- Drama
- Neue Sachlichkeit
Worum es geht
Ein Alptraum der Gemütlichkeit
Eigentlich ist die Welt in dieser stillen Straße im achten Bezirk von Wien ja ganz in Ordnung: ein Metzger, eine Tabakbudenbesitzerin und ein Spielwarenhändler gehen ihren alltäglichen Geschäften nach. Da wird gesungen und geschunkelt, geflirtet und geflucht, sich gepaart und getrennt. Ein naives Mädchen, längst verlobt, wirft sich einem ausgemachten Schurken an den Hals, bezahlt ihren Ausbruch mit dem Tod ihres Kindes und landet am Ende doch in den Armen ihres ungeliebten, aber braven Bräutigams. Eine ganz normale Geschichte, möchte man meinen, wie sie fast täglich in der Zeitung steht. Doch genau in dieser scheinbaren Alltäglichkeit und in der zur Schau gestellten Gemütlichkeit liegt ihr Schrecken. Hinter den Masken gesitteter Kleinbürger glotzen uns albtraumhafte Ungeheuer an: Da sticht ein Metzger wonnevoll eine Sau ab und denkt dabei an seine verflossene Verlobte. Eine alte Frau stellt ihren unehelich geborenen Urenkel in die Zugluft und behauptet, ein "Bankert" habe kein Lebensrecht vor Gott. Kritiker warfen Horváth bitterbösen Zynismus vor. Seine Antwort darauf: Er schildere die Welt nur so, wie sie "halt leider ist". Und tatsächlich: Personen, Dialoge und Situationen kommen uns auch heute noch merkwürdig bekannt vor. Eigentlich sind unsere Nachbarn, Eltern und Kollegen ja ganz in Ordnung. Aber was, wenn sie einmal die Masken fallen lassen?
Zusammenfassung
Über den Autor
Ödön von Horváth wird am 9. Dezember 1901 im ungarischen Fiume (dem heute kroatischen Rijeka) als unehelicher Sohn österreichisch-ungarischer Eltern geboren. Sein Vater ist Diplomat, sodass Ödön von klein auf immer wieder umzieht: zunächst nach Belgrad, dann nach Budapest, München, Pressburg und Wien, wo er 1919 sein Abitur macht. Anschließend besucht er an der Münchner Universität theater-, kunst- und literaturwissenschaftliche Seminare. Er verlässt die Universität ohne Abschluss und nimmt sich vor, Schriftsteller zu werden. Ab 1923 wohnt er abwechselnd bei seinen Eltern im oberbayerischen Murnau und in Berlin. 1927 wird sein erstes Theaterstück Revolte auf Côte 3018 uraufgeführt. Im selben Jahr lehnen die bayerischen Behörden seinen Antrag auf Einbürgerung ab. Horváth behält die ungarische Staatsbürgerschaft. Zwei Jahre darauf sichert ihm ein Vertrag mit dem Ullstein Verlag über sein gesamtes schriftstellerisches Werk ein Einkommen. 1931, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, werden die erfolgreichsten Volksstücke Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wiener Wald uraufgeführt. Horváth siedelt nach immer heftigeren Anfeindungen seitens der politischen Rechten 1933 nach Wien über. Seine Stücke dürfen nun in Deutschland nicht mehr gespielt werden. Er heiratet, lässt sich aber wenige Monate darauf wieder scheiden. 1934 wird er auf eigenen Antrag hin in den nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Schriftsteller aufgenommen und führt ein recht unstetes Leben zwischen Wien und Berlin. Unter dem Pseudonym H. W. Becker arbeitet er an einigen trivialen Drehbüchern für die deutsche Filmindustrie mit. Als ihm das Deutsche Reich 1936 die Aufenthaltserlaubnis entzieht, bleibt er ganz in Wien. 1937 erscheint in einem Amsterdamer Exilverlag der Roman Jugend ohne Gott, eine Anklage gegen die Nazidiktatur. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich flieht Horváth über Budapest, Prag, Zürich und Amsterdam nach Paris. Er stirbt am 1. Juni 1938, als er während eines Gewitters auf den Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast getroffen wird.
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