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Die Kirschen der Freiheit
Buch

Die Kirschen der Freiheit

Ein Bericht

Frankfurt am Main, 1952
Diese Ausgabe: Diogenes Verlag, 2006 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Essay
  • Moderne

Worum es geht

Die Fahnenflucht als Akt der Freiheit

Anderschs autobiografisch gefärbter Bericht beginnt mit der Schilderung einer Kindheit in kleinbürgerlichen Verhältnissen und endet mit einer Fahnenflucht im Zweiten Weltkrieg. Dazwischen durchläuft der junge Andersch verschiedene Entwicklungsstadien politischer Reife: Als Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands wird er verhaftet und nach Dachau deportiert. Nach der Freilassung und einer zweiten Verhaftung wendet er sich traumatisiert von der Politik ab und begibt sich in die so genannte innere Immigration. 1940 wird er zum Militär eingezogen, und vier Jahre später beschließt er zu desertieren – das zentrale Ereignis, auf das die Handlung zustrebt. Das Thema der individuellen Freiheit wird im Buch in vielerlei Zusammenhängen erörtert und findet in den Gedanken über die Fahnenflucht seinen Höhepunkt. Laut Andersch ist es nur wenigen Menschen vergönnt, den Augenblick der Freiheit zu spüren und entsprechend zu handeln. Er selbst sah sich in dieser glücklichen Lage, als er beschloss, seine Schwadron zu verlassen. Seine Rechtfertigung und seine Selbststilisierung als ausgewähltes Subjekt wollten allerdings so manchem Literaturkritiker und Leser – wie sehr saure Kirschen – nicht recht schmecken. Dennoch: ein wichtiges Buch über die Freiheit des Einzelnen auch in diktatorischen Verhältnissen.

Zusammenfassung

Kindheit und Jugend in München

Der Erzähler wächst in einem bürgerlichen Milieu auf; nichts als charakterlose Häuserfassaden, tote Exerzierplätze und Kasernen aus Ziegelsteinen hat der Münchner Stadtteil Neuhausen zu bieten. Als fünfjähriger Junge erlebt er einmal, wie Revolutionäre der Münchner Räterepublik durch die Leonrodstraße zu ihrer Hinrichtung geführt werden. Sie falten die Hände kraftlos am Hinterkopf zusammen. Die Männer, die auf sie schießen sollen, haben die Gewehre im Anschlag. Der Vater zieht den Jungen vom Fenster weg. Erst rund zehn Jahre später, etwa um 1928, wird er verstehen, was damals vor sich ging. Da überlegt er aber nicht etwa, wie sich einer fühlt, der erschossen wird, sondern wie einer denkt, der einen anderen tötet, allein aus dem Gefühl heraus, im Recht zu sein. Der Erzähler kann sich nicht in die Psyche dieser Mörder hineinversetzen.

Das Sterben des Vaters

Der Vater ist national gesinnt, er hat im Ersten Weltkrieg gedient, aus dem er mit Auszeichnungen und Verwundungen heimgekehrt ist. Sein Heldentum wurde ihm jedoch nicht von allen gedankt: Revolutionäre rissen ihm bei seiner Ankunft im Münchner Hauptbahnhof die Achselklappen ...

Über den Autor

Alfred Andersch wird am 4. Februar 1914 in ein rechtskonservatives, kleinbürgerliches Elternhaus in München hineingeboren. 1928 verlässt er das Gymnasium, macht eine Buchhändlerlehre und tritt 1930 in den Kommunistischen Jugendverband ein. 1933 sitzt er dafür ein paar Monate im Konzentrationslager Dachau ein. Als er ein zweites Mal verhaftet wird, wendet er sich von der Politik ab. 1935 heiratet er die Halbjüdin Angelika Albert. 1938 zieht die Familie nach Hamburg, wo Andersch als Werbeleiter in einer Fotopapierfabrik arbeitet, zusammen mit seinem Schwager, der 1938 auf Druck von Göring entlassen wird und daraufhin einen Herzinfarkt erleidet. In dieser Phase der „totalen Introversion“ verfasst Andersch erste literarische Skizzen. 1940 wird er zum Militär einberufen. Andersch drängt seine Frau zur Scheidung, da die Ehe seit einiger Zeit zerrüttet ist und er sich dadurch erhofft, endlich als Schriftsteller etwas veröffentlichen zu können. Damit überlässt er seine Frau und die gemeinsame Tochter ihrem Schicksal, der Deportation. Im Mai 1944 wird Andersch nach Italien an die Front geschickt, am 6. Juni 1944 desertiert er. Auf diesen Erlebnissen basiert die Erzählung Die Kirschen der Freiheit, die 1952 ein gewaltiges Erdbeben im deutschen Nachkriegsfeuilleton verursacht. Während der Kriegsgefangenschaft in den USA arbeitet er an der Lagerzeitung Der Ruf mit, die er später zusammen mit Hans Werner Richter wieder neu gründet. Mit ihm ruft er 1947 auch die Schriftstellervereinigung Gruppe 47 ins Leben. Andersch ist jahrelang Leiter des Abendstudios Frankfurt und setzt sich in seinen Radioessays für junge unbekannte Autoren ein, darunter Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll und Arno Schmidt. 1957 erscheint der Roman Sansibar oder der letzte Grund. Desillusioniert durch die westdeutsche Nachkriegspolitik unter Konrad Adenauer siedelt Andersch 1958 in die Schweiz über. 1960 erscheint der Roman Die Rote. Am 21. Februar 1980 stirbt Alfred Andersch im schweizerischen Berzona.


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