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Ein Traumspiel

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Ein Traumspiel

Reclam,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ehe, Arbeit und andere Höllen: Strindbergs Meisterwerk.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Das Leben ist Leiden

Nachdem August Strindberg einige Jahre ohne zu schreiben und am Rande des Wahnsinns in Paris gelebt hatte, kehrte er zu Beginn des neuen Jahrhunderts nach Schweden und in die psychische wie soziale Normalität zurück. 1901 heiratete er die Schauspielerin Harriet Bosse und begann seine letzte und produktivste Schaffensperiode. Doch noch im selben Jahr zerbrach die Ehe an zahllosen Streitereien und Strindbergs eigenwilligem Charakter. In dieser Krise schrieb er Ein Traumspiel, ein kurzes Drama in drei Akten, das die Alogik des Traums auf die Bühne bringt – und damit jahrtausendealte Formtraditionen über den Haufen wirft. Jenseits aller Realitätsprinzipien wie zeitlicher, räumlicher oder personaler Einheit entwirft Strindberg eine ungemein dichte Allegorie des irdischen Lebens als unaufhebbar dem Leiden verfallen. Mit halluzinatorischer Prägnanz und traumwandlerischer Klarheit verfolgt Ein Traumspiel den Besuch von Agnes, Tochter der indischen Gottheit Indra, bei den Menschen. Dieses rasante Kaleidoskop symbolisch aufgeladener Szenen gibt dem Pessimismus der Moderne eine frühe Stimme und nimmt Surrealismus, Dadaismus und absurdes Theater um Jahrzehnte vorweg.

Take-aways

  • Ein Traumspiel zählt zu den Hauptwerken des schwedischen Dramatikers August Strindberg.
  • Inhalt: Agnes, die Tochter des Gottes Indra, kommt zur Erde, um das Elend des menschlichen Lebens kennenzulernen. Sie heiratet einen Anwalt und bekommt ein Kind. Die Ehe scheitert und Agnes erforscht an der Seite eines Dichters das irdische Leid, ehe sie in einem Schloss verbrennt.
  • Mit dem Traumspiel wurde Strindberg zum Vorläufer und Wegbereiter des modernen Dramas.
  • Das Theaterstück in drei Akten bildet die irrationale Wirklichkeit des Traums nach.
  • Es entstand 1901 während der kurzen und stürmischen Ehe Strindbergs mit der Schauspielerin Harriet Bosse.
  • Ein Traumspiel gefiel Strindberg selbst unter all seinen Werken am besten.
  • Er verarbeitet darin seine Beschäftigung mit indischer Religion und Philosophie.
  • Das Hauptmotiv des Stücks ist eine Deutung des menschlichen Daseins als geprägt von Leid, Elend und Brutalität.
  • Die Philosophiegeschichte sieht im Traumspiel einen Vorläufer des französischen Existenzialismus.
  • Zitat: „Sich treffen und sich trennen! Sich treffen und sich trennen! So ist das Leben!“

Zusammenfassung

Indras Tochter

Vor dem Hintergrund eines riesigen Waldes aus Stockrosen treffen sich ein Glasermeister und seine Tochter Agnes. Sie weist auf das Schloss, das sich hinter dem Rosenwald erhebt, und stellt fest, dass es dieses Jahr bereits deutlich gewachsen ist. Am goldenen Dach des Schlosses ist eine Blütenknospe zu sehen. Die Tochter fragt ihren Vater, warum Blumen wachsen und wer in dem Schloss wohnt. Er antwortet, dass sich Blumen so schnell sie können aus dem Schmutz der Erde befreien wollen und deshalb zum Licht wachsen – und dass er sich nicht mehr erinnern kann, wer das Schloss bewohnt. Sie meint, dass es ein Gefangener sein muss, der darauf wartet, dass sie ihn befreit. Dann gehen beide Richtung Schloss davon.

„Weißt du, was gesagt wird? Dass sie die Tochter des Gottes Indra ist und darum gebeten hat, auf die Erde kommen zu dürfen, um selbst zu sehen, wie es den Menschen eigentlich geht …“ (die Mutter, S. 15)

In einem kahlen Zimmer treffen sie auf einen Offizier. Der freut sich über die Ankunft von Agnes, bewundert ihre Schönheit und Anmut und beklagt sein tragisches Schicksal, für jede Freude mit doppeltem Leid bezahlen zu müssen. Er fragt, weshalb er hier im Schloss gefangen ist. Sie antwortet: Damit er sich zum Lichte hin fortsehne. Dann erstarren sie. Die kränkliche Mutter erscheint und berichtet ihrem Mann, dem Vater, dass sie bald sterben wird. Ihr Mann entschuldigt sich für die vielen Ehestreitigkeiten und bewundert seine Frau dafür, dass sie auch in dieser schweren Stunde zuerst an ihre Kinder denkt. Bevor er abtritt, befiehlt sie ihm, ihren Sohn Alfred hereinzubitten. Doch der ist bereits da. Es ist der Offizier. Der tritt nun an die Mutter heran und stellt ihr Agnes vor. Die Mutter erzählt, dass Agnes für die Tochter des Gottes Indra gehalten wird. Man erzähle sich, sie sei zur Erde gekommen, um das Schicksal der Menschen kennenzulernen. Dann verabschiedet sich die Mutter vom Offizier und rät ihm, sich nicht ungerecht behandelt zu fühlen – weder von Gott noch vom Leben. Als sie ihrer Magd eine Seidenmantille, ein Geschenk ihres Gatten, borgen will, erscheint dieser plötzlich und wirft ihr vor, ihn beleidigen zu wollen. Die Mutter seufzt und beklagt die Ungerechtigkeit des Lebens. Auch Agnes wiederholt, dass die Menschen es schwer haben. Dann wendet sie sich an den Offizier, er möge sich folgende Szene ansehen.

Die Pförtnerin und der Anwalt

Vor einer alten Brandmauer sitzt eine Pförtnerin. Durch eine Gittertür sieht man einen grünen Platz mit einer riesigen blauen Blume. Die Pförtnerin erzählt, dass heute die Oper schließt und die Sängerinnen erfahren, ob sie weiter engagiert werden. Agnes beschließt, diese zu beobachten. Als eine abgelehnte Sängerin weinend durch die Tür eilt, wiederholt Agnes, es sei „schade um die Menschen“. Nun tritt der Offizier herausgeputzt und fröhlich aus dem Tor. Er wartet auf seine Braut Victoria, die er sieben Jahre lang umworben hat und nun endlich heiraten wird. Agnes erkennt er nicht. Dann geht er ab, um den Glasermeister anzurufen und ihn anzuweisen, doppelte Fensterscheiben im wachsenden Schloss einzusetzen, da der Winter nahe. Als er weg ist, löst Agnes die Pförtnerin ab. Sie will die Menschen kennenlernen und herausfinden, ob deren Leben wirklich so schwer ist. Die Pförtnerin überlässt ihr eine „Sternendecke“, an der sie seit 26 Jahren häkelt und die ihre eigenen sowie die Leiden all derjenigen enthält, die sich ihr jeden Tag anvertrauen.

„O je, so ist das Leben! Wenn man edel handeln will, gibt es immer jemanden, der findet, das wäre schlecht … Tut man dem einen etwas Gutes, kränkt man einen anderen. O je, so ist das Leben!“ (die Mutter, S. 16)

Nach kurzer Dunkelheit ist der Rasen plötzlich herbstlich braun, die Rosen sind verwelkt, und der Offizier erscheint – abgewrackt und grau. Noch immer wartet er auf die Geliebte. Eine neue Theatersaison hat begonnen und er ist zuversichtlich, dass Victoria bald kommen wird. Eine Tür in der Mauer beschäftigt ihn, er wundert sich, was dahinter sein mag. Dann geht er ab, um einen Schlosser anzurufen, der sie öffnen soll. Als er wieder auftritt, ist der Rasen wieder grün, der Offizier aber weißhaarig und gebrechlich. Ein Ballettmädchen, dann ein Chorist und schließlich der Souffleur versichern ihm, dass Victoria noch nicht gegangen sei.

„(…) schau mich an! … Hierher kommt nie ein lachender Mensch, nur böse Blicke, gefletschte Zähne, geballte Fäuste … Und alle gießen ihre Bosheit, ihren Neid, ihr Misstrauen über mir aus (…)“ (der Anwalt zu Agnes, S. 31)

Dann tritt der Glasermeister auf, der anstelle des Schlossers gekommen ist, die Tür zu öffnen. In letzter Sekunde kommt jedoch ein Polizist hinzu, der das Öffnen der Tür untersagt. Nun verwandelt sich die Szene in die Stube des Anwalts, der hässlich und von all den Verbrechen, mit denen er zu tun hatte, schwer gezeichnet ist. Er spricht Agnes als Schwester an und bittet sie um die Sternendecke, damit er mit ihr die Leiden der Menschheit im Ofen verbrennen kann. Doch Agnes will ihm die Decke erst geben, wenn diese auch das ganze Leid des Anwalts enthält. Daraufhin klagt er ihr, dass er täglich mit den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele umgehen muss, sodass er inzwischen schon selbst aussieht wie ein Verbrecher.

„Es ist schrecklich schwer, verheiratet zu sein … das ist schwerer als alles andere! Ich glaube, dafür muss man ein Engel sein.“ (der Anwalt zu Agnes, S. 42)

Da unterbrechen Kirchenglocken die Unterhaltung. Der Anwalt und Agnes gehen zur Doktorierung des Anwalts in einer Kirche – die dann aber nicht stattfindet, da der Anwalt nicht für würdig befunden wird. Dabei hat er doch immer die Sache der Menschen vor Gericht vertreten, ihre Sorgen getragen und ihr Schwächen verteidigt! Agnes hat Mitleid mit ihm. Plötzlich sind sie in einer meerumspülten Grotte und Agnes bietet sich dem Anwalt als Braut an. Der willigt ein.

Realität der Ehe

Der Anwalt und Agnes bewohnen eine ärmliche Kammer. Es fehlt an Geld und das gemeinsame Kind belastet ihre Beziehung zusätzlich: Sein Geschrei lässt Agnes nicht schlafen und vertreibt dem Anwalt die Kunden. Trotz aller guten Vorsätze, nicht zu streiten oder einander anzukeifen, verzagen die beiden an den vielen alltäglichen Meinungsverschiedenheiten über Essen, Ordnung und Umgangston. Das junge Ehepaar steht vor der Wahl: Entweder fangen sie an, einander zu hassen, oder sie rücken um des lieben Friedens willen von ihren Ansprüchen an den anderen ab und leiden still. Doch immer wieder brechen die Konflikte auf: Agnes hasst den Kohl, den ihr Mann so gerne ist, und dieser findet wiederum, dass es ihr an Ordnungssinn mangelt. Schließlich stimmen sie darin überein, dass sie nur noch wegen des Kindes zusammenbleiben.

Himmel oder Hölle

Der Offizier tritt ins Büro des Anwalts. Er hat promoviert und blickt hoffnungsfroh in die Zukunft. Als der Anwalt abtritt, lädt der Offizier Agnes ein, ihn zur „Schönen Bucht“ zu begleiten, und sie geht mit. Doch die beiden verirren sich und gelangen zur düsteren „Bucht der Schmach“: Verkohlte Baumstümpfe umstehen eine Quarantänestation und Maschinen, in denen Menschen Sport treiben. Der Offizier trifft den Quarantänemeister Ordström, den er offenbar von früher kennt. Ordström klärt sie auf, dass hier die Kranken und in der Schönen Bucht, die man in der Ferne sieht, die Gesunden leben. Als der Offizier folgert, dass in der Bucht der Schmach also die Armen sind, korrigiert ihn Ordström: Ganz im Gegenteil, hier sind nur Reiche, die für einen lasterhaften oder exzessiven Lebensstil büßen, indem sie foltergleichen Therapien unterzogen werden. Nach einer Weile tritt ein Dichter auf, der ein Schlammbad nehmen will. Ordström bemerkt lakonisch, dass der Dichter den Schlamm nötig hat, da er sich sonst nur in den „höchsten Sphären“ aufhält.

„Wehe uns! Was haben wir getan? – Man muss nichts getan haben, um den kleinen Unannehmlichkeiten des Lebens ausgesetzt zu werden!“ (Er und Quarantänemeister, S. 54)

Als sie ein Boot erblicken, in dem Er und Sie in glücklicher Liebe der Schönen Bucht zusteuern, erkennt der Offizier in der Frau seine Victoria. Er zieht das Boot, unter Protest des Dichters, zur Bucht der Schmach. Das Paar ist entsetzt und klagt, es werde grundlos ins Elend gestürzt. Vierzig Tage sollen sie laut Quarantänemeister hier bleiben. Victorias Glück lässt den Offizier leiden, und sein Leiden wiederum verdirbt Victorias Glück.

„Sich treffen und sich trennen! Sich treffen und sich trennen! So ist das Leben!“ (der Blinde, S. 46)

Nach kurzer Dunkelheit liegt nun die Schöne Bucht im Vordergrund. Es schneit. Während die Paare im Kurhaus tanzen, sitzt die hässliche Edit traurig draußen, denn sie wurde nicht zum Tanzen aufgefordert. Zwei glückliche Neuvermählte gehen ins Meer, da sie wissen, dass ihr Höhepunkt des Glücks bereits den Anfang ihres gemeinsamen Unglücks bedeutet. Schließlich tritt der Blinde auf, Besitzer und Gastgeber der Schönen Bucht. Er lehrt, dass das Leben aus „sich treffen und sich trennen“ besteht. Eben sticht sein Sohn in See, auf einem weißen Kriegsschiff.

„Was ist Dichtung? – Nicht Wirklichkeit, sondern mehr als Wirklichkeit … kein Traum, sondern Wachträume (…)“ (der Dichter und die Tochter, S. 79)

Der Anwalt erinnert Agnes daran, dass das Schlimmste im Leben die Wiederholung und das Zurückkehren ist. Er fordert sie auf, in ihr gemeinsames Heim zurückzukehren und ihre ehelichen Pflichten wiederaufzunehmen. Alles Angenehme sei Sünde und jedes Glück, jeder Erfolg eine Ursache für das nahe Unglück, den bevorstehenden Misserfolg. Unter gar keinen Umständen will Agnes ihr altes, qualvolles Leben wiederaufnehmen. Sie will mit dem Dichter in die Wüste gehen. Doch zuerst beobachtet sie mit dem Anwalt zusammen Kohleträger am Mittelmeer. Die beklagen ihre elende Sklavenexistenz: Sie müssen am schwersten arbeiten, besorgen die Grundlagen der noblen Gesellschaft und haben doch am wenigsten zu essen und keinerlei Anteil an den Privilegien der Reichen. Agnes fragt, warum die Menschen diese ungerechte Welt nicht verändern. Der Anwalt antwortet ihr, dass alle Weltverbesserer verrückt werden oder im Gefängnis landen. Sie beschließen, dass diese Welt nicht das Paradies sein kann, sondern die Hölle sein muss.

Indras Ohr

Agnes führt den Dichter weit weg von den Klagen der Menschheit, in die vom Meeresrauschen erfüllte Fingalsgrotte, auch „Indras Ohr“ genannt. Hier lauschen die Götter dem gewaltigen Jammer der Menschen. Weil der Dichter nur das Peitschen der Wellen und das Heulen des Windes hört, übersetzt ihm Agnes das Leid, das die Gezeiten ihnen beichten. Sie entdecken einen Haufen angeschwemmtes Treibgut, die Überreste gesunkener Schiffe. Auch das Namensschild jenes weißen Kriegsschiffs ist darunter, die „Gerechtigkeit“ ist also untergegangen und der Sohn des Blinden mit ihr. Agnes fürchtet, durch ihren Aufenthalt auf Erden den Kontakt zum väterlichen Götterreich verloren zu haben: Sie hört Indra nicht mehr. Der Dichter überreicht ihr eine „Bittschrift der Menschheit“ und bittet Agnes, sie bei ihrer Rückkehr zu den Göttern zu verlesen. Agnes trägt das Gedicht dem Dichter auswendig vor, findet es aber zu irdisch und einigt sich mit dem Dichter, es den Göttern in passenderer Sprache mitzuteilen.

„Damit ist der Friede meiner Seele zerstört … sie ist zerbrochen und strebt in zwei Richtungen (…)“ (die Tochter, S. 94)

Die Wogen wachsen an, das Wasser steigt. Agnes und der Dichter erblicken ein Schiff, das sich der Grotte nähert. Zunächst meint der Dichter, das Gespensterschiff des fliegenden Holländers zu erkennen, dann stellen sie fest, dass es einfach ein Schiff in Seenot ist. Die Besatzung singt laut „Christ Kyrie!“. Der Dichter hat Angst, in der Grotte zu ertrinken.

„Oh, jetzt spüre ich den ganzen Schmerz, / so ist es also, ein Mensch zu sein … / Man vermisst sogar das, was man nie wertgeschätzt hat, / man bereut sogar das, was man nie verbrochen hat … / Man will gehen, und man will bleiben … / So zerren die Hälften des Herzens in beide Richtungen (…)“ (die Tochter, S. 102)

Als Jesus Christus weiß leuchtend über das Wasser herannaht, schreit die Besatzung vor Angst auf und springt über Bord. Inzwischen zweifeln Agnes und der Dichter, ob es sich tatsächlich um ein Schiff handelt. Es könnte ein moderner babylonischer Turm sein, meint der Dichter, mit einem Telefonmast für den Draht nach oben, zu den Göttern. Nein, meint Agnes, den Himmel erreicht man durch Gebet. Nun glaubt der Dichter, eine Kompanie Soldaten zu überblicken, die über eine winterliche Heide marschieren, einen Turm besteigen und abzustürzen drohen – kurz bevor das Bild von einer aufziehenden Wolke ausgelöscht wird.

Die Lösung des Welträtsels

Agnes und der Dichter sind wieder bei der Pförtnerin. Agnes verlangt, sie solle „den Lordkanzler und die Dekane der vier Fakultäten“ sowie den Glasermeister holen. Die verschlossene Tür soll endlich geöffnet werden. Dahinter vermutet sie die „Lösung des Welträtsels“. Der Offizier tritt hinzu, herausgeputzt und voller Vorfreude auf seine Victoria. Der Dichter und Agnes haben das Gefühl, diese Szene bereits einmal erlebt zu haben. Oder haben sie sie nur erdichtet? Gar nur geträumt? Der Lordkanzler und die Dekane der theologischen, philosophischen, juristischen und medizinischen Fakultät treten hinzu. Unter der Leitung des Kanzlers beginnen sie eine Debatte, ob die Tür geöffnet werden soll. Schnell entwickelt sich ein Streit, in dem die Dekane einander heftig attackieren. Als sie sich zur Schlichtung des Konflikts an den Kanzler wenden, proklamiert dieser, keine Meinung dazu zu haben und nur von der Regierung eingesetzt worden zu sein, um den Streit der Fakultäten im Zaum zu halten. Als Agnes die Dekane verhöhnt, verbünden sie sich und fordern ihre Bestrafung.

Inzwischen ist die Tür geöffnet worden: Hinter ihr befindet sich – nichts. Die Dekane und die Umstehenden fühlen sich von Agnes getäuscht und wollen sie zur Rechenschaft ziehen. Sie flieht und trifft den Anwalt, der sie an ihre mütterlichen Pflichten erinnert. Agnes spricht von ihren höheren Pflichten und bereut, sich durch ihr Kind an die Erde gebunden zu haben. Sie flieht weiter, zurück zum blumengekrönten Schloss, wo sie ihre Todesstunde nahe fühlt und dem Dichter die Lösung des Rätsels erzählt: Das Leben sei ein Traum. Vor Urzeiten habe Maja, die Weltenmutter, Brama, die göttliche Kraft, verführt. Aus der Vereinigung sei jenes Scheinleben entstanden, das die Menschen seither auf Erden führen, zerrissen zwischen Gegensätzen. Agnes zieht ihre Schuhe aus und verbrennt sie. Jetzt kommen alle herbei und fragen, ob sie die Gegenstände ihres jeweiligen Leidens mitverbrennen dürfen. Agnes verabschiedet sich und sagt, sie kenne nun das Dasein der Menschen, habe es hundertfach am eigenen Leib nachvollzogen, und geht in das brennende Schloss. Die Menschen bleiben verzweifelt davor zurück.

Zum Text

Aufbau und Stil

Ein Traumspiel ist ein kurzes Drama in drei Akten, das mehr als vierzig handelnde Figuren aufbietet. In einer Vorbemerkung erklärt Strindberg, das Stück solle die Form des Traums nachbilden. Das Traumerleben scheint logisch verbunden, ist aber doch völlig losgelöst von Realitätsprinzipien wie Raum, Zeit und Einheit der Person. Tatsächlich bleibt in der rasanten Abfolge sehr kurzer Szenen und Dialoge, die die einzelnen Akte des Dramas bilden, unklar, wie viel Zeit verstreicht: Es könnten einige Minuten, mehrere Jahre oder gar das gesamte Leben des Offiziers sein. Die Räume sind ebenso irreal und gehen, Strindbergs exakten Bühnenanweisungen entsprechend, unvermittelt ineinander über. Die handelnden Personen können miteinander verschmelzen oder sich radikal zwischen einzelnen Szenen verändern; so erkennt etwa der Offizier ab der ersten Hälfte des ersten Aktes Agnes nicht mehr wieder, von der er eben noch schwärmte, und wartet ganz selbstverständlich auf seine Verlobte Victoria. Die meisten Handelnden sind weniger als Individuen, sondern eher als Typen gezeichnet. Dadurch löst Strindberg die Bedeutung der erzählten Geschichte von den konkreten Personen ab und überführt sie in eine objektive Dimension der menschlichen Existenz. Durch diese Beugungen grundlegender dramatischer Prinzipien bricht Strindberg radikal mit der auf Aristoteles zurückgehenden Forderung nach Einheit von Zeit, Raum und Handlung.

Interpretationsansätze

  • Mit Ein Traumspiel nimmt Strindberg die moderne Dramatik vorweg. Im Bruch mit den überlieferten Theaterkonventionen klingen bereits die Avantgardebewegungen wie Dadaismus, Surrealismus oder absurdes Theater an, die zehn bis zwanzig Jahre später folgen sollten.
  • In seiner Traumlogik verarbeitet Strindberg Anregungen durch die Psychonanalyse Freuds. Freuds Traumdeutung entstand nur zwei Jahre vor dem Traumspiel und behandelt Charakteristika des Traumes wie Verdichtung, Sublimierung oder Achronie, die Strindberg in seinem Drama benutzt.
  • Strindberg stand seinerzeit unter dem Eindruck indischer Religion und Philosophie. So ist etwa Agnes die Tochter des indischen Gottes Indra und gibt mit „Das bist du auch!“ eine der Hauptlehren des vedantischen Hinduismus wörtlich wieder.
  • Das Hauptmotiv des Dramas ist das Elend des menschlichen Daseins. 1907 schrieb Strindberg, das scheinbar so unzusammenhängende Traumspiel spiele letztlich dieses eine Thema, wie ein Musikstück, in zahlreichen Variationen immer wieder durch.
  • Das Traumspiel weist einige autobiografische Aspekte aus dem Leben Strindbergs auf. Vor allem dessen intensive, aber kurze und unglückliche Ehe mit der Schauspielerin Harriet Bosse wird im Stück immer wieder verarbeitet, etwa in den Worten des Anwalts, der die Ehescheidung als schlimmste Aufgabe seines Berufs beschreibt.
  • Eine religiöse Dimension dominiert die Erzählstruktur des Dramas: Die Protagonistin wird als Indras Tochter von so gut wie allen Handelnden als Stellvertreterin der Götterwelt angesprochen, der sie die Ungerechtigkeit und Brutalität der menschlichen Existenz berichten und klagen.

Historischer Hintergrund

Das Unbehagen am Fortschritt

Die Jahrzehnte um den Beginn des 20. Jahrhunderts waren von historisch außerordentlicher politischer Stabilität und wirtschaftlicher sowie wissenschaftlicher Prosperität gekennzeichnet. Nach der Niederlage Napoleons zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte die fast hundert Jahre andauernde Phase der Pax Britannica ein, mit fast unumstrittener weltpolitischer Alleinherrschaft des Britischen Imperiums. Die Folgen dieser Hegemonie waren ein ungewöhnlich lang andauernder Frieden sowie die Ausbreitung des Kapitalismus als beherrschendes Wirtschaftssystem. Das wiederum führte zu Fortschrittsoptimismus, der zusätzlich durch die Erfolge von Wissenschaft, Technik und Industrialisierung befeuert wurde. Gegen diese Entwicklung formierte sich in Kunst und Geistesleben allerdings zunehmendes Unbehagen. Um die Jahrhundertwende gaben in Frankreich und Deutschland die künstlerischen Strömungen des Fin de siècle und der Décadence einer unheilschwangeren Mischung aus Langeweile, hysterischer Überspanntheit und nihilistischem Gedankengut Ausdruck. Die deutschen Einigungskriege, insbesondere der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, störten zunächst nur kurz den Frieden, verursachten jedoch eine erbitterte Rivalität zwischen Frankreich und Deutschland, die sich 1914 im Ersten Weltkrieg erstmals entlud. Dessen Brutalität bereitete dem zivilisatorischen Optimismus ein abruptes Ende.

Entstehung

Als August Strindberg 1899 fünfzig Jahre alt wurde, hatte er gerade eine schwere psychische Krise durchlebt. Drei Jahre lang, von 1894 bis 1897, hatte er sich vollständig von der Literatur verabschiedet und in Paris eine zurückgezogene Existenz am Rande des Wahnsinns geführt, alchemistische Experimente und obskure Naturstudien betrieben, dem Okkultismus gehuldigt und sich zeitweilig in Verfolgungs- und Größenwahn verloren. So hatte er in dem norwegischen Maler Edvard Munch den Anführer eines geheimen Mordkomplotts gegen ihn zu erkennen geglaubt. Nun, am Anfang des 20. Jahrhunderts, war Strindberg wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und begann seine letzte, produktivste und wirkmächtigste Schaffensperiode. In den jetzt entstehenden Werken brach er endgültig mit den Konventionen des Dramas und brachte seine künstlerische Vision voll zum Ausdruck. Zwischen 1898 und 1901 schrieb er die wegweisende Dramentrilogie Nach Damaskus, in der er seine psychische Krise verarbeitete und erstmals eine dem Traum entnommene Erzählform anwandte. Erstmals in seinem Leben kam Strindberg in dieser Phase in den Genuss finanzieller Sicherheit sowie breiter Anerkennung seines Schaffens. 1900 lernte er die norwegische Schauspielerin Harriet Bosse kennen. Schnell entbrannte zwischen den beiden eine intensive Liebesbeziehung, Harriet wurde schwanger und bereits am 6. Mai 1901 heiratete das Paar. Doch schon während der Hochzeitsreise durch Deutschland begann eine lange Folge von Konflikten und Versöhnungen, Dramen und Wiedergutmachungen, die die Ehe, Strindbergs dritte, schließlich scheitern ließ. Im Jahr der Hochzeit arbeitete Strindberg an einem Drama, das er mehrmals umschrieb und unbenannte und das er schließlich im Frühjahr 1902 als Ein Traumspiel abschloss.

Wirkungsgeschichte

Im März 1902 kam Strindbergs Tochter Anne-Marie auf die Welt, doch im weiteren Verlauf des Jahres verschärfte sich die Ehekrise der Strindbergs. Immer wieder zog Harriet aus der gemeinsamen Wohnung in Stockholm aus, 1904 ließen sie sich scheiden. Endgültig trennten sich ihre Wege aber erst, als Harriet 1908 den Schauspieler Anders Wingard heiratete. Ein Jahr davor verkörperte sie bei einer Aufführung des Traumspiels die Agnes.

Zahlreiche Komponisten haben Ein Traumspiel vertont. So schrieb Emil von Reznicek bereits 1915 eine Bühnenmusik für das Drama. Julius Weisman und Aribert Reiman stellten 1925 bzw. 1965 Opernfassungen des Traumspiels vor. 1992 wurde Ingvar Lidholms schwedische Oper Ett Drömspel in Stockholm uraufgeführt. Eine weitere Opernversion, The Growing Castle, komponierte 1968 Malcolm Williamson.

Das Drama wurde nach Wilhelm Semmelroths Erstverfilmung 1959 auch von Johan Bergenstråhle 1980 und Unni Straume 1994 für TV-Produktionen verfilmt. Die bekannteste filmische Adaptation stammt von Ingmar Bergman, auf dessen Schaffen Strindberg enormen künstlerischen Einfluss ausübte. Bergman legte 1963 eine knapp zweistündige Verfilmung des Dramas durch das schwedische Fernsehen vor.

Heute wird Ein Traumspiel als Vorläufer wichtiger Strömungen und Werke der künstlerischen Moderne gewürdigt, etwa des Expressionismus oder des Surrealismus. Insbesondere der Einfluss des Stückes auf Bertolt Brecht ist deutlich. Die Philosophiegeschichte sieht im Traumspiel zudem einen Vorläufer des französischen Existenzialismus und dessen pessimistischen Weltbildes. Strindberg selbst hat Ein Traumspiel unter all seinen literarischen Werken als das beste eingeschätzt. Heute gilt es als eines der Hauptwerke, nicht nur der dritten und letzten Schaffensphase, sondern des gesamten Schaffens von August Strindberg.

Über den Autor

August Strindberg wird am 22. Januar 1849 als viertes von acht Geschwistern in Stockholm geboren. Sein Vater ist mittelständischer Kaufmann, die Mutter hat vor der Heirat als Hausangestellte gearbeitet. Durch den Tod der Mutter 1862 verschlechtert sich das ohnehin angespannte Verhältnis des Jungen zum Vater. Nach einem heftigen Streit 1876 werden die beiden sich nie wieder begegnen. Nach dem Abitur beginnt Strindberg in Uppsala mit dem Studium der Medizin, nebenbei jobbt er als Lehrer und versucht sich als Schauspieler. Eine Zeit lang arbeitet er bei der Tageszeitung Dagens Nyheter und schreibt das historische Stück Meister Olof (Mäster Olof, 1872). In diese Zeit fällt auch seine Bekanntschaft mit der Schauspielerin Siri von Essen, die er 1877 heiratet und mit der er drei Kinder bekommt. Zwei Jahre darauf erlebt er mit dem satirischen Roman Das rote Zimmer (Röda rummet, 1879) seinen literarischen Durchbruch. Mit seinen obrigkeitsfeindlichen Werken eckt er an. Nach dem Erscheinen der Satire Das neue Reich (Det nya riket, 1882) muss er Schweden verlassen und lebt mit seiner Familie zeitweise im französischen und schweizerischen Exil. Die Novellensammlung Heiraten (Giftas, 1884) bringt ihm in seiner Heimat ein Verfahren wegen Gotteslästerung ein. Zwar wird er freigesprochen, doch in der Folge leidet Strindberg unter psychischen Störungen. Nach seiner Scheidung 1891 geht er nach Berlin, wo er die Journalistin Frieda Uhl heiratet. Doch schon bald trennt sich das Paar, das eine gemeinsame Tochter hat. Strindberg zieht nach Paris, wo er schwere paranoide und depressive Zustände erleidet. Nach dieser Krisenzeit kehrt Strindberg in guter Verfassung nach Schweden zurück und schreibt zwischen 1898 und 1907 über 25 Werke, darunter Der Totentanz (Dödsdansen, 1901). Er heiratet die Schauspielerin Harriet Bosse, doch auch seine dritte Ehe ist nicht von langer Dauer. 1907 gründet er in Stockholm das Intima Teater, für das er viele sozialkritische Stücke verfasst. Strindberg stirbt am 14. Mai 1912 in Stockholm an Magenkrebs. Zehntausende Menschen folgen auf den Straßen seinem Sarg.

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