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Germinal

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Germinal

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Klassenkampf pur: Émile Zolas packender Roman über Liebe und Leid im Kohlerevier.


Literatur­klassiker

  • Politischer Roman
  • Naturalismus

Worum es geht

Spannende Sozialkritik

Zola brachte das Kunstwerk auf die viel zitierte Formel: „ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament“. In Germinal muss dieses Temperament jenes eines empörten Moralisten gewesen sein, der auf die Kohlekumpel schaut. Emotional und sozial engagiert wird deren bedrückendes Leben in den 1860er Jahren geschildert. Kinderarbeit, Hungerlöhne und Grubentote gehören zum Alltag, und das Grundübel, das dies alles verschuldet, ist die ungerechte Macht des Geldes. Doch bei allem gerechten Zorn, Germinal ist nicht in Schwarz-Weiß gemalt: hier die guten Arbeiter, dort das böse Kapital. Dafür ist Zola zu sehr Realist. Seine Romane sollen objektiv erzählen und ergründen, wie sowohl Arbeiter als auch Kapitalisten leiden, lieben, kämpfen. Zola begab sich stets mitten in die Konfliktherde hinein. 1884 reiste er nach Anzin und machte sich ein Bild vom dortigen Kohlestreik. Sein erklärtes Ziel war es, zwar bei der Wahrheit zu bleiben, den Leser aber auch durch Melodramatik und Mitgefühl zu fesseln. Selten wurde so hautnah und lebensecht erzählt wie im Germinal. Zolas Sozialkritik hat ihre Vitalität und Berechtigung bis heute bewahrt.

Take-aways

  • Zolas populärer Roman Germinal ist ein Hauptwerk des Naturalismus.
  • Inhalt: Der Maschinist Étienne Lantier heuert im nordfranzösischen Kohlerevier als Bergmann an und leidet mit den Einheimischen unter den miserablen Arbeitsbedingungen. Als die Grubengesellschaft die ohnehin schon niedrigen Löhne weiter senkt, organisiert er einen Streik und beschwört damit eine Katastrophe herauf.
  • Germinal ist der 13. Roman des 20-bändigen Zyklus Die Rougon-Macquart.
  • Der Zyklus verfolgt die sozialen Turbulenzen des 19. Jahrhunderts über die Generationen einer Familie hinweg.
  • Germinal verkettet zwei große Konflikte: Arbeit versus Kapital und Liebe versus Eifersucht.
  • Zola begreift den Roman als angewandte Naturwissenschaft. Er soll die sozialgenetischen Gesetze eines Milieus erforschen.
  • Der Titel Germinal bezieht sich auf den gleichnamigen Monat des französischen Revolutionskalenders und verweist auf eine Gesellschaft im Aufbruch.
  • Alle Personen und Ereignisse des Romans gruppieren sich um einen Leitgedanken: den Klassenkampf von Arbeit und Kapital.
  • Zola wurde zu dem Roman durch die sozialen Probleme in der nordfranzösischen Bergbauregion angeregt, die er selbst vor Ort in Augenschein nahm.
  • Zitat: „Das Kapital war das Resultat der Ausbeutung, die Arbeit hatte die Pflicht und das Recht, diesen geraubten Reichtum zurückzuerobern.“

Zusammenfassung

Der Fremde

Der Maschinist Étienne Lantier irrt durch den Norden Frankreichs. In Lille hat er seinen Chef geohrfeigt, woraufhin er gefeuert wurde. Nun findet er keine neue Arbeit, auch nicht im Voreux, einer Kohlegrube nahe der Ortschaft Montsou, wohin Étienne in der achten Nacht seiner Suche gelangt. Lange betrachtet er den Förderturm, die Maschine, die Ausfahrt der Nachtschicht, dann macht er sich wieder auf den Weg. Doch da hält ihn der Bergmann Toussaint Maheu zurück. Eine Wagenstößerin sei über Nacht gestorben, Étienne könne ihren Platz einnehmen. Die Arbeit unter Tage ist gefährlich und knochenhart, doch in der Frühstückspause verzaubert ihn Maheus 15-jährige Tochter Catherine. Étienne wird redselig, erzählt von seiner Familie, bekommt Lust, Catherine zu küssen, doch der hagere Chaval tritt dazwischen und fällt rüde über das Mädchen her. Abends gelangt Étienne völlig erschöpft wieder ans Tageslicht. Kein zweites Mal will er diese Tortur über sich ergehen lassen. Doch Maheu beschafft ihm einen Kredit und eine Bleibe. Der Schankwirt Rasseneur, ein ehemaliger Bergmann, der nach einem Streik entlassen wurde, nimmt Étienne freundlich auf. Sie haben einen gemeinsamen Bekannten: den Pariser Aktivisten Pluchart. Étienne zögert noch, doch als er in Catherines helle Augen schaut, beschließt er zu bleiben.

Luxussorgen

Auf der Piolaine, dem Gut der Grégoires, verschläft die 18-jährige Cécile den Morgen, obwohl die heiße Schokolade dampft und die Brioche duftet. Ihr Vater Léon Grégoire, ein Aktionär der Grubengesellschaft von Montsou, kann sich den Müßiggang seiner Familie leisten. Die Arbeit der Bergleute hat ihn sehr reich gemacht. Für ihre Nöte empfindet er allerdings Mitgefühl. Maheus Frau darf deshalb an den Frühstückstisch treten. Sie hat zwei ihrer sieben Kinder dabei und klagt ihr Leid, worauf sie ein Päckchen Kinderkleider und die Hälfte der Brioche erhält. Das dringend benötigte Geld wird ihr aber ausgeschlagen. Bei Maigrat, dem Krämer, hat sie mehr Glück: Er gewährt ihr einen Kredit – aber nur, weil er ein Auge auf Catherine geworfen hat. Bei allen Familien, denen er etwas leiht, verlangt er von der Tochter eine Gegenleistung.

Der Traum von einer besseren Welt

Mit der Zeit gewöhnt sich Étienne an die Schufterei unter Tage. Die Bergleute akzeptieren ihn, und er steigt zum Hauer auf. Nur sein Verhältnis zu dem Liebespaar Catherine und Chaval bleibt angespannt. In seiner Unterkunft debattiert er mit dem russischen Anarchisten Suwarin über Politik. Der Russe setzt auf totale Zerstörung. Nur auf den Trümmern der alten Welt könne eine neue, bessere errichtet werden. Étienne hält sich dagegen an Pluchart, mit dem er in Briefkontakt steht und der angeregt hat, eine Sektion der Internationale einzurichten. So könnten die Arbeiter Druck auf die Grubengesellschaft ausüben.

„In der weiten Ebene, unter der sternlosen, undurchdringlichen, pechschwarzen Nacht, folgte ein Mann einsam der Landstraße von Marchiennes nach Montsou, einem zehn Kilometer langen Pflasterband, das die Rübenfelder schnurgerade durchschnitt.“ (S. 7)

Im August heiratet Maheus Sohn Zacharie seine Nachbarin, mit der er bereits zwei Kinder hat. Den dadurch frei werdenden Schlafplatz bei den Maheus übernimmt Étienne. Abends, beim Entkleiden, starrt er begierig auf Catherines nackten, schneeweißen Körper, doch eine unerklärliche Scheu hält ihn davon ab, zu ihr ins Bett zu steigen. Stattdessen versenkt er sich in seine Bücher und lässt sich in eine bessere Welt entführen. Beim Abendessen preist er die angelesenen Ideen. Die große Not macht die Maheus für seine Glücksversprechungen empfänglich.

Eine gestörte Verlobungsfeier

Schwere Zeiten ziehen herauf. Die Grubengesellschaft hat Arbeitstage gestrichen. Am Zahltag gibt es nur halb so viel Lohn wie sonst. Überdies wird ein neuer Tarif eingeführt: Die Schächte sind schlecht ausgezimmert. Ein Schacht stürzte sogar ein, das Geröll erschlug einen Bergmann und verletzte den jungen Jeanlin Maheu. Künftig soll die Auszimmerung extra bezahlt werden, dafür wird der Preis für die abgebaute Kohle gesenkt. Die Bergleute errechnen den Lohnverlust. Sie wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen und beschließen, den Voreux zu bestreiken. Der Streik bricht aus, als Cécile Grégoire und Paul Négrel Verlobung feiern. Eine Delegation der Arbeiter stört das Festessen. Maheu trägt die Forderungen vor: Abschaffung des neuen Tarifs plus Lohnerhöhung. Grubendirektor Hennebeau, Négrels Onkel, versucht zunächst, die Gruppe zu spalten. Da sie aber zusammenhält, speist er sie mit vagen Versprechungen ab.

Streik!

Auch nach zwei Wochen hat der Streik immer noch nichts Gutes bewirkt. Die Bergleute beschließen, in einem Tanzlokal eine geheime Versammlung abzuhalten. Pluchart wird als Gastredner erwartet, doch Rasseneur hat ihn ausgeladen: Seine radikalen Parolen würden niemandem helfen. Étienne wirft er vor, nur auf eine Karriere in der Internationale aus zu sein. Die beiden geraten in Streit, ehe Pluchart überraschend doch erscheint. Der fein gekleidete Pariser hält eine flammende Rede und gewinnt die Bergleute für die Internationale. Doch Not und Elend wachsen weiter. Die Maheus verscherbeln ihr Hab und Gut, ihnen bleibt nur noch das Betteln. Da macht ein böses Gerücht die Runde: Bald soll wieder eingefahren werden. Dafür stünden Arbeiter aus Belgien bereit. Die Bergleute berufen im Wald eine zweite, größere Versammlung ein. Étienne ergreift das Wort. Sachlich lässt er den Verlauf des Streiks Revue passieren, dann geißelt er die Manöver der Grubengesellschaft und fordert kämpferisch, dass die Ausbeutung der Arbeiterklasse abgeschafft gehöre und Reichtum und Macht neu verteilt werden müssten. Beifall brandet auf. Rasseneur mahnt zur Besonnenheit, doch die Menge giert nach Gewalt. Alle Gruben sollen zum Streik gezwungen werden. Chaval, eifersüchtig auf Étiennes Erfolg, verkündet lautstark, er selbst werde für den Streik in der Grube Jean-Bart sorgen.

„Eine halbe Stunde fraß der Schacht so die Menschen, mit einem mehr oder weniger gierigen Zug, (...) immerzu hungrig, mit einem riesenhaften Gedärm, das in der Lage war, ein ganzes Volk zu verdauen.“ (S. 44 f.)

Um vier Uhr früh eilt Direktor Deneulin zum Jean-Bart. Er verheißt allen Arbeitern den Ruin, sollte die Arbeit nicht wieder aufgenommen werden, doch keiner hört ihm zu. Da greift er sich Chaval und verspricht ihm eine Beförderung zum Steiger. Kurz darauf fahren die ersten Arbeiter auf Chavals Betreiben in die Grube ein. Unter Tage bricht Catherine ohnmächtig zusammen: Sie hat giftiges Gas eingeatmet. Der sonst so brutale Chaval belebt sie und kümmert sich überraschend zärtlich um sie, doch das Glück währt nur kurz. Panik bricht aus: Die Streikenden vom Voreux haben die Förderseile gekappt. Die Bergleute müssen sich durch einen engen Schacht über gut 100 Leitern nach oben quälen. Dort empfängt sie eine aufgebrachte Menge. Étienne hebt sogar den Pickel, um auf Chaval einzuschlagen, doch Catherine hält ihn schreiend davon ab. Die Bergleute ziehen durchs Kohlerevier und legen die übrigen Gruben still.

Die Leiden des Direktors Hennebeau

Allein zu Hause grübelt Direktor Hennebeau über Maßnahmen gegen den Streik. Da fällt ihm der Brief ein, den sein Neffe Négrel für ihn aufgesetzt hat. Er geht in dessen Zimmer und stöbert lustlos in der Unordnung, will schon gehen, da bemerkt er auf dem zerwühlten Bett den Flakon seiner Frau. Es ist offensichtlich: Sie betrügt ihn mit Négrel. Hennebeau wird trübsinnig und beneidet die Bergleute und ihre Frauen, die wild und ungehemmt miteinander schlafen können, während er sich der Etikette der gehobenen Gesellschaft verpflichtet fühlt. Allmählich gewinnt er wieder die Fassung und liest ein Schreiben der Grubengesellschaft. Da wird ihm klar: Sie setzt auf Eskalation. Hennebeau handelt und fordert Soldaten an.

Lynchjustiz

Eine Menschenmenge zieht zu Hennebeaus Villa, bald fliegen die ersten Steine. Die Menge brüllt: „Tod der Bourgeoisie!“ Frau Hennebeau, Cécile und Deneulins Töchter kehren mit Négrel von einem Ausflug heim. Die Menge bestürmt sie aufgebracht, doch Négrel lotst die Damen geschickt durch eine Seitentür. Allein die verängstigte Cécile kommt nicht vom Fleck. Die Frauen betasten ihren Pelz, Jeanlin kriecht ihr unter den Rock und der alte Vincent Maheu umfasst ihren Hals und versucht, sie zu erwürgen. Da sprengt Deneulin mit dem Pferd in die Menge, und Négrel kann seine Verlobte retten. Étienne ruft aus: „Auf zu Maigrat!“ Der Krämer hat im Haus der Hennebeaus vergeblich um Schutz gebeten, jetzt versucht er, über das Dach in seinen Laden einzusteigen. Da rutscht er plötzlich ab und stürzt auf den Lattenzaun. Ein Zacken bohrt sich in seinen Schädel. Die Menge umringt triumphierend die Leiche. Eine der Frauen greift in seine Hose, reißt ihm den Penis heraus und spießt diesen auf einen Stab.

Die Armee greift ein

Nach dem Tumult besetzt die Armee die Gruben. Die Gendarmerie fahndet nach Étienne, dem Anführer des Streiks, doch der hält sich in einer stillgelegten Grube, dem Réquillart, versteckt. Jeanlin versorgt ihn dort mit Diebesgut. Étienne zweifelt nun am Sinn des Streiks: Eines von Maheus Kindern ist bereits den Hungertod gestorben. Zudem ekelt Étienne die Vulgarität der Bergleute. Er träumt von einer politischen Karriere. Im Schutz der Nacht schleicht er ins Gasthaus. Dort triumphiert der besoffene Chaval: Der Streik sei beendet, die Belgier stünden bereit, morgen werde wieder eingefahren. Étienne gerät in Rage und schlägt seinen Rivalen nieder. Dieser rappelt sich auf, zückt ein Messer und stürmt auf Étienne los, der ihm schon den Rücken zugekehrt hat. Da schreit Catherine auf und vereitelt den Angriff. Wütend schmeißt Chaval seine Geliebte in den Schmutz und verlässt das Lokal.

„Sie schwitzte und keuchte, und ihre Gelenke knackten, aber sie ertrug es, ohne zu klagen, mit der Gleichgültigkeit der Gewöhnung, als ob es das selbstverständliche Los aller wäre, so unterjocht zu leben.“ (über Catherine, S. 69 f.)

60 Soldaten sollen die Einfahrt der belgischen Arbeiter in den Voreux sicherstellen. Étienne redet auf den Hauptmann ein, um ihn für die Sache der Arbeiterklasse zu gewinnen. Die Soldaten richten ihre Bajonette gegen die Menge der Streikenden, werden aber weiter abgedrängt. Da befiehlt der Hauptmann, die Gewehre zu laden. Als die ersten Ziegelsteine fliegen, drücken die Soldaten ab und richten ein Blutbad an. Ein letzter, vereinzelter Schuss trifft Maheu. Damit ist der Streik gebrochen. Am Tag danach feiert das Bürgertum den Sieg. Hennebeau wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Da aber die Pariser Zeitungen über das Blutbad berichten, versucht die Grubengesellschaft die Wogen zu glätten und lässt gelbe Zettel an die Mauern kleben: Die Forderungen der Bergleute sollen geprüft und die Unruhestifter verschont werden, sofern sie die Arbeit wieder aufnehmen. Nur Deneulin resigniert: Er musste seine Grube unter Wert verkaufen. Der Erlös reicht kaum, um seine Schulden zu tilgen.

Die Tat des Anarchisten

Es schlägt Mitternacht. Suwarin seilt sich heimlich in den Voreux hinab bis zu einer Stelle, wo das Grundwasser die Verschalung in den Förderschacht gedrückt hat. Er löst die Schrauben, sägt die Bohlen an und achtet penibel darauf, sein Werk nach Sabotage aussehen zu lassen. Ein plötzlicher Wasserschwall reißt ihn fast in den Tod, doch er kann sich rechtzeitig nach oben hangeln. Gegen neun Uhr bricht die Verschalung. Es schießt mehr Wasser in die Grube, als abgepumpt werden kann. Einige Bergleute, unter ihnen Étienne, Catherine und Chaval, bemerken den Einbruch zu spät: Der Förderschacht ist durch die Bohlen versperrt. Über Tage begreift Négrel sofort, dass nicht alle Bergleute die Ausfahrt geschafft haben. Mutig seilt er sich ab, gelangt aber nur bis zu den quer liegenden Bohlen. Fassungslos stellt er die Sabotage fest. Dann setzt das große Beben ein, und die Grube sackt krachend in sich zusammen. Von ihr bleibt nur ein großer Trümmersee. Négrel ordnet an, sich vom Réquillart zum Voreux durchzugraben. Am dritten Tag hört Zacharie Maheu ein Lebenszeichen, am zwölften bringt er unachtsam Grubengas zur Explosion und wird in den Tod gerissen. Währenddessen besichtigen die Grégoires, was vom Voreux übrig geblieben ist. Für die Familie Maheu haben sie Essen und Schuhe mitgebracht. Cécile bleibt kurz mit dem alten Vincent Maheu allein. Sie erkennt ihren Peiniger wieder – da umfasst dieser schon ihren Hals und erwürgt sie.

Bittersüßes Glück

Die unter Tage Eingeschlossenen irren durch die Schächte. Als sich die Gruppen trennen, bleiben Étienne und Catherine allein zurück. Das steigende Wasser treibt die beiden in höher gelegene Schächte. Schließlich geraten sie in eine Sackgasse. Zu allem Überfluss kämpft sich auch noch Chaval zu ihnen durch. Er lässt nichts unversucht, seinen Rivalen zu provozieren. Als er sich über Catherine hermacht, schlägt ihm Étienne mit einem Felsbrocken den Schädel ein. Ohne Licht und Essen harren die beiden aus. Die Angst wächst, die Luft wird dünn, das Wasser schwemmt Chavals Leiche an. Mit der Zeit überwinden sie ihre Scheu und schlafen miteinander. Als Étienne Catherine noch einmal liebkosen will, hält er ihren toten Körper in den Armen. Da lösen sich aus der Wand erste Brocken, ein Licht flackert und Étienne ist gerettet. Sechs Monate verbringt er im Krankenhaus. Als der Frühling kommt, verlässt Étienne das Kohlerevier. Während er nach Paris wandert, meint er das Hämmern der Bergleute zu hören und frohlockt: Da regt sich die schwarze Armee, die bald aufbegehren und sich Gerechtigkeit verschaffen wird.

Zum Text

Aufbau und Stil

Germinal folgt im Aufbau der Struktur eines klassischen Dramas: Die ersten drei Teile gehören der Exposition an und stellen die beteiligten Familien und ihre Lebensumstände vor. In den Teilen vier und fünf entspinnt sich die Intrige: Der Konflikt zwischen Arbeitern und Bürgern verschärft sich. In den Teilen sechs und sieben kommt es zur Katastrophe, gefolgt von einem Epilog. Zola lässt die Geschichte von einem allwissenden Erzähler wiedergeben, er protokolliert jeden Handlungsschritt mit exakten Orts- und Zeitangaben und schildert Land und Leute, indem er realistische Genauigkeit mit symbolischer Aufladung paart. Die Sprache hält sich möglichst getreu an das geschilderte Milieu und vermengt die Fachbegriffe des Bergbaus mit den Redensarten der Bergleute.

Interpretationsansätze

  • Der Roman vereint realistische und symbolistische Züge. So sind z. B. 30 seiner 40 Kapitel von der Farbe Schwarz geprägt. Realistisch gehört die Schwärze zur Nacht, zur Kohle und zur Arbeit unter Tage; symbolistisch steht sie für Tod und Trauer.
  • Der Titel Germinal hält beide Züge zusammen: Einerseits benennt Germinal im französischen Revolutionskalender den „Keimmonat“ und verweist auf eine Gesellschaft im Aufbruch. Andererseits ließ der bürgerliche Nationalkonvent am 12. und 13. Germinal des Jahres III (d. h. am 1. und 2. April 1795) die Pariser Hungerrevolte niederschlagen. Zola schätzte den Titel als „Sonnenstrahl, der das gesamte Werk erhellt“.
  • Alle Figuren und Ereignisse werden um einen Leitgedanken gruppiert: den Klassenkampf von Arbeit und Kapital. Dieses Aufeinanderprallen zweier Welten wird auch in der Komposition des Romans ausgedrückt: Auf das Elend der Maheus folgt der Luxus der Grégoires. Dem langen Schlaf Céciles geht Catherines frühes Erwachen voraus. Die Hungerrevolte platzt ins üppige Verlobungsessen.
  • Der Autor spinnt zwei Erzählfäden zu einem: Der eine gilt dem Drama von Liebe und Eifersucht, der andere dem von Elend und Revolte. Dadurch wirken alle persönlichen Belange immer auch gesellschaftlich, das Individuum auch vom Milieu bestimmt.
  • Zola arbeitet als Romanautor wie ein Mediziner oder Soziologe. Sein Roman soll ein Stück angewandter Naturwissenschaft sein und mit literarisch-emotionalen Mitteln ein Milieu erforschen.
  • Diese Methode machte als Naturalismus Schule. Sie zehrt von den Theorien des Philosophen Hippolyte Taine, für den das soziale Leben von Naturgesetzen geregelt ist, die sich aus der historischen Situation, dem Milieu und der biologischen Vererbung ergeben. Bei Zola sind es genau diese drei Momente, die den Alltag der Bergleute bestimmen.
  • Das Milieu verengt die Handlungsspielräume. Die Bergleute kleben an den tradierten Ordnungen und halten ihr Schicksal für unveränderlich. Es braucht darum einen Boten aus der Fremde, der das Milieu veränderlich und romantauglich macht. Étienne Lantier impft den Bergleuten revolutionäres Gedankengut ein, doch damit beschwört er zwangsläufig die Katastrophe herauf. Von den revolutionären Ideen bleibt am Ende nur ein Hoffnungsschimmer.

Historischer Hintergrund

Eine Gesellschaft im Umbruch

Mitte des 19. Jahrhunderts geriet Frankreich in starke Turbulenzen. 1852 putschte sich Napoleon III. an die Macht und begründete das Zweite Kaiserreich. Der neue Herrscher pflegte eine auffällig ungleiche Politik. Er bekämpfte machtvoll Opposition und Presse, während er die Fabrikanten und Spekulanten mit größten Freiheiten ausstattete. Diese Form der Staatsführung ließ die industrielle Produktion zunächst rasant anwachsen. Frankreich stieg zu einer großen Wirtschaftsmacht auf, musste aber auch zermürbende Kolonialkriege führen, um neue Absatzmärkte zu erschließen.

Durch die prosperierende Industrie wurden massenhaft Arbeiter vom Land in die Städte gelockt, wo sie als neue Klasse, als Proletariat, in großer Armut lebten. Vor allem folgten auf den Boom immer wieder schwere Krisen. Die Arbeitslosigkeit stieg, die Löhne brachen ein, und das Proletariat zettelte erste Revolten an: Zunächst streikten die Seidenweber in Lyon, dann die Drucker in Paris, schließlich die Bergleute in Aubin und Le Creusot. 1864 erhielt die Arbeiterklasse erstmals politische Unterstützung: Das „Manifest der Neunundsechzig“ forderte die soziale Gleichberechtigung.

1871 verlor Frankreich den Krieg gegen Deutschland. Napoleon III. musste abdanken, die Dritte Republik wurde ausgerufen. Kaum gegründet, begehrte die Pariser Kommune gegen sie auf und trat für eine Räterepublik ein. Die Armee schlug den Aufstand nieder. Die „blutige Maiwoche“ wirkte jedoch als Fanal: Die Forderungen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit waren nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Die Arbeiterbewegung bekam zögerlich Versammlungs- und Pressefreiheiten eingeräumt, allerdings blieben sie an strenge Auflagen gebunden. Immerhin konnte sie sich in kleinen Gewerkschaften oder sozialistischen Gruppen organisieren und ihren Belangen fortan Gehör verschaffen. 1876 löste sich die 1864 in London gegründete internationale Arbeiterorganisation (die Erste Internationale) wieder auf: Der Kommunist Karl Marx und der Anarchist Michail Bakunin hatten sich zerstritten.

Entstehung

Zola hatte vor allem ein literarisches Vorbild: Honoré de Balzac. Dessen auf 137 Teile konzipierter Romanzyklus Die menschliche Komödie regte ihn zu einem ähnlichen Werk an: Die Rougon-Macquart. Die Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich. In 20 Bänden entwarf er ein umfassendes Bild der epochalen Umbrüche jener Zeit, ließ allerdings auch Erfahrungen aus der Dritten Republik einfließen. Jeden Roman verlegte er in ein bestimmtes Milieu: in das der Kaufleute, der gehobenen Prostituierten, der Eisenbahner oder Börsenspekulanten. Dabei dürften ihn auch die Sozialromane der Brüder Goncourt beeinflusst haben.

Zu Germinal, dem 13. Roman seiner Serie, inspirierten Zola die sozialen Probleme in der nordfranzösischen Bergbauregion. Im Februar 1884 traten die Bergleute von Anzin in Streik. Zola verließ Paris, erkundete die Lage vor Ort und hielt seine Beobachtungen schriftlich fest. Über die Krankheiten der Bergleute, die Bergbautechnik und den Sozialismus informierte er sich ausführlich in Fachbüchern und Zeitungsartikeln. Insgesamt arbeitete Zola an Germinal weniger als ein Jahr.

Wirkungsgeschichte

Germinal kam im März 1885 als Buch heraus und wurde sehr rege beachtet. Zolas Naturalismus empörte viele Leser: Die Konservativen warfen ihm eine Manie des Hässlichen, Obszönen und Trivialen vor. Die katholische Kirche setzte Zola sogar auf den Index und verbot damit die Lektüre seiner Werke unter Strafe der Exkommunikation. Thomas Mann nannte Zola später halb bewundernd, halb verächtlich einen „epischen Giganten, von viehischer Sinnlichkeit, stinkender Übertriebenheit, unflätiger Kraft“. Linke Kritiker hingegen mokierten sich über den vermeintlich naiven Ton: Zola erfasse nur die Symptome, blende aber die tieferen gesellschaftlichen Ursachen aus.

Dessen ungeachtet galt Zola bald als Kopf einer neuen literarischen Schule, des Naturalismus. Dieser schwappte sogar nach Deutschland über und zog Dramatiker wie Gerhart Hauptmann und Arno Holz in seinen Bann. Germinal gilt heute als der populärste Roman innerhalb des Rougon-Macquart-Zyklus und wurde mehrfach verfilmt: Albert Capellani machte 1913 mit einem Stummfilm den Anfang, Claude Berri ließ 1993 ein über zweistündiges Epos folgen. Gérard Depardieu spielte darin den Maheu, Miou-Miou dessen Frau.

Über den Autor

Émile Zola wird am 2. April 1840 in Paris geboren, verbringt seine Kindheit aber in Aix-en-Provence. Dort gehört der spätere Maler Paul Cézanne zu seinen Freunden. Zolas Vater, ein italienisch-österreichischer Ingenieur, stirbt 1847. Die Mutter zieht daraufhin wieder nach Paris, wo sie sich als Putzfrau und Schneiderin durchschlägt. Zola fällt in Paris gleich zweimal durchs Abitur, er arbeitet bei der Zollbehörde als Schreiber, später im Verlag Hachette als Lagerist, dann als Werbeleiter. 1867 gelingt ihm mit seinem Roman Thérèse Raquin der Durchbruch. Im Rahmen des Romanzyklus Les Rougon-Macquart (Die Rougon-Macquart) schreibt er binnen 24 Jahren 20 Romane. Seine größten Erfolge erzielt er mit L’Assommoir (Der Totschläger, 1877) und La débâcle (Der Zusammenbruch, 1892). Nach Germinal (1885) erscheint 1886 L’Œuvre (Das Werk), nach dessen Lektüre Cézanne empört die Freundschaft abbricht, da er sich in dem Text auf unvorteilhafte Weise porträtiert sieht. Zola mischt sich auch ins politische Zeitgeschehen ein. Berühmt wird er 1898 für seinen offenen Brief an den Staatspräsidenten Félix Faure mit dem Titel J’accuse („Ich klage an“). Darin bezieht er kritisch Stellung zur Affäre um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der aufgrund gefälschter Beweise als Hochverräter verurteilt wurde. Der Brief beschert Zola eine einjährige Gefängnisstrafe, der er sich jedoch durch die Flucht nach England entzieht, wo er eine deprimierende Exilzeit verlebt. Am 29. September 1902 stirbt Zola in seiner Pariser Wohnung. Als Todesursache gilt eine Rauchvergiftung. Ob es ein Mord oder ein Unfall gewesen ist, bleibt ungeklärt. 1908 werden Zolas sterbliche Überreste ins Pariser Pantheon überführt.

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