hingegen getötet werden. Moreau glaubt, in den zehn Jahren große Fortschritte gemacht zu haben, restlos zufrieden ist er aber noch nicht. Überlässt man die geformten und trainierten Geschöpfe nämlich sich selbst, degenerieren sie und tendieren mit der Zeit wieder zum Tierischen.

Der Aufstand

Langsam gewöhnt sich Prendick an das künstliche Tiervolk und lernt die Wesen zu unterscheiden: Neben Montgomerys Diener gibt es da einen gefährlichen wilden Leopardenmenschen, einen Silberhaarmenschen und eine stinkende Füchsin. Das Grauen verlässt Prendick nie ganz. Einige misslungene Experimente bevölkern das Buschwerk der Insel, etwa kleine rosige Tiere mit langen Hinterbeinen, die Moreau aus der Nachkommenschaft des Tiervolks gemacht hat.

„Das Schreien klang draußen noch lauter. Es war, als hätte aller Schmerz der Welt eine Stimme gefunden.“ (über den Puma, S. 51)

Montgomery und Prendick entdecken ein zweites geköpftes Kaninchen. Moreau ist sehr besorgt darüber und bläst zum Gericht: Das ganze Tiervolk versammelt sich. Zuletzt kommt auch der Leopardenmensch, den alle verdächtigen, das Kaninchen getötet zu haben. Moreau will ihn mit der Peitsche bestrafen, doch die Kreatur greift ihn an, als er sich abwendet. Prendick erschießt den Leopardenmenschen, gerade als er ihm einen Moment sehr menschlich erscheint und weil er merkt, dass Moreau ihn lebendig für sein Folterlabor fangen wollte. Prendick regt sich über die Nutzlosigkeit von Moreaus Unternehmungen auf und fürchtet sich weiter sowohl vor dem Arzt als auch vor seinen unheimlichen Geschöpfen.

Gott ist tot

Prendick zieht sich zurück und will nichts mehr mit Montgomery, Moreau und den Tiermenschen zu tun haben. Er schmiedet Fluchtpläne. Etwa sieben oder acht Wochen nach seiner Landung auf der Insel aber kommt es zur Katastrophe: Der Pumamensch reißt seine Kette aus der Befestigung in der Mauer, schlägt Moreau und Prendick nieder und bricht aus. Prendick bricht sich dabei einen Arm. Moreau stürzt dem geflohenen Raubtiermenschen nach, später folgt ihm Montgomery, beide verschwinden in den Büschen. Schließlich verlässt auch Prendick das Haus. Er hört einen Revolverschuss und trifft auf den völlig verstörten und blutverschmierten Montgomery, der ihm erzählt, dass die Hütten des Tiervolks in der Schlucht verlassen seien. Die Tiermenschen haben jeglichen Respekt verloren. Montgomery und sein tierischer Diener töten in Notwehr zwei Schweinemenschen mit blutbefleckten Mündern.

„Nicht auf allen Vieren gehen, das ist das Gesetz. Sind wir nicht Menschen?“ (der Chor des Tiervolks, S. 79)

Moreau bleibt verschwunden. Deshalb brechen die drei erneut auf, um ihn zu suchen. Sie treffen auf einige aufgeregte Tiermenschen, die Moreau tot gefunden haben – und die deshalb das Gesetz in Zweifel ziehen. Prendick wittert die Gefahr der Anarchie und behauptet, Moreau habe nur den Leib gewechselt und das Gesetz sei weiterhin zu fürchten. Zusammen mit den Tiermenschen gehen sie zum Fundort der Leiche. Unterwegs werden sie von einem weiteren Geschöpf angegriffen. Prendick tötet das Ungeheuer. Sie finden die Leichen Moreaus und des Pumamenschen: Beide haben einander im Kampf getötet. Mithilfe einiger treuer Tiermenschen wird Moreaus Leiche zum Haus zurückgetragen. Im Hof legen Prendick und Montgomery ihn nieder und töten anschließend alle Tiere, die sich noch im Laboratorium befinden.

Montgomerys Ende und die Verwilderung

Moreaus Tod treibt Montgomery in den Wahnsinn. Er streitet mit Prendick und zieht mit ein paar Tiermenschen und einer Flasche Brandy in die Nacht, um sich zu besaufen. Plötzlich hört Prendick Hilferufe. Er entdeckt ein erneutes Gemetzel. Die Betrunkenen haben sich an ihrem Lagerfeuer gegenseitig angefallen: Der Diener ist tot und auch Montgomery stirbt, nicht ohne zuvor zwei Boote – Prendicks Hoffnung auf eine Flucht – in Brand zu stecken. Zu allem Unglück geht auch noch der Hof mit allen Vorräten in Flammen auf, weil Prendick aus Versehen eine Öllampe umgestoßen hat. Mit seinem Revolver bewaffnet tritt Prendick den letzten Tiermenschen mutig und autoritär entgegen. Er lässt die Leichen ins Meer werfen. Als eine widerliche Hyänenschweinbestie sich ihm nähert, schießt er auf sie, doch sie entkommt. Prendick überlegt, wie er allein unter den Tiermenschen überleben kann. Schließlich treibt ihn der Hunger in die Schlucht des Tiervolks, wo er, völlig erschöpft, etwas zu essen findet und einschläft. Er erwacht neben einem unterwürfigen Hundemenschen, der ihn wachleckt. Prendick fühlt sich als Mitglied des Tiervolks, hält aber die Drohung der Wiederkunft Moreaus aufrecht und bleibt auf der Hut vor dem verhassten Hyänenschwein. Zehn Monate lang lebt er so unter den Halbmenschen. Er spielt mit dem Affenmenschen, der sich ihm ebenbürtig fühlt und gern von „großen Dingen“ schwafelt.

Flucht in die Einsamkeit

Nach ein paar Wochen verwildern die Tiermenschen immer mehr. Ihre Artikulation wird undeutlicher, der aufrechte Gang bereitet ihnen Mühe. Sie werden mit jedem Tag primitiver und verlieren allen Anstand; das Gesetz wird wirkungslos. Prendick ekelt sich so sehr, dass er sich wieder in Moreaus Hof zurückzieht. Nur sein treuer Bernhardinerhund bleibt bei ihm. Tagsüber hält er nach einem rettenden Schiff Ausschau. Im Herbst ist sein Arm geheilt. Er fängt an, ein Floss zu bauen, doch es zerbricht, bevor es im Wasser ist. Dann reißt das Hyänenschwein den Bernhardiner. Es kommt zum Showdown der Feinde: Prendick erschießt das Ungetüm im Sprung. Nach dem Tod seines letzten Freundes schläft er wie die Tiere am Tag, um nachts auf der Hut sein zu können. Er baut ein zweites Boot, findet aber kein Gefäß für Trinkwasser.

„Hic non sunt homines, sunt animalia qui nos habemus ... viviseziert. Ein Vermenschlichungsprozess.“ (Moreau, S. 90)

Eines Tages wird ein kleiner Schoner mit zwei Toten ans Ufer getrieben. Darauf findet Prendick ein Fass, füllt es mit Wasser, tötet mit den letzten drei Patronen drei Kaninchen als Proviant und fährt gegen Abend aufs Meer hinaus. Drei Tage lang treibt er auf dem offenen Meer, bevor er von einem Schiff aufgegriffen wird. Er erzählt niemandem von seiner Geschichte und lebt zurückgezogen in England, weil es ihn oft graust vor Menschengesichtern, in denen er Tiere sieht. Er liest, guckt oft in die Sterne und betreibt einige chemische Experimente.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Insel des Dr. Moreau gibt vor, eine geheime Aufzeichnung eines englischen Bürgers am Ende des 19. Jahrhunderts zu sein. Dieser habe zu seinen Lebzeiten niemals über seine Erlebnisse auf der einsamen Insel gesprochen. Vor der eigentlichen Erzählung steht eine kurze Einleitung des fingierten Herausgebers. Der Neffe und Erbe des fiktiven Autors, Prendick, bezeugt darin die Wahrheit einzelner Eckdaten der Geschichte. Er lässt aber die Frage offen, ob die obskuren Geschehnisse auf der Insel tatsächlich der Realität entsprechen. Der Herausgeber mischt sich ein weiteres Mal punktuell ein, um die geografische Beschaffenheit der Insel einer real existierenden zuzuordnen. Der eigentliche Reisebericht ist in 22 kurze Kapitel gegliedert, in denen jeweils eine Episode des rund elfmonatigen Abenteuers erzählt wird. Die Handlung ist oft hochdramatisch, der arme Schiffbrüchige gerät x-mal in Todesgefahr und rettet sich mehrmals aus höchster Not. Der Erzähler ist alles andere als abgebrüht und schildert seine Gefühle entsprechend mitreißend, Dialoge oft in direkter Rede wiedergebend. Zeitgenössisches Seemannsvokabular trägt zum Eindruck eine „echten“ Berichts bei.

Interpretationsansätze

  • Wells’ Roman entwirft eine medizinische Schreckensutopie. Der größenwahnsinnige Wissenschaftler ohne Skrupel, der nach eigenem Gesetz werken kann, ist darin der Bösewicht. Der Erzähler Prendick ist die gewissenhafte Gegenfigur, die das Gute verkörpert und dem Experiment mit Abscheu begegnet.
  • Das zentrale Motiv des Romans ist die Frage nach den ethischen Grenzen der Wissenschaft: Was wäre, wenn ein Forscher seine kühnsten Fantasien zu verwirklichen trachtete?
  • Die Bedrohung durch die wilden Tiermenschen auf der Insel kann auf verschiedenen Ebenen symbolisch gelesen werden: In jedem Menschen steckt ein Tier; die zivile Ordnung steht auf einem prekären Gerüst; der Weg zur sozialen Verrohung ist kurz.
  • H. G. Wells bezeichnete den Roman als „theologische Groteske“. In der Tat kann das Buch als Parodie auf die Schöpfungsgeschichte gelesen werden: Das Projekt eines irren Forschers läuft völlig aus dem Ruder und endet in apokalyptischer Zerstörung – die Natur schlägt zurück.
  • Eine weitere Lesart sieht den Roman als Satire auf die dekadente Zivilgesellschaft: Die Tiermenschen auf Dr. Moreaus Insel gleichen unmündigen, dummen Bürgern der Masse, die ohne Führer verloren sind und verwildern.
  • Wells hatte selbst Biologie studiert und war ein Verfechter des Darwinismus. In der Überzeichnung der Horrorvision schert sich der Autor allerdings keinen Deut um Realismus, wichtiger sind ihm die Fantastik und das Gruseln. Im Nachhinein betrachtet, hat der Roman aber durchaus prophetische Qualität und nimmt medizinische Möglichkeiten vorweg, die mehr als 100 Jahre später im Zeitalter des Klonens und der Genforschung plötzlich doch erschreckend real scheinen.
  • Das Buch ist eine interessante literarische Zwischenform, auch als „scientific romance“ bezeichnet. Es nimmt Motive aus älteren Schauergeschichten und Abenteuerromanen auf, gilt aber zugleich als Vorläufer oder auch als Klassiker der modernen Science-Fiction-Literatur.

Historischer Hintergrund

Evolutionstheorie und Darwinismus

Der britische Naturforscher Charles Darwin war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die prägende wissenschaftliche Figur. Sein bahnbrechendes Hauptwerk Über die Entstehung der Arten von 1859 war die Grundlage der Evolutionstheorie, die bis heute eines der wichtigsten Paradigmen der Biologie ist. Darwin formulierte das Konzept der Evolution, nach dem alle Arten veränderlich sind, und widersprach damit der theologischen Idee einer göttlichen Schöpfung. Weiter propagierte er, dass alle Lebewesen eine gemeinsame Abstammung hätten – worauf er schon von zeitgenössischen Karikaturisten als Affe dargestellt wurde. Der wichtigste Mechanismus der Evolution sind Mutationen und deren natürliche Selektion, wie sie Darwin in späteren Werken detailliert beschrieb.

Darwins Thesen lösten schon zu seinen Lebzeiten heftige Debatten aus. Sie wurden von Beginn an auch in politischer, sozialer und theologischer Hinsicht diskutiert. Befürworter und Gegner von Darwins Thesen lieferten sich öffentliche Streitgespräche. Zu Darwins engsten Verbündeten zählte sein Landsmann und Zeitgenosse Thomas Henry Huxley. Unter dessen Studenten an der Norman School of Science in London befand sich auch H. G. Wells. Der junge Autor wurde später ein Verfechter sozialdarwinistischer Ansichten. Der Sozialdarwinismus, der Ende des 19. Jahrhundert sehr populär war, übertrug Teile von Darwins Theorie auf die Gesellschaft. So wurde etwa das „survival of the fittest“ propagiert. Der Sozialdarwinismus diente als philosophische Grundlage für die Eugenik, eine quasi künstlich geförderte natürliche Selektion – etwas, was Darwin selbst nie gefordert hatte. Nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus landete der Sozialdarwinismus auf der Müllhalde der sozialen Konzepte – das Ansehen Darwins und seiner Evolutionstheorie bleiben in der Wissenschaft aber ungebrochen.

Entstehung

Der Journalist H. G. Wells wurde 1895 mit dem Roman Die Zeitmaschine schlagartig berühmt. Die kommerziell sehr erfolgreiche Verquickung von Experimentiergeist, Gesellschaftskritik und Fantastik ermuntert Wells dazu, auf dieser Schiene weiterzufahren. Binnen weniger Jahre schrieb er, befreit vom Brotberuf sowie geschieden und frisch verheiratet, eine ganze Reihe von fantastischen Romanen im Stil der „scientific romance“. An Stoff mangelte es dem vom Erfolg beflügelten Autor nicht. Die Grundidee zu Die Insel des Dr. Moreau hatte er schon im Januar 1895 anonym in einem Artikel in der Londoner Wochenzeitung Saturday Review veröffentlicht. Den Stoff aus diesem Artikel baute er als 14. Kapitel in den Roman ein. Darin erklärt Dr. Moreau dem schockierten Prendick, was er mit dem Skalpell aus Tieren alles zu schaffen gedenkt. Wells verstand es, seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse mit viel Fantasie zu verknüpfen und spickte den abenteuerlichen Plot gleichzeitig mit theologischen und gesellschaftspolitischen Fragen. Die Erstausgabe des Buches, das sich auf berühmte Vorgänger der Abenteuer- und Schauerliteratur wie Daniel Defoes Robinson Crusoe, Jonathan Swifts Gullivers Reisen oder Mary Shelleys Frankenstein bezieht, erschien 1896 in London.

Wirkungsgeschichte

Die Insel des Dr. Moreau löste bei Erscheinen einen Sturm der Entrüstung aus. Das Buch wurde von der Kritik empört zurückgewiesen; die im Buch mit düsterer und dicker Farbe gemalten Schreckensszenarien waren zu viel für den Geschmack vieler Leser. Im Vergleich zu Wells’ erfolgreichem Debüt und den späteren Romanen Der Unsichtbare und Krieg der Welten wurde der Schauerroman deutlich weniger euphorisch aufgenommen. Doch Wells’ raffinierte Technik, mit Horroreffekten zu spielen, fand auch schon früh Bewunderer. So lobte der Journalist W. T. Stead 1898 Wells als Romancier, der sich auch mit unerfreulichen Dingen abgebe. Im gleichen Jahr bezeichnete ihn Joseph Conrad bewundernd als „Realist des Fantastischen“. Jules Verne dagegen, ein Zeitgenosse aus Frankreich und Begründer der Science-Fiction, bemäkelte die überbordende Fantasie bei Wells. „Ich verwende die Physik, er erfindet“, lautete sein abschätziges Verdikt.

Tatsächlich ist die Idee, aus Tieren mit bloßem Skalpell Menschen zu formen, wenig realistisch. Für eine gute Horrorgeschichte scheint dies allerdings keine Rolle zu spielen: Die Insel des Dr. Moreau wurde mehrmals verfilmt, zudem wurde das Buch zum Vorbild für andere literarische Werke wie etwa George Orwells 1984. So gehört Die Insel des Dr. Moreau heute zu H. G. Wells’ berühmtesten Werken und gilt als Klassiker der fantastischen Literatur.

Über den Autor

H. G. Wells wird als Herbert George Wells am 21. September 1866 im südenglischen Bromley geboren. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, muss im Eisenwarenladen seiner Eltern mithelfen und später als Tuchhändler dazuverdienen. Im Alter von 18 Jahren bekommt er ein Stipendium und zieht nach London, um an der Normal School of Science Naturwissenschaften zu studieren. Er wird Mitglied der sozialistischen Fabian Society und engagiert sich für die Gründung der Labour Party. Sein Lehrer Thomas Henry Huxley macht ihn mit Darwins Evolutionstheorie bekannt. Bei einem Fußballspiel verletzt Wells sich 1887 so schwer an der Niere, dass er in den nächsten Jahren mehrmals fast an den Folgeerkrankungen stirbt. Ab 1889 arbeitet er als Lehrer in London. Er heiratet seine Cousine Isabel Mary Wells, die er jedoch 1894 für seine Schülerin Amy Catherine Robbins verlässt. Unterdessen veröffentlicht er Kurzgeschichten und Essays. 1895 folgt schließlich sein erster Roman: The Time Machine (Die Zeitmaschine). Das von ihm maßgeblich geprägte Science-Fiction-Genre findet schnell Publikum, sodass er in den folgenden Jahren mehrere Romane dieser Art nachlegt. Zu seinen bekanntesten Werken zählen The Island of Doctor Moreau (Die Insel des Dr. Moreau, 1896), The Invisible Man (Der Unsichtbare, 1897) sowie The War of the Worlds (Krieg der Welten, 1898). Bis zu seinem Tod veröffentlicht Wells über 100 Bücher, bleibt jedoch nicht bei der Science-Fiction, sondern schreibt vermehrt politisch engagierte Ideenromane. Er vertritt die Ansicht, dass die Menschheit nur zu retten sei, wenn sie sich ihrem technischen Fortschritt anpasse und sich in einem Weltstaat vereinige. Während des Ersten Weltkriegs arbeitet er für das englische Kriegspropagandabüro; der Zweite Weltkrieg, insbesondere der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, stürzt ihn in tiefe Verzweiflung. H. G. Wells stirbt am 13. August 1946 in seinem Haus in London.

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