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Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
Buch

Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch

Moskau, 1962
Diese Ausgabe: Knaur, 1999 Mehr

Literatur­klassiker

  • Politischer Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Eine Handvoll Wahrheit

Eine „erste Handvoll Wahrheit“ nannte Solschenizyn seinen Roman Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch, in dem er mit so bescheidenem wie ergreifendem Gestus die Perversion des sowjetischen Lagersystems sichtbar machte. Obwohl im Grunde nichts darin stand, was man sich nicht ohnehin hatte denken können, war das Werk eine beispiellose Sensation: Es war die Tatsache der Veröffentlichung an sich, die einen Funken Hoffnung in die Herzen der Menschen pflanzte. Dass es dazu überhaupt kam, verdankt sich einem historischen Zufall: Chruschtschow ahnte nicht das Mindeste von der Sprengkraft jener Erzählung, die er zum Druck freigab. Ihm ging es um Imagekosmetik für das System und darum, die Verbrechen seines Vorgängers Stalin zuzugeben, um anschließend, nun mit scheinbar weißer Weste, weiterzumachen wie gehabt. Diese Rechnung ging nicht auf. Plötzlich war auferstanden, was durch drei Jahrzehnte des Terrors und der Repression zerstört schien: eine kritische Öffentlichkeit, ein Volk, dessen Leid im kargen Kurzroman eines ehemaligen Lagerhäftlings Ausdruck fand, das diese „Handvoll Wahrheit“ sofort ergriff und nicht mehr losließ – bis den Mächtigen schließlich die Lügen ausgingen.

Zusammenfassung

Der Lagertag beginnt

Fünf Uhr früh in einem Straflager. Draußen ist es noch dunkel. Das Thermometer zeigt knapp 30 Grad unter null. Dem Häftling Iwan Denissowitsch Schuchow ist nicht nach Aufstehen zumute. Er fühlt sich krank. Schuchow ist seit acht Jahren hier. Vorher war er im Lager Ust-Ischma, nachdem er 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, sich befreien konnte, anschließend aber der Spionage für die Deutschen bezichtigt wurde. Im Lager haust er mit 200 Mann in einer zugigen Baracke. Nun geht das Gerücht um, seine Einheit, die Brigade 104 unter Führung des erfahrenen Tjurin, solle heute an einer ganz neuen Baustelle eingesetzt werden, wo es noch keinerlei Schutz gegen die eisige Kälte gebe; der Einsatz wäre eine Höllentour. Doch Tjurin setzt sich für die 24 Männer seiner Brigade ein und erreicht, dass der Kelch an ihnen vorübergeht. Schuchow bekommt Ärger, weil er nicht pünktlich aufsteht. Ein Aufseher verdonnert ihn zu drei Tagen Bunker. Doch Schuchow hat Glück: Der Aufseher überlegt es sich anders und lässt ihn bloß den Fußboden der Wachstube schrubben.

In der Essbaracke

Als Schuchow endlich zu den anderen...

Über den Autor

Alexander Solschenizyn wird am 11. Dezember 1918 in Kislowodsk geboren, einem Kurort im nördlichen Kaukasus. Von den russischen Klassikern angeregt, fühlt er sich früh zum Beruf des Schriftstellers hingezogen. Dennoch studiert er Mathematik und Philosophie in Rostow. Nach seinem Examen meldet er sich, als überzeugter Kommunist, zur Front im Zweiten Weltkrieg. Im Rang eines Hauptmanns nimmt er an der Invasion Deutschlands teil. Kurz vor Kriegsende äußert er sich in einem Brief an einen Freund kritisch über Stalin, wird prompt verhaftet und zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt, mit anschließender lebenslänglicher Verbannung. Zunächst steckt man ihn in ein Sonderlager für Wissenschaftler, später in das Arbeitslager Ekibastus in Kasachstan. Zur Verbannung wird er dann nach Kok-Terek geschickt, ein kleines Nest in der kasachischen Steppe, wo er als Lehrer arbeitet. 1957, im Rahmen der Chruschtschow’schen Entstalinisierung, wird er rehabilitiert. Schon im Lager hat Solschenizyn mit dem Schreiben begonnen. 1962 erscheint sein Roman Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch; er macht ihn auf einen Schlag berühmt. Doch nur wenig später, 1964, dreht der Wind: Chruschtschow wird gestürzt, Solschenizyn zum Staatsfeind erklärt. 1970 erhält er den Nobelpreis für Literatur, kann ihn aber nicht persönlich entgegennehmen, da er fürchtet, dann nicht mehr nach Russland einreisen zu dürfen. 1974, nach der Veröffentlichung von Der Archipel Gulag, weist ihn die Regierung aus. Über Deutschland und die Schweiz emigriert Solschenizyn in die USA. Erst 20 Jahre später kehrt er in seine Heimat zurück. Inzwischen ist der einst glühende Leninist zum orthodoxen Christen geworden. Am 3. August 2008 stirbt Alexander Solschenizyn in Moskau.


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