Nach der Lektüre von Die Scheinkrise kann man gar nicht anders, als sich verwundert die Augen zu reiben: Wie kann es sein, dass ganze Gesellschaften jahrzehntelang einem fundamentalen Irrtum über die Dynamik ihres Wirtschaftswachstums aufsitzen? Stabile prozentuale Wachstumsraten brauchen exponentielles Wachstum, das es in der BRD nie gab. Ein wichtiges Buch, das die Wachstumsdebatte auf eine realistischere Grundlage stellt. Gut strukturiert, sprachlich präzise und anschaulich geschrieben ist es auch noch. Allen politisch und ökonomisch interessierten Personen sei dieses Buch empfohlen.
Im Kreislauf des Scheiterns: sinkende Wachstumsraten
Die Neujahrsansprache von Bundeskanzler Helmut Kohl am 31. Dezember 1986 enthielt inhaltlich wenig Überraschendes: Sie handelte von der Wirtschaft, vom Wachstumskurs und von den Mühen und Opfern, die die Gesellschaft erbringen müsse, damit die Wirtschaft weiter auf diesem Wachstumskurs bleibe. Bemerkenswert an dieser Rede war einzig und allein der Umstand, dass sie bereits ein Jahr zuvor gesendet worden war. Wie vielen Menschen wäre das aufgefallen, hätte Kohl am Ende der Ansprache nicht ein „frohes neues Jahr 1986“ gewünscht? Neujahrs-, Weihnachts- und sonstige Ansprachen, die an die Bevölkerung appellieren, ihre Kräfte zu bündeln, um ein höheres Wirtschaftswachstum zu erreichen, gehören seit den 1980er-Jahren zum Standardrepertoire politischer Debatten.
In ihrem Wiederholungscharakter verraten diese Reden viel über das Wesen der Wachstumsdebatte, wie sie in Deutschland seit Jahrzehnten geführt wird. Im Grunde folgt diese nämlich einem ziemlich festen Schema: Zunächst ist man sich weitgehend einig, dass die Wachstumsraten nicht hoch genug sind. Folglich müssen fortwährend politische Bedingungen...
Kay Bourcarde leitet ein Referat im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz. Karsten Herzmann ist Verwaltungsrichter und Lehrstuhlvertreter an der Universität Osnabrück. Gemeinsam leiten sie das Institut für Wachstumsstudien.
Kommentar abgeben