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Die Marquise von O....
Buch

Die Marquise von O....

Dresden, 1808
Diese Ausgabe: dtv, 2010 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Romantik

Worum es geht

Existenzielle Krise und Selbstfindung

Als Heinrich von Kleists Marquise von O.... 1808 erschien, waren sich Leser und Kritiker einig: Ein unerhörter Skandal! Und auch heute noch wirkt die Geschichte der Frau, die ohne ihr Wissen schwanger wird und am Ende ihren Vergewaltiger nicht nur heiratet, sondern auch noch von Herzen liebt, ungeheuer verstörend. Die Titelheldin Julietta von O... verstößt gegen alle familiären und gesellschaftlichen Konventionen. Ganz auf sich allein gestellt durchläuft sie eine schwere existenzielle Krise – und findet schließlich zu sich selbst. Man mag darin frühe Ansätze einer weiblichen Emanzipation, Kritik an der bürgerlichen Familie oder auch die präzise psychologische Studie einer Traumatisierung erkennen. Kleists vollkommen nüchtern und unsentimental geschriebene, dabei aber atemlos vorwärtsdrängende Novelle lässt vielerlei Lesarten zu – und genau darin liegt ihre Modernität. Gegen das optimistische Menschenbild der Aufklärung, das der Vernunft höchste Priorität einräumt, lässt Kleist seine Figuren an ihrem eigenen Denken, Fühlen und Handeln zweifeln. Ein Klassiker, der mit Leidenschaft die klassische Balance von Gefühl und Verstand zerstört.

Zusammenfassung

In den Wirren des Krieges

Nach dem Tod ihres Mannes lebt die Marquise Julietta von O... zusammen mit ihren beiden Kindern im Haus ihres Vaters, des Kommandanten von G... Dort widmet sich die Dame, die in der der Gesellschaft den besten Ruf genießt, neben der Erziehung ihrer Kinder den schönen Künsten, der Malerei und der Lektüre von Büchern. Doch der Krieg reißt sie aus ihrem beschaulichen Leben: Die Festung, in der sich ihre Familie aufhält, wird von russischen Truppen belagert, bombardiert und gestürmt. In dem allgemeinen Durcheinander verliert man einander aus den Augen, und die Marquise fällt einer Horde Soldaten in die Hände.

Da taucht plötzlich ein vornehmer russischer Offizier auf und gebietet dem brutalen Treiben Einhalt. Er führt die Dame in einen anderen Teil des brennenden Schlosses, wo sie bewusstlos niedersinkt. Nachdem sie aus ihrer Ohnmacht erwacht ist, möchte sie ihrem Retter danken. Sie erfährt, dass es sich um den hochdekorierten Offizier Graf F... handelt. Doch der Graf ist angesichts des Krieges zu beschäftigt, um bei ihr vorzusprechen. Am nächsten Tag dankt der Kommandant dem russischen

Über den Autor

Heinrich von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geboren, er stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie. Als junger Gefreiter-Korporal nimmt er im ersten Koalitionskrieg gegen Napoleon an der Belagerung von Mainz und am Rheinfeldzug (1793 bis 1795) teil. Bald fühlt er sich vom Offiziersberuf abgestoßen und wendet sich der Wissenschaft zu. Durch seine Kant-Lektüre verliert er jedoch den Glauben an einen objektiven Wahrheitsbegriff und erkennt, dass er nicht zum Gelehrten geschaffen ist. Ebenso wenig fühlt sich der enthusiastische Kleist zum Staatsdiener berufen. 1801 bricht er aus seiner bürgerlichen Existenz aus, reist nach Paris und später in die Schweiz, wo er als Bauer leben will. Doch auch daraus wird nichts. Schon während seiner Zeit in Paris beginnt Kleist zu dichten. Seine Theaterstücke, die heute weltberühmt sind, bleiben zunächst erfolglos. Von 1801 bis 1811 entstehen unter anderem die Tragödien Die Familie Schroffenstein (1803), Robert Guiskard und Penthesilea (beide 1808), außerdem Das Käthchen von Heilbronn (1808), Die Hermannsschlacht (1821 postum erschienen), die Komödien Amphitryon (1807) und Der zerbrochne Krug (1808) sowie die Erzählungen Die Marquise von O.... (1808), Das Bettelweib von Locarno (1810) und Die Verlobung in St. Domingo (1811). 1810 verweigert der preußische Staat Kleist, der nach Stationen in Königsberg und Dresden wieder in Berlin lebt, eine Pension. Auch aus dem Königshaus erhält er keine Anerkennung, obwohl er der Schwägerin des Königs das patriotische Stück Prinz Friedrich von Homburg widmet. Dennoch ist es wohl weniger äußere Bedrängnis als innere Seelennot, die Kleist schließlich in den Freitod treibt. Am 21. November 1811 erschießt er zunächst seine unheilbar kranke Freundin Henriette Vogel und danach sich selbst am Kleinen Wannsee in Berlin.


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