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Ein Held unserer Zeit

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Ein Held unserer Zeit

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Lermontow erforscht die Abgründe der menschlichen Seele – und findet nicht viel, was sich zu retten lohnt.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Realismus

Worum es geht

Wenn Fiktion Wirklichkeit wird

Es war, als hätte Michail Lermontow mit Ein Held unserer Zeit die Vorlage für seinen eigenen Tod geliefert: Im Juli 1841 duellierte er sich wegen einer Nichtigkeit. Er schoss in die Luft und sein Gegner knallte ihn kaltblütig ab. Ironie des Schicksals oder zynisches Mordkomplott? Innerhalb von vier Jahren verlor Russland mit Puschkin und Lermontow zwei seiner größten Dichter. Beide starben wie zuvor in ihren Büchern beschrieben, und beide waren dem erzkonservativen Zaren Nikolaus I. ein Dorn im Auge. Ob da wohl jemand zwei Freidenker loswerden wollte? Das ist natürlich Spekulation, aber nicht ganz aus der Luft gegriffen. Wie auch immer, der Roman ist weit mehr als die mögliche Vorlage für einen perfiden Mord. Lermontow seziert die russische Seele wie niemand vor ihm. Er entblößt ihre Hässlichkeit und Widersprüchlichkeit und bringt seine Verzweiflung über die reaktionäre und grausame Oberschicht mit unverhohlenem Sarkasmus zum Ausdruck. Sein trauriges Fazit: Jede Zeit hat die Helden, die sie verdient.

Take-aways

  • Ein Held unserer Zeit ist Michail Lermontows einziger abgeschlossener Roman. Er eröffnete die Epoche des russischen Realismus.
  • Inhalt: Ein russischer Gardeoffizier versucht, in den kaukasischen Bergen der Langeweile zu entfliehen. Er verführt eine einheimische Prinzessin, wird um ein Haar von einer Schmugglerin ertränkt und duelliert sich wegen einer Frau, die er nicht liebt. Seinen Mitmenschen bringt der zynische Egoist nichts als Kummer und Tod.
  • Lermontow schuf mit dem Helden Petschorin einen der ersten „überflüssigen Menschen“ in der russischen Literatur.
  • Wie seine Romanfigur verzweifelte der Autor an der erstickenden Atmosphäre im Russland der 1830er Jahre.
  • Der reaktionäre Zar Nikolaus I. unterdrückte westlich inspirierte Freiheitsbewegungen mit harter Hand.
  • Lermontow schrieb 1837 ein Gedicht, in dem er das Umfeld des Zaren für den Duelltod seines großen Vorbilds Alexander Puschkin verantwortlich machte.
  • Er wurde in den Kaukasus verbannt und nutzte die Zeit fürs Schreiben.
  • Auch Lermontow kam 1841 bei einem Duell ums Leben. Sein ein Jahr zuvor erschienener Roman lieferte gewissermaßen die Vorlage dafür.
  • Der Dichter gilt als Nachfolger Puschkins und Begründer des modernen, psychologischen Romans.
  • Zitat: „Ich muss gestehen, dass ich charaktervolle Frauen nicht gern habe – es passt so gar nicht zu ihnen!“

Zusammenfassung

In der kaukasischen Einöde

Der Erzähler trifft während einer beschwerlichen Reise durch den Kaukasus den Stabskapitän Maxim Maximowitsch. Ein Schneesturm zieht auf und zwingt die Reisenden zur Übernachtung in einer primitiven Hütte. Abends beim Tee erzählt Maximowitsch von seiner Stationierung in Tschetschenien. Fünf Jahre zuvor sei unvermutet ein junger Offizier aus St. Petersburg in der russischen Festung aufgetaucht. Ein seltsamer Kerl namens Petschorin. Mal mutig wie ein Löwe, dann wieder empfindlich wie ein verwöhntes Kind. Maximowitsch erzählt dessen tragische Geschichte.

Petschorin und Bela

Auf einer Hochzeitsfeier verguckt Petschorin sich in Bela, eine bildhübsche Fürstentochter. Doch auch der tscherkessische Räuber Kasbitsch hat ein Auge auf sie geworfen. Ihm bietet Belas Bruder Asamat an, seine Schwester gegen ein rassiges Reitpferd zu tauschen. Der Räuber lehnt ab. Maximowitsch hat die beiden bei ihrem Gespräch belauscht und erzählt Petschorin davon. Dieser stiehlt daraufhin Kasbitschs Pferd und bietet es Asamat im Tausch gegen Bela an – mit Erfolg. Das entführte Mädchen weigert sich anfangs, Petschorin auch nur anzusehen. Doch dann gesteht sie ihm, dass sie ihn von Anfang an geliebt hat. Das Paar verbringt vier glückliche Monate miteinander. Danach geht Petschorin wieder auf die Jagd und lässt Bela tagelang allein. Sie leidet unter der Gleichgültigkeit ihres Geliebten; ihre Schönheit verblüht zusehends. Petschorin gesteht Maximowitsch, dass das nun mal seine Natur sei: Nach einer gewissen Zeit öde ihn alles und jeder einfach an.

„Ein prachtvolles Stück Erde, dieses Tal!“ (S. 7)

Eines Tages gehen die Männer auf Eberjagd. Bei ihrer Rückkehr hören sie einen Schuss aus der Festung und sehen Kasbitsch, der mit Bela im Sattel davonsprengt. Petschorin schießt aus vollem Galopp und trifft das Pferd am Hinterfuß. Kasbitsch springt ab, zückt den Dolch und richtet ihn gegen Bela. Nun schießt Maximowitsch, trifft den Räuber aber nur am Arm, sodass er über eine Felswand entkommen kann. Als sich der Rauch gelegt hat, bleiben das tote Pferd und die bewusstlose Bela zurück. Eine tiefe Wunde klafft in ihrem Rücken. Zwei Tage darauf stirbt sie am Wundfieber. Petschorin wird krank, magert stark ab und wird abkommandiert. Maximowitsch hat seither nichts mehr von ihm gehört.

Freudloses Wiedersehen

Die Reisegefährten trennen sich, treffen einander aber bald in einem Gasthaus in Nordossetien wieder. Sie essen gerade gemeinsam zu Abend, als ein vornehmer Wagen vorfährt – er gehört Petschorin. Maximowitsch gerät völlig aus dem Häuschen und versucht, mit seinem alten Kameraden zu reden. Aber Petschorin geht ihm aus dem Weg. Als er schon die Pferde für seine Abreise nach Persien anspannen lässt, kommt Maximowitsch angelaufen. Er möchte seinem Freund um den Hals fallen, doch dieser reicht ihm nur kühl die Hand. Der alte Soldat ist enttäuscht. Im letzten Moment fällt ihm ein, dass er noch einen Stapel von Petschorins Papieren mit sich herumschleppt. Er könne damit machen, was er wolle, meint der Offizier gleichgültig. Verbittert überlässt Maximowitsch sie dem Erzähler. Es handelt sich um Petschorins Memoiren. Als der Offizier auf seiner Rückreise aus Persien ums Leben kommt, beschließt der Erzähler, einen Teil der Tagebücher zu veröffentlichen.

Unter Schmugglern

Die ersten Einträge handeln von einem Erlebnis in dem kaukasischen Hafenstädtchen Taman. Petschorin sucht vergeblich ein Nachtquartier, bis er zu einer verfallenen Hütte am Meeresufer geführt wird. Dort öffnet ihm ein blinder Junge die Tür, der sagt, er sei Waise und an diesem Abend allein zu Haus. Petschorin kann nicht schlafen. Er folgt dem Jungen heimlich, als dieser mitten in der Nacht zum Strand hinunterläuft. Ein etwa 18-jähriges Mädchen setzt sich zu ihm. Offenbar erwarten die beiden einen Schiffer, der sich durch den dichten Nebel zum Strand durchkämpft. Gemeinsam entladen sie das Boot und tragen die schwere Last davon. Am nächsten Tag erscheint eine alte Frau, die Wirtin, im Haus. Petschorin stellt den Blinden wegen der nächtlichen Beobachtung zur Rede, doch der Junge jammert nur und streitet alles ab.

„Ob ich ein Narr bin oder ein Bösewicht, weiß ich nicht; aber eins ist richtig: Ich bin auch zu bemitleiden (...); denn meine Seele ist von der Welt verdorben, meine Fantasie ist unruhig, mein Herz unersättlich.“ (Petschorin, S. 40)

Von nun an schwirrt das Mädchen permanent um Petschorin herum, singt wie eine Sirene und verwickelt ihn in verworrene Gespräche. Als er droht, seine Beobachtung des mutmaßlichen Schmuggels zu melden, küsst sie ihn leidenschaftlich und windet sich dann wie eine Schlange aus seinen Armen. Er solle in der Nacht ans Meer kommen, flüstert sie. Am Ufer lockt sie ihn in ein Boot, lässt es aufs Meer hinaustreiben, umarmt ihn und wirft mit einer plötzlichen Bewegung seine Pistole ins Wasser. Petschorin schwant Böses, denn er kann nicht schwimmen. Schon entbrennt ein heftiger Kampf. Schließlich gelingt es Petschorin, das Mädchen über Bord zu werfen und ans Ufer zurückzurudern. Von einem Versteck aus beobachtet er, wie seine Nixe, die an Land geschwommen ist, sich den Meerschaum aus dem Haar drückt. Der Schiffer aus der Nacht zuvor nimmt sie in sein Boot und sagt zu dem ebenfalls anwesenden Jungen, er werde nun nicht mehr kommen, es sei zu gefährlich geworden. Der Alten solle er sagen, sie könne nun sterben. Der Junge weint. Petschorin hat Mitleid mit ihm, schuldig fühlt er sich aber nicht.

In feiner Kurgesellschaft

Ein anderer Teil des Tagebuchs handelt von Petschorins Aufenthalt in der nordkaukasischen Kurstadt Piatigorsk. Mit dabei ist der Fähnrich Gruschnitzkij, ein Kamerad vom Militär, der sich wie ein aufgeblasener Gockel aufführt. Er trägt einen einfachen Soldatenmantel, um bei den Damen den Eindruck zu erwecken, er sei wegen eines Duells degradiert worden. Am Kurbrunnen läuft die Moskauer Fürstin Ligowskaja mit ihrer schönen Tochter Mary an ihnen vorüber. Gruschnitzkij ist hingerissen. Petschorin, dem die Kur allmählich Spaß macht, beobachtet alles mit scharfem Blick. Bei Mary macht er sich zunächst durch gezielt ungezogenes Verhalten unbeliebt. Er versucht erst gar nicht, den Ligowskajas offiziell vorgestellt zu werden. An einem schwülen Tag trifft Petschorin seine ehemalige Geliebte Vera an der Kurgrotte. Sie scheint sehr krank zu sein. Aus ihrem Blick sprechen Misstrauen und Verzweiflung. Vera hat des Geldes wegen einen alten Mann geheiratet, liebt Petschorin aber noch immer. Da sie sich oft bei der Fürstin aufhält, verspricht er ihr, deren Tochter zum Schein den Hof zu machen; so wollen sie einander sehen, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Auf einem Ball fordert Petschorin Mary zur Mazurka auf. Anfangs gibt sie sich hochnäsig und abweisend, aber insgeheim fängt sie an, sich für ihn zu interessieren. Schließlich erwähnt er beiläufig, dass ihr hartnäckiger Verehrer Gruschnitzkij Fähnrich sei und keinesfalls ein degradierter Offizier.

Spiel mit Gefühlen

Mary findet an Petschorins Spöttereien Gefallen, fragt aber dann ängstlich, ob er über sie wohl ebenso herziehen werde. Petschorin antwortet, indem er seine traurige Kindheit und Jugend schildert: Er sei bereit gewesen, die Welt zu lieben, doch niemand habe ihm geglaubt, und so habe er sich zum moralischen Krüppel entwickelt. In Marys Augen sammeln sich Tränen des Mitleids. Petschorin aber gähnt innerlich: Die Schwächen der Frauen langweilen ihn. Gruschnitzkij ist inzwischen befördert worden und erscheint voller Stolz in seiner neuen Offiziersuniform zum Ball. Mary meint, ihr habe der Soldatenmantel besser gefallen, und schaut sich unverhohlen nach Petschorin um. Der Verprellte schäumt vor Wut und sinnt auf Rache.

Die Verschwörung

Am Tag darauf lässt Petschorins Arzt Werner durchblicken, dass die Gerüchteküche im Ort brodelt: Alle fiebern einer Hochzeit von Petschorin und Mary entgegen. Offenbar hat Gruschnitzkij Bemerkungen über ein unanständiges Verhältnis zwischen den beiden fallen lassen. Doch Petschorin winkt ab: Niemals werde er seine Freiheit verkaufen. Eines Abends macht sich die Gesellschaft auf, den Sonnenuntergang im Freien zu beobachten. Beim Ritt über einen Gebirgsbach wird Mary schwindlig. Petschorin hält sie fest, ihre Wangen sind glühend heiß. Anschließend versucht Mary verzweifelt aus ihm herauszubekommen, was er für sie empfinde, aber er schweigt hartnäckig. Als sie ihn fragt, ob sie etwa als Erste sagen solle, dass sie ihn liebe, antwortet Petschorin nur achselzuckend: „Wozu?“ Entsetzt galoppiert sie davon. Petschorin freut der Gedanke, dass sie die ganze Nacht weinen wird. Auf dem Rückweg kommt er an einem Haus vorbei, in dem Gruschnitzkij und seine Kameraden zechen. Durch das Fenster erlauscht er die Details eines Komplotts: Gruschnitzkij will ihn wegen einer arrangierten Bagatelle zum Duell auffordern, das dann mit ungeladenen Pistolen stattfinden soll; so soll Petschorin lächerlich gemacht werden.

„Vielleicht wünschen einige Leser meine Meinung über den Charakter Petschorins zu erfahren. Meine Antwort darauf ist der Titel dieses Buches. ,Das ist ja böse Ironie‘, wird man mir darauf sagen. – Ich weiß nicht ...“ (S. 62)

Am Morgen darauf sagt Petschorin Mary, dass er sie nicht liebe. Vera, die bis dahin zu seinem Ärger ein platonisches Verhältnis zu ihm gepflegt hat, bittet ihn an diesem Abend zu sich. Ihr Mann und alle Dienstboten seien außer Haus. Um zwei Uhr morgens seilt er sich von Veras Balkon auf den unteren vor Marys Schlafzimmer herab und springt von dort auf den Rasen. Gruschnitzkij und ein Dragonerhauptmann stürzen aus dem Gebüsch und halten ihn fest. Petschorin schlägt den Hauptmann nieder und kann entkommen.

Das Duell

Am Tag darauf belauscht Petschorin Gruschnitzkij dabei, wie dieser erzählt, Petschorin habe Mary einen nächtlichen Besuch abgestattet und ihre Ehre beschmutzt. Der Verleumdete tritt aus seinem Versteck hervor und fordert Gruschnitzkij auf, die Behauptung zurückzunehmen. Vergeblich. Die beiden verabreden sich zum Duell. Durch Werner, der Petschorin als Sekundant beistehen soll, erfährt dieser von einer neuen, gefährlicheren Verschwörung: Gruschnitzkijs Pistole – und nur diese – soll nun doch geladen werden. In der Nacht vor dem Duell kann Petschorin nicht schlafen. Er hadert mit sich, seinem Egoismus und seinem Leben. Lohnt es sich überhaupt, immer so weiterzumachen?

„Warum hatte das Schicksal mich in die friedliche Gemeinschaft dieser ehrlichen Schmuggler gestoßen? Wie ein Stein, den man in einen glatten Brunnen wirft, hatte ich ihre Ruhe gestört, und wie ein Stein wäre ich dabei fast selbst auf den Boden gesunken.“ (Petschorin, S. 75)

Die beiden Parteien treffen sich wie verabredet im Morgengrauen abseits der Stadt. Petschorin stellt die Bedingung, sich auf einem Felsvorsprung zu duellieren. Mit dem drohenden Sturz in den Abgrund soll sichergestellt werden, dass auch eine nur leichte Schusswunde den Tod bringt. Dies bringt Gruschnitzkij in arge Bedrängnis: Er muss nun entweder zum Mörder werden oder in die Luft schießen. Per Los wird entschieden, dass Gruschnitzkij zuerst schießen darf. Er zielt auf Petschorins Stirn – und lässt die Pistole sinken. Er bringt es nicht übers Herz, einen Wehrlosen zu erschießen. Die beiden wechseln ihre Positionen. In diesem Moment erwähnt Petschorin, dass in seiner Waffe wohl die Kugel fehlt, und lässt sie neu laden. Noch einmal gibt er Gruschnitzkij die Chance, das Gesagte zurückzunehmen. Voller Hass und Selbstverachtung lehnt dieser ab. Petschorin schießt.

„Ich muss gestehen, dass ich charaktervolle Frauen nicht gern habe – es passt so gar nicht zu ihnen!“ (Petschorin, S. 97)

Der Tod wird als Unfall ausgegeben. Dann erhält Petschorin einen schmerzvollen Abschiedsbrief von Vera: Sie habe ihrem Mann den Ehebruch gestanden, als sie glaubte, Petschorin würde im Duell ums Leben kommen. Nun sei sie vernichtet und werde bald abreisen. Petschorin versucht, sie auf seinem Pferd einzuholen. Wie von Sinnen treibt er das Tier an, bis es zusammenbricht und stirbt. Er wirft sich ins Gras und weint wie ein Kind. Am nächsten Tag warnt ihn der Doktor: Die Obrigkeit hat offenbar von dem unerlaubten Duell Wind bekommen. Tatsächlich erhält Petschorin bald den Befehl, sich zu jener Festung in Tschetschenien zu begeben, in der er Maximowitsch treffen wird. Zuvor versucht die Fürstin noch einmal, ihn zur Heirat mit ihrer schwer kranken Tochter zu überreden. Ohne Erfolg. Im Gespräch mit Mary ist Petschorin so bösartig wie möglich, in der Hoffnung, ihr die Liebe mit Gewalt auszutreiben. Endlich sagt sie: „Ich hasse Sie ...“ Petschorin dankt und geht ab.

Der Fatalist

Schließlich erzählt er in seinem Tagebuch die Geschichte des serbischen Leutnants Wulitsch. Dieser will eines Abends beweisen, dass das menschliche Schicksal vorherbestimmt sei. Petschorin bestreitet das, die beiden gehen eine Wette ein. Als Wulitsch sich eine geladene Pistole an den Kopf hält und abdrückt, versagt sie wie durch ein Wunder. Anschließend zielt Wulitsch auf eine Mütze an einem Nagel – und schießt ein Loch hinein. Seine Theorie scheint bewiesen, trotzdem hat Petschorin nach wie vor das unbestimmte Gefühl, dass Wulitsch bald sterben wird. Auf dem Heimweg wird der Leutnant tatsächlich von einem Betrunkenen getötet. Seine letzten Worte gelten Petschorin: „Er hat Recht.“ Petschorin fordert nun sein eigenes Schicksal heraus, indem er den rasenden Mörder überwältigt. Zurück in der Festung, fragt er Maximowitsch nach dessen Meinung zum Thema Fatalismus. Der Stabskapitän gibt zu bedenken, dass die asiatischen Pistolen tatsächlich oft versagen. Aber Wulitschs Schicksal sei wohl so vorherbestimmt gewesen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman besteht aus einer Rahmengeschichte und vier in sich geschlossenen Novellen. Diese drehen sich alle um Petschorin, nähern sich ihm aber aus verschiedenen Perspektiven: In „Bela“ hört der Erzähler erstmals aus dem Mund des braven Stabskapitäns Maximowitsch von der sagenumwobenen Gestalt. In „Maxim Maximowitsch“ läuft er Petschorin persönlich über den Weg. Und in den Tagebuchnotizen „Taman, Prinzess Mary“ und „Der Fatalist“ offenbart Petschorin selbst dem Leser sein Seelenleben. Durch das langsame Herantasten von der Außen- zur Innenansicht dringt der Leser immer weiter in die psychologischen Tiefen der Romanfigur vor. Zugleich springt Lermontow in der Chronologie hin und her; Petschorin scheint sich dem Leser immer wieder zu entziehen. Der Autor arbeitet mit Zeitverzögerungen und Cliffhangern, um die Spannung zu steigern. Menschen und Landschaften beschreibt er mit eindrücklicher Bildgewalt und Genauigkeit: Flüsse durchkreuzen das Tal „wie Silberfäden“, Bela hat schwarze Augen „gleich denen der Gämse“ und auf den Bergen liegt eine „goldene Franse“ aus Schnee.

Interpretationsansätze

  • Lermontow führte den Typus des „überflüssigen Menschen“ in die russische Literatur ein: Petschorin ist ein hochintelligenter, aber zielloser und egoistischer Antiheld, der auf andere herabblickt, sein eigenes Leben verachtet und als heftigstes Gefühl Langeweile empfindet. Indem er zwar sein Handeln reflektiert, es aber nicht ändert, geht er einen Schritt weiter als die fiktiven Dandys der englischen und französischen Literatur. Von anderen geliebt oder gehasst zu werden, verleiht ihm Macht über seine Mitmenschen – für ihn der Gipfel des Glücks.
  • Die menschliche Seele wird in ihrer ganzen Komplexität erforscht: Mal verhält Petschorin sich grundlos böse, dann wieder einfühlsam und ehrenhaft. Als wandelnder Widerspruch manipuliert er einerseits bewusst seine Mitmenschen und beklagt andererseits, vom Schicksal als Henkersknecht missbraucht zu werden. Auf den Leser wirkt er abstoßend und anziehend zugleich: Lermontow spielt mit den Gefühlen seines Publikums wie Petschorin mit den Empfindungen der Frauen.
  • Die Romanfigur ist stark autobiografisch geprägt: Lermontow teilt den Pessimismus und Nihilismus seines Antihelden. Im Vorwort schreibt der Autor, es falle ihm nicht im Traum ein, die Menschen bessern zu wollen. Die Frage, ob der Mensch sein Schicksal selbst in der Hand hat oder nicht, lässt er bis zum Schluss unbeantwortet.
  • Die Ironie des Titels liegt nicht im Wort „Held“, sondern in „unserer Zeit“: Petschorin ist der Vertreter einer durch und durch verdorbenen Epoche, in der intelligente, junge Leute zu verbitterten Misanthropen wurden.
  • Der Autor entlarvt die russische Oberschicht als oberflächlich, grausam und heuchlerisch. Als einer der Ersten übte er Kritik an der rücksichtslosen Expansionspolitik der Russen im Kaukasus.
  • Lermontow gilt als erster Vertreter des russischen Realismus. In den Beschreibungen der Natur und des tscherkessischen „Wilden“ bleibt er seinen romantischen Wurzeln noch treu, aber mit der Charakterstudie Petschorins wächst er über die Romantik hinaus und begründet Russlands modernen, psychologischen Roman.

Historischer Hintergrund

Unterdrückter Schrei nach Freiheit

Der Roman spielt vor dem Hintergrund der russischen Kaukasuskriege in den 1830er und 1840er Jahren. Das Russische Reich drängte in Richtung Konstantinopel und suchte den Zugang zum Mittelmeer zu erlangen. Nirgendwo traf es in seinem Expansionsstreben auf so zähen Widerstand wie im Nordkaukasus, wo die antikoloniale Bewegung unter Imam Schamil Anfang der 1830er Jahre versuchte, die muslimischen Bergbewohner zu vereinen. Für Russland waren die Kriege ein finanzielles und menschliches Desaster: Sie kosteten mehr als die britischen Kolonialkriege in Indien, und auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen starb jeder zweite russische Soldat im Gefecht oder an Krankheiten.

In Russland selbst unterdrückte Zar Nikolaus I. alle Freiheitsbestrebungen mit eiserner Hand. Zu seinem Amtsantritt im Dezember 1825 verweigerte ihm eine Gruppe freiheitlich-westlich orientierter Offiziere den Eid. Sie forderten ein Ende der Leibeigenschaft, Polizeiwillkür und Zensur – doch sie scheiterten. Die Anführer dieses so genannten Dekabristenaufstands wurden gehängt und viele weitere Beschuldigte nach Sibirien verbannt. Nikolaus erstickte fortan sämtliche Freiheitsbewegungen im Keim. Er schuf eine Geheimpolizei, die sich dem Kampf gegen die Revolution verschrieb, verhängte ein Ausreiseverbot für Russen und Einreisebeschränkungen für Ausländer. Auf der internationalen Bühne erhielt der Zar den Ruf als „Gendarm Europas“. Das verarmte Russland blieb indes immer weiter hinter seinen europäischen Nachbarn zurück.

Entstehung

Lermontow begann 1837 während seiner ersten Strafversetzung in den Kaukasus mit der Arbeit an seinem Roman. Der Grund für die Verbannung war ein Gedicht mit dem Titel Tod eines Dichters. Darin hatte er den Vertretern des neureichen Dienstadels um Zar Nikolaus I. die Schuld an Alexander Puschkins Duelltod gegeben, sie als „Henker von Freiheit, Genie und Ruhm“ beschimpft und ihnen ein erbarmungsloses „göttliches Gericht“ prophezeit. Die Verbannung stellte sich für Lermontow als Inspirationsquelle heraus. Er liebte die raue Schönheit des Kaukasus und sympathisierte mit den aufständischen Bergbewohnern. Diese Gefühle kommen nicht nur in seiner Dichtung, sondern auch in den Bildern zum Ausdruck, die er während dieser Zeit malte.

Puschkin, der Vater der russischsprachigen Literatur schlechthin, war Lermontows großes Vorbild. Petschorin hat denn auch viel mit Eugen Onegin gemein, dem Protagonisten aus Puschkins gleichnamigem Werk. Außerdem ließ sich Lermontow von dem romantischen Dichter Lord Byron und dessen Versepos Childe Harolds Pilgerfahrt sowie von Choderlos de Laclos’ Gefährlichen Liebschaften und Denis Diderots Jakob anregen. Lermontow war westlich gebildet, sprach fließend Englisch, Deutsch und Französisch und übersetzte Werke von Johann Wolfgang von Goethe ins Russische. Das wichtigste Vorbild für Petschorin aber fand er in sich selbst: Der Autor legte seinem Antihelden die eigenen Lebensqualen, seine zynische Verachtung der russischen Gesellschaft und sein Leiden an der intellektuell erstickenden Atmosphäre in seiner Heimat in den Mund. Er beendete den Roman 1840, ein Jahr bevor er auf ähnliche Weise ums Leben kommen sollte wie Petschorins Opfer Gruschnitzkij.

Wirkungsgeschichte

Einzelne Teile von Ein Held unserer Zeit erschienen zunächst in der Zeitschrift Otetschestwennyja Sapiski. 1840 kam das Werk als Buch heraus. Die Öffentlichkeit war schockiert. Viele beklagten die fehlende Moral und Vorbildfunktion, eine Kritik, die Lermontow in seinem Vorwort zur zweiten Auflage 1841 scharf zurückwies. Leider, so schrieb er, seien seine Landsleute noch zu naiv und hätten keinen Sinn für Ironie: „Man hat die Leute zur Genüge mit Süßigkeiten gefüttert; sie haben sich den Magen verdorben; jetzt bedarf es bitterer Arzneien und beißender Wahrheiten.“ Der Zar fand Lermontows Medizin offenbar ungenießbar. Ebenso wie zuvor bei Puschkin gab es auch bei Lermontows Duelltod zahlreiche Ungereimtheiten. Einige glauben, dass der Chef der zaristischen Geheimpolizei das Ende beider Dichterrebellen betrieben hat. Nikolaus I. jedenfalls war zufrieden. Sein Kommentar zu der Tragödie: „Einem Hund ein hündischer Tod.“

Heute gilt Lermontow als Nachfolger Puschkins und als Begründer des realistischen, psychologischen Romans in Russland. Puschkins Eugen Onegin und Lermontows Petschorin sind die Urtypen des „überflüssigen Menschen“, die, ihrer Mitmenschen und des Lebens überdrüssig, in zahlreichen Werken Dostojewskis, Tolstois, Turgenjews und Tschechows fortleben. Auch sprachlich hat Lermontow Maßstäbe gesetzt. Anton Tschechow sagte wiederholt, dass er kein schöneres Russisch kenne.

Über den Autor

Michail Lermontow wird am 15. Oktober 1814 in Moskau in eine angesehene Familie hineingeboren. Nach dem frühen Tod seiner Mutter wächst er bei seiner dominanten Großmutter in der Provinz auf. Sie sorgt dafür, dass sich das schwierige und launische Kind von seinem Vater entfremdet. Als 14-Jähriger schreibt Lermontow erste Gedichte. Mit 16 besucht er die Moskauer Universität, wo er sich als Dramatiker versucht. Obwohl er als sehr talentiert gilt, verlässt er nach Streitigkeiten mit den Professoren die Uni. Er besucht eine Militärschule in St. Petersburg und wird Gardeoffizier. 1837 beklagt er in dem Gedicht Tod eines Dichters den Duelltod Alexander Puschkins und macht die intriganten, geldgierigen Hofschranzen um Zar Nikolaus I. für die Tragödie verantwortlich. Das Gedicht wird zehntausendfach abgeschrieben und im literarischen Untergrund verbreitet, worauf der Zar Lermontow in den umkämpften Kaukasus strafversetzen lässt. Was für viele den sicheren Tod bedeutet, ist für ihn eine glückliche Fügung: Die Kultur der aufständischen Bergvölker und die atemberaubende Gebirgslandschaft inspirieren ihn zu neuem literarischen Schaffen. 1838 kehrt er nach St. Petersburg zurück. Die Gesellschaft der mondänen Aristokratie ödet ihn an, obwohl oder vielleicht gerade weil die feinen Damen ihm zu Füßen liegen. Gewissenlos verschleißt er eine nach der anderen. Nach einem unerlaubten Duell mit dem Sohn des französischen Gesandten wird er erneut in den Kaukasus geschickt, wo er sich als tapferer Kämpfer erweist. 1840 erscheint mit Ein Held unserer Zeit sein einziger vollendeter Roman. Im Juli 1841 duelliert er sich wegen einer Bagatelle im kaukasischen Kurort Pjatigorsk. Die Duellanten einigen sich darauf, in die Luft zu schießen. Lermontow hält sich daran. Sein Gegner aber zielt lange und trifft ihn mit dem ersten Schuss. Der erst 26-jährige Dichter erliegt wenig später seinen Verletzungen und stirbt am 27. Juli 1841.

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