Navigation überspringen
Germania
Buch

Germania

Rom, 98–111 n. Chr.
Diese Ausgabe: Artemis & Winkler, 2001 Mehr

Literatur­klassiker

  • Anthropologie
  • Römische Antike

Worum es geht

Bewundernswerte Barbaren

Germania ist ein erstaunliches Buch. Nicht nur ist es die einzige erhalten gebliebene ethnografische Einzelschrift der Antike. Es besticht auch durch die Prägnanz, mit der der Römer Tacitus das unheimliche Volk im Norden fassbar macht. Dies tut er mit einer Mischung aus Dünkel, Furcht und Bewunderung: Die Wildheit und Unkultur der Barbaren widert ihn zwar an, gleichzeitig aber lobt er deren Einfachheit und Unverdorbenheit – genau jene Eigenschaften, die er im dekadenten Rom vermisst. Während er die materielle und sexuelle Gier seiner Landsleute beklagt und sie des Sittenzerfalls bezichtigt, malt er das Leben der Germanen in bunten Farben und lobt ihre Tugenden, so seltsam sie ihm auch scheinen mögen. Das ist aus heutiger Sicht an vielen Stellen lustig, an anderen stimmt es verblüffend genau mit der heutigen Wahrnehmung der Deutschen überein. Beklemmend wird die Lektüre erst, wenn man die Wirkungsgeschichte des kleinen Werks in Betracht zieht: Als Warnung für die stolzen Römer geschrieben, befeuerte es ironischerweise den deutschen Germanenkult in der Romantik ebenso wie im Nationalsozialismus – aber dafür kann ja Tacitus nichts.

Zusammenfassung

Land und Leute

Germanien wird durch die Flüsse Rhein und Donau, durch Gebirge und durch den Ozean begrenzt. Benachbarte Völker sind die Gallier, die Räter, die Sarmaten und die Daker. Es geht die Legende, dass es Ulixes (Odysseus) auf seinen Irrfahrten nach Germanien verschlagen habe; Asciburgium (Asberg bei Moers) soll von ihm gegründet worden sein. Das Volk der Germanen ist nicht vermischt mit anderen Völkern. Für Nichtgermanen gibt es auch gar keinen Grund, sich in den unwirtlichen Landschaften niederzulassen. So sind die Germanen ein reines, unverwechselbares Volk geblieben: Sie haben alle blaue Augen und rotblondes Haar, sind groß und plump, kräftig, aber nicht ausdauernd. Ihr Land mit seinen Wäldern und Sümpfen ist entsetzlich. Obstbäume gedeihen dort nicht, Getreide allerdings schon. Das Vieh ist von kleinem Wuchs. Silber- und Goldvorkommen fehlen, zumindest hat noch niemand danach gesucht, denn die Germanen sind gewöhnlich nicht interessiert an den Edelmetallen. Nur diejenigen, die in Nachbarschaft zu den Römern leben, haben gelernt, sie als Zahlungsmittel anzunehmen. Die Stämme, ...

Über den Autor

Cornelius Tacitus wird vermutlich um 55 n. Chr. geboren, möglicherweise in Südgallien, der heutigen Provence; die Region ist ihm jedenfalls vertraut. Über sein Leben ist nur wenig bekannt. Vereinzelte Informationen finden sich in seinen eigenen Texten und in denen anderer Autoren, vor allem seines Freundes Plinius des Jüngeren. Um das Jahr 77 n. Chr. verlobt er sich und heiratet kurze Zeit danach; das Leben seines Schwiegervaters Julius Agricola beschreibt er später in Agricola (98 n. Chr.). Wohl im selben Jahr verfasst er die Germania, in der er jenes Volk nördlich der Alpen charakterisiert, das sich zum gefürchtetsten Gegner der Römer entwickelt hat. Wie viele ehrgeizige junge Römer besucht Tacitus die Rhetorenschule, die auf eine Karriere als Anwalt und Politiker vorbereitet, und durchschreitet dann die übliche Ämterlaufbahn bis hin zum Konsul. Zwischen 112 und 114 n. Chr. regiert er als Prokonsul die Provinz Asia, die dem westlichen Teil der heutigen Türkei entspricht. Plinius der Jüngere beschreibt ihn als besonders begabten Redner und Anwalt. Beide, Plinius und Tacitus, werden im Jahr 100 n. Chr. vom Senat mit der Anklage gegen Marius Priscus, den ehemaligen Statthalter der Provinz Africa, beauftragt: Dieser soll die Bewohner der Provinz erpresst haben. Tacitus’ Hauptwerke sind die Historien und die Annalen, sie machen ihn zum bedeutendsten Historiker Roms. Die Historien, fertiggestellt um 109 n. Chr., behandeln die Periode vom Vierkaiserjahr 69 n. Chr. bis zum Ende der flavischen Dynastie 96 n. Chr. In den Annalen, an denen er vermutlich bis zu seinem Tod arbeitet, widmet er sich der Geschichte vom Tod des Kaisers Augustus 14 n. Chr. bis zum Tod Neros im Jahr 68 n. Chr. Tacitus hat einen ausgeprägten Sinn für Spiritualität, er ist Mitglied einer der bedeutendsten römischen Priesterschaften. Er stirbt vermutlich um das Jahr 120 n. Chr.


Kommentar abgeben oder Diskussion beginnen

Mehr zum Thema

Vom gleichen Autor