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Handorakel und Kunst der Weltklugheit
Buch

Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Huesca, 1647
Diese Ausgabe: Kröner, 1992 Mehr

Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Überlebenskunst in einer feindlichen Welt

Der Ehrliche ist der Dumme – diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch der spanische Jesuit Baltasar Gracián, der im 17. Jahrhundert lebte, enge Verbindungen zur gehobenen Gesellschaft unterhielt und die Ränke der Reichen und Mächtigen miterlebte, kam zu diesem Schluss: Mit Ehrlichkeit und Gutmütigkeit kommt man nicht weit; wer Erfolg haben will, braucht Beziehungen, muss sich verstellen können und die Machenschaften seiner Mitmenschen durchschauen. Aber zugleich weiß Gracián, dass Erfolg allein kein sinnvolles Leben ausmacht – dazu gehören auch Aspekte wie Weisheit, Gelassenheit und persönliche Reife. In seiner Schrift Handorakel und Kunst der Weltklugheit versucht er, einen Mittelweg aufzuzeigen zwischen dem Wunsch nach einem sinnvollen und glücklichen Leben und der Notwendigkeit, in einer Welt voller Intrigen erfolgreich zu sein und sich zu behaupten. Viele seiner exakt 300 Ratschläge erweisen sich als überraschend modern: Positiv denken, die eigenen Fähigkeiten nutzen, Beziehungen aufbauen, die Zeit gut einteilen – diese Tipps könnten auch aus der Ratgeberliteratur unserer Zeit stammen. Graciáns Werk ist darum alles andere als veraltet, sondern hat dem heutigen Leser noch viel zu sagen.

Zusammenfassung

Wege zum Erfolg

Eine wichtige Voraussetzung für Erfolg ist es, seine Begabungen zu nutzen: Wer erfolgreich sein möchte, sollte sich nicht zu etwas zwingen, was ihm gar nicht liegt, sondern stattdessen seine individuellen Fähigkeiten ausbauen und nutzen. Man darf sich auch nicht mit Unwichtigem verzetteln, sondern muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Was einem im Leben wichtig ist und was man unbedingt erreichen möchte, sollte man möglichst bald in Angriff nehmen und nicht auf später verschieben. Manche Menschen sind sehr aktiv und fangen viele Dinge an, bringen aber nie etwas zu Ende; also haben sie auch keinen Erfolg. Denn für den Erfolg ist nicht entscheidend, dass man überhaupt etwas unternimmt oder dass alles vorschriftsmäßig erledigt wird, sondern nur, dass man sein Ziel erreicht; deshalb muss man vor allem auf ein gutes Ende hinarbeiten. Erfolgreich kann nur sein, wer sich selbst zu helfen weiß und nicht von der Unterstützung anderer abhängig ist. Bei schwierigen Unternehmungen allerdings ist es besser, sie nicht allein anzugehen. Denn zu zweit fällt alles leichter, und wenn etwas schiefgeht, braucht man den Misserfolg nicht allein zu tragen. Wer dagegen alles...

Über den Autor

Baltasar Gracián y Morales wird am 8. Januar 1601 in Belmonte de Calatayud geboren. Schon im Alter von 18 Jahren tritt er als Novize in den Jesuitenorden ein, 1635 legt er seine Gelübde ab. Als Prediger und Lehrer wirkt er u. a. in Zaragoza, Tarragona, Valencia und Madrid. Etwa ab dem Jahr 1625 besteht seine Freundschaft mit dem wohlhabenden und kunstsinnigen Adligen Vincencio Juan de Lastanosa, der ihn zum Schreiben ermutigt und seine Werke herausgibt. Neben Charakterschilderungen wie El Héroe (Der Held, 1637) und El Discreto (Der Weltmann, 1646) verfasst Gracián eine Abhandlung über Stilkunst. Als sein Hauptwerk kann jedoch der satirische, gesellschaftskritische Roman El Criticón (Das Kritikon) gelten, der in drei Teilen 1651, 1653 und 1657 erscheint. Anerkennung findet dieses Werk erst nach Graciáns Tod, zuvor bringt es seinem Autor viel Ärger ein: Gracián gerät in Konflikt mit den Oberen seines Ordens und wird mit einem Schreibverbot belegt, das er aber nicht einhält. Er verliert daraufhin sein Lehramt und steht zeitweilig unter Arrest. Erst kurz vor seinem Tod kommt es zur Aussöhnung mit der Ordensleitung. Seine Werke mit weltlicher Thematik veröffentlicht Gracián alle unter einem Pseudonym. Inte-ressanterweise verfasst der Jesuit nur eine einzige religiöse Schrift, und auch diese nur, um ein Gelübde zu erfüllen: das Meditationsbuch El Comulgatorio (Die Kommunionsbank), das 1655 erscheint und noch bis ins 19. Jahrhundert hinein in Gebrauch ist. Es wird als einziges Werk unter dem richtigen Namen des Autors publiziert. Von dieser Schrift abgesehen, finden sich in den Büchern Baltasar Graciáns kaum Bezüge zum Christentum. Durch seine Erfahrungen mit der höfischen Gesellschaft vertritt er allgemein eine eher negative Sicht der Welt und des Menschen, die auch in den Lebensregeln des Handorakels ihren Ausdruck findet. Gracián stirbt am 6. Dezember 1658 in Zaragoza.


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