- Roman
- Moderne
Worum es geht
Wunder gibt es, aber Gott lässt sich ganz schön bitten
Mit märchentypischer Einleitung beginnt die Geschichte von Mendel Singer, der in einem Schtetl an der russisch-polnischen Grenze sein bescheidenes, vollkommen ambitionsloses Leben lebt. Bis Mendel aber zufrieden ausruhen darf, macht er ganz schön was mit. Mit seinem behinderten Sohn Menuchim wäre er eigentlich schon genug geschlagen. Doch Gott schickt weiterhin einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Auch in Amerika, dem neuen gelobten Land, ist Mendel vor Hiobsbotschaften nicht sicher. Joseph Roth erzählt die Geschichte dieses modernen Hiob in einer mächtigen, archaisch wirkenden Sprache, biblisch und zugleich klangvoll lyrisch. Der virtuose Erzähler Roth braucht nicht viele Worte für ein ganzes Leben: Die Story des geplagten, aus seinem Schtetl verpflanzten Mendel, der in Kaftan und Husarenstiefeln durch die Lower East Side von New York schlappt, ist kompakt erzählt und entfaltet eine große Sogwirkung. Wissend, dass Roth hier eigenes Leid verarbeitet, gönnt man ihm und seinem Mendel das unglaubwürdig übertriebene Happy End von ganzem Herzen: Der Krüppel Menuchim ist ein wunderschöner Mann und begnadeter Musiker geworden, charismatisch und weise wie der Messias selbst. Wunder gibt es doch, zumindest im Roman.
Zusammenfassung
Über den Autor
Joseph Roth wird am 2. September 1894 im galizischen Brody bei Lemberg geboren und ist jüdischer Abstammung. Nach dem Studium der Philosophie und Germanistik nimmt er ab 1916 am Ersten Weltkrieg teil, als Feldjäger und Mitarbeiter des Pressedienstes. Ein Jahr zuvor veröffentlicht Roth seine erste Novelle mit dem Titel Der Vorzugsschüler. Während des Krieges schreibt er fürs Feuilleton und verfasst Gedichte. Nach Kriegsende kehrt er nach Wien zurück, aber schon 1920 zieht es ihn nach Deutschland. In Berlin heiratet er Friederike Reichler. Ab 1923 abermals in Wien, veröffentlicht Roth die Romane Das Spinnennetz (1923), Hotel Savoy (1924) und Die Rebellion (1924) in verschiedenen linksgerichteten Zeitungen. 1925 reist er als Korrespondent der Frankfurter Zeitung nach Paris, ein Jahr später geht es in die Sowjetunion, wonach Roth sich vom Sozialismus abwendet. In den folgenden Jahren beschäftigt sich sein schriftstellerisches Werk unter anderem mit dem Judentum im Osten (Flucht ohne Ende, Juden auf Wanderschaft, beide 1927, und Hiob, 1930) und dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie. Dies wird vor allem in Radetzkymarsch (1932) – oft als Roths Hauptwerk bezeichnet – deutlich: Darin begleitet er drei Generationen einer Familie und erzählt parallel dazu den Untergang des Kaiserreichs. Ab 1928 korrespondiert Roth mit Stefan Zweig, woraus sich eine tiefe Freundschaft entwickelt. 1930 wird seine Frau in eine Nervenheilanstalt eingeliefert; zwölf Jahre später wird sie im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten ermordet. 1933 flieht Roth vor den Nazis nach Paris. Seine Arbeit bei diversen Exilzeitschriften wird von seiner zunehmenden Alkoholsucht überschattet: Private Probleme und der Kummer über die politische Entwicklung lassen ihn immer öfter zur Flasche greifen; eine Krankheit, die ihn schließlich auch das Leben kostet. Bis zu seinem Tod am 27. Mai 1939 in einem Pariser Armenhospital erscheint unter anderem der Roman Die Kapuzinergruft (1938), postum erscheinen die Werke Die Legende vom heiligen Trinker (1939) und Leviathan (1940).
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