Lothar Seiwert und Silvia Sperling
Die Intervall-Woche
Arbeitest du noch oder lebst du schon?
Knaur, 2020
Was ist drin?
Rhythmusmanagement ist das neue Zeitmanagement.
Rezension
Das Leben im falschen Rhythmus macht krank. Wenn also Arbeitnehmer die äußere Taktung ihres Lebens mit ihrem Biorhythmus in Einklang bringen, profitieren nicht allein sie davon, sondern auch der Arbeitgeber. Im Vergleich zur gegenwärtigen Literatur zum Thema Selbstorganisation und New Work geht Zeitmanagement-Guru Lothar Seiwert mit dieser These noch einmal einen radikalen Schritt weiter. Sein Buch beeindruckt mit wissenschaftlichen Hintergründen, einer durchdachten Umsetzungsstrategie sowie zahlreichen praktischen Tipps.
Take-aways
- Wer nicht im Einklang mit seinem persönlichen Biorhythmus lebt und arbeitet, wird krank, unglücklich und leistet keine gute Arbeit mehr.
- Menschen besitzen eine innere Uhr, die Schlaf, Aktivität und Stoffwechselvorgänge reguliert.
- Die bekannten 90-minütigen Schlafzyklen setzen sich in abgewandelter Form auch im Wachzustand fort.
- Je nachdem, wie stark Menschen ihr Leben nach ihrem Biorhythmus ausrichten, lassen sich vier Typen unterscheiden.
- Beobachten Sie Ihre körpereigenen Rhythmen und organisieren Sie Ihren Arbeitsalltag entsprechend.
- Entwickeln Sie mit der Blue-Ocean-Strategie eine persönliche Vision von Ihrem Leben.
- Passen Sie nicht nur Ihre Arbeit, sondern Ihr gesamtes Leben Ihrem persönlichen Rhythmus an.
Zusammenfassung
Wer nicht im Einklang mit seinem persönlichen Biorhythmus lebt und arbeitet, wird krank, unglücklich und leistet keine gute Arbeit mehr.
Die heutigen Arbeitsbedingungen entstammen dem Industriezeitalter. Sie machen uns krank. 2018 fehlten deutsche Arbeitnehmer im Schnitt 18,5 Tage krankheitsbedingt. Immer häufiger sind seelische Ursachen der Grund. 11 Millionen Arbeitstage gehen in Deutschland durch depressive Erkrankungen verloren.
„Unsere Arbeitswelt macht uns krank.“
Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes zeigt einen Zusammenhang zwischen steigender Komplexität im Job und der Zunahme von Stress. Auf ein weiteres Problem weist die Forschungsorganisation RAND Europe in ihrer Studie Why Sleep Matters hin. Demnach entsteht der deutschen Wirtschaft jährlich ein Schaden von 57 Milliarden Euro durch übermüdete Mitarbeiter, die öfter fehlen oder weniger leisten. An der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit kann es allerdings nicht liegen. Die beträgt rund 34 Stunden und liegt damit gut zwei Stunden unter dem europäischen Schnitt. Entscheidend ist dagegen der Rhythmus, der unser Leben bestimmt. Wir haben Schlaf- und Wachrhythmen, aktive und passive sowie kreative und unkreative Phasen. Das Problem ist, dass unsere von außen auferlegten Rhythmen oft nicht unseren natürlichen Rhythmen entsprechen. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts ergab, dass Menschen, die ihr Leben an ihren natürlichen Rhythmus anpassen, gesünder sind, sich besser fühlen, wohlhabender sind und länger leben.
Menschen besitzen eine innere Uhr, die Schlaf, Aktivität und Stoffwechselvorgänge reguliert.
Die Forschungsdisziplin der Chronobiologie beschäftigt sich mit der inneren Uhr, dem natürlichen Rhythmus von Lebewesen. Sie geht auf das Jahr 1729 zurück, als der Astronom Jean-Jacques d’Ortous de Mairan durch Zufall den 24-Stunden-Rhythmus – den sogenannten zirkadianen Rhythmus – der Pflanzen entdeckte. Rund 200 Jahre später widmete sich der deutsche Mediziner und Verhaltensbiologe Jürgen Aschoff den Zyklen des menschlichen Körpers. Legendär wurde sein Bunker-Experiment. Dabei lebte eine Gruppe von Versuchspersonen für mehrere Wochen völlig abgeschottet unter der Erde – und behielt trotzdem einen 24-Stunden-Rhythmus bei. Das Experiment bestätigte die These von einer inneren Uhr des Menschen.
„Der menschliche Körper hat eine eigene Rhythmik.“
Die Wissenschaft unterscheidet verschiedene sogenannte Chronotypen. Geläufig sind die Bezeichnungen Lerche für Frühaufsteher und Eule für Nachtmenschen. Andere Modelle differenzieren noch weiter. Die innere Uhr reguliert übrigens nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern auch Stoffwechselvorgänge oder Aktivitätsphasen. Je genauer die äußere Taktung mit dem inneren Rhythmus übereinstimmt, desto besser geht es uns – wir sollten daher statt Zeitmanagement Rhythmusmanagement betreiben.
Die bekannten 90-minütigen Schlafzyklen setzen sich in abgewandelter Form auch im Wachzustand fort.
Eine Studie des Zukunftsinstituts von 2020 sieht im Thema Schlaf einen der wichtigsten Trends im Bereich Gesundheit. Wohlbefinden hängt laut der Studie in gleichen Teilen von einem selbstbestimmten Arbeitsleben, einem harmonischen Privatleben und regelmäßigem, gesundem Schlaf ab. In Japan belohnen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer, wenn sie eine bestimmte Menge Schlaf pro Monat erreichen.
„Übermüdung resultiert aus Asynchronität zwischen inneren und äußeren Intervallen.“
Neben der Chronobiologie entwickelte sich in den 1960er-Jahren auch die Schlafforschung – die sogenannte Somnologie. Seitdem haben wir viel über gesunden Schlaf gelernt. So wissen wir etwa, dass wir im Schlaf mehrere 90-Minuten-Zyklen durchlaufen: vom Einschlafen über den Leichtschlaf und den Tiefschlaf zur REM-Phase. Ein einzelner Zyklus wird als „Basic Rest Activity Cycle“ (BRAC) bezeichnet. Interessanterweise setzen sich die Zyklen in abgewandelter Form auch im Wachzustand fort: Einer 90-minütigen aktiven Phase folgt eine 10 bis 20 Minuten lange inaktive Phase, die wiederum von einer 90-Minuten-Aktivphase abgelöst wird, auf die schließlich eine 45-minütige inaktive Phase folgt. Wer seine persönlichen Zyklen kennt, kann seine Aktiv- und Regenerationsphasen entsprechend planen.
Je nachdem, wie stark Menschen ihr Leben nach ihrem Biorhythmus ausrichten, lassen sich vier Typen unterscheiden.
Wie wir zwischen Aktivität und Inaktivität wechseln, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dabei lassen sich vier Typen unterscheiden:
- Der Intensive lebt für seine Arbeit. Sein Verantwortungsgefühl treibt ihn zu überdurchschnittlichen Leistungen. Regenerationsphasen bleiben oft auf der Strecke. Der Körper reagiert mit typischen Symptomen wie Verspannungen im Nackenbereich. In Ruhephasen empfinden Menschen dieses Typus ein Gefühl von Kontrollverlust, und wenn es ans Einschlafen geht, beginnen ihre Gedanken zu kreisen.
- Der Traditionelle ist grundsätzlich zufrieden. Freude, Pflichtgefühl und Sicherheitsbedürfnis bestimmen sein Verhältnis zum Job. Allerdings ist auch er – gerade wenn er zusätzliche Aufgaben übernimmt oder Überstunden macht – anfällig für Stress und Überlastung. Darunter leiden seine Erholungsphasen und sein Privatleben.
- Der Flexible strebt nach Freiheit und Erfüllung in seiner Arbeit. Er braucht Herausforderungen und steckt voller Ideen. Entsprechen seine Aufgaben seinen Stärken, leidet der Flexible kaum unter Stress.
- Der Engagierte lebt und arbeitet gemäß seinem eigenen Rhythmus. Sein Hauptmotiv ist Selbstbestimmung. Das Wechselspiel von Anspannung und Entspannung beherrscht er virtuos. Versagensangst oder das Gefühl von Kontrollverlust sind ihm fremd.
Beobachten Sie Ihren körpereigenen Rhythmus und organisieren Sie Ihren Arbeitsalltag entsprechend.
Der persönliche Rhythmus eines Menschen ist genetisch verankert. Die äußere Taktung gibt der Alltag vor. So wirken zwei Kräfte auf den Einzelnen. Sind sie nicht synchronisiert, führt das zu Minderleistung, Übermüdung und Erschöpfung. Mit der BOSS-Methode lässt sich dem entgegenwirken. Das Akronym „BOSS“ steht für Beobachten, Organisieren, Sinn geben und Synchronisieren.
Zunächst müssen wir unseren persönlichen Rhythmus erkennen, indem wir uns genau beobachten. Führen Sie dazu ein Journal, in dem Sie Ihren Tagesablauf protokollieren. Und zwar einmal in einer Woche, in der Sie sich nach der Arbeit richten, und einmal in einer Woche, in der Sie Ihre Zeit selbst einteilen. Das Protokoll einer Arbeitswoche zeigt den Einfluss der Fremdtaktung, das Protokoll einer selbstbestimmten Woche Ihren persönlichen Biorhythmus. Fragen Sie sich jeweils: Wann sind Sie wach geworden? Wann mussten Sie aufstehen? Wann sind Sie besonders leistungsfähig, konzentriert und kreativ? Wann werden Sie üblicherweise müde?
„Nur wer sich selbst kennt, kann Selbstwirksamkeit entwickeln.“
Je achtsamer Sie sich beobachten, desto weniger verpassen Sie. Ansonsten machen Gewohnheiten und Automatismen Sie blind für das, was Sie tatsächlich gerade erleben und welche Gedanken und Gefühle Sie dabei haben. Achtsamkeit hilft Ihnen, den Autopiloten abzuschalten und die Kontrolle über Ihr Leben zurückzugewinnen. Sie lässt sich lernen und trainieren. Das lohnt sich, denn durch genaue Selbstbeobachtung lernen Sie Ihre Stärken und Schwächen kennen. Das wiederum steigert Ihre Selbstwirksamkeit.
Sobald Sie Ihren Rhythmus analysiert haben, geht es daran, Ihren Arbeitsalltag besser zu organisieren. Große berufliche Herausforderungen sollten Sie auf Ihre persönlichen Aktivphasen legen. Wenn Ihr Körper nach einer Ruhephase verlangt, sorgen Sie für Entspannung. Das alles muss natürlich im Rahmen Ihres Arbeitsverhältnisses umgesetzt werden. Früher oder später werden Sie sich daher mit den Anforderungen und Wünschen Ihres beruflichen und privaten Umfelds auseinandersetzen müssen. Setzen Sie hier Ihre Bedürfnisse an die erste Stelle Ihrer Prioritätenliste. Wenn es Ihnen selbst gut geht, können Sie andere Menschen besser unterstützen.
„Sie sind erst dann in der Lage, anderen Menschen wirklich zu helfen, wenn Sie selbst versorgt sind.“
Je nach Typ setzen Sie bei der Planung verschiedene Schwerpunkte. Als vom Verantwortungsgefühl getriebener Intensiver müssen Sie lernen, Pausen zu machen, rigoros Prioritäten zu setzen, Verantwortung zu teilen und mehr Zeit für Ihr Privatleben einzuplanen. Auch in Geduld und Teamfähigkeit sollten Sie sich als Intensiver üben. Als Traditioneller geht es Ihnen vor allem um Sicherheit. Sie sind stark in Routinen verhaftet. Mehr Flexibilität tut Ihnen also in jeder Beziehung gut. Probieren Sie also agile Arbeitsmethoden aus oder investieren Sie mehr Zeit in eigene Projekte. Als Flexibler sind Sie ständig voller neuer Ideen und unterschätzen oft, wie lange es braucht, sie zu verwirklichen. Üben Sie sich daher darin, klare Ziele zu setzen, Deadlines einzuhalten sowie darin, auch einmal Nein zu sagen. Als Engagierter sind Sie der geborene Selbstständige. Überlasten Sie sich nicht, bleiben Sie realistisch und schließen Sie angefangene Aufgaben auch ab. Auch dem Engagierten hilft es, teamfähiger zu werden.
Entwickeln Sie mit der Blue-Ocean-Strategie eine persönliche Vision von Ihrem Leben.
Indem Sie die äußeren Abläufe Ihrem inneren Rhythmus entsprechend planen, werden Sie leistungsfähiger und gewinnen Freiräume. Die sollten Sie nutzen, um mehr Glück und Zufriedenheit in Ihrem Leben zu finden.
In der Organisationsphase standen Ihre Ziele im Mittelpunkt. In der nächsten Phase geht es um die Sinnfrage: Warum tun Sie, was Sie tun? Wer auf diese Frage eine Antwort weiß, kann eine Vision von seinem Leben entwickeln – etwas, das größer ist als temporäre Ziele, das all Ihr Streben ausrichtet und leitet und Ihnen so mehr Erfüllung bereitet. Eine gute Methode dafür ist die Blue-Ocean-Strategie, die von den Wirtschaftswissenschaftlern W. Chan Kim und Renée Mauborgne entwickelt wurde. Sie zielte ursprünglich auf Unternehmen, kann aber auch von Einzelpersonen angewendet werden. Beachten Sie dazu folgende Tipps:
- Eliminieren Sie alles, was Sie ablenkt oder Zeit und Ressourcen raubt, etwa unnötige Kaffeepausen.
- Reduzieren Sie Tätigkeiten, die nicht wirklich wichtig sind. Setzen Sie Technologie ein, um administrative oder repetitive Tätigkeiten auszulagern.
- Stärken Sie Ihre Kernkompetenzen. Lernen Sie und spezialisieren Sie sich. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen, sondern bleiben Sie bei Ihren Stärken.
- Entwickeln Sie neue und ausgefallene Ideen, die Ihnen bei der Erreichung Ihres Ziels helfen. Überwinden Sie Grenzen im Denken. Behalten Sie dabei aber Ihre Strategie im Auge.
Eine Vision geht immer von einem nicht zufriedenstellenden Status quo aus und weist den Weg zu einer Verbesserung. Aus ihr entspringen Innovationen und Veränderungen.
Passen Sie nicht nur Ihre Arbeit, sondern Ihr gesamtes Leben Ihrem persönlichen Rhythmus an.
Die letzte Phase ist die des Synchronisierens. Sie steht im Zeichen einer Zwischenbilanz. Können Sie die Anpassungen im Sinne Ihrer Intervalle im gegenwärtigen Rahmen verwirklichen oder ist ein Jobwechsel nötig? Letztendlich müssen Sie nicht nur Ihren Arbeitsalltag an Ihre Intervalle anpassen, sondern Ihre gesamte Lebensführung.
„Unser ganzes Leben verläuft nach unterschiedlichen Rhythmen.“
Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Naturgemäß sind traditionell geführte Großunternehmen besonders träge, wenn es um Umstellungen geht. Machen Sie den Anfang. Arbeiten Sie im Homeoffice oder an einem anderen Remote-Arbeitsplatz. Überzeugen Sie Vorgesetzte und potenzielle Mitstreiter mit hervorragenden Ergebnissen. Wenn Ihr Job Sie nicht ausfüllt und der große Wechsel im Moment nicht infrage kommt, suchen Sie sich eine Nebenbeschäftigung, die Sie stärker ausfüllt. Vielleicht wird daraus ja mal Ihr Haupterwerb. Wenn Sie sich ausgebrannt und dauerhaft überlastet fühlen, denken Sie über ein Sabbatical nach. Stellen Sie Ihre Kosten auf den Prüfstand. Dann reduzieren Sie Ihre Arbeitszeit nach Ihren Möglichkeiten auf das notwendige Minimum. Wenn Sie in Ihrem bisherigen Job ohnehin sehr selbstständig arbeiten, prüfen Sie, ob Sie nicht den Schritt in die völlige Selbstständigkeit wagen wollen. Viele Unternehmen unterstützen solche Initiativen durch Aufträge, die den Start erleichtern.
Über die Autoren
Lothar Seiwert ist Experte für Zeit- und Lebensmanagement. Silvia Sperling ist Wirtschaftsjournalistin für Themen rund um Persönlichkeitsentwicklung, Lebensbalance und Gesundheit.
Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
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