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Ein Traktat über die menschliche Natur

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Ein Traktat über die menschliche Natur

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Was ist drin?

David Humes Erkenntnis- und Moraltheorie gehört zu den bedeutendsten Schriften der Philosophiegeschichte.


Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Aufklärung

Worum es geht

Wichtiges Werk des Empirismus

Tag für Tag werden wir von den einfachen Assoziationen unseres Verstandes in die Irre geleitet: Wir heben eine Kugel auf und lassen sie los. Die Kugel landet mit lautem Krachen auf dem Boden. Das wiederholen wir hundertmal und es passiert immer das Gleiche. Die Kugel wird immer auf den Boden fallen, denken wir. David Hume würde einwenden: Dass auf das Loslassen auch das Herabfallen folgt, ist keineswegs eine gesicherte Erkenntnis, sondern eine Vereinfachung unseres Verstandes. Wo gleiche Ereignisse immer wieder aufeinander folgen, erliegen wir der Kausalitätsvermutung - die auch eine Täuschung sein kann. Hume war ein Skeptiker. Für seine Erkenntnistheorie, die er im Traktat über die menschliche Natur formuliert, will er eigentlich gar nichts gelten lassen, außer die gesicherten Erkenntnisse, die uns unsere Sinne liefern. Nicht mal das "Ich" betrachtet er als eigenständiges Seiendes, denn auch hierbei handelt es sich für ihn lediglich um eine Serie von Sinneseindrücken, aus der wir das konstruieren, was wir "Ich" nennen. Der vielleicht radikalste der englischen Empiristen machte sich durch seine Philosophie nicht nur Freunde: Seine Gegnerschaft zur kirchlichen Orthodoxie verunmöglichte ihm die Besetzung eines Professorenstuhls. Der Traktat fiel beim Publikum durch - und gehört heute zu den wichtigsten Werken der Philosophiegeschichte.

Take-aways

  • David Hume war neben John Locke und George Berkeley der wichtigste Vertreter des englischen Empirismus im 18. Jahrhundert.
  • Der Empirismus behauptet, dass wir nur erkennen können, was wir sinnlich wahrnehmen.
  • Die Wahrnehmungen des Menschen lassen sich in starke Sinneseindrücke und eher schwache Vorstellungen unterteilen.
  • Einfache Wahrnehmungen lassen sich zu komplexen Vorstellungen zusammensetzen.
  • Es kann nichts gedacht werden, was nicht existiert.
  • Alles was existiert, kann auch gedacht werden.
  • Die Erfahrung lehrt uns, dass es bestimmte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gibt. Wir können aber die wirklichen Gründe für solche Relationen nicht erkennen.
  • Eindrücke der Selbstwahrnehmung sind Affekte, diese können ruhig oder heftig sein.
  • Affekte betreffen stets ein bestimmtes Objekt, in den allermeisten Fällen das eigene Selbst.
  • Menschen sind soziale Wesen und suchen die Nähe der anderen, sie besitzen Sympathie und brauchen einander für die Aufgabenteilung in der Gesellschaft.
  • Moralisches Handeln geht nicht aus der Vernunft, sondern aus Gefühlen und Affekten hervor.
  • Obwohl Hume den Traktat als "Totgeburt" bezeichnete, gehört er heute zu den wichtigsten Texten der Philosophiegeschichte.

Zusammenfassung

Zwei Arten von Wahrnehmungen

Die Wahrnehmungen des menschlichen Geistes lassen sich in zwei Arten einteilen. Eindrücke ("impressions") und Vorstellungen ("ideas"). Die Eindrücke sind stärker und prägnanter, sodass sie länger im Gedächtnis bleiben. Sie beruhen auf direkter Wahrnehmung durch die Sinne oder auf Gefühlen. Daher lassen sie sich nach Sinneswahrnehmung und Selbstwahrnehmung unterscheiden. Vorstellungen hingegen sind nur schwache Abbilder der Eindrücke. Sie beruhen auf Gedanken oder Urteilen. So kann man sich z. B. eine Vorstellung von der Stadt Paris machen, ohne je dort gewesen zu sein, also ohne die entsprechenden Eindrücke zu kennen. Diese Vorstellung muss auf die tatsächlichen Gegebenheiten nicht unbedingt zutreffen. Vorstellungen entstehen aus Eindrücken, aber Eindrücke nicht aus Vorstellungen. Die Erinnerung an eine früher gehabte Vorstellung ist stets schwächer als die an einen Eindruck, der direkt über die Sinne gewonnen wurde.

„Die Perzeptionen des menschlichen Geistes zerfallen in zwei Arten, die ich (...) als Eindrücke und Vorstellungen bezeichne.“ (Bd. 1, S. 8 f.)

Alle Wahrnehmungen sind entweder einfach und lassen sich nicht teilen oder sie sind komplex, also aus mehreren Eindrücken und Vorstellungen bestehend. Die Wahrnehmung eines Apfels beispielsweise setzt sich aus den Elementen Farbe, Geruch und Geschmack zusammen. Diese Eigenschaften lassen sich gedanklich voneinander trennen. So können wir Gegenständen bestimmte Eigenschaften zuordnen und sie zueinander in Beziehung setzen.

Komplexe Vorstellungen

Komplexe Vorstellungen bestehen immer aus mehreren einfachen Vorstellungen, die wiederum sinnliche Eindrücke als Grundlage haben. Einfache Vorstellungen sind nicht durch eine Ursache-Wirkungs-Relation oder ein Zeit-Raum-Kontinuum verbunden. Sie sind getrennt voneinander, lassen sich aber durch die Einbildungskraft beliebig zusammensetzen. Wer weiß, wie die Farbe "grün" und wie ein "Apfel" aussieht, kann beides verbinden und sich einen "grünen Apfel" vorstellen. Wer blind geboren wurde, dem fehlen die Eindrücke und deswegen auch die Fähigkeit einer solchen visuellen Vorstellung.

„Obgleich eine bestimmte Farbe, ein bestimmter Geschmack und Geruch Eigenschaften sind, die sich in diesem Apfel vereinen, so sieht man doch leicht, das sie nicht dasselbe, sondern wenigstens voneinander unterscheidbar sind.“ (Bd. 1, S. 11)

Gegenstände müssen in bestimmten Relationen zueinander stehen, damit wir uns eine Vorstellung von ihnen machen können. Es gibt sieben Klassen von Relationen, mit deren Hilfe sich verschiedene Gegenstände vergleichen lassen: 1) die Ähnlichkeit der Eigenschaften verschiedener Gegenstände, 2) die Identität, d. h. die Beschaffenheit unveränderlicher Gegenstände, 3) Raum und Zeit, um die Existenz von Gegenständen bzw. ihre Ausdehnung im Raum zu erkennen, 4) die Quantität, d. h. die Anzahl der Dinge, 5) der Grad der Eigenschaften, z. B. wenn sich zwei schwere Gegenstände dadurch unterscheiden, dass der eine noch schwerer ist als der andere, 6) der Widerstreit, also die Unvergleichbarkeit der Eigenschaften, und 7) Ursache und Wirkung.

Raum und Zeit

Die oft gestellte Frage, ob Raum und Zeit unendlich teilbar sind, ist bedeutungslos, da wir keine Erfahrung von unendlicher Teilbarkeit haben, weder bei Dingen noch bei Wahrnehmungen. Will man sich z. B. ein Tausendstel eines Sandkorns vorstellen, so versagt die Vorstellungskraft. Es ist in der Vorstellung nicht kleiner als das ganze Sandkorn. Außerdem können uns sinnliche Eindrücke trügen: Ein Tintenklecks aus einem gewissen Abstand betrachtet, erscheint dem Auge als eine Einheit, während unter dem Mikroskop doch einzelne Teile klar erkennbar sind. Gegenstände existieren naturgemäß in Raum und Zeit, daher haben sie eine Ausdehnung und sind veränderlich. Raum und Zeit sind stets mit Existenz verbunden und existieren nicht per se: Könnten wir nicht beobachten, dass bestimmte Vorgänge nacheinander geschehen oder nebeneinander bestehen, hätten wir auch keine Vorstellung von Zeit und Raum. Es kann nichts gedacht werden, was nicht existiert. Und Dinge, die existieren, können auch gedacht werden.

Ursache und Wirkung

Alles was in unser Bewusstsein dringt, gilt für uns als existent. Wie funktioniert nun dieses Bewusstsein? Wir betrachten beispielsweise das Verhältnis zweier oder mehrerer Gegenstände zueinander. Bleibt es gleich oder verändert es sich? Falls Letzteres der Fall ist, überlegen wir, ob es eine Ursache dafür gibt. Ursache und Wirkung können wir oft nicht durch Sinneseindrücke erkennen. Doch die Vorstellung von Ursache und Wirkung stammt aus der Erfahrung. Wir haben mehrmals gesehen, dass ein Gegenstand in einer bestimmten Weise auf einen anderen einwirkt, dass etwa eine Kugel zu Boden fällt, wenn man sie loslässt. Wir glauben nun an einen Zusammenhang (z. B. an eine Kraft, die die Kugel zum Boden zieht), weil wir immer wieder das Gleiche beobachten. Mit Gewissheit können wir diese Kraft aber nicht bestimmen, denn sie beruht auf bloßer Einbildung.

„Eindrücke und Vorstellungen unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Stärke und Lebhaftigkeit.“ (Bd. 1, S. 33)

Vorstellungen und Ideen gehen immer auf die Erfahrung zurück, wobei sie von Raum und Zeit beeinflusst werden. Betrachtet man eine Feige, so stellt man sich den süßen Geschmack vor, den man schon einmal zu einem früheren Zeitpunkt gekostet hat. Durch den Glauben, der auch Wirklichkeitsbewusstsein genannt wird, werden nun blasse Vorstellungen zu starken Eindrücken aufgebaut. Dabei spielen auch Affekte wie Lust und Unlust eine wichtige Rolle, denn je nachdem, in welchem Zustand sich das Bewusstsein gerade befindet, nimmt es Gegenstände oder Aussagen unterschiedlich wahr.

Die Affekte

Die Eindrücke lassen sich in primäre (Sinneswahrnehmung, z. B. Schmerz) und sekundäre (Selbstwahrnehmung) Eindrücke teilen. Die Eindrücke der Selbstwahrnehmung entstehen entweder aus primären Eindrücken oder aus Vorstellungen von ihnen; sie werden als Affekte bezeichnet. Dabei unterscheidet man zwischen ruhigen und heftigen Affekten. Zur ersten Kategorie gehören die Eindrücke, die man angesichts einer bestimmten Handlung oder beim Genuss von Musik oder Kunst hat (z. B. das Gefühl von Schönheit). Heftige Affekte sind Gefühle wie Liebe und Hass, Gram und Freude, Stolz und Niedergedrücktheit. Die Affekte lassen sich außerdem in direkte und indirekte unterteilen. Direkte Affekte sind solche, die allein aus Lust oder Schmerz hervorgehen: Verzweiflung, Furcht, Hoffnung, Freude, Begehren, Abscheu. Indirekte Affekte beruhen ebenfalls auf Lust und Schmerz, doch es spielen noch weitere Faktoren eine Rolle. Zu diesen Affekten gehören Liebe, Stolz, Ehrgeiz, Neid, Eitelkeit, Groll, Großmut, Kleinmut und Mitleid.

Stolz und Niedergedrücktheit

Was sind die Ursachen von Stolz und Niedergedrücktheit? Man kann auf geistige Eigenschaften wie Verstand und Mut, aber auch auf die Familie oder auf Besitztümer wie Haus, Kleider oder eine Kutsche stolz sein. Man sollte aber nicht nur die Eigenschaft, welche hier wirkt, betrachten, sondern auch das Objekt. Hat z. B. ein Mann sich ein schönes Haus gebaut, so ist das Objekt des Stolzes er selbst, denn er hat es geschaffen. Ursache des Stolzes aber ist das Haus. Die Schönheit des Hauses, als Eigenschaft, ist also eng mit der Person des Hausbauers verknüpft. Folglich kann man sagen, dass das eigene Selbst immer das Objekt der Affekte ist. Dies lässt sich auf eine natürliche Eigentümlichkeit des menschlichen Geistes zurückführen. Hat ein anderer ein schönes Haus und ich selbst habe nur eine baufällige Hütte, reagiere ich mit Niedergedrücktheit. Ob man auf bestimmte Dinge mit Stolz oder mit Niedergedrücktheit reagiert, hängt nicht zuletzt auch von gesellschaftlichen Werten und Regeln ab.

Liebe und Hass

Liebe und Hass bestehen aus einfachen Eindrücken. Sie gleichen den Affekten Stolz und Niedergedrücktheit. Während jedoch beim Stolz unser eigenes Selbst das Objekt ist, ist es bei der Liebe ein anderer Mensch. Zwar gibt es auch das Phänomen der Eigenliebe, doch die zärtlichen Gefühle, die wir bei der Liebe einem anderen entgegenbringen, treten dabei nicht auf. Ebenso wenig können wir uns selbst hassen. Nur die Handlungen anderer führen zu Gefühlen des Hasses. Das Objekt von Liebe und Hass ist allerdings nicht die Ursache des Affekts. Die Ursache können Eigenschaften einer Person sein. Ist jemand witzig, klug oder verständnisvoll, bekommt er unsere Liebe. Eigenschaften wie Verschlagenheit, Dummheit und Niedertracht erzeugen dagegen Hass. Auch hier müssen wir Eigenschaft und Subjekt der zusammengesetzten Ursache trennen. Ein Fürst mit einem schönen Palast wird hoch geschätzt, gerade weil er der Besitzer des Palastes ist. Gehört ihm der Palast nicht oder ist er verfallen, so erlischt die Wertschätzung.

„Es wird allgemein zugegeben, dass unser geistiges Vermögen beschränkt ist und wir es darum niemals zu einem vollkommenen und genauen Bild der Unendlichkeit bringen können (...)“ (Bd. 1, S. 41)

Die Affekte lassen sich durch unterschiedliche Eindrücke umwandeln. Nimmt man als Objekt eine positive Eigenschaft, z. B. die Tugend, und setzt sie zur eigenen Person in Beziehung, so entsteht der Affekt Stolz. Projiziert man nun diese Eigenschaft als gleich bleibende Vorstellung auf eine andere Person, so empfindet man Liebe. Nun ändert man die Eigenschaft in Laster, während die Person gleich bleibt. Statt eines angenehmen Eindrucks hat man jetzt einen unangenehmen, woraus der Affekt Hass entsteht. Besitzt nun nicht ein anderer ein Laster, sondern ich selbst fröne einem, so führt dies zu Niedergedrücktheit.

Der Wille

Jeder Körper unterliegt bestimmten Gesetzmäßigkeiten und kann diesen nicht entkommen. Obwohl sich die Menschen hinsichtlich Hautfarbe, Geschlecht und Größe unterscheiden, so lässt sich doch eine gewisse grundsätzliche Gleichheit erkennen, die auf natürlichen Prinzipien beruht. Aufgrund solcher Prinzipien suchen die Menschen immer Gesellschaft: Sie sind soziale Wesen und verfügen über Sympathie den anderen Menschen gegenüber. Die Menschen brauchen einander, denn je nach gesellschaftlichem Stand haben sie verschiedene Eigenschaften ausgeprägt. So denkt z. B. ein vornehmer Herr anders als ein Tagelöhner. Die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse sind notwendig für das Funktionieren der menschlichen Gesellschaft. Durch sie entstehen Handel, Landwirtschaft, Bautätigkeit - aber auch Gerichtsprozesse und schließlich Kriege. Das Handeln der Menschen ist verlässlich, denn es unterliegt dem Prinzip der Notwendigkeit. Dem menschlichen Willen liegen ruhige Affekte zu Grunde, die das Handeln vorhersagbar machen. Neugier ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Natur. Der menschliche Geist will sich betätigen, dies bereitet ihm Lust. Er will, dass die Suche nach Wahrheit bzw. die Erforschung eines Sachverhalts von Erfolg gekrönt ist; jegliche Wahrheitssuche wird überhaupt nur vor dem Hintergrund der Nützlichkeit durchgeführt.

Die Moral

Der Geist kann sich nur mit Dingen befassen, die ihm durch Wahrnehmung nahe gebracht wurden. Wie aber können wir dann moralische Urteile fällen? Aufgrund von Vorstellungen oder aufgrund von Eindrücken? Die Sittlichkeit hat Einfluss auf das Handeln und die Gefühle der Menschen. Sie ruft Affekte hervor und führt Handlungen herbei oder verhindert sie, wozu die Vernunft niemals imstande wäre. Denn der Vernunft geht es um Wahrheit oder Irrtum, wobei der Verstand die Übereinstimmung mit wirklichen Tatsachen prüft. Die Affekte aber entstehen aus sich heraus und haben daher keine Übereinstimmung mit irgendwelchen Tatsachen. Deshalb kann man oft nicht sagen, ob Handlungen oder Affekte der Vernunft entsprechen.

„Man richte seine Aufmerksamkeit so intensiv als möglich auf die Welt außerhalb seiner selbst, man dringe mit seiner Einbildungskraft bis zum Himmel, oder bis an die äußersten Grenzen des Weltalls; man gelangt doch niemals einen Schritt weit über sich selbst hinaus (...)“ (Bd. 1, S. 92)

Der Eindruck eines sittlich Guten oder Schlechten beruht auf Lust- und Unlustgefühlen. Je nachdem, welches Gefühl erregt wird, ist eine Handlung, die wir beobachten, tugend- oder lasterhaft. Nicht rationale Erwägungen sind es also, die uns urteilen lassen, ob etwas recht oder unrecht ist, sondern Affekte. Moral wird gefühlt, aber nicht verstandesgemäß beurteilt. Eine Handlung bewerten wir dann als gut, wenn wir hinter ihr ein entsprechendes Motiv vermuten. Wenn ein Mann beispielsweise Freunde und sogar Fremde unterstützt, so schließen wir auf einen tugendhaften Charakter.

Der Rechtssinn

Auf der natürlichen Tugend beruht der Rechtssinn, eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenleben der Menschen. Da der Mensch nicht alles, was er zum Leben braucht, selbst erzeugen kann, muss er sich mit anderen zu einer Gesellschaft zusammenschließen. In dieser gibt es unterschiedliche Berufsgruppen, die verschiedene Dinge produzieren, und dies führt zu einer ungleichen Verteilung von Eigentum. Um diesen Zustand zu wahren, bedarf es feststehender Regelungen, die von allen akzeptiert und eingehalten werden. Regelwerke und Gesetze sind also künstliche Gebilde. Doch sie beruhen auf der natürlichen Tugend des Menschen, ohne die eine Gesellschaft schlichtweg nicht möglich wäre.

Zum Text

Aufbau und Stil

Humes Traktat über die menschliche Natur besteht aus drei Bänden. Band I ("Über den Verstand") ist der umfangreichste Teil und beschäftigt sich ausschließlich mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen von Humes Philosophie, insbesondere mit der wichtigen Unterscheidung von Eindrücken und Vorstellungen sowie mit der Skepsis gegenüber dem Kausalprinzip. Band II ("Über die Affekte") widmet sich den menschlichen Leidenschaften wie beispielsweise Liebe, Hass oder Niedergeschlagenheit und ist eine Vorbereitung der Aussagen in Band III ("Über die Moral"). Humes Stil ist elaboriert, aber dennoch verständlich. Kein Wunder, dass er später den Essaystil als seine Art zu Schreiben entdeckte: Der Traktat ist nämlich nicht durch und durch systematisch aufgebaut; häufige Wiederholungen lassen darauf schließen, dass Hume den Schreibfluss an seinen Denkprozessen ausrichtete. Die deutsche Übersetzung versucht mit Anmerkungen die teilweise ambivalenten englischen Ausdrücke Humes zu erläutern, denn zur leichten Verwirrung des Lesers grenzt der Autor wichtige Begriffe wie "Wahrnehmung", "Eindruck", "Vorstellung" etc. nicht immer ganz sauber voneinander ab.

Interpretationsansätze

  • Das Induktionsproblem gehört zu den wichtigsten Punkten in Humes Traktat: Der Mensch schließt fortwährend von der Vergangenheit auf die Zukunft, indem er annimmt zu wissen, wie Ursache und Wirkung verknüpft sind. Genau dies lehnt Hume ab. Alle Aussagen über die Zukunft sind Spekulation, selbst wenn sie von Experten gemacht werden. Prognosen und anderen "wissenschaftlichen" Vorhersagen sollte man daher mit größter Skepsis begegnen. Das Induktionsproblem wurde bereits rund 1500 Jahre vor Hume von dem griechischen Philosophen Sextus Empiricus formuliert. Es ist anzunehmen, dass Hume von Sextus Empiricus Kenntnis hatte.
  • Humes Zweifel am Kausalprinzip entwickelt erst auf den zweiten Blick jenen Sprengstoff, der seine Zeitgenossen empörte: Wenn man nicht mehr von der Wirkung auf die Ursache schließen kann, wird es auch schwierig, auf eine "erste Ursache" zu schließen. Tatsächlich stellte Hume die Existenz Gottes und daran anknüpfend die Existenz einer unsterblichen Seele in Frage.
  • Allerdings begegnete Hume beim Durchexerzieren der empiristischen Prämissen einem Problem: Wenn für uns nur das existiert, was wir über unsere Sinne aufnehmen können, kann es dann eine Außenwelt geben, die in Zeit und Raum unabhängig von unserer eigenen Existenz existiert? Hier musste Hume einräumen, dass eine solche Außenwelt notwendigerweise existiert und dennoch nicht empirisch nachgewiesen werden kann, sodass unsere Einbildungskraft über die Sinneswahrnehmung triumphiert. Der Empirismus wird dadurch stark eingeschränkt oder sogar ad absurdum geführt. Hume fühlte sich am Ende des ersten Bandes seines Traktats durch diese Erkenntnis so tief getroffen, dass er kurz davor war, das Manuskript ins Feuer zu werfen.
  • Die Vernunft allein kann für Hume niemals eine Handlung erzeugen oder ein Wollen auslösen. Der Philosoph ist damit klar ein Gegner des Rationalismus. Für Hume sind es vielmehr die Affekte, Lust und Unlust, die - durchaus durch die Vernunft geleitet und verknüpft - unser Handeln bestimmen.
  • Das Hume’sche Gesetz in der Ethik besagt: Aus Ist-Aussagen (Tatsachen) darf man keine Soll-Aussagen (Werturteile) ableiten. Hume kritisiert andere Autoren, die in ihren moralischen Texten schleichend von Ist- zu Soll-Aussagen übergehen.

Historischer Hintergrund

Der Empirismus

Der Empirismus, der sich im 17. Jahrhundert als philosophische Strömung in England entwickelte, geht davon aus, dass jede Erkenntnis auf Erfahrung gründet. Im Gegensatz zum Rationalismus mit seinen Hauptvertretern Descartes, Spinoza und Leibniz bestreitet der Empirismus, dass es Wissen "a priori", also unabhängig von der Erfahrung, überhaupt geben kann. Der Empirismus wollte die platonisch-aristotelische Metaphysik aus dem Haus der Philosophie herausfegen. Es sollte eine neuzeitliche, aufklärerische und moderne Philosophie entstehen. Ewige Wahrheiten und Transzendenz (= alles, was außerhalb der Wahrnehmung liegt, wie z. B. das Jenseits) wurden von den meisten Empiristen in Zweifel gezogen, denn die sinnliche Wahrnehmung wurde selbst zur ganzen Wahrheit. Die Empiristen sahen alles im Fluss, im Strom von sensorischen Reizen - da blieb wenig Platz für eherne Gesetze.

Die wichtigsten Wegbereiter für Hume waren John Locke und George Berkeley. Locke hatte den Empirismus - seinerseits gestützt auf die Theorien von Francis Bacon - mit seinem Essay Concerning Human Understanding (1690) auf systematische Füße gestellt. Sein berühmter Ausspruch, die Seele eines Kindes sei "Tabula rasa", verdeutlichte seinen Glauben daran, dass jegliches Wissen nur durch die Erfahrung gewonnen werden könne. Berkeley war noch radikaler: Seine Maxime hieß "esse est percipi - sein heißt wahrgenommen werden". Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nichts existiert, was nicht wahrgenommen wird. Allerdings brachte Berkeley - anders als Hume - Gott ins Spiel, der dafür sorgen soll, dass alle Menschen über ähnliche Wahrnehmungen verfügen.

Entstehung

Nach einer depressiven Phase verließ Hume Schottland 1734, um das "aktive Leben" kennen zu lernen. Nach einem Aufenthalt in Bristol erfüllte er sich seinen großen Wunsch, nach Frankreich zu gehen. In Reims studierte er noch einmal die Werke seiner Vorbilder Locke und Berkeley und zog danach weiter aufs Land. In La Flèche, einem kleinen Dorf am Fluss Loir, verbrachte Hume zwei Jahre mit der Verfertigung des Traktats über die menschliche Natur. Als er den ersten Teil beendete, stolperte er über einige innere Widersprüche des Empirismus. Frustriert von dieser Erkenntnis und bereit, sein ganzes Buch zu verbrennen, verließ er den Schreibtisch und stürzte sich erneut ins Leben: "Ich esse, spiele Tricktrack, unterhalte mich, bin lustig mit meinen Freunden. Wenn ich (...) dann zu jenen Spekulationen zurückkehre, so erscheinen sie mir so kalt, überspannt und lächerlich, dass ich mir kein Herz fassen kann, mich weiter in sie einzulassen", schrieb er im Schlussabschnitt des ersten Bandes. Doch Hume beruhigte sich wieder, als er die Druckfahnen (und das stattliche Honorar von 50 £) in Händen hielt. Im Januar 1739 erschien der Traktat anonym mit dem lateinischen Motto: "Seltenes Glück der Zeiten, in denen man denken darf, was man will, und sagen darf, was man denkt". Hume reiste in gespannter Erwartung nach Schottland zurück. Hier machte er sich an die Verfertigung des dritten Bandes, der sich mit der Moral auseinander setzt. In dem Philosophieprofessor Francis Hutcheson fand Hume einen Fürsprecher und Förderer, der den dritten Teil einem Verleger zum Druck empfahl. Der Band erschien im November 1740 in London.

Wirkungsgeschichte

"Nie ist es einem literarischen Unternehmen unglücklicher ergangen als meinem Traktat. Als Totgeburt fiel er aus der Presse und fand nicht einmal so viel Beachtung, um wenigstens unter den Eiferern ein leises Murren zu erregen." So kommentiert Hume die Aufnahme des Traktats viele Jahre nach der Veröffentlichung. Die Verkaufszahlen waren erbärmlich. Die erste Auflage von 1000 Stück wurde zwar verkauft - allerdings dauerte dies sage und schreibe 77 Jahre. Der Traktat wurde bei der Erstveröffentlichung kaum beachtet, nur ab und an mit kleineren Hinweisen bedacht. Dann - nach fast einem Jahr - erschien in der Fachzeitschrift The History of the Works of the Learned eine seitenlange Rezension des Werks, wahrscheinlich verfasst vom späteren Erzbischof von Gloucester, William Warburton (Hume nannte ihn in einem seiner Briefe den "widerlichsten Schriftsteller Europas"), die einem totalen Verriss gleichkam. Von der orthodoxen Rhetorik erschlagen, wagte es so gut wie kein anderer Autor, das Buch positiv zu beurteilen. Zu Humes Lebzeiten erschien keine wohlwollende Rezension in einem bedeutenden Medium. Hume erging es so, wie er im Traktat selbst voraussah: "Gern würde ich in der Menge Schutz und Wärme suchen, aber ich kann mich nicht entschließen, entstellt wie ich bin, Verkehr zu pflegen. (...) Ich habe die Feindschaft aller Metaphysiker, Logiker, Mathematiker und selbst der Theologen über mich heraufbeschworen."

Doch es gab auch andere, die mit Humes Werk durchaus etwas anfangen konnten: Seinen Freund Adam Smith inspirierte es zu seinen moralischen Schriften, und es hatte auch Einfluss auf Immanuel Kant. Karl Popper entwickelte seine eigene Erkenntnistheorie in Opposition zu Hume. Die philosophischen Konstruktivisten betrachten ihn als ihren Vorläufer. Allgemein gilt Humes Traktat heute als wichtiges Werk der englischen Philosophie und als Bibel der Skeptiker.

Über den Autor

David Hume gehört neben John Locke und George Berkeley zu den einflussreichsten Figuren der englischen Aufklärung. Als zweiter Sohn eines kleinen schottischen Landadeligen am 7. Mai 1711 geboren, besucht Hume bereits mit zwölf Jahren die Universität von Edinburgh, um Jura zu studieren. Er nimmt jedoch auch an Lehrveranstaltungen für Philosophie teil und lernt auf diesem Weg die Schriften von Isaac Newton und John Locke kennen. Hume bricht das Studium nach drei Jahren ohne Abschluss ab. In Bristol betätigt er sich als Kaufmann und begibt sich 1735 auf eine Studienreise nach Frankreich, um sich mit neuerer Philosophie zu beschäftigen. Dort verfasst er seinen Treatise of Human Nature (Ein Traktat über die menschliche Natur). Diese Abhandlung erregt jedoch kaum Aufmerksamkeit. 1741 entdeckt er sein Talent für Essays: Seine aus dieser Zeit stammenden Texte sind sehr erfolgreich. Vier Jahre später bewirbt er sich um die Professur für Moralphilosophie an der Universität von Edinburgh. Seine skeptische Haltung gegenüber der Religion führt jedoch dazu, dass seine Bewerbung erfolglos bleibt. In seinem 1757 veröffentlichten Werk The Natural History of Religion (Die Naturgeschichte der Religion) behauptet er, dass Religion vor allem auf Ignoranz, Hoffnung und Furcht basiere und ihre Ausrottung durch Aufklärung einer wahren Erlösung gleichkomme. Damit verwirkt Hume jede Aussicht auf höhere Ämter im calvinistischen Schottland. 1748 erscheint sein Werk Enquiry Concerning Human Understanding (Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand), das Hume zu einem in ganz Europa sehr bekannten Philosophen macht. 1752-1757 arbeitet er als Bibliothekar an der Universität von Edinburgh, was er mit historisch-politischen Studien verbindet. Das Ergebnis ist die History of England (Geschichte von England), die 1754-1762 erscheint und Humes Ruf als Historiker festigt. Von 1763-1766 im diplomatischen Dienst in Paris, macht Hume die Bekanntschaft von Diderot und Rousseau. 1768 kehrt er nach Edinburgh zurück und stirbt dort nach einer langen Krankheit am 25. August 1776.

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