Navigation überspringen
Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats
Buch

Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats

dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade. Drama in zwei Akten.

Frankfurt am Main, 1964
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2004 Mehr

Buch oder Hörbuch kaufen

Literatur­klassiker

  • Drama
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Mit Beilen und Messern die Welt verbessern?

In Peter Weiss’ Stück trifft die berüchtigtste Figur der Französischen Revolution auf die schillerndste. Mit den fiktiven Gesprächen zwischen dem Marquis de Sade und Jean Paul Marat wurde eine der Kernfragen der 68er-Generation vorweggenommen: Muss man auf dem Weg zu individueller Freiheit zuerst die äußeren Umstände ändern? Oder gilt es, unabhängig von den politischen Verhältnissen die „Gefängnisse des Innern“ zu sprengen? In Marat/Sade ist Marats Position am Ende knapp überlegen. Allerdings bleibt die Frage, ob die soziale Revolution auch mit Gewalt erkämpft werden darf, unbeantwortet. Durch seine Offenheit lässt das Stück zahlreiche Interpretationen zu. Fruchtbare Denkanstöße bietet es nicht nur für die Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution oder mit den Erfahrungen der 68er, sondern auch für die Bewertung aktueller Entwicklungen – sei es des islamistischen Terrors oder der Demokratiebewegung in Nordafrika.

Zusammenfassung

Beginn der Aufführung

Der Marquis de Sade, im Pariser Hospiz von Charenton inhaftiert, hat ein Stück über den 15 Jahre zuvor ermordeten Revolutionsführer Jean Paul Marat geschrieben, das nun mit den Insassen der Klinik aufgeführt werden soll. Der Klinikleiter Coulmier fördert diese künstlerischen Bestrebungen grundsätzlich – schließlich sollen die Patienten auch unterhalten und erbaut werden, wie es dem neuen Menschenbild unter Napoleon entspricht. Als Bühne dient der Badesaal. Zu Beginn der Szene liegt der an einem Ausschlag und starkem Fieber leidende Marat in der Wanne und wird von seiner Lebensgefährtin Simonne Evrard gepflegt. Ein Ausrufer erklärt die Szene und weist das Publikum darauf hin, dass die Darstellerin der Charlotte Corday, der Mörderin Marats, an Schlafsucht leide und daher wohl nicht immer ganz konzentriert spielen könne. Auch die anderen Rollen und Darsteller werden vorgestellt. Gezeigt wird Marats letzte Stunde am 13. Juli 1793.

Vier Jahre sind seit dem Beginn der Revolution vergangen, doch die Lebensumstände der Unterschicht haben sich noch immer...

Über den Autor

Peter Weiss wird am 8. November 1916 als Sohn des zum Christentum übergetretenen jüdischen Textilfabrikanten Eugen Weiss und der Schauspielerin Frieda Weiss in Neubabelsberg bei Berlin geboren. Er beschäftigt sich schon früh intensiv mit Literatur und beginnt zu malen. Nach der Machtergreifung Hitlers emigriert die Familie nach England, später in die Tschechoslowakei. 1937 nimmt Weiss Kontakt zu Hermann Hesse auf, der ihn ermuntert, weiter künstlerisch tätig zu sein. Ab 1940 wohnt Peter Weiss in Stockholm, wo er bis zu seinem Lebensende bleiben und dreimal heiraten wird. In den 50ern beschäftigt er sich vor allem mit dem Medium Film: Zahlreiche Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilme entstehen. Einen ersten größeren Erfolg hat er 1960 mit dem Prosatext Der Schatten des Körpers des Kutschers. Seine stilistische Eigenart, die Umgebung des Erzählers so detailreich wie möglich zu beschreiben, findet schnell Nachahmer. Für seinen Roman Fluchtpunkt von 1962 wird er mit dem Charles-Veillon-Preis ausgezeichnet, wenig später wird er Mitglied der Gruppe 47. In den 60ern steht für Weiss die Beschäftigung mit dem Drama im Vordergrund: Die Stücke Marat/Sade, Die Ermittlung und seine Bühnenfassung von Kafkas Der Prozess zählen zu den bedeutendsten Ergebnissen dieser Arbeit. Weiss sagt sich öffentlich von der westdeutschen Künstlerriege los und stellt sich auf die Seite des Sozialismus – eine Entscheidung, die er spätestens mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in der Tschechoslowakei bereut. Ab 1972 arbeitet Weiss an seinem dreibändigen Hauptwerk Die Ästhetik des Widerstands, das er erst kurz vor seinem Tod fertigstellt. Er wird mit mehreren Preisen ausgezeichnet; zwei Universitäten tragen ihm die Ehrendoktorwürde an, die er jedoch ablehnt. Peter Weiss stirbt am 10. Mai 1982 im Alter von 64 Jahren in Stockholm. Seit 1989 setzt sich die Internationale Peter Weiss-Gesellschaft für die Pflege und Erforschung von Weiss’ umfangreichem Werk ein.


Kommentar abgeben