Max Frisch
Homo faber
Ein Bericht
Suhrkamp, 1977
Was ist drin?
Ein Roman über das Scheitern: Der rein technisch-praktisch orientierte Ingenieur Faber wird mit Liebe, Schuld, Schicksal und Tod konfrontiert.
- Roman
- Moderne
Worum es geht
Das Scheitern des modernen, rationalen Menschen
Homo faber ist der Lebensbericht des erfolgreichen Ingenieurs Walter Faber, der ein mobiles Leben zwischen New York, Paris und seinen Einsatzorten in der Dritten Welt führt. Faber hat eine gefühlsarme Beziehung mit einer Frau, die er eigentlich kaum kennt. Emotionen irritieren ihn; er versucht das Leben auf Messbares zu reduzieren. Durch Zufall wird er mit seiner lange vergessenen Vergangenheit konfrontiert: In den 30er Jahren war er in Zürich mit der Halbjüdin Hanna liiert. Er hatte mit ihr ein Kind gezeugt, verließ sie jedoch aus beruflichen Gründen, im Glauben, sie würde das Kind abtreiben. Nun erfährt er, dass sie noch lebt. Ein zweiter Zufall: Faber lernt die Studentin Sabeth kennen und beginnt ein Verhältnis mit ihr - nicht wissend, dass sie Hannas und seine leibliche Tochter ist. Sabeth stirbt an den Folgen eines Unfalls, und Faber selbst steht am Ende vor einer lebensbedrohlichen Operation und sieht damit dem Tod ins Auge. Der Text belegt eindrucksvoll, wie emotionale Kälte zu fatalen Missverständnissen zwischen den Geschlechtern, zu Leid und Tod führt, und zeigt auf, dass die rein technische Ratio keine menschliche Lebensgrundlage sein kann.
Take-aways
- Homo faber ist eines der meistgelesenen deutschsprachigen Bücher des 20. Jahrhunderts und wurde in 25 Sprachen übersetzt.
- Der Ingenieur Walter Faber symbolisiert den Homo faber, den technisch-praktisch orientierten Menschen, der glaubt, das Leben allein mit Rationalität meistern zu können.
- Auf Gefühle reagiert er verständnislos; Trauer oder Liebe sind nicht in Zahlen auszudrücken und daher für ihn so gut wie nicht existent.
- Faber selbst berichtet rückblickend über sein Leben, teilweise sachlich, teilweise salopp, in privatem, tagebuchartigem Stil.
- Faber ist Repräsentant der Ersten Welt; er ist im Auftrag der UNESCO unterwegs, um der Dritten Welt mit Hilfe der Technik zu Entwicklung und Wohlstand zu verhelfen.
- Beruflich ist Faber erfolgreich, doch die Schuld der Vergangenheit, seine Unfähigkeit zu lieben und seine Bindungsarmut holen ihn ein.
- Der Selbstmord eines Freundes, seine Liebesbeziehung zu einem Mädchen, das sich als seine Tochter herausstellt, und ihr Tod stürzen ihn in ein Gefühlschaos.
- Faber begreift, dass er sich ändern muss, aber es scheint zu spät zu sein: Er leidet an einer lebensbedrohlichen Krankheit.
- Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt, vielmehr erfolgen etliche zeitliche Sprünge und spontane Reflexionen, deren Sinn sich dem Leser erst später erschließt.
- Die karge Sprache spiegelt das verarmte emotionale Leben des Ingenieurs wider: Selbst die größten Katastrophen schildert er sachlich und ohne emotionale Zwischentöne.
- Die Handlung des Romans weist einige Bezüge zu Max Frischs Leben auf, insbesondere die Problematik der Liebe in Zeiten des Antisemitismus und Nationalsozialismus.
- Trotz seines immensen Erfolgs bei Lesern und Kritik wurde das Werk auch als schwach, perspektivlos und thematisch zu nah an Frischs Bestseller Stiller kritisiert.
Zusammenfassung
Notlandung in der Wüste
Der Schweizer Ingenieur und UNESCO-Mitarbeiter Walter Faber lernt auf einem Flug von New York nach Caracas, wo er eine Turbinenmontage überwachen soll, einen Deutschen kennen. Der Mitreisende erinnert ihn an seinen alten Freund Joachim. Er erzählt Faber, dass er im Auftrag seiner Firma nach Guatemala unterwegs ist, um eine Tabakplantage zu inspizieren. Sein Bruder lebe bereits seit einigen Monaten dort. Während des Fluges fallen zwei der vier Propellermotoren der Maschine aus; inmitten der mexikanischen Wüste entschließt man sich zur Notlandung. Diese verläuft glimpflich. Der Aufenthalt in der Wüste dauert vier Tage; es stellt sich heraus, dass der Deutsche Herbert Hencke heißt und tatsächlich der jüngere Bruder jenes Freundes Joachim ist, mit dem Faber einst in Zürich studierte. Später erfährt Faber nebenbei, dass Joachim geheiratet hat, sich jedoch bald darauf wieder scheiden ließ. Als Faber hört, dass die Frau eine Münchner Halbjüdin gewesen sei und Hanna Landsberg hieß, verliert er beinahe die Fassung. Es wird klar, dass er sie kannte. Am dritten Tag landet ein Hubschrauber, der einen der Passagiere ausfliegt und Post mitnimmt. Faber schreibt in einer plötzlichen Eingebung einen Brief an seine New Yorker Freundin Ivy. Er will ihr sagen, dass er sie nicht heiraten wird. Schließlich wird daraus ein Abschiedsbrief. Er fragt Herbert über Hanna aus, erfährt jedoch lediglich, dass sie 1938 in letzter Minute emigrieren konnte.
Tod auf der Tabakplantage
In Mexiko-Stadt angekommen, unterbricht Faber spontan seine Dienstreise, um Herbert zu seinem Bruder Joachim zu begleiten. Auf der gemeinsamen Fahrt dorthin erfährt er, dass Joachim mit Hanna eine Tochter hat. Faber erinnert sich: Hanna musste Deutschland verlassen und studierte in Zürich. Sie und Faber waren ein Paar. Beide dachten nicht an Heirat, wurden jedoch damit konfrontiert, als Hanna von der Ausweisung bedroht wurde. Laut Faber war sie jedoch zu stolz für eine solche Heirat. Er stellte ihr Joachim vor, obwohl Hanna mit Deutschen nichts zu tun haben wollte. Dann bekam Faber ein gutes Angebot für eine Arbeitsstelle in Bagdad. Am Tag, an dem er sich für die Stelle entschied, eröffnete Hanna ihm, dass sie von ihm schwanger sei. Faber reagierte sehr nüchtern. Die Frage, ob sie einen Arzt habe, zu dem sie gehen könne, verstand Hanna als Aufforderung zur Abtreibung, obwohl Faber nur eine allgemeine Untersuchung gemeint haben will.
„Ich habe mich schon oft gefragt, was die Leute eigentlich meinen, wenn sie von Erlebnis reden. Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Ich sehe alles, wovon sie reden, sehr genau; ich bin ja nicht blind. Ich sehe den Mond über der Wüste von Tamaulipas - klarer als je, mag sein, aber eine errechenbare Masse, die um unseren Planeten kreist, eine Sache der Gravitation, interessant, aber wieso ein Erlebnis?“ (S. 24)
Faber und Hencke erreichen nach einer chaotischen Autofahrt die Plantage. Sie finden Joachim in seiner Wellblechbaracke vor - erhängt. Sie bestatten die Leiche; Herbert entscheidet sich, auf der Plantage zu bleiben, um die Arbeit seines Bruders fortzuführen, obwohl er nicht einmal Spanisch kann. Faber macht sich auf den Rückweg. Er erinnert sich, dass er Hanna damals heiraten wollte, und Joachim sollte Trauzeuge sein. Unmittelbar vor der Trauung verließ Hanna das Standesamt, in Tränen aufgelöst behauptete sie, er würde sie nur heiraten, um zu beweisen, dass er kein Antisemit sei. Faber forderte sie vergeblich auf, sachlich zu bleiben. Er verließ Zürich und verabschiedete sich von Hanna am Bahnhof. Es galt als ausgemacht, dass Joachim - Medizinstudent kurz vor dem Abschluss - Hannas Kind abtreiben sollte. Faber hörte danach nie wieder von ihr.
„Ich nannte sie eine Schwärmerin und eine Kunstfee. Dafür nannte sie mich: Homo Faber.“ (S. 47)
Trennung in New York
Am Flughafen in New York wird Faber von Ivy erwartet, seiner 26-jährigen Freundin. Bereits kurz nach der Ankunft in Fabers Wohnung kommt es zum Streit. Er ist aber nicht in der Lage, sich endgültig von ihr zu trennen. Spontan erkundigt er sich telefonisch nach einer Schiffspassage nach Frankreich. So könnte er New York und Ivy bereits am nächsten Tag verlassen und nicht erst in einer Woche, wie ursprünglich geplant. Sie schlafen miteinander. Anschließend fühlt Faber nur Hass, was er ihr auch sagt. Sie reagiert nicht. Er kündigt an, seine Wohnung aufzugeben. Wieder keine Reaktion. Faber stellt fest, dass sein elektrischer Rasierer defekt ist. Er beginnt das Gerät vollständig zu zerlegen, um es zu reparieren. Faber überlegt: Wäre der Rasierer nicht kaputt gegangen, wäre er vermutlich außer Haus gewesen, als die Reederei ihn anrief, um ihm mitzuteilen, dass er seine Tickets unverzüglich buchen müsse, um noch eine Passage zu bekommen. Dann hätte er doch das Flugzeug genommen und wäre seiner Tochter vermutlich nie begegnet …
„Ich glaube, Ivy wollte, dass ich mich hasste, und verführte mich bloß, damit ich mich hasste, und das war ihre Freude dabei, mich zu demütigen, die einzige Freude, die ich ihr geben konnte. Manchmal fürchtete ich sie.“ (S. 66)
Nach dem Kauf des Tickets für die Schiffspassage kehrt Faber in die Wohnung zurück. Ivy scheint die Trennung akzeptiert zu haben. Nach einer mit Freunden und viel Alkohol verbrachten Nacht begleitet Ivy Faber am nächsten Morgen an Bord des Schiffes. Faber fällt auf, dass er über die Frau, die er gerade verlässt, so gut wie gar nichts weiß.
Eine Schiffsbekanntschaft
Faber lernt an Bord Elsbeth kennen, eine deutsche Studentin der Yale-Universität, die er jedoch nur Sabeth nennt. Beide verbringen viel Zeit miteinander. Doch immer wieder denkt Faber an Hanna. Einmal glaubt er, bei Sabeth eine Ähnlichkeit mit Hanna festzustellen. Er erfährt, dass Sabeths Mutter in Athen lebt und dass die Tochter auf dem Weg zurück nach Hause ist. Sie will von Paris aus durch Italien nach Griechenland trampen. Faber findet ihre Jugend erfrischend, ihre Kunstbegeisterung jedoch lächerlich und brüstet sich in einem Gespräch über Paris damit, noch nie im Louvre gewesen zu sein. Gleichzeitig bewundert er ihre technische Auffassungsgabe und freut sich, ihr den Maschinenraum des Schiffes zeigen zu dürfen.
„Ich sagte mir, dass mich wahrscheinlich jedes junge Mädchen irgendwie an Hanna erinnern würde. Ich dachte in diesen Tagen wieder öfter an Hanna. Was heißt schon Ähnlichkeit? Hanna war schwarz, Sabeth blond beziehungsweise rötlich, und ich fand es an den Haaren herbeigezogen, die beiden zu vergleichen.“ (S. 78)
Sabeth sieht in Faber eine interessante Person, bezeichnet ihn jedoch mehrfach als zynisch. Faber betont im Nachhinein, er sei nicht in sie verliebt gewesen. Es kommt der letzte Abend an Bord, ein Ball wird gegeben, zufällig an Fabers 50. Geburtstag. Er wird sentimental. Spontan fragt er Sabeth, ob sie ihn heiraten wolle. Sie will wissen, ob er es ernst meine. Er küsst sie auf Stirn und Augen. Am nächsten Morgen verlassen sie getrennt das Schiff, ohne die Adressen getauscht oder sich verabredet zu haben. In Paris legt Fabers Chef ihm nahe, Urlaub zu machen, weil er überarbeitet sei. Faber ist verstört, sagt, er wisse nicht, was mit ihm los sei. Er geht in den Louvre, um nach Sabeth Ausschau zu halten. Zwei Tage später trifft er sie dort. Faber nimmt nun tatsächlich Urlaub. Sein Chef leiht ihm seinen Wagen.
Reise mit Sabeth
Faber bricht mit Sabeth gen Italien auf. Sie besuchen Pisa, Florenz, Siena, Orvieto und genießen das fantastische Wetter. Etwas anstrengend findet er ihr Kunstbedürfnis, dem er jedoch nachgibt, da es sie glücklich macht. Sie besuchen viele Kulturstätten, die sie besichtigt, während er meist in einer Bar auf sie wartet. Einmal sieht er ihr beim Schlafen zu und fühlt sich dabei an den Kopf einer schlafenden Erinnye (einer griechischen Rachegöttin) erinnert, den sie im Nationalmuseum in Rom betrachtet haben, als bei Faber ein kurzes Interesse für die Kunst aufgeblitzt ist. Sabeth erzählt, ihre Mutter habe Philologie studiert, sei Archäologin geworden und früher schon mal verheiratet gewesen; ihren richtigen Vater kenne sie nicht.
„Ich lebe, wie jeder wirkliche Mann, in meiner Arbeit. Im Gegenteil, ich will es nicht anders und schätze mich glücklich, allein zu wohnen, meines Erachtens der einzigmögliche Zustand für Männer, ich genieße es, allein zu erwachen, kein Wort sprechen zu müssen. Wo ist die Frau, die das begreift?“ (S. 90 f.)
Bei einem Ausflug längs der Via Appia kommt das Gespräch wieder auf Sabeths Mutter, und Faber fragt Sabeth schließlich nach deren Vornamen. Sie heißt Hanna. Nach dem Abfragen weiterer Daten ist er sicher, dass es sich um „seine“ Hanna handeln muss. Er erklärt Sabeth, dass er ihre Mutter gekannt hat. Sie findet das toll und will es Hanna schreiben. Faber ist aufgewühlt, er ist sogar versucht, sich sofort von Sabeth zu trennen, merkt jedoch, wie sehr er sich in sie verliebt hat. Sie verbringen einen weiteren vergnügten Abend miteinander, nach welchem Faber, allein in seinem Hotelzimmer, von den Erinnerungen an die zurückliegenden Tage eingeholt wird. Er berichtet nun von ihrer ersten gemeinsamen Nacht in Avignon. Dort ist Sabeth abends in sein Zimmer gekommen und sie haben miteinander geschlafen.
In Athen
Zeitsprung: Faber erwacht in einem Krankenhauszimmer. Hanna ist bei ihm. Faber betrachtet sie. In der Zwischenzeit hat es offenbar einen Unfall gegeben, denn Faber fragt Hanna, ob Sabeth lebt. Ja, sie lebt, ist die Antwort. Sie unterhalten sich, als hätten sie sich erst kürzlich gesehen. Der Arzt beruhigt Faber und Hanna, es werde gut gehen. Sie fahren im Taxi zusammen zu Hannas Wohnung. Sie finden sich beide nicht verändert, unterhalten sich über Sabeth. Faber glaubt, Hanna sei wütend, weil er sie damals verlassen hat. Sie bestreitet dies und ist im Gegenteil der Überzeugung, eine Hochzeit wäre damals ein großer Fehler gewesen. Er fragt sie, ob Joachim Sabeths Vater ist, bekommt jedoch keine Antwort. Sie reden über Hannas Dasein als selbstständige Frau. Hanna hält ihr Leben für verpfuscht, da sie von Männern verstanden werden wollte, die dazu nicht in der Lage waren; er dagegen bewundert ihre Unabhängigkeit. Schließlich berichtet er ihr, dass Joachim tot ist. Sie behauptet nun, Joachim sei Sabeths Vater, und Faber bejaht ihre Frage, ob er etwas mit Sabeth gehabt habe. Nachts hört er Hanna in ihrem Zimmer schluchzen.
„Ich kann nicht die ganze Zeit Gefühle haben.“ (S. 91)
Faber erinnert sich an eine Tempelbesichtigung am Tag zuvor mit Sabeth. Am Abend beschlossen sie, im Freien zu übernachten, und sie erlebten einen herrlichen Sonnenaufgang. Beide fühlten sich glücklich.
Hanna besucht ihre Tochter im Krankenhaus. Sabeth redet nur wirres Zeug. Hanna fährt mit Faber an den Strand, an dem dieser mit ihrer Tochter den letzten gemeinsamen Tag verbracht hatte, um die dort liegen gebliebene Kleidung zu holen. Er erzählt nun, was passiert ist: Wie er alleine baden ging, wie er Sabeth plötzlich schreien hörte und aus dem Wasser stürzte, wie sie davonlief, er sie einholte, sie vor ihm zurückwich, dabei rücklings eine kleine Böschung hinunterstürzte und ohnmächtig wurde. Und wie er schließlich den Schlangenbiss entdeckte. Hanna fragt ihn geradeheraus, ob er wisse, dass Sabeth seine Tochter sei. Für ihn ist diese Bestätigung kaum mehr nötig. Er erzählt ihr von seiner Idee, nach Athen zu ziehen, um in ihrer beider Nähe zu sein. Hanna ist nicht begeistert.
„Sie findet es dumm von einer Frau, dass sie vom Mann verstanden werden will; der Mann (sagt Hanna) will die Frau als Geheimnis, um von seinem eignen Unverständnis begeistert und erregt zu sein. Der Mann hört nur sich selbst, laut Hanna, drum kann das Leben einer Frau, die vom Mann verstanden werden will, nicht anders als verpfuscht sein.“ (S.140)
Als sie das Krankenhaus erreichen, erfahren sie, dass Sabeth kurz zuvor an den Folgen eines unentdeckt gebliebenen Schädelbasisbruchs gestorben ist, den sie bei dem Sturz am Strand erlitten hat. Man hätte sie retten können, wenn Faber den Ärzten von ihrem Sturz berichtet hätte.
Im Krankenhaus
Faber liegt in einem Athener Krankenhaus und schreibt an seinem Bericht. Hanna besucht ihn täglich, in Trauerkleidung. Sabeths Tod liegt sechs Wochen zurück. Faber wartet nervös darauf, operiert zu werden. Er fragt sich, ob er Krebs hat. Gedanklich beschäftigt er sich ständig mit Hanna, er will sie sogar heiraten. Hanna versucht, ihm ihre Sichtweise von Technik nahe zu bringen - Technik als Flucht vor der Wirklichkeit, Techniker als nicht erlebensfähige Menschen. Er versteht sie nicht. Später denkt er erschrocken über den Verfall seines Körpers nach.
„Diskussion mit Hanna! - über Technik (laut Hanna) als Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen.“ (S. 169)
Rückblick: Nach Sabeths Tod ist Faber über New York nach Caracas geflogen, um die Montage der Turbinen voranzutreiben. In New York kommt er nicht mehr in seine Wohnung: Ivy hat die Schlüssel nicht beim Portier abgegeben, und ein Fremder wohnt nun darin. Faber besucht wieder Herbert Hencke auf der Plantage in Guatemala. Dieser scheint dort glücklich zu sein und will von Europa nichts mehr wissen. In Caracas beginnt die Montage der Turbinen. Faber fällt jedoch wegen starker Magenbeschwerden aus. Die Montage verläuft erfolgreich, auch ohne ihn. Faber fliegt nach Europa zurück, unterbricht die Reise aber für vier Tage in Kuba. Er schlendert durch Havanna und genießt die bunte, lebendige Stadt. Er hat Angst vor Magenkrebs, beschließt, von nun an ein anderes Leben zu führen, und beschreibt seinen Zorn auf den „American Way of Life“. Er erlebt seine Umwelt auf neue Weise, er weint und singt.
„Überhaupt der ganze Mensch! - als Konstruktion möglich, aber das Material ist verfehlt: Fleisch ist kein Material, sondern ein Fluch.“ (S. 171)
In Düsseldorf besucht Faber die Firma Hencke-Bosch, um dem Vorstand über den Zustand ihrer Plantage in Guatemala zu berichten. Dazu will er seine Schmalfilme zeigen. Als Faber sie sichtet, stößt er auf Aufnahmen von Sabeth. Er wird von seinen Gefühlen überwältigt, verlässt die Firma fluchtartig und reist nach Griechenland. Unterwegs kündigt er seinen Job. In Athen lässt er sich wegen seiner Magenbeschwerden im Krankenhaus untersuchen.
„Hanna hat immer schon gewusst, dass ihr Kind sie einmal verlassen wird; aber auch Hanna hat nicht ahnen können, dass Sabeth auf dieser Reise gerade ihrem Vater begegnet, der alles zerstört -“ (S. 203)
Fabers Operation soll in zwei Tagen stattfinden. Seit Sabeths Tod versteht er Hanna nicht mehr. Er fragt sich, wie sie ihn ertragen kann, nach allem, was passiert ist. Er kann nicht schlafen und ist überzeugt, dass ihm nicht mehr zu helfen ist. Dann wiederum will er nicht sterben und nimmt sich vor, zu hoffen, verfasst aber dann doch seinen letzten Willen. Hanna fragt ihn immer wieder, warum Joachim sich erhängt hat. Er weiß es nicht. Sie erzählt, dass sie sich unmittelbar nach Fabers Abreise aus Zürich für das Kind entschieden habe. Hanna fragt ihn, warum er damals, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte, von „deinem“ und nicht von „unserem“ Kind geredet habe. Fabers Bericht endet mit „08:05 Uhr. Sie kommen.“ Es ist Zeit für seine Operation.
Zum Text
Aufbau und Stil
Homo faber ist ein Bericht aus der Perspektive des Ingenieurs Walter Faber. Seine Aufzeichnungen enthalten seinen Lebensbericht ab seiner Studienzeit in den 1930er Jahren bis zur „Echtzeit“ des 50-jährigen Erzählers. Der Text ist in zwei Teile, genannt „Stationen“, gegliedert. Der erste Teil wird von Faber in Caracas verfasst, nachdem die Haupthandlung abgeschlossen ist, nachdem er also, zunächst unwissentlich, eine Beziehung zu seiner Tochter begonnen hat, ihren Tod verschuldet und in ein Gefühlschaos gestürzt ist. Faber will sein Leben ändern und zu Hanna zurückkehren. Der zweite Teil ist mehr im Stil eines Tagebuchs gehalten, mit etlichen präzisen Datumsangaben. Hier schreibt der gewandelte Faber, der kurz vor einer womöglich todbringenden Operation steht. Faber erzählt das Geschehene nicht kontinuierlich, sondern immer dichter verwoben mit der Gegenwart, mit oft unvermittelten Sprüngen ins Vergangene. Erst nach und nach kann sich daher der Leser einen Reim machen auf das, was geschehen ist. Die Sprache ist besonders zu Beginn des ersten Teils durch die nüchtern-pragmatische Sichtweise des Protagonisten geprägt. Technische Abläufe beschreibt er präzise, Emotionen notiert er hingegen bestenfalls in Extremsituationen. Mit der Wandlung des Erzählers ändert sich auch sein Schreiben: Es wird impressionistischer, was besonders bei der Schilderung des Kuba-Aufenthaltes zu Beginn des zweiten Teils auffällt. Vier Tage lang schwelgt Faber in seinen lustvollen Wahrnehmungen der Welt. In scharfem Kontrast dazu stehen die Passagen, in denen er die Gegenwart, seinen Krankenhausaufenthalt und seine Auseinandersetzungen mit Hanna nach Sabeths Tod beschreibt.
Interpretationsansätze
- Der Roman zeigt das Scheitern des Homo faber, des Menschen mit technisch-praktischer Intelligenz, der an nichts glaubt, was sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt. Diese bedingungslose Rationalität wird in dem Werk als lebensabgewandter Zynismus entlarvt. Die Rationalitätsgläubigkeit erscheint als Mythos der Moderne, die den Glauben eben keineswegs abschafft, sondern unter neuem Namen wieder einführt.
- Fabers Leben, von ihm selbst wie auf dem Seziertisch ausgebreitet, wirkt flach, schal und lebensfern, seine überrationalisierte Welt steckt voller Fehleinschätzungen. Trotzdem funktioniert sie nahezu reibungslos - bis das Irrationale und Schicksalhafte in die Welt des Technikers einbricht: Krankheit, Selbstmord, Inzest, Tod der Tochter. Nun bricht Fabers Rationalismus zusammen, und er muss all dem ins Auge sehen, was er immer vermieden hat.
- Fabers zweckmäßige Alltagsmoral, seine Nützlichkeitsethik bringt langfristig nichts: Seine Schuld gegenüber der Jüdin Hanna, die er in den Zeiten des Nationalsozialismus verlassen hat, und seine Weigerung, das gemeinsame Kind zu akzeptieren, holen ihn ein.
- Mit der Figur Faber hat Max Frisch schon früh einen Protagonisten der Globalisierung geschaffen: ein moderner „Leerlaufmensch“, der über den Erdball rast, aber innerlich nicht von der Stelle kommt und dessen Beziehungen blutleer bleiben.
- In den Frauenfiguren des Romans trifft Faber auf seine Gegenspieler: Hanna erkennt und kritisiert die „Weltlosigkeit des Technikers“. Sabeth lehrt den nüchternen Faber das Schauen, die Freude an der Kunst und am Leben.
- Fabers Beziehung zu seiner Freundin Ivy treibt den Mann-Frau-Gegensatz des Romans auf die Spitze: Sie zeigt die Banalität des Bösen zwischen einem Mann, der Frauen nicht ernst nimmt, und einer Frau, die sich selbst nicht ernst nimmt.
Historischer Hintergrund
Die 50er Jahre: Technikglauben und Schuldverdrängung
Wenige Tage bevor Homo faber erschien, schickte die UdSSR ihr erstes bemanntes Raumfahrzeug ins All: Sputnik erschütterte die USA in ihrem Glauben, die technologisch führende Nation zu sein. Der Technikwettlauf während des Kalten Krieges stand im Zeichen des uneingeschränkten Glaubens an die Machbarkeit, dem sich der moderne Mensch verschrieben hat: Es geht nicht um das „ob“, sondern nur um das „wie schnell“. Der Ingenieur Walter Faber ist ein Prototyp dieses modernen Menschen: rational, Poesie und Gefühl ablehnend, fest daran glaubend, dass sich mit Technik alles lösen lässt. Ähnlich wie die Romanfigur Faber glaubten viele UNESCO-Mitarbeiter, der Dritten Welt mit moderner Technik Entwicklung und Freiheit zu bringen. Man warb für einen angeblich ethisch einwandfreien technischen und wirtschaftlichen Fortschritt, der sich im Boom der 1950er Jahre scheinbar wie von selbst einstellte, nachdem der Nationalsozialismus der Menschheit eine ungeheure Katastrophe beschert hatte. Eine Katastrophe, die für viele Menschen unfasslich und unerklärlich war - weswegen denn auch die NS-Zeit in Deutschland, aber auch in der Schweiz gründlich verdrängt wurde. Die Frage, wie man selbst sich während des Nationalsozialismus verhalten hatte, wurde, wenn überhaupt, nur heimlich oder im Unterbewussten verhandelt, ebenso wie z. B. die Tatsache, dass es auch in der Schweiz antisemitische Strömungen gab. Nützlichkeitsdenken ging in der Nachkriegszeit vor Ethik, „nach vorne schauen“ wurde einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vorgezogen. Die andere Seite der Moderne, also das Mythische, Irrationale, aber auch das Brutale und der Tod wurden verdrängt.
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben in ihrer Dialektik der Aufklärung (1947) darauf hingewiesen, dass es das pure Rationale niemals geben könne, weil das Andere, Irrationale, Unerklärliche immer - sozusagen huckepack - dabei sei. Eine Erkenntnis, die in den 50er Jahren nicht populär war: man glaubte lieber an Technik, Fortschritt, Machbarkeit, und der wirtschaftliche Erfolg schien den Menschen Recht zu geben. Dass aber alles Verdrängte irgendwann wiederkehrt und dass auch die „Segnungen des Fortschritts“ ihre Schattenseiten haben, erkannten die Menschen erst in späteren Jahrzehnten.
Entstehung
Frisch schrieb knapp zwei Jahre am Homo faber, von 1955 bis 1957. Einige Gedanken des Buchs hatte er bereits in seinen Tagebüchern 1946-1949 angedeutet: Die Angst, ein junges Mädchen, dem er zufällig begegnet, könnte sein Kind sein; außerdem die Frage, welche Rolle der Zufall im modernen Leben spielt: Ist er das einzige Schicksalhafte, an das wir noch glauben können? Frisch arbeitete den Text mehrfach um, dachte sogar daran, ihn zurückzuziehen, obwohl er bereits in das Herbstprogramm des Suhrkamp Verlages aufgenommen war. Erst 1957 kam ihm die Idee, den Roman in zwei „Stationen“ aufzuteilen, deswegen arbeitete er ihn noch einmal komplett um. Homo faber verarbeitet auch Autobiografisches: Frischs Beziehung zu seiner Kommilitonin Käte Rubensohn, der als Jüdin das Studium in ihrem Heimatland Deutschland verwehrt wurde; sein Heiratsantrag und ihre Ablehnung, weil sie fürchtete, er wolle sie nicht aus Liebe heiraten, sondern weil sie Jüdin war. Er trennte sich kurz darauf von ihr, konnte das Geschehene aber zunächst schlecht verarbeiten. In Homo faber flossen außerdem Frischs Reisen ein; es wirkt fast so, als reiste Faber seinem Autor nach: Houston/Texas, New York, Mexiko, Rom und Griechenland. Trotzdem ist Walter Faber nicht einfach ein Alter Ego des Autors; Frisch nutzte sein eigenes Leben zwar als Material, verfasste aber keine Autobiografie. Mit dem Homo faber verabschiedete er sich auch von einigen Stereotypen seines Frühwerks: Die Frau als Symbol für das Unbegreifliche, Irrationale und Schicksalhafte, im Gegensatz dazu der männliche Rationalist, der außer der Vernunft nichts begreift - beides klingt an, wird aber differenziert dargestellt, weiterentwickelt und mit Brüchen versehen.
Wirkungsgeschichte
Homo faber war ein noch größerer Erfolg als Frischs Romanerstling Stiller; knapp 200 000 Exemplare gingen innerhalb von zehn Jahren über den Ladentisch, inzwischen sind über 4 Millionen verkauft, und der Roman wurde in 25 Sprachen übersetzt. 1991 verfilmte Volker Schlöndorff den Stoff erfolgreich. Das Buch fand zwar ein überwältigendes Echo beim Publikum, allerdings nicht das Wohlwollen aller Rezensenten. Während einige sich geradezu in Lobeshymnen ergingen und fanden, dass Walter Faber die Charakterisierung des modernen Menschen schlechthin sei, kritisierten andere, beispielsweise Walter Jens, dass der Roman gegenüber Stiller kaum Neues biete: Ein Protagonist scheitert an sich selbst oder an der Welt, wird auf gewisse Art sogar zum Mörder und bleibt letztlich allein. 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung überarbeitete Frisch den Text noch einmal: Einige Zeitangaben waren in der ursprünglichen Version zu ungenau, sodass die Reisen Fabers nach Palenque und Guatemala so nicht stattgefunden haben konnten. Frisch war das exakte, zahlenorientierte Wesen seines Protagonisten wichtig genug, um das zu ändern.
Über den Autor
Max Frisch wird am 15. Mai 1911 als Sohn eines Architekten in Zürich geboren. Nach dem Gymnasium beginnt er ein Germanistikstudium, bricht es 1934 ab, arbeitet als freier Journalist, u. a. als Sportreporter in Prag, und verfasst Reiseberichte. Er ist vier Jahre mit einer jüdischen Kommilitonin liiert, die er heiraten will, um sie vor Verfolgung zu schützen, sie lehnt jedoch ab. Ab 1936 studiert er in Zürich Architektur, 1940 macht er sein Diplom. Ein Jahr später gründet er ein Architekturbüro und arbeitet gleichzeitig als Schriftsteller. Er heiratet 1942 seine ehemalige Studienkollegin Gertrud (Trudy) Constance von Meyenburg, mit der er drei Kinder hat. 1951 hält sich Frisch für ein Jahr in den USA und in Mexiko auf. 1954 erscheint sein erster Roman: Stiller. Das Buch ist so erfolgreich, dass Frisch sich nun ganz der Schriftstellerei widmen kann. 1955 löst er sein Architekturbüro auf und bereist die USA, Mexiko, Kuba und Arabien. 1958 erhält er den Georg-Büchner-Preis und den Literaturpreis der Stadt Zürich, ein Jahr später wird seine erste Ehe geschieden. 1960 zieht Frisch nach Rom, wo er fünf Jahre lang mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zusammenlebt – und die 23-jährige Studentin Marianne Oellers kennen lernt. 1961 wird das Theaterstück Andorra uraufgeführt, ein Gleichnis über die fatale Wirkung von Vorurteilen. 1964 erscheint der Roman Mein Name sei Gantenbein. Im Folgejahr übersiedelt Frisch zurück ins Tessin in die Schweiz. 1966 und 1968 unternimmt er größere Reisen in die UdSSR, 1970 folgt wieder ein längerer USA-Aufenthalt. Inzwischen hat er Marianne Oellers, mit der er jahrelang zusammengelebt hat, geheiratet. 1975 veröffentlicht Frisch die autobiografisch gefärbte Erzählung Montauk. Schweizkritische Schriften wie Wilhelm Tell für die Schule (1971) führen in seiner Heimat zu Widerspruch, in Deutschland findet er mehr Anerkennung. 1976 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Max Frisch stirbt am 4. April 1991 in Zürich an Krebs.
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