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Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie

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Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Freuds revolutionäre Aufsätze über Sexualität als Urmaterie des Psychischen.


Literatur­klassiker

  • Psychologie
  • Moderne

Worum es geht

Bahnbrechendes Werk zur Sexualität

Die Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie stehen gemeinsam mit der Traumdeutung im Zentrum von Freuds psychoanalytischer Weltdeutung. Freud war Doktor der Medizin und betrachtete seine Überlegungen als exakte Wissenschaft, wenn auch im Bewusstsein, dass die genaue chemische Funktionsweise der psychischen Vorgänge noch der Klärung bedurfte. Entgegen seiner Hoffnung hat sich aus der Psychoanalyse jedoch keine Schlüsseldisziplin der Humanwissenschaften entwickelt. Vielmehr ist sie im Großen und Ganzen geblieben, was sie bereits zur Zeit ihrer Entstehung war: ein gewagtes, gewaltiges, mehr literarisches als medizinisches System zur Deutung unseres Seelenlebens. Einiges hat sich als psychologisches Allgemeinwissen oder doch zumindest als fruchtbarer Ansatz erhalten: die These von der Existenz einer frühkindlichen Sexualität, die Unterscheidung des Geschlechtstriebs in Sexualziel und Sexualobjekt oder die Entdeckung eines Kontinuums zwischen perverser und normaler Sexualität. Dies alles findet sich in den Drei Abhandlungen, dem Pionierwerk der sexuellen Befreiung. Ebenso wie jene Konzepte, die man heute kritisch betrachtet: Ödipuskomplex, Kastrationsangst, Penisneid oder die Desavouierung des klitoralen Orgasmus – brillant dargelegt von einem der größten Meister der deutschen Sprache.

Take-aways

  • Freuds Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie sind ein Hauptwerk der Psychoanalyse.
  • Inhalt: Sexualität geht weit über die biologische Tatsache des Geschlechtsakts hinaus. Sie ist die Summe der Äußerungen einer psychischen Energie, der Libido. Schon Säuglinge haben eine Sexualität. Diese entfaltet sich beim Kleinkind und wird im Alter von etwa fünf Jahren vorübergehend verdrängt. Ihr Wiederauftauchen markiert den Beginn der Pubertät. Hemmungen dieser Entwicklung äußern sich später als Neurosen.
  • Mit den Drei Abhandlungen schloss Freud an Die Traumdeutung an, in der er den Zusammenhang zwischen Sexualität und Neurose bereits hergestellt hatte.
  • Freuds Entpathologisierung der Perversion und der Homosexualität war ein Meilenstein auf dem Weg zu einem freieren Umgang mit Sexualität.
  • Viele der Konzepte in den Drei Abhandlungen waren revolutionär, etwa die These von der Existenz einer frühkindlichen Sexualität.
  • Während einige von Freuds Ideen noch heute zum psychologischen Allgemeinwissen zählen, gelten andere, etwa der Ödipuskomplex, inzwischen als überholt.
  • Die Drei Abhandlungen sind nach heutigem Maßstab unwissenschaftlich und überzeugen eher durch die literarische Meisterschaft ihres Autors.
  • Die Endversion des Textes ist das Ergebnis zahlloser Umarbeitungen Freuds.
  • Freud schrieb die Drei Abhandlungen gleichzeitig mit Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten an zwei nebeneinanderstehenden Tischen.
  • Zitat: „Es scheint gewiß, daß das Neugeborene Keime von sexuellen Regungen mitbringt, die sich eine Zeitlang weiter entwickeln, dann aber einer fortschreitenden Unterdrückung unterliegen (…)“

Zusammenfassung

Der Geschlechtstrieb

Vom Geschlechtstrieb des Menschen, der sogenannten Libido, nahm man bisher allgemein an, er setze erst mit der Pubertät ein. Das ist aber vermutlich falsch. Libido ist auch nicht, wie etwa von C. G. Jung angenommen, die Gesamtheit der psychischen Energie, sondern nur deren sexueller Anteil. Beim erwachsenen Menschen ist sie auf äußere Sexualobjekte gerichtet, beim Kind noch in narzisstischer Weise auf das Ich. Solche „Ichlibido“ kann nur schwer von den übrigen Energien im Ich unterschieden werden. Erst als Objektlibido ist sie der Untersuchung zugänglich. Auch die Idee, dass der Geschlechtstrieb Mann und Frau zum Zweck der Paarung zueinanderdränge, ist zu einfach gedacht. Vielmehr ist der Vorgang der Anziehung komplex: Es gibt zum einen ein Sexualziel, nämlich die vom Trieb geforderte Handlung, zum anderen ein Sexualobjekt, also ein Objekt des Triebes. Sowohl hinsichtlich des Sexualziels als auch des Sexualobjekts sind zahlreiche Varianten möglich.

Varianten in Bezug auf das Sexualobjekt

Es gibt Menschen, die Personen des gleichen Geschlechts begehren, also sexuell invertiert sind. Sie können entweder absolut, amphigen oder okkasionell invertiert sein. Im ersten Fall sind sie fix auf Personen gleichen Geschlechts geprägt. Anders die amphigen Invertierten – sie sind im Hinblick auf das Geschlecht ihres Sexualobjekts nicht festgelegt. Okkasionelle Inversion bedeutet, dass eine Person zwar das entgegengesetzte Geschlecht bevorzugt, bei Gelegenheit aber auch zum Sex mit Personen gleichen Geschlechts fähig ist. Wie es zu einer Inversion kommt, ist nicht geklärt. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, von denen aber keiner der großen Vielfalt von Varianten des Phänomens gerecht wird. Teils zeigt sich die Neigung erst mit der Pubertät, teils ist sie von Anfang an vorhanden. Äußere Faktoren scheinen eine ebenso große Rolle zu spielen wie angeborene. Inversion ist jedenfalls nicht als krankhaft anzusehen. Invertierte Personen sind sozial unauffällig, oft sogar kulturell und intellektuell hoch entwickelt.

„Die Inversion könnte man (…) nur als eine häufige Variation des Geschlechtstriebes bezeichnen, die durch eine Anzahl äußerer Lebensumstände bestimmt werden kann.“ (S. 19)

Auch wenn man die Anatomie zwischen den beiden Geschlechtern betrachtet, scheint es ein Kontinuum von Übergangsformen zu geben. Hermaphroditismus geht jedoch nicht zwingend mit Inversion einher. Überhaupt ist der Unterschied zwischen Männlich und Weiblich auf psychischer Ebene wissenschaftlich nicht klar definierbar. Die Psychoanalyse geht von einer prinzipiell bisexuellen Veranlagung aller Menschen aus. Die sexuelle Orientierung entscheidet sich demnach erst mit der Pubertät. Die grundsätzliche bisexuelle Natur zeigt sich etwa in der Vorliebe mancher invertierter Männer für weibliche Eigenschaften ihres Sexualobjekts.

„Im Sinne der Psychoanalyse ist (…) auch das ausschließliche sexuelle Interesse des Mannes für das Weib ein der Aufklärung bedürftiges Problem und keine Selbstverständlichkeit, der eine im Grunde chemische Anziehung zu unterlegen ist.“ (S. 25)

Eine weitere Abweichung hinsichtlich des Sexualobjekts besteht im Geschlechtsverkehr mit Kindern oder Tieren. Anders als man denkt, sind solche Neigungen nicht auf Geisteskranke beschränkt. Auf dem Land etwa kommt Sex mit Tieren regelmäßig vor, und Kinder werden häufig von Personen missbraucht, denen sich von Berufs wegen die Gelegenheit bietet, beispielsweise von Lehrern. Meistens stellen solche abweichenden Sexualakte aber Ergänzungen zu einem normalen Geschlechtsleben dar, nur bei Geisteskranken nehmen sie dessen Stelle ein. Es scheint zu gelten, dass geistige Abnormität sexuelle Abnormität bedingt, vermutlich wegen der in solchen Fällen unterentwickelten Triebkontrolle.

Varianten in Bezug auf das Sexualziel

Auch in Bezug auf das Sexualziel kommt es zu Abweichungen vom Regelfall, sprich dem Koitus mit dem Orgasmus als spannungslösendem Höhepunkt. Solche Abweichungen werden als Perversionen bezeichnet. Hier treten beispielweise Zwischenstufen auf dem Weg zum eigentlichen Akt an dessen Stelle, wie etwa das Angucken oder Anfassen des Sexualobjekts. Oder es können andere Körperstellen als die Genitalien deren Platz als Leitorgan der sexuellen Tätigkeit einnehmen. Dies ergibt sich aus der „Überschätzung“ des Sexualobjekts: Zusätzlich zu dessen Genitalien wird alles, was körperlich oder sonst zu ihm gehört, in die psychische Wertschätzung des Sexualobjekts einbezogen. Der Überschätzung steht als hemmende Kraft der Ekel entgegen, der mit bestimmten auf nichtgenitale Körperteile, etwa den Analbereich, bezogenen Praktiken einhergeht. Die Überwindung des Ekels kann wiederum lustvoll sein. In anderen Fällen wird ein Gegenstand, der mit dem Sexualobjekt zu tun hat oder auch nur in symbolischem Bezug zu ihm steht, zum neuen Sexualziel. Ein solcher sogenannter Fetischismus ist ebenfalls Folge einer Überschätzung des Sexualobjekts und ist durchaus normal, solange er nicht an die Stelle genitaler Sexualität tritt.

„Wir werden aufmerksam gemacht, dass wir uns die Verknüpfung des Sexualtriebes mit dem Sexualobjekt als eine zu innige vorgestellt haben.“ (S. 28)

Zur Fixierung auf vorläufige Sexualziele kommt es, wenn der Weg zum normalen Sexualziel etwa durch Impotenz oder Ängste versperrt ist. Beispiele sind die Perversionen des Sehens, sprich die Fixierung auf das Anschauen bzw. Zeigen. Wie bei der Sexualüberschätzung gibt es auch hier eine Gegenkraft, nämlich die Scham, deren Überwindung wiederum lustvoll sein kann. Die häufigste Perversion ist die Fixierung auf Bemächtigung bzw. Unterwerfung. Ihre Grundlage ist das Wesen von Sexualität an sich, das seit jeher einen passiven und einen aktiven Aspekt verbindet. Der Libido ist hier durch den Schmerz eine Grenze gesetzt, wie in anderen Fällen durch Ekel und Scham. In der Kulturgeschichte ist ein enger Zusammenhang zwischen Gewalt und Sex ersichtlich.

Krankhaft oder nicht?

Perversionen sind nicht an sich krankhaft. In Maßen treten sie auch im normalen Sexualleben auf, sie sind als Beimischung sogar Bedingung einer gesunden Sexualität. Die Übergänge zur Krankheit sind fließend. Selbst bei abwegigen Sexualpraktiken wie dem Sex mit Leichen muss nicht zwingend eine Persönlichkeitsstörung vorliegen. Die betreffende Person kann ansonsten völlig normal sein. Das entscheidende Kriterium ist, ob das perverse Sexualziel bzw. -objekt neben das normale Sexualziel bzw. -objekt oder aber an dessen Stelle tritt.

„Als normales Sexualziel gilt die Vereinigung der Genitalien in dem als Begattung bezeichneten Akte, der zur Lösung der sexuellen Spannung und zum zeitweiligen Erlöschen des Sexualtriebes führt.“ (S. 30)

Neurotische Symptome sind eine Erscheinungsform gehemmter Libido. In ihnen äußern sich unter anderem verdrängte Wünsche. Diese lassen sich durch Psychoanalyse bewusst machen und erforschen. Bei Neurotikern befinden sich also der Sexualtrieb sowie zur Sexualablehnung übersteigerte Sexualhemmnisse wie Ekel, Scham usw. im Konflikt. Die neurotischen Symptome sind der Ausweg aus diesem Konflikt. Hinter ihnen verbergen sich oft die abnormen Anteile des Sexualtriebs. Neurose und Perversion hängen zusammen, da eine neurotische Unterdrückung oder Verdrängung von Sexualität die Libido vom normalen Sexualziel und Sexualobjekt abdrängt und auf bisher brachliegende Möglichkeiten lenkt. Die Anlage zur umfassenden Nutzung dieser Nebenmöglichkeiten haben wir alle, sie ist aber nur bei Kindern der Beobachtung zugänglich.

„Bei keinem Gesunden dürfte irgendein pervers zu nennender Zusatz zum normalen Sexualziel fehlen und diese Allgemeinheit genügt für sich allein, um die Unzweckmäßigkeit einer vorwurfsvollen Verwendung des Namens Perversion darzutun.“ (S. 42)

Die Perversionen gehen auf Partialtriebe zurück. Diese beziehen sich auf die sexuelle Erregung bestimmter Körperbereiche. Außer der eigentlichen Genitalzone gibt es noch sogenannte erogene Zonen. Das sind beispielsweise die Schleimhäute von Mund und After oder auch, wie bei der Neigung zum Exhibitionismus bzw. zur Schaulust, das Auge. Bei den Perversionen und besonders bei Neurotikern können sie die Rolle der Genitalien einnehmen.

Frühkindliche Sexualität

Es wird fälschlicherweise angenommen, Kinder hätten noch keinen Sexualtrieb. Das liegt unter anderem an der sogenannten infantilen Amnesie: Die meisten Menschen haben keine Erinnerung an die Zeit vor ihrem sechsten Lebensjahr. Das hat vermutlich mit ihrem Sexualleben in dieser Zeit zu tun. Die Erinnerungen daran wurden verdrängt. Tatsächlich haben schon Neugeborene sexuelle Regungen. Im weiteren Verlauf der Kindheit findet eine regelrechte sexuelle Entwicklung statt: Zwischen dem zweiten und dem fünften Jahr blüht die frühkindliche Sexualität auf, mit dem sechsten Jahr tritt sie in eine Phase der Verdrängung ein, die sogenannte Latenzphase, um dann in der Pubertät zur Reife zu kommen. In der Latenzphase bilden sich jene Faktoren heraus, die dem Sexualtrieb hemmend entgegenstehen, wie Ekel, Scham oder Moralität. Diese speisen sich selbst aus dem Sexualtrieb, der sich in ihnen sublimiert. Sexuelle Energien werden so für das Sozialleben nutzbar gemacht.

„Es ist ein Stück der populären Meinung über den Geschlechtstrieb, daß er der Kindheit fehle und erst in der als Pubertät bezeichneten Lebensperiode erwache. Allein dies ist nicht nur ein einfacher, sondern sogar ein folgenschwerer Irrtum (…)“ (S. 56)

Frühkindliche Sexualität ist im Wesentlichen autoerotisch. Ihre erste Betätigung ist das „Wonnesaugen“. Dabei wiederholt das Kind das lustvolle Nuckeln an der Mutterbrust, indem es an eigenen Hautstellen lutscht und saugt. Diese Körperstellen sowie die Lippen werden dabei zu erogenen Zonen. Auf die orale folgt die anale Phase. Hier wird der Afterbereich zur erogenen Zone. Das Kind hält seinen Stuhl künstlich lange zurück, um so den lustvollen Druck auf die Darmschleimhaut zu erhöhen. Das Ausscheiden bzw. Zurückhalten des Stuhls bedeutet für das Kind außerdem eine erste Möglichkeit zur Interaktion mit seiner Umwelt, indem es dieser etwas „schenkt“ bzw. trotzig vorenthält.

„Es scheint gewiß, daß das Neugeborene Keime von sexuellen Regungen mitbringt, die sich eine Zeitlang weiter entwickeln, dann aber einer fortschreitenden Unterdrückung unterliegen (…)“ (S. 60)

Schließlich entdeckt das Kind die Genitalien als Lustquelle. Diese sind ja ständigen Reizungen, etwa in Form von Waschungen oder durch den Vorgang des Urinierens, ausgesetzt. Diese Empfindungen ruft das Kind dann selbstständig durch Masturbieren hervor. Es gibt drei Perioden kindlicher Onanie: die Säuglingszeit, die sexuelle Hochphase im Alter von etwa vier Jahren und schließlich die Pubertät. Die zweite Phase ist hauptsächlich ein Wiedererwachen der Säuglingsmasturbation, ausgelöst entweder durch äußere Verführung oder spontan durch innere Impulse. Die Sexualität des Kindes kann die verschiedenen Perversionen als Betätigungsmöglichkeit nutzen, da die hemmenden Kräfte noch nicht entwickelt sind. Besonders oft kommt das lustvolle Herzeigen der Genitalien vor. Aber auch die Grausamkeitsperversionen treten auf, zumal das Kind die Eigenschaft des Mitleidens noch nicht ausgebildet hat. Man spricht von einer polymorph perversen Anlage des Kindes.

Das Kind als Sexualforscher

Mit der zweiten Sexualphase erwacht beim Kind der Wissens- und Forschertrieb. Dieser speist sich zum Teil aus der Libido. Die Neugier des Kindes richtet sich stark auf das Phänomen der Sexualität. Ein häufiger Auslöser ist die Frage: Wo kommt das Geschwisterchen her? Auch die anatomischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden untersucht. Dabei geht das Kind davon aus, dass eigentlich alle Menschen einen Penis haben und dass dieser dem Mädchen durch Kastration abhandengekommen ist. Das führt beim Mädchen zunächst zu Penisneid, dann zu einem Kastrationskomplex; beim Jungen führt es zur Geringschätzung des weiblichen Geschlechts.

Die Pubertät

In der Pubertät wird aus der hauptsächlich autoerotischen Sexualität des Kindes eine objektbezogene. Die Partialtriebe werden jetzt unter der Vorherrschaft der genitalen Sexualität gebündelt. Auch entwickeln in der Pubertät die Geschlechter ihre jeweilige sexuelle Rolle. Der Sexualtrieb wird dem Fortpflanzungstrieb untergeordnet. Beim Mann ist das Sexualziel jetzt der Samenerguss, bei dem er das Maximum seiner Lust erreicht. Zudem ist der Geschlechtsapparat nun voll funktionsfähig. Er kann durch äußerliche Reize oder durch Gedanken und Vorstellungen angeregt werden. Die Erregung hat zwei Ausdrucksebenen: eine körperliche und eine seelische. Seelisch äußert sie sich als Anspannung, als Drängen auf ein Ziel; körperlich als Erektion des Penis bzw. als Sekretion von Scheidenflüssigkeit. Die seelische Anspannung enthält durchaus Anteile von Unlust, ist aber im Ganzen lustvoll. Die sogenannte Vorlust erzeugt den Drang nach ihrer eigenen Steigerung. Sie liefert die Energie, um den Sexualakt zu vollziehen. Der Orgasmus bringt dann die ersehnte Entspannung.

Die Suche nach dem Objekt

Die Objektfindung in der Pubertät greift auf Vorbilder aus der Kindheit zurück. So ist für den Säugling die Mutterbrust ein sexuelles Objekt. Überhaupt sind dem Verhältnis zwischen Mutter und Kind in dieser Zeit starke sexuelle Anteile beigemischt, die das Kind in der Latenzzeit zum Vorbild für die Ausbildung seiner Liebesfähigkeit nehmen wird. Dabei etabliert sich gleichzeitig die Inzestschranke, sodass das Kind davon abgehalten wird, die Eltern als Sexualobjekt zu wählen. Der Sinn der Inzesthemmung ist es, Sozialstrukturen zu ermöglichen, die über die Familie hinausgehen, indem die Bindung zwischen der jungen und der Elterngeneration geschwächt wird. Der Heranwachsende muss die sexuelle Anziehung durch den gegengeschlechtlichen Elternteil, die sich in mehr oder weniger deutlichen Fantasien äußert, überwinden, um zu einem seelisch gesunden, selbstständigen Erwachsenen zu werden. Wo die Bewältigung dieses sogenannten Ödipuskomplexes nicht klappt, ist der Heranwachsende „der Neurose verfallen“.

Zum Text

Aufbau und Stil

Wie der Titel schon verrät, handelt es sich bei den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie um eine Zusammenstellung dreier separater, aber inhaltlich zusammenhängender Aufsätze zum Thema Sexualität. Der erste und, umfangreichste, mit dem Titel „Die sexuellen Abirrungen“, versucht, das Wesen der sexuellen Perversionen zu ergründen, und stößt dabei auf die Notwendigkeit, zu diesem Zweck die Entwicklung frühkindlicher Sexualität betrachten zu müssen. Dem widmet sich der zweite Aufsatz, „Die Infantile Sexualität“. Der dritte und kürzeste, „Die Umgestaltung der Pubertät“, ist eigentlich eine Fortsetzung des zweiten und beinhaltet eine konzise Zusammenfassung der Ergebnisse. Wie kein anderes Werk Freuds sind die Drei Abhandlungen das Resultat zahlloser Umarbeitungen und Ergänzungen von der Hand des Autors. Man könnte geradezu von einem „work in progress“ sprechen. Freud entwickelte vor allem seine Ansätze zur Triebtheorie und zur frühkindlichen Sexualität immer weiter und ließ die neuen Erkenntnisse in die drei Neuauflagen von 1910, 1915 und 1920 einfließen. Das Konzept des Penisneids oder der Abschnitt über die Libidotheorie wurden beispielsweise erst in der dritten Auflage eingeführt. Stilistisch zeigt sich Freud in den Drei Abhandlungen als einer der großen Meister der deutschen Sprache. Seine Ausführungen sind schlicht, allgemein verständlich und rhetorisch unmittelbar überzeugend. Nicht umsonst wurde Freud 1930 von zahlreichen prominenten Schriftstellern, unter ihnen Alfred Döblin, Hermann Hesse, Thomas Mann, Romain Rolland, Franz Werfel und Virginia Woolf, für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen.

Interpretationsansätze

  • In seinen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie hat Sigmund Freud den Sexualitätsbegriff extrem weit gefasst. Insofern laufen die Anschuldigungen seiner Kritiker, er habe den Menschen komplett sexualisiert, ins Leere. Bei Freud hat Sexualität nur noch zum Teil mit konkreter geschlechtlicher Betätigung zu tun. Stattdessen wird Sexualität zu einem im Wesentlichen psychischen Phänomen, das einem weiten Spektrum menschlichen Wollens und Tuns beigemischt sein kann.
  • Freud selbst sah seine Auffassung von Sexualität in der Nähe zum platonischen Eros und wies auch auf den Einfluss hin, den Schopenhauers Willensbegriff auf seine Theoriebildung ausgeübt hatte.
  • In den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie führte Freud einige revolutionäre Konzepte und Begriffe ein. Von größter Bedeutung war etwa die Unterscheidung von Sexualziel und Sexualobjekt, die mit der überkommenen Vorstellung eines einheitlichen Geschlechtstriebs aufräumte.
  • Die Drei Abhandlungen sind nach modernen Begriffen völlig unwissenschaftlich. Weder sind sie durch reproduzierbare empirische Fakten gestützt noch falsifizierbar. Freuds Modelle verdanken ihre Wirkung vor allem ihrer unmittelbaren Überzeugungskraft, die im Grunde literarischer Natur ist.
  • Freuds Lehren zur Sexualität bei Kindern sind heute umstritten. Während manche Kritiker seine Theorie rundheraus ablehnen, gehen andere davon aus, dass Penisneid und Kastrationsangst durchaus vorkommen, dass sie aber nicht zwangsläufig auftreten, sondern nur, wenn die sozialen Umstände dies befördern, zum Beispiel durch eine gesellschaftliche Benachteiligung von Mädchen gegenüber Jungen – was zu Freuds Zeiten die Regel war.

Historischer Hintergrund

Fin de Siècle und Wiener Moderne

Das 19. Jahrhundert brachte in Europa große Umwälzungen mit sich. Das Freiheitsideal der Französischen Revolution entfachte bei fremdregierten Nationen den Wunsch nach Unabhängigkeit, und das Bürgertum entdeckte seinen Willen zur politischen Mitgestaltung. Fortschritte in Wissenschaft und Technik führten zu Industrialisierung und Kommerzialisierung, und mit dem Entstehen eines Industrieproletariats kam die soziale Frage auf, ebenso entstanden erste Ansätze von Arbeiterbewegung und Gleichberechtigung der Geschlechter. Als Reaktion darauf rüstete die herrschende Klasse zur Abwehrschlacht um ihre Privilegien. Speziell im Kaiserreich Österreich-Ungarn stemmte man sich gegen den Lauf der Geschichte. Kaiser Franz I. und sein Kanzler Metternich ließen nichts unversucht, die Modernisierung der Donaumonarchie zu verhindern. Das Reich erstarrte in pathologischem Konservativismus und Bürokratie.

Die nicht enden wollende Regierungszeit des Kaisers Franz Joseph I. (seit 1848 im Amt) trug das Ihre dazu bei, dass sich gegen Ende des 19. Jahrhundert bei den Untertanen eine Art Endzeitstimmung breitmachte. Dieses Gefühl von Dekadenz äußerte sich in verstärkter Innenschau, in künstlerischer und wissenschaftlicher Hinwendung zum Irrationalen, Unbewussten. Die so lange unterdrückten Freiheitsimpulse der Gesellschaft drangen als kulturelle Blüten an die Oberfläche. Der Schmelztiegel Wien wurde zur Heimat der künstlerischen und intellektuellen Avantgarde Europas.

Entstehung

Zwischen 1899 und 1904 hatte Sigmund Freud mit den Werken Die Traumdeutung und Zur Psychopathologie des Alltagslebens die Psychoanalyse begründet. Von Anfang an spielte Sexualität eine wichtige Rolle in seinen Theorien. Schon in den frühen 1890er-Jahren war Freud auf den Zusammenhang zwischen sexuellen Traumata in der Kindheit und psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter gestoßen. Im Lauf der Zeit neigte er jedoch immer mehr der Ansicht zu, dass den neurotischen Symptomen seiner Patienten weniger realer Missbrauch als vielmehr frustrierte sexuelle Wünsche, Fantasien und Triebregungen aus der frühen Kindheit zugrunde lägen. Diesen Zusammenhang stellte er in der Traumdeutung zumindest kursorisch dar. Unmittelbar nach deren Erscheinen trug Freud sich jedoch schon mit Plänen für eine eingehendere Untersuchung des Themas und begann, Material dafür zusammenzutragen.

Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts brachten die nötige Ruhe zum Schreiben. 1902 wurde Freud zum außerordentlichen Professor an der Universität Wien ernannt. Seine Lehrverpflichtung beschränkte sich jedoch auf eine einzige Vorlesung pro Woche. Freud konnte sich also mit vollem Eifer seiner Arbeit widmen. Tatsächlich schrieb er sogar zwei Werke gleichzeitig: Auf zwei benachbarten Tischen sammelten sich jeweils Materialien für die Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie und für Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Freud wechselte je nach Stimmung vom einen Manuskript zum anderen. 1905 waren beide fertig. Die Drei Abhandlungen erschienen in ihrer ersten und wie sich herausstellen sollte sehr vorläufigen Fassung in Wien und Leipzig.

Wirkungsgeschichte// Die Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie// erschienen in einer Erstauflage von 1000 Exemplaren, bei denen es sich laut Freud-Biograf Ernest Jones um „billige Broschüren“ handelte. Ein kommerzieller Erfolg wurde das Buch nicht. Eine zweite Auflage wurde erst 1910 nötig. Freuds hochfliegende Hoffnungen auf einen epochalen Erfolg wurden damit zwar deutlich unterboten, doch das Buch fand durchaus prominente Fürsprecher wie etwa den Sexualforscher und Pionier der Schwulenbewegung Magnus Hirschfeld. Auch der Skandal ob der „schockierenden Verderbtheit“ (Jones) hielt sich durchaus im Rahmen.

Tatsächlich waren einige von Freuds Annahmen, etwa die einer frühkindlichen Sexualität, nicht nur wissenschaftlich revolutionär, sondern rüttelten auch an herrschenden Moralvorstellungen. Deren Verfechter warfen Freud „Pansexualismus“ vor, da er ihrer Meinung nach den Menschen vollständig über seine Sexualität zu erklären versuchte. Statt eines großen Knalls gab es aber eher ein leises Aufatmen. Freuds Werk hatte ohne viel Aufsehen die Tür zu einem freieren Umgang mit Sexualität aufgestoßen. Auch seine liberale Haltung zur Homosexualität sowie seine Entpathologisierung sexueller Abweichung entfalteten immense Wirkung. Viele der Konzepte aus den Drei Abhandlungen sind zu Fundamenten der modernen Psychologie geworden, andere hingegen, wie der Ödipuskomplex, den Freud erst in der dritten Auflage von 1915 einfügte, werden inzwischen überwiegend abgelehnt oder wurden von Autoren wie Jacques Lacan oder Erich Fromm grundlegend neu interpretiert.

Über den Autor

Sigmund Freud wird am 6. Mai 1856 im mährischen Freiberg, in der heutigen Tschechischen Republik, geboren. Sein Vater ist ein erfolgreicher jüdischer Kaufmann. Vier Jahre nach Sigmunds Geburt zieht die Familie nach Wien. Hier absolviert Freud das Gymnasium und beginnt anschließend ein Medizinstudium. Von 1876 bis 1882 ist er als Assistent im physiologischen Laboratorium tätig und erforscht unter anderem das Nervensystem von Aalen. Seine Promotion erhält er 1881. Im Jahr darauf lernt er seine spätere Frau Martha Bernays kennen. Nach einigen Jahren am Allgemeinen Krankenhaus fährt er 1885 nach Paris, um sich vom dortigen Professor Charcot in der Kunst der Hypnose ausbilden zu lassen. In Paris setzt er sich mit der Hysterie als Krankheit auseinander – und lernt, wie diese mithilfe der Hypnose ansatzweise kuriert werden kann. 1886 kehrt Freud nach Wien zurück und eröffnet seine Privatpraxis. Zusammen mit Josef Breuer veröffentlicht er 1895 die Studien über Hysterie. Gleichzeitig beginnt er, seine eigenen Träume zu analysieren. 1896 bezeichnet er seine Therapieform zum ersten Mal mit dem Begriff „Psychoanalyse“. 1900 erscheint Die Traumdeutung, Freuds erste größere theoretische Arbeit. In Wien gründet er zusammen mit einigen Anhängern die Psychoanalytische Gesellschaft. Jahrbücher und Kongresse folgen und ein enger Kreis von Freudianern schart sich um den Wiener Psychoanalytiker. Doch ab 1911 verlassen ihn einige Mitglieder, unter ihnen Alfred Adler und Carl Gustav Jung, weil sie sich von Freuds teilweise dogmatischen Ansichten unter Druck gesetzt fühlen und eigene Theorien vertreten. Trotz eines Krebsleidens bleibt Freud hochproduktiv. Zu seinen wichtigsten Schriften gehören Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905), Totem und Tabu (1913), Jenseits des Lustprinzips (1920), Das Ich und das Es (1923) sowie Das Unbehagen in der Kultur (1930). Nach Hitlers Einmarsch in Österreich flieht Freud nach London, wo er am 23. September 1939 an einer Überdosis Morphium stirbt.

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