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Herbst des Mittelalters
Buch

Herbst des Mittelalters

Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden

Haarlem, 1919
Diese Ausgabe: Kröner, 2005 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Geschichte
  • Moderne

Worum es geht

Das Spätmittelalter als Epoche des Niedergangs

Huizingas Herbst des Mittelalters ist ein Klassiker der Kulturgeschichte. Der niederländische Historiker lässt vor den Augen des Lesers die Welt des Adels im Burgund und Nordfrankreich des 14. und 15. Jahrhunderts auferstehen. Krieg und Krankheiten, materielle Unsicherheit und der allgegenwärtige Tod prägen den Alltag der Menschen. Der harten Wirklichkeit versuchen sie durch den Traum vom schönen Leben zu entfliehen. In prachtvollen Kunstwerken, religiösen Ritualen und Zeremonien feiern sie das aristokratische Ritterideal – das freilich längst zur inhaltsleeren, oberflächlichen Illusion verkommen ist. Das Spätmittelalter erscheint aus Huizingas Sicht nicht als Epoche des Aufbruchs, sondern des Verfalls. Mit seinem Hauptwerk, das kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs erschien, hat der Autor die Kulturgeschichte, wie wir sie heute kennen, mitbegründet. Mag seine Darstellung auch nostalgisch und subjektiv sein, so wirkt der interdisziplinäre Ansatz doch sehr modern. Die farbige, höchst anschauliche Erzählweise macht auch heute noch den Reiz dieses großen Epochenporträts aus.

Zusammenfassung

Ein Zeitalter der Extreme

Das Leben im 15. Jahrhundert war grell, bunt und voller Gegensätze. Freude und Leid, Glück und Schmerz, Sommer und Winter, Licht und Dunkelheit, Lärm und Stille standen in krassem Kontrast zueinander. Die Menschen waren empfänglich für große Spektakel wie Prozessionen und Hinrichtungen, Predigten und religiöse Zeremonien. Der Alltag des einfachen Volkes bot Platz für glühende Leidenschaft und kindliche Fantasie, das Leben der Fürsten hatte etwas Märchenhaftes, Abenteuerliches. Die Politik war noch nicht bürokratisch eingeschränkt, sondern von menschlichen Gefühlen wie Neid, Hass und Rachebedürfnis gesteuert. Die mittelalterliche Justiz kannte nur zwei extreme Alternativen: grausame Bestrafung oder Gnade. Fragen nach der Zurechnungs- und Schuldfähigkeit, die unser heutiges Rechtsempfinden bestimmen, waren den Menschen fremd. Armen, Kranken und Geisteskranken begegnete man einerseits mit Härte, andererseits mit rührender Barmherzigkeit.

Unsicherheit und Sehnsucht nach Schönheit

Die Abfolge von Misswirtschaften und Hungersnöten, Krankheiten und Kriegen rief ein Gefühl allgemeiner Unsicherheit hervor. Hinzu kam die durch Volksprediger ...

Über den Autor

Johan Huizinga wird am 7. Dezember 1872 in Groningen als Sohn eines Professors für Physiologie geboren. Von 1891 bis 1895 studiert er in seiner Heimatstadt Niederländische Philologie, was Geografie, Geschichte und das altindische Sanskrit einschließt. Nach seiner Promotion 1897, für die er einige Monate in Leipzig verbringt, arbeitet er als Geschichtslehrer an einer Haarlemer Schule und lehrt Indologie an der Amsterdamer Universität. 1905 wird er als Professor für Allgemeine und Niederländische Geschichte nach Groningen berufen. Nach dem frühen Tod seiner Frau wechselt er 1915 an die Universität Leiden, wo er den renommierten Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte und Historische Geografie innehat. Mit Herbst des Mittelalters gelingt ihm 1919 ein Klassiker der europäischen Geschichtsschreibung. Nebenbei arbeitet Huizinga als Redakteur bei De Gids, der führenden liberalen Kulturzeitschrift der Niederlande. Nachdem er in seiner Funktion als Rektor 1933 einen deutschen Kongressteilnehmer wegen antisemitischer Äußerungen der Universität verweist, werden seine Vorträge und Schriften, darunter die Biografie Erasmus von Rotterdam (1924), in Deutschland verboten. In seinem Buch Im Schatten von morgen (1935) beklagt er Traditionsmangel und den allgemeinen Niedergang der Urteilskraft. 1937 heiratet der fünffache Vater zum zweiten Mal. Inmitten der politischen Wirren verfasst er Homo ludens (1939), ein Buch über den Spieltrieb des Menschen. Nach Protesten gegen die deutschen Besatzer wird er 1942 inhaftiert, bald darauf jedoch wieder freigelassen. Zusammen mit seiner Frau und der jüngsten Tochter lebt er verbannt in einem Landhaus bei Arnheim, das ihm zugewiesen worden ist. Am 1. Februar 1945, wenige Tage vor der Befreiung der Niederlande von den Nationalsozialisten, stirbt Huizinga.


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