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Fiktionen
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Fiktionen

Erzählungen 1939–1944

Buenos Aires, 1944
Diese Ausgabe: Fischer Tb, 2015 Mehr

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Literatur­klassiker


Worum es geht

Die Fiktion der Wirklichkeit

Warum dicke Romane schreiben, wenn man alles, was man sagen möchte, in wenigen Minuten mündlich darlegen kann, fragt Jorge Luis Borges im Vorwort zu seinem 1944 erschienenen Erzählband Fiktionen. Programmatisch kündigt er an, seine Texte seien nur Kommentare zu fiktiven Büchern. Tatsächlich kommen viele der hier versammelten Kurzgeschichten, die Borgesʼ Weltruhm begründeten, im Gewand des Essays daher. Mit ihren Fußnoten und genauen Quellenangaben geben sie sich hochseriös und wissenschaftlich, nur um sogleich ins Fantastische, Surreale abzugleiten. Die durchgehende Vermischung von Fiktion und Realität, Traum und Wirklichkeit ist das Markenzeichen von Borgesʼ Erzählungen – ob es sich dabei um Pseudoessays, vermeintlich realistische Berichte oder Detektivgeschichten nach dem Vorbild von Edgar Allan Poe handelt. Im ironischen Spiel mit Formen, das den Autor zu einem Wegbereiter der Postmoderne macht, kommt seine tiefe Skepsis gegenüber der menschlichen Vernunft und Erkenntnisfähigkeit zum Ausdruck: Was wir Realität oder Geschichte nennen, ist in Wahrheit nur ein Konstrukt.

Zusammenfassung

Tlön, Uqbar, Orbis Tertius

Auf der Suche nach der Quelle eines Zitates in einer Enzyklopädie stellen der Erzähler und sein Freund Bioy Casares 1935 fest, dass das Land Uqbar, nach den Angaben in jener Enzyklopädie im Irak oder in Kleinasien gelegen, nur in einem einzigen Exemplar dieses Werks erwähnt wird. Auch in anderen Nachschlagewerken, Atlanten oder Geschichtswerken findet sich kein Hinweis auf ein solches Land. Auch bleibt der Artikel in der Enzyklopädie seltsam vage: Er nennt Flüsse und Bergketten in Uqbar, ohne das Land genau zu lokalisieren. Über die Literatur des Landes heißt es, sie sei fantastisch und beziehe sich nie auf die Realität, sondern nur auf die Fantasiereiche Mlekhnas und Tlön.

Zwei Jahre darauf erbt der Erzähler von einem Bekannten seines Vaters ein Buch über einen Planeten namens Tlön; auf der ersten Seite des Buches steht „Orbis Tertius“. Die Bewohner von Tlön sind, laut Buch, radikale Idealisten, ihre Welt ist nicht räumlich, sondern zeitlich bestimmt. Ihre Sprache kennt keine Substantive, was jedes Deduzieren und Klassifizieren unmöglich macht. Metaphysik halten sie für einen Zweig der fantastischen...

Über den Autor

Jorge Luis Borges wird am 24. August 1899 in Buenos Aires als Sohn eines Rechtsanwalts und Psychologiedozenten und Autors geboren. Borges, der väterlicherseits von Engländern abstammt, wächst zweisprachig auf und liest sich schon früh durch die umfangreiche Bibliothek seines Vaters. In Genf, wohin die Familie 1914 wegen mehrerer Augenoperationen des Vaters zieht, lernt er Deutsch und Französisch. Nach dem Abitur lebt Borges zeitweise in Spanien und verfasst hier erste Prosa- und Lyrikwerke. 1921 kehrt die Familie nach Buenos Aires zurück. Borges schreibt Beiträge für Literaturzeitschriften und veröffentlicht seinen ersten Gedichtband: Buenos Aires mit Inbrunst (Fervor de Buenos Aires, 1923). Ab 1938 arbeitet er als Bibliothekar im Staatsdienst und übersetzt unter anderem Poe, Kafka, Hesse und Virginia Woolf ins Spanische. Bald darauf erscheint sein erster Erzählband Der Garten der Pfade, die sich verzweigen (El jardin de los senderos que se bifurcan, 1941), doch trotz positiver Aufnahme auch des Bandes Fiktionen (Ficciones, 1944) kann Borges nicht vom Schreiben leben. Unter dem von ihm verabscheuten Diktator Juan Perón quittiert er 1946 den Staatsdienst und ist an verschiedenen Institutionen als Literaturdozent tätig. Nach Peróns Rücktritt im Jahr 1955 wird Borges trotz seiner erblichen Sehschwäche zum Direktor der argentinischen Nationalbibliothek ernannt. Ab seinem 55. Lebensjahr ist Borges völlig blind und auf die Hilfe seiner Mutter angewiesen, doch mit der Unterstützung seiner Freunde ist er weiterhin schriftstellerisch tätig und unternimmt lange Lesereisen durch Europa. Er wird mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 1967 heiratet er seine Jugendfreundin Elsa Astete Millán, doch die Ehe wird nach drei Jahren wieder geschieden und Borges zieht zu seiner Mutter zurück, bei der er bis zu ihrem Tod 1974 lebt. Als kränkend empfindet der Perón-Gegner Borges die Kritik von linker Seite an seinem Konservativismus. Im April 1986 heiratet er seine langjährige Sekretärin María Kodama. Borges stirbt am 14. Juni 1986 in Genf.


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